Mehr IT-Sicherheit und Unabhängigkeit der öffentlichen Verwaltung von IT-Produkten großer Konzerne sind seit Jahren Thema, nicht erst seit dem Mitschnitt einer WebEx-Videokonferenz von Militärs. Seit Jahren soll mehr Open Source Software (OSS) in Behörden eingesetzt werden. Im Dezember 2022 wurde dafür das Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) gegründet, aber nun trotz steigender Relevanz ausgebremst. Wie aus zwei schriftlichen Fragen von Anke Domscheit-Berg hervorgeht, hat das ZenDiS weder die personellen, noch die finanziellen Ressourcen, um die groß gesteckten Ziele zu erreichen, z.B. wie geplant den Open Source Arbeitsplatz für die Verwaltung in 2025 breit auszurollen. Laut Antwort der Bundesregierung hat das ZenDis erst neun Mitarbeiter*innen und nur einen einzigen Auftrag(für die Plattform OpenCoDE) erhalten. Eine zusätzliche Bremse für das ZenDiS ist die fehlende Integration der Länder, obwohl es seit 2022 Beitrittsgesuche gibt. Auch die Vergabepraxis des Bundes stützt bisher zu über 99 Prozent proprietäre Software. Alles das geht zu Lasten der IT-Sicherheit, führt zu bleibend hohen Lizenzkosten und gefährlichen Abhängigkeiten, statt das Ökosystem für Open Source Software zu fördern.

Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitischen Sprecherin der Linken im Bundestag:

„Die Ankündigungen der Ampel-Regierung in Koalitionsvertrag und Digitalstrategie zu mehr Einsatz von Open Source im Bund waren vielversprechend, erste Schritte gingen in die richtige Richtung, z.B. der Aufbau des Zentrums für digitale Souveränität oder die Vorgabe im neuen Onlinezugangsgesetz, dass künftig Open Source Software Vorrang haben soll bei der Digitalisierung der Verwaltung. Aber Absichtserklärungen und die Gründung einer GmbH sind keine ausreichenden Voraussetzungen, um die beschlossenen Ziele auch zu erreichen. Erst im Dezember 2023 antwortete mir die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, dass ab 2025 der breite Rollout des Open Source Arbeitsplatzes im Bund (OpenDesk) erfolgen soll. Mir ist völlig schleierhaft, wie dieses Ziel erreicht werden soll, denn auch ein Jahr nach seiner Gründung gibt es für OpenDesk nur drei Mitarbeiter beim ZenDiS und überhaupt keine Beauftragung durch den Bund, dabei sollte OpenDesk das wichtigste Projekt des ZenDiS sein und ist auch Schwerpunkt einer neuen deutsch-französischen Vereinbarung zur Förderung von Open Source.

Mit nur neun Mitarbeiter*innen, davon nur vier für konkrete Open Source Vorhaben, und einem Budget in 2024 von geradezu lächerlichen 19 Mio, die auf drei große Vorhaben aufgeteilt werden sollen, kann man nicht zeitnah eine stärkere digitale Unabhängigkeit erreichen und damit zur dringend nötigen Steigerung der IT-Sicherheit beitragen.

Kein einziges Bundesland wurde bisher wie geplant am ZenDiS beteiligt, dabei könnte die direkte Beteiligung der Länder zu mehr Beauftragungen und damit zu mehr Ressourcen und mehr Fortschritten bei der Umsetzung von Open Source Vorhaben führen. An der Bereitschaft der Länder liegt es nicht, denn Thüringen hat schon im Juni 2022 eine Absichtserklärung unterschrieben und wartet bisher vergeblich auf das Go des Bundes.

Auch die Vergabepraxis hat mit den Erklärungen der Ampel-Regierung nichts zu tun. So entfielen in dieser Legislatur für die Entwicklung von Software oder für Dienstleistungsaufträge im Zusammenhang mit Software in dieser Legislatur nur 0,5 Prozent auf Open Source, wie aus meiner Kleinen Anfrage vom Dezember 2023 hervorgeht.Ich sehe nicht, wie der krasse Unterschied zwischen gelebter Praxis und Absichtserklärungen verringert werden kann, wenn Vergabevorschriften nicht angepasst werden, der Einsatz von Open Source durch den Bund im Onlinezugangsgesetz nur „soll-Vorschrift“ bleibt statt einer „muss-Vorschrift“ wie im Schweizer Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben, und wenn weiterhin das ZenDiS ausgebremst und massiv unterfinanziert ist. So kann die Ampel-Regierung absehbar eines ihrer wichtigsten digitalpolitischen Koalitionsziele auch bis zum Ende der Legislatur nicht mehr erreichen. Das ist nicht nur für die Ampel peinlich, sondern bedeutet insbesondere weniger IT-Sicherheit, anhaltende Abhängigkeiten vor allem von US-Konzernen, extrem hohe Lizenzkosten (in 2025 laufen die milliardenschweren Lizenzverträge des Bundes mit Microsoft aus) und eine verpasste Chance zur Förderung eines global relevanten Ökosystems für Open Source Software.“

Weiterführende Links:

Meine Frage:

„Welche konkreten Aufträge hat der Bund dem Zentrum für Digitale Souveränität
(ZenDiS) bisher seit Gründung erteilt oder plant deren Erteilung in 2024 (bitte jeweils
Gegenstand und Auftragsvolumen nennen), und wieviel Gesamtbudget steht dem
ZenDiS in 2024 für die Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung, sowohl aus aktuel-
len Haushaltstiteln als auch als tatsächlich vollständig für das ZenDiS nutzbare Aus-
gabereste?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathof:

„Das Zentrum für Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) wurde
seit Gründung mit der „Betriebsleistungen und Dienstleistungen für die OS-Plattform
Open CoDE“ mit einen Auftragsvolumen i.H.v 1.192.827,58 Euro beauftragt.
Grundsätzlich soll das ZenDiS in 2024 mit der Umsetzung und Weiterentwicklung
von
• openDesk,
• OpenConference,
• sowie die Weiterführung von Open CoDE
beauftragt werden.
Für diese Beauftragungen stehen (inklusive der bereits beauftragen Leistungen für
Open CoDE) insgesamt 19.070 T Euro in 2024 zur Verfügung.

Es liegen noch Ausgabereste in Höhe von 25.682 T Euro aus dem Haushaltsjahr
2022 vor. Die tatsächliche Höhe der verfügbaren Ausgabereste steht jedoch erst
nach Abschluss der Haushaltsrechnung 2023 fest. Die Inanspruchnahme der Ausga-
bereste für Beauftragungen des Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI)
bei der ZenDiS GmbH richtet sich dann nach § 45 Abs. 3 Bundeshaushaltsordnung
(BHO).“

Antwortschreiben im Original (geschwärzt):

Meine Frage:

„Wie viele Stellen in Vollzeitäquivalent (VZÄ) hat das Zentrum für Digitale Souveränität
(ZenDiS) zum Stand 1. März 2024, und wie verteilen sich diese Stellen auf die jeweiligen
Aufgabenbereiche des ZenDiS (bitte Stellen als VZÄ für Open CoDE und OpenDesk
getrennt nennen und auch die Anzahl der übrigen Stellen angeben)?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff:

„Mit Stand 1. März 2024 hat die ZenDiS GmbH insgesamt neun Mitarbeitende (MA) in
Vollzeit.
Diese teilen sich wie folgt auf die Aufgabenbereiche auf:

  • 3 MA bei OS Projects (OpenDesk)
  • 1 MA bei OS Solutions (OpenCode)
  • 1 MA bei Recht und Personal
  • 1 MA Community Office
  • 1 MA Assistenz der Geschäftsführung
  • 2 Interimsgeschäftsführer“

Antwortschreiben im Original (geschwärzt):

Eine richtig gute Sache ist die Möglichkeit, Menschen aus dem Wahlkreis für eine zweitägige Besuchsreise nach Berlin und in den Bundestag einzuladen. Und so kamen auf meine Einladung am22. und 23. Februar 2024 anlässlich des anstehenden Frauentages 46 Frauen und 2 Männer nach Berlin.

Besuchergruppe mit MdB auf dem Reichstagsgebäude (Foto: Bundesregierung / StadtLandMensch-Fotografie)

Das Programm war bunt und begann mit einem Besuch des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wo es einen Vortrag über die Arbeitsweise und Struktur des Ministeriums und im Anschluss eine angeregte Diskussion gab.

Meine Gäste interessierten sich dabei vor allem für Themen wie die Kindergrundsicherung, das Elternzeitgesetz, die schleppenden Haushaltsverhandlungen und der viel zu hohe Bürokratieaufwand im Vereinswesen und beim Ehrenamt, denn auch das Thema ehrenamtliches Engagement ist in diesem Ministerium verortet.

Nach dem Mittagessen im Restaurant „Peking Ente“ gab es eine Stadtrundfahrt durch Berlins Zentrum und anschließend den aus Gruppensicht Höhepunkt des ersten Reisetages:

ein besonderes Filmscreening im Karl Liebknecht Haus. In der Sondervorführung wurde der Film „Frauen in Landschaften“ der Regisseurin Sabine Michel gezeigt, in dem vier Politikerinnen aus dem Osten porträtiert werden – eine davon bin ich selbst. Dieser Film passt zum Anlass Frauentag, denn er gibt einen sehr authentischen und ungeschönten Blick hinter die Kulissen der Politik, zeigt unseren Weg in die Politik und unseren Alltag und auch die Schwierigkeiten und Defizite beim Kampf um Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit. Weil der Besuch in einer Sitzungswoche stattfand, konnte ich nur nach dem Film mal auf eine Stippvisite vorbeikommen und habe mich darüber mit den Besucher:innen unterhalten können und alle ihre Fragen beantwortet. Eine willkommene Überraschung war, dass dann sogar noch unsere Parteivorsitzende Janine Wissler, die zufällig im Karl-Liebknecht-Haus war, zu uns stieß und erzählte, dass gerade besonders viele Frauen neu in die Partei Die Linke einträten. Wir freuten uns beide über den Dank der Gruppe für die Einladung und ihre Anerkennung für unsere politische Arbeit.

Nach unserem Gespräch ging es für die Besuchergruppe ins Hotel und für mich zurück in den Bundestag, wo immer noch das Plenum lief. Der zweite Tag stand dann komplett im Zeichen der Bundespolitik und begann mit einem Vortrag im Bundestag über die Arbeitsweise des Parlaments und über das Reichstagsgebäude. Auf der Besuchertribüne konnten die Brandenburgerinnen dann der laufenden Bundestagsdebatte über die Nutzung der Kernfusion folgen und eigentlich sollte es danach eine Stunde Gespräch mit mir geben. Aber wie das manchmal so ist, verschob sich die Tagesordnung und genau in dieser Stunde fand nun ein Tagesordnungspunkt statt, in dem ich selbst eine Rede hielt (es ging um Verwaltungsdigitalisierung und die Änderung des Onlinezugangsgesetzes). Da kann ich natürlich nicht schwänzen, aber glücklicherweise erklärte sich meine Kollegin Susanne Henning-Welsow bereit, an meiner Stelle die Gruppe zu treffen und dort von der Arbeit der Linken im Bundestag zu erzählen, aber auch alle Fragen zu beantworten. Dabei interessierten sich die Besucherinnen unter anderem für das verschlechterte Debattenklima durch vulgäre Sprache und unangemessenes Verhalten von MdB der AfD, aber auch für Themen wie gerechte Besteuerung von Reichen und Altersarmut.

Nach meiner Debatte im Plenum konnte ich wenigstens noch beim Fototermin auf dem Dach des Reichstagsgebäudes dabei sein, wo es bei Sonnenschein einen wunderbaren Blick über die Stadt gab. Für mich hieß es dann wieder zurück ins Plenum zu gehen, die Gruppe nutzte die Möglichkeit des Kuppelbesuchs mit einem Blick ins Parlamentsgeschehen.

Die Zweitagesreise endete mit einem Besuch des Hackeschen Marktes, bevor es mit dem Bus zurück in die Heimat ging. Viel Neues hätten sie alle erfahren hieß es, und dass es zwei sehr schöne und beeindruckende Tage in Berlin gewesen wären, etwas Besonderes eben, und gern würden sie einmal wieder kommen. Über das Lob und den Dank habe ich mich sehr gefreut und hoffentlich habe ich bei der nächsten Besuchergruppe etwas mehr Glück mit der Tagesordnung des Bundestages!

Anke Domscheit-Berg, eine Rede im Plenum haltend

Zu spät und zu wenig ehrgeizig ist das Update zum Onlinezugangsgesetz. Durch 95% Kürzung der Mittel in 2024 werden geplante Fortschritte unwahrscheinlich. Meilensteine während der Ampel-Amtszeit gibt es nicht. Aber einige unserer Forderungen werden endlich (teilweise) umgesetzt.

Meine Rede im Wortlaut:

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Endlich, mit über einem Jahr Verspätung, liegt ein Update für das Onlinezugangsgesetz für eine schnellere Verwaltungsdigitalisierung vor. Einerseits hat es die Chance verpasst für einen großen Wurf. Es ist zu unverbindlich, zu wenig ehrgeizig und hoffnungslos unterfinanziert. Andererseits ist es trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung. 

Die Schriftform wird durch digitale Identifizierung ersetzbar, Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit werden verbindlich, der Bund stellt Basisdienste bereit. Und ja, das alles sind Selbstverständlichkeiten, aber nicht gelebte Praxis bisher. 

(Manuel Höferlin (FDP): Ja, genau!)

Alle drei Jahre soll es eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation geben, und das ist super. Vielleicht belegt ja die erste im Jahre 2027, dass das bisherige Monitoring Schönfärberei ist. Die Fortschrittsmessung muss endlich ehrlich und bürgerorientiert werden. Das fordert auch der Bundesrechnungshof.

(Beifall bei der Linken)

Verbindliche Standards sind eine wesentliche Grundlage für den Datenaustausch zwischen Behörden und kommen leider erst in zwei Jahren und auch nur für Leistungen des Bundes. Der Rechtsanspruch auf digitale Dienste kommt sogar erst in vier Jahren, auch nur für Dienstleistungen des Bundes und nach Buchstaben des Gesetzes auch nur für den Onlinezugang, also das digitale Einreichen von Anträgen. Aber immerhin: Alle 115 Dienstleistungen des Bundes sollen in fünf Jahren Ende-zu-Ende digitalisiert sein, also schon 2029 – zwölf Jahre, nachdem das erste Onlinezugangsgesetz in Kraft trat. Das meine ich mit „zu wenig ehrgeizig“.

(Beifall bei der Linken)

Übrigens: Kein einziger Meilenstein liegt in der Amtszeit der Ampel. 

Besonders kritisch finde ich aber: Auf meine schriftliche Frage gab die Bundesregierung zu: Für die Umsetzung fehlt ihr das Geld. – 95 Prozent Kürzung der Haushaltsmittel für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in 2024! 

Aber heute stimmen wir nicht über Haushaltsmittel und die unsinnige Schuldenbremse ab, sondern über das neue Onlinezugangsgesetz. Das sind zwar nur ein paar Trippelschritte, aber Sie gehen nach vorn. Daher gibt es trotz Kritik Zustimmung zum Gesetzentwurf von der Linken. 

Vielen Dank. 

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Volker Redder (FDP) – Maik Außendorf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So geht konstruktive Oppositionsarbeit, Herr Amthor!)


ADB im Plenum

Meine zu Protokoll gegebene Rede zur internationalen Digitalstrategie:

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleg:innen

Die internationale Digitalstrategie der Ampel ist voll von schönen Worten, von Menschenrechten bis Nachhaltigkeit. Aber sie enthält keinerlei konkretes Ziel, keine Ressourcen für ihre Umsetzung, keinen Zeitplan und keinerlei Meilensteine. Da ist vielfach die Rede von „wir streben oder regen an“, „wir stärken oder fördern“. Aber wie denn? Kein Wort zu Maßnahmen, Fördergeldern oder Investitionen!

Außerdem steht die Internationale Digitalstrategie im eklatanten Widerspruch zum Regierungshandeln. So schützt nach dieser Strategie die Ampel-Koalition die „Grund- und Menschenrechte, online wie offline“. Aber in der Praxis schweigen Kanzler und Außenministerin zum Schicksal von Julian Assange, dem Gründer der digitalen Whistleblower-Plattform WikiLeaks. Dabei wäre seine Auslieferung an die USA ein Frontalangriff auf die Pressefreiheit! Und bei der KI-Verordnung stimmte die Ampel-Regierung für die biometrische Identifikation im öffentlichen Raum – ein verheerender Angriff auf die Grundrecht und obendrein eine gefährliche Blaupause für undemokratische Staaten.

Ein weiteres Beispiel für den Spagat zwischen Theorie und Praxis, bzw. zwischen der internationalen Digitalstrategie und dem Handeln der Regierung: Laut Strategie will die Regierung „Risiken in Lieferketten minimieren“. In der Realität blockt Deutschland das Lieferkettengesetz in der EU. Dabei sind gerade Lieferketten elektronischer Güter hochproblematisch, beispielsweise wegen Kinderarbeit und Umweltzerstörung beim Abbau wichtiger Rohstoffe oder wegen Zwangsarbeit in chinesischen Fabriken. Und trotzdem liegt der Fokus dieser Strategie nicht etwa darauf, sondern ausschließlich auf der Sicherstellung unterbrechungsfreier Lieferketten für die Wirtschaft.

Besonders krass: nur fünf Zeilen dieser Strategie thematisieren den Ressourcenverbrauch durch und die Klimawirkung von Digitalisierung. Ein einziger Satz davon hat Bezug auf Regierungshandeln. Es ist der folgende:„Wir setzen uns weiterhin international für umwelt- und klimafreundliche Entwicklung, Produktion, Nutzung, Reparatur und Entsorgung digitaler Produkte und Dienstleistungen ein“ – Das ist alles! Und das ist oberflächlich, inkonkret und unverbindlich!

Das Fazit der Linken: Auch die Strategie zur internationalen Digitalpolitik dient vor allem Wirtschaftsinteressen und das ist ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren!

Der Rückstand der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland ist seit Jahren ein Problem, das mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) angegangen werden sollte. Die Ziele des OZG, bis Ende 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen online verfügbar zu machen, sind bis heute nur rudimentär erreicht. Das Nachfolgegesetz OZG 2.0 ist seit mehr als einem Jahr überfällig, die Governance bleibt ein Problem und nun ist auch die Finanzierung im Haushalt 2024 ungesichert, da die angekündigte Verlagerung der Finanzierung vom BMI auf die übrigen Ministerien nach der fast vollständigen Kürzung des OZG-Haushaltstitels im BMI Haushalt von 377 auf 3,3 Mio Euro offenbar kaum stattfand und nun riesige Finanzierungslücken bleiben. 

Das ergab eine schriftliche Frage der Abgeordneten der Gruppe der LINKEN im Bundestag, Anke Domscheit-Berg, die dazu erklärt:

„Über unsere analoge Verwaltung lacht die ganze Welt, aber in Deutschland kann einem das Lachen darüber vergehen, denn die mangelnde Digitalisierung der Verwaltung ist zur Entwicklungsbremse geworden. Das ist nicht nur ein Problem für die Wirtschaft, sondern verhindert schnelle Lösungen bei der Bewältigung von Krisen. Die Folgen sind Unternehmen, die Pleite gehen oder Menschen in akuten sozialen Notlagen, bei denen Wohngeld oder Bafög-Zahlungen trotz Anspruch monatelang nicht ankommen. Das Versagen der GroKo setzt sich bei der Ampel leider fort, es mangelt eher noch mehr an zentraler Steuerung und Koordinierung und dadurch auch an Geld. So zeigt der neue Haushalt, dass offenbar die Finanzierung für die weitere Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes für die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen null koordiniert wurde.

Das Innenministerium kürzte seine OZG Mittel um 99 Prozent auf nur noch 3,3 Mio Euro und begründet das mit der Verlagerung der Finanzierung auf die Fachministerien. Nur findet sich bei neun Ministerium im Haushalt 2024 kein einziger Euro dafür und fünf weitere Ministerien haben nicht einmal eine Million für Verwaltungsdigitalisierung in ihren Haushalten, das BMG will seine Verwaltung mit der lächerlichen Summe von 190.000 Euro digitalisieren! Insgesamt planen die Ministerien in ihren eigenen Haushalten nur 18,8 Mio Euro ein, d.h. anders als von der Ampel angekündigt, finden sich 95 Prozent der ursprünglichen 377 Mio Euro für die OZG-Umsetzung nun in gar keinem Haushalt mehr wieder. Offenbar ist die Notwendigkeit für eine schnelle und gute Verwaltungsdigitalisierung mit entsprechender Priorität und Mittelausstattung immer noch nicht in allen Ministerien angekommen und weil eine Hand nicht weiß, was die andere macht und weil es an zentraler Steuerung, verbindlichen Zielen und gemeinsamen Prozessen fehlt, kommen wir auch in diesem Jahr vermutlich keinen Meter voran. Das für Anfang 2023 angekündigte OZG 2.0 Gesetz ist immer noch nicht da, eine Einigung zu verbindlichen Standards gab es auch noch nicht.

Die Finanzierung ist aber selbst im BMI ungenügend, denn das wichtige Vorzeigeprojekt für die Förderung von Open Source in der Verwaltung, das neue „Zentrum für digitale Souveränität“ wird seine Vorhaben wegen der Halbierung seines Budgets im BMI Haushalt nicht wie geplant umsetzen können. Kritisch ist angesichts der höchsten Bedrohungslage, in der sich laut BSI Jahresbericht 2023 der Cyberraum in Deutschland je befand, dass auch die IT-Sicherheit unterfinanziert ist, denn dem BSI fehlen laut Präsidentin Plattner in 2024 mindestens 38 Mio Euro, so dass viele Aufgaben nur noch rudimentär erfüllt werden können. „Rudimentär“ ist auch sieben Jahre nach Verabschiedung des OZG immer noch die Digitalisierung der Verwaltung und das ist schlicht langsam aber sicher nicht mehr nur peinlich, sondern eine Katastrophe.“

Anlagen:

Antwort der Bundesregierung zur Finanzierung der OZG Umsetzung in 2024 (DS 20/10292, Frage 39): HIER

Meine Frage:

„Welche Haushaltsmittel für die Umsetzung von OZG-Maßnahmen (OZG: Onlinezugangsgesetz) sind in den Haushalten aller übrigen Ressorts außer dem BMI für 2024 enthalten (bitte je Ressort auflisten), und welche Haushaltsmittel sind im Haushalt 2024 insgesamt je Ressort für die Digitalisierung der Verwaltung vorgesehen (bitte tabellarisch je Ressort aufschlüsseln)?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Florian Toncar:

„Die in den Ressorts außer BMI für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) im
Haushalt 2024 veranschlagten Mittel sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen.

Die Angaben beruhen auf einer Ressortabfrage. Ressorts, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, haben Fehlanzeige erstattet.


Im Hinblick auf die Frage nach den „für die Digitalisierung der Verwaltung“ im Haushalt 2024 vorgesehenen Haushaltsmitteln bemerke ich Folgendes:
Im haushalterischen Kontext werden die Begriffe „OZG-Umsetzung“ und „Digitalisierung der Verwaltung“ synonym gebraucht. Dies geht zurück auf die Bezeichnung der Titelgruppe 07 im Kapitel 0602 des Einzelplans des BMI, in der bis einschließlich dem Haushaltsjahr 2023 ausschließlich und zentral alle Ausgaben für die OZG-Umsetzung unter anderem der Ressorts veranschlagt waren. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Begriff „Verwaltungsdigitalisierung“ nicht um einen Terminus technicus, der eine einheitliche und eindeutige Abgrenzung zu anderen Ausgaben erlauben würde. Die Ermittlung entsprechender etwaiger Sollansätze im Haushaltsplan wäre daher auch nicht im Wege einer Ressortabfrage möglich.“

Antwortschreiben im Original (geschwärzt):

Am 27.12.2023 habe ich auf dem 37. Chaos Communication Congress (#37C3) über “Klimafreundliche Digitalisierung: Koalitionsvertrag vs. Wirklichkeit” gesprochen. Ich habe die drei möglichen Rollen vorgestellt, in denen der Bund seinen Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Digitalisierung nutzen könnte: als Förderer (Stichwort Hunderte von  Millionen Euro Fördergelder für Künstliche Intelligenz), als Regulierer (Stichworte Reparaturgesetz, Energieeffizienzgesetz) und als Einkäufer mit enormer Marktmacht und Nutzer von ITK-Produkten und Dienstleistungen, von Hardware über Software bis zum Einkauf von Rechenzentrumsdienstleistungen.

Der Bund hat zwar enorme Einflussmöglichkeiten, aber nutzt diese nicht ansatzweise und bleibt weit hinter den eigenen Versprechen im Koalitionsvertrag oder in der Digitalstrategie zurück. Klimafreundlichere Rechenzentren, energieeffiziente Software und Websites, Förderung von Reparaturcafés (dafür gab es 2023 eigentlich 2 Mio Euro im Haushalt, die leider nicht dort landeten), kluge Regulierung oder Einhaltung eigener Vorschriften zur Nachhaltigkeit – Fehlanzeige, egal wohin man näher guckt. Selbst die Datenlage ist weiterhin grottig, wenn auch hier und da besser, als bei meinen früheren Nachfragen.

Der Vortrag dauerte 30 Minuten, er wurde aufgezeichnet und kann HIER angesehen werden.

Die in meinem Vortrag benannten Fakten gehen auf einige meiner parlamentarischen Anfragen (Kleine Anfragen, schriftliche Fragen) zurück. In diesem Blogtext möchte ich die darin erwähnten parlamentarischen Initiativen in einer Übersicht auflisten, erklären und verlinken.

Meine neueste Kleine Anfrage zur Nachhaltigkeit der Rechenzentren (RZ) des Bundes vom 06.11.23

  • Darin gibt es Daten zum Berichtswesen, zur Anzahl der Rechenzentren, zur Nachhaltigkeit (Abwärmenutzung, Kältemittel, Erneuerbare Energien, Blauer Engel), Energieeffizienzregister u.v.m.
  • Ausgewählte Fakten:
    • Die Anzahl der RZ nimmt immer weiter zu. Der Bund nennt eine Zahl von 118 RZ, die nicht stimmen kann. Plausibel sind 194 RZ, 10 mehr als vor 1 Jahr.
    • Das Berichtswesen ist schlecht, aber soll (immer noch) überarbeitet werden, Das Berichtsjahr 2024 soll endlich bessere Daten bringen.
    • Es gibt ein erhebliches strukturelles Informationsdefizit, nur sehr wenige RZ haben ein Energiemanagementsystem, Monitoren Strom, Klima und Wasser oder ihre IT-Last.
    • Abwärme nutzen nur 11 der 118 Rechenzentren
    • Klimafreundliche Kältemittel nutzen nur 13 der 118 RZ
    • Erneuerbare Energien nutzen ganz oder z.T. 74 der 118 RZ
    • Einen Blauen Engel nach altem Standard haben 2 RZ, aber keines hat einen nach aktuellem Standard
  • HIER Antwort der Bundesregierung vom 07.12.2023, Drucksache: 20/9667
  • HIER Mein Blogpost mit Analyse dazu

Meine Vorgänger Anfragen zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT findet man hier:

  • 2021: Kleine Anfrage “Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit der Digitalisierung
    • HIER Antwort der Bundesregierung vom 25.06.21, Drucksache 19/31210
    • HIER Mein Blogpost mit Analyse dazu
  • 2022: Kleine Anfrage “Status quo und Fortschritt bei der Nachhaltigkeit der Informationstechnologie des Bundes
    • HIER Antwort der Bundesregierung vom 20.09.22, Drucksache 20/3619
    • HIER Mein Blogpost mit Analyse dazu

Meine Kleine Anfrage “Die Bedeutung von Open Source Software im Bund und die Stärkung der digitalen Souveränität der Bundesverwaltung” vom 17.11.23

  • Daten zum Einkaufsverhalten des Bundes hinsichtlich Rahmenverträge, Open Source, proprietärer Software, zur Entwicklung und zum Rollout von Open Source Software durch das Zentrum für digitale Souveränität, Verlängerung von Microsoft Rahmenverträgen etc.
  • Ausgewählte Fakten:
    •  KoaV: “Darüber hinaus sichern wir die digitale Souveränität, u. a. durch das Recht auf Interoperabilität und Portabilität sowie das Setzen auf offene Standards, Open Source und europäische Ökosysteme (KoaV, 2021)
    • Alles Blabla? Realität beim BMDV:
    • Anteil Open-Source-Software an allen Software-Entwicklungsaufträgen der Ampel im BMDV: 0,5%!!! (121 000 € von 22,3 Mio €)
    • Realität der Bundesregierung:
    • Rahmenverträge der 10 größten Vertragspartner: Zus. 13,6 Milliarden € Vertragsvolumen
    • Allein zwei Rahmenverträge für Oracle u Microsoft haben zus. 5,9 Milliarden € Volumen
  • HIER Antwort der Bundesregierung vom 06.12.23, Drucksache 20/9641
  • HIER Meine Analyse dazu (pdf)

Meine Kleine Anfrage zum “Einsatz Künstlicher Intelligenz im Geschäftsbereich der Bundesregierung”

  • HIER gibt es die Antwort der Bundesregierung vom 17.05.23, Drucksache 20/6862, sowie HIER später nachgereichte Vorhaben von Sicherheitsbehörden wie BKA und Bundespolizei
  • Daten zu Anzahl und Art von KI-Vorhaben des Bundes, Durchführung von Evaluationen, Risikoassessments, Vorhandensein von Standards und standardisierten Prozessen, Reallabore, Pilotprojekte, Nachhaltigkeitsstandards etc.
  • Ausgewählte Fakten:
    • KI Förderung Bund in der 20. Whalperiode (Aw. Auf Frage 7): 1,4 Mrd €, 514 Vorhaben
    • 44x Nachhaltigkeit als Förderbedingung, Projektziel o Vorhabeninhalt
    • 65x Nachhaltigkeit anderweitig erwähnt
    • 405x Nachhaltigkeit NICHT erwähnt
    • Auch bei KI-Einsatz in Bundesbehörden Nachhaltigkeit kaum berücksichtigt (Antwort auf Frage 1 h), z.B:
    • BMDV, BMEL, BMVg u.a. schneiden besonders schlecht ab, fast keine Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt oder erfasst
    • Auch beim BMUV nicht, aber wenigstens Absichtserklärung es besser zu machen
  • Meine Analyse mit Schwerpunkt KI-Projekte des Bundes HIER
  • Analyse meiner MdB Kollegin Petra Sitte mit Schwerpunkt Förderung von KI-Forschungsprojekten HIER und zum verschenkten Potential für Gemeinwohl HIER
  • Für Neugierige: die Vorgängeranfragen früherer Jahre gibts hier:
    • 2021: Kleine Anfrage “Künstliche Intelligenz im Geschäftsbereich der Bundesregierung”, Antwort der Bundesregierung vom 14.01.22: Drucksache 20/430 HIER
    • Meine Analyse dazu HIER
    • 2022: Antwort auf Nachfrage zur 2021er Kleinen Anfrage vom 05.08.22 HIER

Meine Schriftlichen Fragen zur Nachhaltigkeit von Software, Green-IT-Initiative und Nachnutzung von IKT des Bundes

  • Antworten der Bundesregierung auf mehrere schriftliche Fragen von mir vom 08.12.23: HIER zur Reparatur und Nachnutzung der IT des Bundes, HIER zu Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der IT des Bundes und HIER zur Nachhaltigkeit von Software für den Bund.
  • In a nutshell:
    • Keine einzige mit Blauem-Engel (BE)-zertifizierte Software beim Bund eingesetzt
    • Kein Wunder, denn der Dok-Reader Okular ist einzige Software, mit Blauem-Engel-Zertifikat, mehr gibts nicht
    • Keine Ausschreibungen von Entwicklungsaufträgen für Software mit Vorgabe: „Blauer Engel für Software“ also, obwohl es den Blauen Engel schon seit 2020 gibt.
    • “In der Regel” fänden Blaue Engel-Kriterien bei Ausschreibung Anwendung, heißt es – das kann aber kaum stimmen, sonst gäbe es mehr Software mit Blauem Engel
    • Für Dezember 2023 wurde eine überarbeitete Version des Blauen Engels angekündigt, der auch serverbasierte Software einbeziehen soll, das wäre gut (aber ob das passierte, weiß ich nicht)
    • Verbindliches zu nachhaltiger Software enthält theoretisch die Verwaltungsvorschrift AVV Klima von 2021, bei Ausschreibungen sollen Nachhaltigkeitskriterien davon “in unterschiedlichen Ausprägungen” berücksichtigt worden sein – eine Kontrolle gibt es offenbar nicht, glaubwürdig ist die Behauptung nicht – aber auch nicht überprüfbar
    • Zur Wiederverwertung IKT: ein Rahmenvertrag mit Inklusionsunternehmen wurde Ende 2022 geschlossen und soll auch angemessen genutzt werden, das ist gut!
    • Das (löchrige) Berichtswesen Green-IT soll überarbeitet werden, um endlich (ohne meine Nachfragen) Daten zur Erfüllung der Blaue Engel Standards auch für Rechenzentren zu erheben und soll erstmalig 2024 veröffentlicht werden
    • Eine Nachhaltige Ausstattungsrichtlinie soll 2024 veröffentlicht werden
    • Auch der Maßnahmenplan für nachhaltige Rechenzentren soll 2024 kommen
    • Der „schönste“ Satz: „Im Jahr 2024 wird mit der Erarbeitung einer Empfehlung zum nachhaltigen Downsizing von Rechenzentren aufgrund von Konsolidierung begonnen“ – die IT-Konsolidierung läuft von 2015-2025 und 2024 will man mit der Erarbeitung von Empfehlungen beginnen… LOL“
  • Fazit: Große Ankündigungen, nachweisbar fast nichts erreicht!

Meine Schriftliche Frage zur Nachhaltigkeit von Webseiten des Bundes

  • Antwort der Bundesregierung vom 08.12.23 HIER
  • In a nutshell:
    • Ein Leitfaden zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung von Software wurde überarbeitet und im Sommer 2023 veröffentlicht.
    • Leider ohne Hinweise auf mögliche Richtlinien für Umsetzung des Prinzips der Datensparsamkeit und Senkung von Treibhausgasemissionen des vermeidbaren Datenverkehrs
    • Interne Vorgabe: Software ist werbefrei —> das ist ja wohl bei Websites von staatlichen Stellen ein Nobrainer!
    • Was fehlt: die Verbindlichkeit in der gelebten Praxis
Screenshot aus der Aufzeichnung meines Vortrages beim 37C3 im Dez. 2023, im Bild eine Darstellung des CO2 Ratings für die Website des BMWK - 96% aller Webseiten haben einen geringeren Carbon Footprint.
Screenshot Vortrag Anke Domscheit-Berg beim 37C3 in Hamburg, 27.12.2023

Meine Schriftlichen Fragen zur Förderung von Repair-Cafés

  • Im Haushalt 2023 hatte die Ampel-Regierung 2 Mio Euro für ein „Reparieren statt Wegwerfen“ Programm bereitgestellt. Weil es auch bei uns in Fürstenberg/Havel ein Repair-Café im Verstehbahnhof gibt, wollte ich wissen, wann da was ankommt und fragte nach, erst mündlich, ohne Erfolg, dann schriftlich.
  • Antwort der Bundesregierung vom 06.09.23 auf meine Frage, was mit den Haushaltsmitteln passiert, ob schon Gelder flossen und wenn ja wofür und wie es weitergeht (Antwort: HIER ) und weil ich aus der Basis hörte, dass den Ankündigungen keine Taten folgten, fragte ich Anfang Januar 2024 nach, wie viel denn nun aus dem Haushalt 2023 abgeflossen ist für Repair-Café und die enttäuschende aber nicht überraschende Antwort vom 11.01.24 gibts HIER.
  • In a nutshell:
    • Antwort der Bundesregierung vom Sept. 2023: Haushaltsmittel für “Reparieren statt Wegwerfen” wurden noch nicht verausgabt, eine Förderrichtlinie fehlt noch, aber die Ausgabe soll noch vollständig (!) in 2023 erfolgen
    • Antwort der Bundesregierung vom Jan. 2024: Oops, doch kein einziger Euro der 2 Mio € ist geflossen, weder an Repair-Cafés noch sonst irgendwie für für das Programm Reparieren statt Wegwerfen
  • Übrigens: auch im Haushalt 2024 wird es Geld geben für dieses Programm, diesmal sogar 4,5 Mio Euro, ich hoffe sehr, dass diesmal wirklich auch was ankommt bei den Repair-Cafés! Ich werde ein Auge darauf haben.

Nachtrag: wie die Ampel das Fragerecht der linken Opposition beschneidet

Am 2. Februar 2024 hat der Bundestag mit der Mehrheit der Ampel die Gruppe der Linken im Bundestag anerkannt, was einerseits eine gute Nachricht und andererseits eine schlechte ist. Das Gute: wir erhalten viele Rechte zurück, die wir nach der Auflösung als Linksfraktion nicht mehr hatten, denn wir galten alle als „fraktionslos“ und durften z.B. keine einzige Kleine Anfrage mehr stellen und wir bekamen keine zusätzlichen Mittel mehr (für gemeinsame IT, für Personal, für Öffentlichkeitsarbeit), keine Räumlichkeiten für Sitzungen etc. Nun bekommen wir wieder (gekürzte) Mittel, können wieder gemeinsam Dinge tun bzw. dafür bezahlen und dürfen wieder in Ausschüssen abstimmen und Kleine Anfragen stellen.

Das Schlechte: Unser Recht auf Kleine Anfragen wurde extrem beschnitten – auf 10 K.A. je Monat für die gesamte Gruppe. Die Linksfraktion hatte bis zur Auflösung in der aktuellen Legislatur etwa das Vierfache an Kleinen Anfragen. Etwa ein Viertel der Fraktion – 10 MdB – hatte sich als BSW abgespalten, die als eigene Gruppe anerkannt wurde. Sie erhalten ebenfalls ein Recht auf 10 K.A. je Monat. Jedes MdB der BSW kann also monatliche eine K.A. stellen, als Mitglied der Gruppe der Linken kann ich rechnerisch nur einmal im Quartal eine K.A. stellen. Zweidrittel unserer bisher gestellten Kleinen Anfragen können wir also mit dieser Quotierung nicht mehr stellen!

Das ist natürlich völlig inakzeptabel, weil es in das parlamentarische Informations- und Kontrollrecht von Abgeordneten unzulässig eingreift und außerdem Ungleiches gleich behandelt. Wir werden dagegen klagen und ganz sicher vor Gericht gewinnen, bis dahin ist jedoch unser Fragerecht stark beschnitten und ich kann künftig viele der oben beschriebenen Informationen nicht mehr für die Öffentlichkeit in Erfahrung bringen. Damit schadet die Ampel-Koalition nicht nur mir und der Gruppe der Linken, sondern auch der Demokratie – in einer Zeit, wo das ein gefährliches Agieren ist. Sie muss sich vorwerfen lassen, dass sie ihre Mehrheit mißbraucht, um die (linke) Opposition ihrer Rechte zu beschneiden – Wasser auf die Mühlen der Politik- und Parteienverdrossenheit.

Auch in diesem Jahr habe ich eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um zu erfahren, wie nachhaltig die IT des Bundes ist, insbesondere die Rechenzentren. Damit sich nicht jede:r durch die vielen schwer lesbaren Dokumente aus der Antwort der Bundesregierung quälen muss, gibt es nachfolgend eine ausführliche Analyse mit vielen Zahlen und Fakten, die ich mit meinem Team aus den Dokumenten erarbeitet habe. Vergnügungssteuerpflichtig war das nicht, keine Tabelle war maschinenlesbar, alles nur PDF mit z.T. inkonsistenten Antworten. Für alle, die die Zeit dafür aufbringen können, lohnt sich dennoch HIER ein Blick in die Originaldokumente.

Datenlage – Die Bundesregierung hat keinen Durchblick

  • Laut Frage 1 soll (immer noch) das Berichtswesen Green IT überarbeitet werden, für 2023 sollen dann (rückblickend) alle 21 Kriterien des (neuen) Blauen Engels für RZ berichtet werden
  • Wichtige Informationen werden strukturell nicht erhoben von den meisten Rechenzentren ! 
    • Nur 7% geben an, ein Energiemanagementsystem (Blauer Engel) zu haben (Frage 10)
    • Nur 29% haben ein IT-Last Monitoring (Blauer Engel) (Frage 10)
    • Nur 13% haben ein Monitoring von Strom, Klima u Wasser (Blauer Engel) (Frage 10)
  • Die Bundesregierung senkt sich dabei die Latte selbst: noch vor 1 Jahr kündigte sie an, alle Bundes-RZ ab 100 kW Anschlussleistung würden ein Energie-Management-System einführen – das beträfe 41 RZ laut Antwort auf eine Schriftliche Frage von mir; laut Energieeffizienzgesetz gibt es diese Pflicht aber nur noch für Bundes-RZ ab 300KW Nennleistung, das sind aber nur noch 16 RZ, also 25 Rechenzentren weniger!
  • Für mehr als jedes vierte der aufgelisteten 118 RZ des Bundes gibt es keine Daten für den Stromverbrauch oder den Ökostrom-Anteil (besonders schlecht: Digitalministerium: bei 8 von 10 RZ gibt es keine Angabe), und auch nicht für die verwendeten Kältemittel (Frage 13)
  • Transparenz gibt es überhaupt nicht: 0% der RZ gaben an, irgendwelche Daten zur Energieeffizienz zu veröffentlichen (ein Blauer Engel Kriterium, Frage 10)
  • Auch am künftigen Energieeffizienzregister hat sich kein einziges RZ des Bundes bereits mit Daten in der Pilotphase beteiligt, es ist finanziert vom BMWK (Frage 2 b)
  • Auch der Fortschrittsbericht zum Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit kommt regelmäßig verspätet, der noch ausstehende Bericht für 2022 soll laut Ampel nun irgendwann im ersten Quartal 2024 kommen. (Frage 1c)
  • Es fehlen nicht nur viele Daten, manche widersprechen sich auch direkt: zB die Angaben des BMFSFJ zur Abwärmenutzung: in der Antwort auf Frage 14 “Nutzung Abwärme?” steht 6 Mal Nein u 1 Mal Keine Angabe, bei Frage 10 (Blauer Engel, Kriterium Abwärmenutzung) steht jedoch bei 2 RZ des BMFSFJ “erfüllt” – nur eins davon kann stimmen. Auch bei der Nutzung klimaschädlicher Kältemittel gibt es Widersprüche zwischen verschiedenen Tabellen (Anlage 1 und Anlage 3), wonach entweder nur 1 oder mindestens 3 der 6 RZ des Umweltministeriums klimaschädliche Kältemittel verwenden. 

Nachhaltigkeit der Bundes-IT: Hoher Anspruch – kaum Umsetzung

Nachfolgend detailliertere Analysen zu den Themen:

  1. Allgemein – Überblick – Blauer Engel
  2. Erneuerbare Energien, Stromverbrauch
  3. Abwärmenutzung
  4. Kältemittel
  5. Einkauf und Nachnutzung von IT
  6. Sonderauswertung BMWK und BMUV
  7. IT-Konsolidierung des Bundes – Anzahl RZ

1. Allgemein – Überblick – Blauer Engel

  • Nur 2 RZ haben einen Bl. Engel – aber nur nach alten Kriterien (Frage 11)
  • Kein einziges RZ erfüllt alle 21 Kriterien des neuen Blauen Engel (Anlage 1)
  • Nur 5% der 118 RZ gaben an, wenigstens die Hälfte dieser Kriterien zu erfüllen 
  • Jedes 5. RZ (19%/22) gab für kein einziges der 21 Kriterien an, dass es erfüllt wird (also inkl. “Keine Angabe”) 
  • Jedes 5. RZ gab an, mehr als 5 von 21 Kriterien zu erfüllen (18%)
  • Das beste RZ ist eines, das zumindest 17 von 21 Kriterien erfüllt.
  • Auch bei neuen RZ spielt weiterhin der Blaue Engel eine untergeordnete Rolle, obwohl die Einhaltung seiner Kriterien seit Jahren Vorschrift ist. (Frage 15)

Übersicht Erfüllung Kriterien des Blauen Engels für RZ:

 Auswahl der 9 besonders relevanten Blaue-Engel-Kriterien:

Nachfolgend drei Tabellen zu den 9 wichtigsten Kriterien des Neuen Blauen Engels, einmal die Übersicht über alle 118 RZ des Bundes und dann noch mal je eine Tabelle für die Rechenzentren des BMWK und des BMUV, die ja beide für das Thema Nachhaltigkeit der IT kompetent und verantwortlich sein sollten.

2. Erneuerbare Energie:

  • Für jedes 4. RZ sind weder Stromverbrauch noch Ökostrom-Anteil bekannt,
  • Immerhin: 74 / 118 RZ nutzen erneuerbare Energien, (2022: 52 RZ) – das sieht aus wie eine deutliche Verbesserung! Schaut man jedoch in die Tabelle der 118 RZ (Anlage 2), ist nur bei 4 Rechenzentren eine Verbesserung des Anteils von Erneuerbaren Energien erkennbar. Spitzenreiter mit 100% Erneuerbaren für alle ihre RZ sind: BMAS (3 RZ), BMBF (4 RZ), BMF (11 RZ) u BPA (4 RZ). Auch ganz gut sind: BMWK: 11 RZ mit 100% Erneuerbaren, 1 mit keiner Angabe)
  • Besonders uninteressiert ist offenbar das Digitalministerium: 8 mal Angabe „Keine Ahnung“ (die Abkürzung K.A. kann auch „Keine Angabe“ heißen), 1 mal 36 % Erneuerbare u nur 1 mal 100 % Erneuerbare.
  • Die Bundesregierung bestätigt den Plan, bis Ende 2024 ALLE Liegenschaften des Bundes (dazu gehören auch RZ) mit 100% Erneuerbare zu versorgen – das Ziel ist durchaus erreichbar. (Frage 6)

Übersicht zum Anteil erneuerbarer Energien

Stromverbrauch: steigt wieder

Nachdem er jahrelang sank, steigt der Stromverbrauch der Bundes-IT wieder, laut Bundesregierung wegen der “Zunahme der Digitalisierung und mehr mobiler Arbeit”, sie will gegensteuern durch “Umsetzung der Kriterien des Blauen Engels für Rechenzentren” und durch “kontinuierliches Monitoring” (Frage 3) – da aber nur 2 von 118 RZ einen Blauen Engel haben u ein kontinuierliches Monitoring offenbar gar nicht stattfindet, wird das wohl nichts…. Der Bund kann auch nicht schätzen, ob der Stromverbrauch steigen oder sinken wird.

3. Abwärme: Verschlechterung!

  • Nur 9 % der 118 Rechenzentren nutzen Abwärme in irgendeiner Form (keines detailliert trotz Nachfrage wie und wie viel), in absoluten Zahlen: 11 RZ nutzen Abwärme, in 2022 waren es noch 14! (Anlage 4)
  • Die Abwärme-Kriterien des Blauen Engels erfüllen sogar nur 6 der 118 RZ – das sind 5 % – wahrlich keine Vorbildwirkung! (Anlage 1)
  • Bemerkenswert: 2 Rechenzentren des BMWK gaben in 2022 an, Abwärme zu nutzen, jetzt aber nicht mehr. Das ist kurios und ginge jedenfalls in die falsche Richtung.

Übersicht zur Abwärmenutzung:

4. Kältemittel: keine Verbesserung, gleichbleibend schlecht

  • Nur 13 von 118 Rechenzentren nutzen klimafreundliche Kältemittel – eins mehr als in der Antwort zur Kleinen Anfrage 2022 stand, von den 12 RZ des BMWK gehört keines dazu (Anlage 3)
  • 73 RZ nutzen explizit klimaschädliche Kältemittel (32 RZ = Keine Angabe)
  • Immerhin haben 16 RZ eine Umrüstung auf weniger klimaschädliche Kältemittel geplant, davon 4 der 11 RZ mit klimaschädlichen Kältemitteln beim BMWK, aber keines der 2 RZ mit klimaschädlichen Kältemitteln beim BMUV

Übersicht zur Klimafreundlichkeit der Kältemittel:

5. Einkauf und Nachnutzung von IT

Ein Reuse-Management haben nur 26 der 118 RZ (40 „keine Angabe“, 52: “nein”) – Es gibt also weiterhin kein systematisches Lifecycle-Management für die Unmengen an Hardware in den Rechenzentren des Bundes. (Anlage 1) 

Einkaufsmacht des Bundes: zu wenig Nachhaltigkeitskriterien in RZ-Dienstleistungsverträgen:

  • Der Bund kauft für Milliarden Euro IT-Produkte u Dienstleistungen ein – er hat eine hohe Marktmacht u kann damit steuernd wirken, das tut er aber viel zu wenig.
  • „100% erneuerbare Energie“ findet sich bei fast allen (14 von 15) Co-Location RZ des Bundes (Frage 16)
  • Klimafreundliche Kältemittel sind nirgendwo Vertragsbestandteil
  • Nur selten gibt es einen Mindest-PUE Wert (4 von 15 Mal)
  • Aber zunehmend spielt Abwärmenutzung eine Rolle, 5 Mal als Vertragsbestandteil u 2 weitere Male findet sie statt (ohne Verankerung im Vertrag)

6. Sonderauswertung: BMWK und BMUV sind keine Vorbilder!

Die Bilanz ist für beide grün-geführten und für Umwelt und Klima zuständigen Ministerien mehr als peinlich.

  • BMWK:
    • 0 von 12 RZ des BMWK haben ein Energiemanagementsystem (Anl. 1)
    • Kein RZ nutzt Abwärme (Anlage 4)
    • Kein RZ nutzt klimafreundliche Kältemittel (für 4 ist eine Umrüstung geplant) (Anl. 3)
    • Nur bei Nutzung von Erneuerbaren blamiert sich Klimaminister Habeck nicht (11 von 12 RZ) (Anlage 2)
    • Das BMWK hat keine Personalstellen für die Nachhaltigkeit seiner RZ (Frage 1b)
  • BMUV:
    • Immerhin 5 von 6 RZ haben ein Energiemanagementsystem  (Anlage 1)
    • Nur 2 von 6 nutzen klimafreundl. Kältemittel (lt. Anlage 3).
    • Nur 1 von 6 nutzt Abwärme (Anlage 4)
    • Nur 4 von 6 RZ nutzen 100% Erneuerbare Energien
    • Lobenswert: es gibt 3 Personalstellen für Nachhaltigkeit in RZ (Frage 1b)

7. IT-Konsolidierung des Bundes: Ziele werden nicht erreicht, sondern abgeschafft

  • Das Großprojekt IT Konsolidierung des Bundes läuft von 2015 bis 2025 und wird vorr. 3,5 Mrd. € kosten. Laut Grobkonzept von 2015 soll die Anzahl der Bundes-RZ auf 10, laut Aussage im Herbst 2023 im Digitalausschuss sogar auf 3 RZ reduziert werden.
  • Seit Jahren steigt jedoch die Anzahl RZ anstatt zu sinken.
  • Laut Frage 8 hat der Bund 118 Rechenzentren, im letzten Jahr gab er 184 RZ an
  • Allerdings fehlen dieses Jahr in der Tabelle alle RZ des Kanzleramtes und der Beauftragten für Kultur und Medien (2022: 1+8 RZ) sowie beim Vergleich mit den Tabellen in 2022 auch 67 RZ des BMI, vermutlich die RZ der Netze des Bundes.
  • Rechnet man diese 9 + 67 RZ zu den 118 RZ hinzu, hat der Bund 194 RZ, also wieder 10 mehr als im letzten Jahr.
  • Bis 2025 will der Bund laut Frage 8 b) die Anzahl der RZ von 118 auf 99 verringern, auch in dieser Prognose-Zahl sind die unterschlagenen RZ aus drei Ressorts nicht enthalten.
  • Laut Antwort auf Frage 7 ist das aber für die BuReg offenbar kein Problem, da „die Anzahl der Rechenzentren kein Kriterium mehr für die Zielerreichung ist“ – ob die Anzahl RZ also nun wirklich reduziert wird oder nicht und wann es welche erreichbaren Ziele gibt, bleibt schleierhaft.

So viel also zum Fortschritt der Nachhaltigkeit der Bundes-Rechenzentren. Noch mehr Informationen zum Thema Nachhaltigkeit der Bundes-IT – also auch zu Software, Webseiten aber auch zum Einkauf von Open Source im Allgemeinen gibt es in meinem Artikel zum Vortrag Nachhaltigkeit der Bundes-IT: Koalitionsvertrag vs. Wirklichkeit zu lesen, den ich am 27.12.2023 beim 37. Chaos Communication Congress (#37C3) gehalten habe. Den Vortrag kann man sich HIER ansehen.