Am 27.12.2023 habe ich auf dem 37. Chaos Communication Congress (#37C3) über “Klimafreundliche Digitalisierung: Koalitionsvertrag vs. Wirklichkeit” gesprochen. Ich habe die drei möglichen Rollen vorgestellt, in denen der Bund seinen Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Digitalisierung nutzen könnte: als Förderer (Stichwort Hunderte von  Millionen Euro Fördergelder für Künstliche Intelligenz), als Regulierer (Stichworte Reparaturgesetz, Energieeffizienzgesetz) und als Einkäufer mit enormer Marktmacht und Nutzer von ITK-Produkten und Dienstleistungen, von Hardware über Software bis zum Einkauf von Rechenzentrumsdienstleistungen.

Der Bund hat zwar enorme Einflussmöglichkeiten, aber nutzt diese nicht ansatzweise und bleibt weit hinter den eigenen Versprechen im Koalitionsvertrag oder in der Digitalstrategie zurück. Klimafreundlichere Rechenzentren, energieeffiziente Software und Websites, Förderung von Reparaturcafés (dafür gab es 2023 eigentlich 2 Mio Euro im Haushalt, die leider nicht dort landeten), kluge Regulierung oder Einhaltung eigener Vorschriften zur Nachhaltigkeit – Fehlanzeige, egal wohin man näher guckt. Selbst die Datenlage ist weiterhin grottig, wenn auch hier und da besser, als bei meinen früheren Nachfragen.

Der Vortrag dauerte 30 Minuten, er wurde aufgezeichnet und kann HIER angesehen werden.

Die in meinem Vortrag benannten Fakten gehen auf einige meiner parlamentarischen Anfragen (Kleine Anfragen, schriftliche Fragen) zurück. In diesem Blogtext möchte ich die darin erwähnten parlamentarischen Initiativen in einer Übersicht auflisten, erklären und verlinken.

Meine neueste Kleine Anfrage zur Nachhaltigkeit der Rechenzentren (RZ) des Bundes vom 06.11.23

  • Darin gibt es Daten zum Berichtswesen, zur Anzahl der Rechenzentren, zur Nachhaltigkeit (Abwärmenutzung, Kältemittel, Erneuerbare Energien, Blauer Engel), Energieeffizienzregister u.v.m.
  • Ausgewählte Fakten:
    • Die Anzahl der RZ nimmt immer weiter zu. Der Bund nennt eine Zahl von 118 RZ, die nicht stimmen kann. Plausibel sind 194 RZ, 10 mehr als vor 1 Jahr.
    • Das Berichtswesen ist schlecht, aber soll (immer noch) überarbeitet werden, Das Berichtsjahr 2024 soll endlich bessere Daten bringen.
    • Es gibt ein erhebliches strukturelles Informationsdefizit, nur sehr wenige RZ haben ein Energiemanagementsystem, Monitoren Strom, Klima und Wasser oder ihre IT-Last.
    • Abwärme nutzen nur 11 der 118 Rechenzentren
    • Klimafreundliche Kältemittel nutzen nur 13 der 118 RZ
    • Erneuerbare Energien nutzen ganz oder z.T. 74 der 118 RZ
    • Einen Blauen Engel nach altem Standard haben 2 RZ, aber keines hat einen nach aktuellem Standard
  • HIER Antwort der Bundesregierung vom 07.12.2023, Drucksache: 20/9667
  • HIER Mein Blogpost mit Analyse dazu

Meine Vorgänger Anfragen zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT findet man hier:

  • 2021: Kleine Anfrage “Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit der Digitalisierung
    • HIER Antwort der Bundesregierung vom 25.06.21, Drucksache 19/31210
    • HIER Mein Blogpost mit Analyse dazu
  • 2022: Kleine Anfrage “Status quo und Fortschritt bei der Nachhaltigkeit der Informationstechnologie des Bundes
    • HIER Antwort der Bundesregierung vom 20.09.22, Drucksache 20/3619
    • HIER Mein Blogpost mit Analyse dazu

Meine Kleine Anfrage “Die Bedeutung von Open Source Software im Bund und die Stärkung der digitalen Souveränität der Bundesverwaltung” vom 17.11.23

  • Daten zum Einkaufsverhalten des Bundes hinsichtlich Rahmenverträge, Open Source, proprietärer Software, zur Entwicklung und zum Rollout von Open Source Software durch das Zentrum für digitale Souveränität, Verlängerung von Microsoft Rahmenverträgen etc.
  • Ausgewählte Fakten:
    •  KoaV: “Darüber hinaus sichern wir die digitale Souveränität, u. a. durch das Recht auf Interoperabilität und Portabilität sowie das Setzen auf offene Standards, Open Source und europäische Ökosysteme (KoaV, 2021)
    • Alles Blabla? Realität beim BMDV:
    • Anteil Open-Source-Software an allen Software-Entwicklungsaufträgen der Ampel im BMDV: 0,5%!!! (121 000 € von 22,3 Mio €)
    • Realität der Bundesregierung:
    • Rahmenverträge der 10 größten Vertragspartner: Zus. 13,6 Milliarden € Vertragsvolumen
    • Allein zwei Rahmenverträge für Oracle u Microsoft haben zus. 5,9 Milliarden € Volumen
  • HIER Antwort der Bundesregierung vom 06.12.23, Drucksache 20/9641
  • HIER Meine Analyse dazu (pdf)

Meine Kleine Anfrage zum “Einsatz Künstlicher Intelligenz im Geschäftsbereich der Bundesregierung”

  • HIER gibt es die Antwort der Bundesregierung vom 17.05.23, Drucksache 20/6862, sowie HIER später nachgereichte Vorhaben von Sicherheitsbehörden wie BKA und Bundespolizei
  • Daten zu Anzahl und Art von KI-Vorhaben des Bundes, Durchführung von Evaluationen, Risikoassessments, Vorhandensein von Standards und standardisierten Prozessen, Reallabore, Pilotprojekte, Nachhaltigkeitsstandards etc.
  • Ausgewählte Fakten:
    • KI Förderung Bund in der 20. Whalperiode (Aw. Auf Frage 7): 1,4 Mrd €, 514 Vorhaben
    • 44x Nachhaltigkeit als Förderbedingung, Projektziel o Vorhabeninhalt
    • 65x Nachhaltigkeit anderweitig erwähnt
    • 405x Nachhaltigkeit NICHT erwähnt
    • Auch bei KI-Einsatz in Bundesbehörden Nachhaltigkeit kaum berücksichtigt (Antwort auf Frage 1 h), z.B:
    • BMDV, BMEL, BMVg u.a. schneiden besonders schlecht ab, fast keine Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt oder erfasst
    • Auch beim BMUV nicht, aber wenigstens Absichtserklärung es besser zu machen
  • Meine Analyse mit Schwerpunkt KI-Projekte des Bundes HIER
  • Analyse meiner MdB Kollegin Petra Sitte mit Schwerpunkt Förderung von KI-Forschungsprojekten HIER und zum verschenkten Potential für Gemeinwohl HIER

  • Für Neugierige: die Vorgängeranfragen früherer Jahre gibts hier:
    • 2021: Kleine Anfrage “Künstliche Intelligenz im Geschäftsbereich der Bundesregierung”, Antwort der Bundesregierung vom 14.01.22: Drucksache 20/430 HIER
    • Meine Analyse dazu HIER
    • 2022: Antwort auf Nachfrage zur 2021er Kleinen Anfrage vom 05.08.22 HIER

Meine Schriftlichen Fragen zur Nachhaltigkeit von Software, Green-IT-Initiative und Nachnutzung von IKT des Bundes

  • Antworten der Bundesregierung auf mehrere schriftliche Fragen von mir vom 08.12.23: HIER zur Reparatur und Nachnutzung der IT des Bundes, HIER zu Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der IT des Bundes und HIER zur Nachhaltigkeit von Software für den Bund.
  • In a nutshell:
    • Keine einzige mit Blauem-Engel (BE)-zertifizierte Software beim Bund eingesetzt
    • Kein Wunder, denn der Dok-Reader Okular ist einzige Software, mit Blauem-Engel-Zertifikat, mehr gibts nicht
    • Keine Ausschreibungen von Entwicklungsaufträgen für Software mit Vorgabe: „Blauer Engel für Software“ also, obwohl es den Blauen Engel schon seit 2020 gibt.
    • “In der Regel” fänden Blaue Engel-Kriterien bei Ausschreibung Anwendung, heißt es – das kann aber kaum stimmen, sonst gäbe es mehr Software mit Blauem Engel
    • Für Dezember 2023 wurde eine überarbeitete Version des Blauen Engels angekündigt, der auch serverbasierte Software einbeziehen soll, das wäre gut (aber ob das passierte, weiß ich nicht)
    • Verbindliches zu nachhaltiger Software enthält theoretisch die Verwaltungsvorschrift AVV Klima von 2021, bei Ausschreibungen sollen Nachhaltigkeitskriterien davon “in unterschiedlichen Ausprägungen” berücksichtigt worden sein – eine Kontrolle gibt es offenbar nicht, glaubwürdig ist die Behauptung nicht – aber auch nicht überprüfbar
    • Zur Wiederverwertung IKT: ein Rahmenvertrag mit Inklusionsunternehmen wurde Ende 2022 geschlossen und soll auch angemessen genutzt werden, das ist gut!
    • Das (löchrige) Berichtswesen Green-IT soll überarbeitet werden, um endlich (ohne meine Nachfragen) Daten zur Erfüllung der Blaue Engel Standards auch für Rechenzentren zu erheben und soll erstmalig 2024 veröffentlicht werden
    • Eine Nachhaltige Ausstattungsrichtlinie soll 2024 veröffentlicht werden
    • Auch der Maßnahmenplan für nachhaltige Rechenzentren soll 2024 kommen
    • Der „schönste“ Satz: „Im Jahr 2024 wird mit der Erarbeitung einer Empfehlung zum nachhaltigen Downsizing von Rechenzentren aufgrund von Konsolidierung begonnen“ – die IT-Konsolidierung läuft von 2015-2025 und 2024 will man mit der Erarbeitung von Empfehlungen beginnen… LOL“
  • Fazit: Große Ankündigungen, nachweisbar fast nichts erreicht!

Meine Schriftliche Frage zur Nachhaltigkeit von Webseiten des Bundes

  • Antwort der Bundesregierung vom 08.12.23 HIER
  • In a nutshell:
    • Ein Leitfaden zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung von Software wurde überarbeitet und im Sommer 2023 veröffentlicht.
    • Leider ohne Hinweise auf mögliche Richtlinien für Umsetzung des Prinzips der Datensparsamkeit und Senkung von Treibhausgasemissionen des vermeidbaren Datenverkehrs
    • Interne Vorgabe: Software ist werbefrei —> das ist ja wohl bei Websites von staatlichen Stellen ein Nobrainer!
    • Was fehlt: die Verbindlichkeit in der gelebten Praxis
Screenshot aus der Aufzeichnung meines Vortrages beim 37C3 im Dez. 2023, im Bild eine Darstellung des CO2 Ratings für die Website des BMWK - 96% aller Webseiten haben einen geringeren Carbon Footprint.
Screenshot Vortrag Anke Domscheit-Berg beim 37C3 in Hamburg, 27.12.2023

Meine Schriftlichen Fragen zur Förderung von Repair-Cafés

  • Im Haushalt 2023 hatte die Ampel-Regierung 2 Mio Euro für ein „Reparieren statt Wegwerfen“ Programm bereitgestellt. Weil es auch bei uns in Fürstenberg/Havel ein Repair-Café im Verstehbahnhof gibt, wollte ich wissen, wann da was ankommt und fragte nach, erst mündlich, ohne Erfolg, dann schriftlich.
  • Antwort der Bundesregierung vom 06.09.23 auf meine Frage, was mit den Haushaltsmitteln passiert, ob schon Gelder flossen und wenn ja wofür und wie es weitergeht (Antwort: HIER ) und weil ich aus der Basis hörte, dass den Ankündigungen keine Taten folgten, fragte ich Anfang Januar 2024 nach, wie viel denn nun aus dem Haushalt 2023 abgeflossen ist für Repair-Café und die enttäuschende aber nicht überraschende Antwort vom 11.01.24 gibts HIER.
  • In a nutshell:
    • Antwort der Bundesregierung vom Sept. 2023: Haushaltsmittel für “Reparieren statt Wegwerfen” wurden noch nicht verausgabt, eine Förderrichtlinie fehlt noch, aber die Ausgabe soll noch vollständig (!) in 2023 erfolgen
    • Antwort der Bundesregierung vom Jan. 2024: Oops, doch kein einziger Euro der 2 Mio € ist geflossen, weder an Repair-Cafés noch sonst irgendwie für für das Programm Reparieren statt Wegwerfen
  • Übrigens: auch im Haushalt 2024 wird es Geld geben für dieses Programm, diesmal sogar 4,5 Mio Euro, ich hoffe sehr, dass diesmal wirklich auch was ankommt bei den Repair-Cafés! Ich werde ein Auge darauf haben.

Nachtrag: wie die Ampel das Fragerecht der linken Opposition beschneidet

Am 2. Februar 2024 hat der Bundestag mit der Mehrheit der Ampel die Gruppe der Linken im Bundestag anerkannt, was einerseits eine gute Nachricht und andererseits eine schlechte ist. Das Gute: wir erhalten viele Rechte zurück, die wir nach der Auflösung als Linksfraktion nicht mehr hatten, denn wir galten alle als „fraktionslos“ und durften z.B. keine einzige Kleine Anfrage mehr stellen und wir bekamen keine zusätzlichen Mittel mehr (für gemeinsame IT, für Personal, für Öffentlichkeitsarbeit), keine Räumlichkeiten für Sitzungen etc. Nun bekommen wir wieder (gekürzte) Mittel, können wieder gemeinsam Dinge tun bzw. dafür bezahlen und dürfen wieder in Ausschüssen abstimmen und Kleine Anfragen stellen.

Das Schlechte: Unser Recht auf Kleine Anfragen wurde extrem beschnitten – auf 10 K.A. je Monat für die gesamte Gruppe. Die Linksfraktion hatte bis zur Auflösung in der aktuellen Legislatur etwa das Vierfache an Kleinen Anfragen. Etwa ein Viertel der Fraktion – 10 MdB – hatte sich als BSW abgespalten, die als eigene Gruppe anerkannt wurde. Sie erhalten ebenfalls ein Recht auf 10 K.A. je Monat. Jedes MdB der BSW kann also monatliche eine K.A. stellen, als Mitglied der Gruppe der Linken kann ich rechnerisch nur einmal im Quartal eine K.A. stellen. Zweidrittel unserer bisher gestellten Kleinen Anfragen können wir also mit dieser Quotierung nicht mehr stellen!

Das ist natürlich völlig inakzeptabel, weil es in das parlamentarische Informations- und Kontrollrecht von Abgeordneten unzulässig eingreift und außerdem Ungleiches gleich behandelt. Wir werden dagegen klagen und ganz sicher vor Gericht gewinnen, bis dahin ist jedoch unser Fragerecht stark beschnitten und ich kann künftig viele der oben beschriebenen Informationen nicht mehr für die Öffentlichkeit in Erfahrung bringen. Damit schadet die Ampel-Koalition nicht nur mir und der Gruppe der Linken, sondern auch der Demokratie – in einer Zeit, wo das ein gefährliches Agieren ist. Sie muss sich vorwerfen lassen, dass sie ihre Mehrheit mißbraucht, um die (linke) Opposition ihrer Rechte zu beschneiden – Wasser auf die Mühlen der Politik- und Parteienverdrossenheit.

Auch in diesem Jahr habe ich eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um zu erfahren, wie nachhaltig die IT des Bundes ist, insbesondere die Rechenzentren. Damit sich nicht jede:r durch die vielen schwer lesbaren Dokumente aus der Antwort der Bundesregierung quälen muss, gibt es nachfolgend eine ausführliche Analyse mit vielen Zahlen und Fakten, die ich mit meinem Team aus den Dokumenten erarbeitet habe. Vergnügungssteuerpflichtig war das nicht, keine Tabelle war maschinenlesbar, alles nur PDF mit z.T. inkonsistenten Antworten. Für alle, die die Zeit dafür aufbringen können, lohnt sich dennoch HIER ein Blick in die Originaldokumente.

Datenlage – Die Bundesregierung hat keinen Durchblick

  • Laut Frage 1 soll (immer noch) das Berichtswesen Green IT überarbeitet werden, für 2023 sollen dann (rückblickend) alle 21 Kriterien des (neuen) Blauen Engels für RZ berichtet werden
  • Wichtige Informationen werden strukturell nicht erhoben von den meisten Rechenzentren ! 
    • Nur 7% geben an, ein Energiemanagementsystem (Blauer Engel) zu haben (Frage 10)
    • Nur 29% haben ein IT-Last Monitoring (Blauer Engel) (Frage 10)
    • Nur 13% haben ein Monitoring von Strom, Klima u Wasser (Blauer Engel) (Frage 10)
  • Die Bundesregierung senkt sich dabei die Latte selbst: noch vor 1 Jahr kündigte sie an, alle Bundes-RZ ab 100 kW Anschlussleistung würden ein Energie-Management-System einführen – das beträfe 41 RZ laut Antwort auf eine Schriftliche Frage von mir; laut Energieeffizienzgesetz gibt es diese Pflicht aber nur noch für Bundes-RZ ab 300KW Nennleistung, das sind aber nur noch 16 RZ, also 25 Rechenzentren weniger!
  • Für mehr als jedes vierte der aufgelisteten 118 RZ des Bundes gibt es keine Daten für den Stromverbrauch oder den Ökostrom-Anteil (besonders schlecht: Digitalministerium: bei 8 von 10 RZ gibt es keine Angabe), und auch nicht für die verwendeten Kältemittel (Frage 13)
  • Transparenz gibt es überhaupt nicht: 0% der RZ gaben an, irgendwelche Daten zur Energieeffizienz zu veröffentlichen (ein Blauer Engel Kriterium, Frage 10)
  • Auch am künftigen Energieeffizienzregister hat sich kein einziges RZ des Bundes bereits mit Daten in der Pilotphase beteiligt, es ist finanziert vom BMWK (Frage 2 b)
  • Auch der Fortschrittsbericht zum Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit kommt regelmäßig verspätet, der noch ausstehende Bericht für 2022 soll laut Ampel nun irgendwann im ersten Quartal 2024 kommen. (Frage 1c)
  • Es fehlen nicht nur viele Daten, manche widersprechen sich auch direkt: zB die Angaben des BMFSFJ zur Abwärmenutzung: in der Antwort auf Frage 14 “Nutzung Abwärme?” steht 6 Mal Nein u 1 Mal Keine Angabe, bei Frage 10 (Blauer Engel, Kriterium Abwärmenutzung) steht jedoch bei 2 RZ des BMFSFJ “erfüllt” – nur eins davon kann stimmen. Auch bei der Nutzung klimaschädlicher Kältemittel gibt es Widersprüche zwischen verschiedenen Tabellen (Anlage 1 und Anlage 3), wonach entweder nur 1 oder mindestens 3 der 6 RZ des Umweltministeriums klimaschädliche Kältemittel verwenden. 

Nachhaltigkeit der Bundes-IT: Hoher Anspruch – kaum Umsetzung

Nachfolgend detailliertere Analysen zu den Themen:

  1. Allgemein – Überblick – Blauer Engel
  2. Erneuerbare Energien, Stromverbrauch
  3. Abwärmenutzung
  4. Kältemittel
  5. Einkauf und Nachnutzung von IT
  6. Sonderauswertung BMWK und BMUV
  7. IT-Konsolidierung des Bundes – Anzahl RZ

1. Allgemein – Überblick – Blauer Engel

  • Nur 2 RZ haben einen Bl. Engel – aber nur nach alten Kriterien (Frage 11)
  • Kein einziges RZ erfüllt alle 21 Kriterien des neuen Blauen Engel (Anlage 1)
  • Nur 5% der 118 RZ gaben an, wenigstens die Hälfte dieser Kriterien zu erfüllen 
  • Jedes 5. RZ (19%/22) gab für kein einziges der 21 Kriterien an, dass es erfüllt wird (also inkl. “Keine Angabe”) 
  • Jedes 5. RZ gab an, mehr als 5 von 21 Kriterien zu erfüllen (18%)
  • Das beste RZ ist eines, das zumindest 17 von 21 Kriterien erfüllt.
  • Auch bei neuen RZ spielt weiterhin der Blaue Engel eine untergeordnete Rolle, obwohl die Einhaltung seiner Kriterien seit Jahren Vorschrift ist. (Frage 15)

Übersicht Erfüllung Kriterien des Blauen Engels für RZ:

 Auswahl der 9 besonders relevanten Blaue-Engel-Kriterien:

Nachfolgend drei Tabellen zu den 9 wichtigsten Kriterien des Neuen Blauen Engels, einmal die Übersicht über alle 118 RZ des Bundes und dann noch mal je eine Tabelle für die Rechenzentren des BMWK und des BMUV, die ja beide für das Thema Nachhaltigkeit der IT kompetent und verantwortlich sein sollten.

2. Erneuerbare Energie:

  • Für jedes 4. RZ sind weder Stromverbrauch noch Ökostrom-Anteil bekannt,
  • Immerhin: 74 / 118 RZ nutzen erneuerbare Energien, (2022: 52 RZ) – das sieht aus wie eine deutliche Verbesserung! Schaut man jedoch in die Tabelle der 118 RZ (Anlage 2), ist nur bei 4 Rechenzentren eine Verbesserung des Anteils von Erneuerbaren Energien erkennbar. Spitzenreiter mit 100% Erneuerbaren für alle ihre RZ sind: BMAS (3 RZ), BMBF (4 RZ), BMF (11 RZ) u BPA (4 RZ). Auch ganz gut sind: BMWK: 11 RZ mit 100% Erneuerbaren, 1 mit keiner Angabe)
  • Besonders uninteressiert ist offenbar das Digitalministerium: 8 mal Angabe „Keine Ahnung“ (die Abkürzung K.A. kann auch „Keine Angabe“ heißen), 1 mal 36 % Erneuerbare u nur 1 mal 100 % Erneuerbare.
  • Die Bundesregierung bestätigt den Plan, bis Ende 2024 ALLE Liegenschaften des Bundes (dazu gehören auch RZ) mit 100% Erneuerbare zu versorgen – das Ziel ist durchaus erreichbar. (Frage 6)

Übersicht zum Anteil erneuerbarer Energien

Stromverbrauch: steigt wieder

Nachdem er jahrelang sank, steigt der Stromverbrauch der Bundes-IT wieder, laut Bundesregierung wegen der “Zunahme der Digitalisierung und mehr mobiler Arbeit”, sie will gegensteuern durch “Umsetzung der Kriterien des Blauen Engels für Rechenzentren” und durch “kontinuierliches Monitoring” (Frage 3) – da aber nur 2 von 118 RZ einen Blauen Engel haben u ein kontinuierliches Monitoring offenbar gar nicht stattfindet, wird das wohl nichts…. Der Bund kann auch nicht schätzen, ob der Stromverbrauch steigen oder sinken wird.

3. Abwärme: Verschlechterung!

  • Nur 9 % der 118 Rechenzentren nutzen Abwärme in irgendeiner Form (keines detailliert trotz Nachfrage wie und wie viel), in absoluten Zahlen: 11 RZ nutzen Abwärme, in 2022 waren es noch 14! (Anlage 4)
  • Die Abwärme-Kriterien des Blauen Engels erfüllen sogar nur 6 der 118 RZ – das sind 5 % – wahrlich keine Vorbildwirkung! (Anlage 1)
  • Bemerkenswert: 2 Rechenzentren des BMWK gaben in 2022 an, Abwärme zu nutzen, jetzt aber nicht mehr. Das ist kurios und ginge jedenfalls in die falsche Richtung.

Übersicht zur Abwärmenutzung:

4. Kältemittel: keine Verbesserung, gleichbleibend schlecht

  • Nur 13 von 118 Rechenzentren nutzen klimafreundliche Kältemittel – eins mehr als in der Antwort zur Kleinen Anfrage 2022 stand, von den 12 RZ des BMWK gehört keines dazu (Anlage 3)
  • 73 RZ nutzen explizit klimaschädliche Kältemittel (32 RZ = Keine Angabe)
  • Immerhin haben 16 RZ eine Umrüstung auf weniger klimaschädliche Kältemittel geplant, davon 4 der 11 RZ mit klimaschädlichen Kältemitteln beim BMWK, aber keines der 2 RZ mit klimaschädlichen Kältemitteln beim BMUV

Übersicht zur Klimafreundlichkeit der Kältemittel:

5. Einkauf und Nachnutzung von IT

Ein Reuse-Management haben nur 26 der 118 RZ (40 „keine Angabe“, 52: “nein”) – Es gibt also weiterhin kein systematisches Lifecycle-Management für die Unmengen an Hardware in den Rechenzentren des Bundes. (Anlage 1) 

Einkaufsmacht des Bundes: zu wenig Nachhaltigkeitskriterien in RZ-Dienstleistungsverträgen:

  • Der Bund kauft für Milliarden Euro IT-Produkte u Dienstleistungen ein – er hat eine hohe Marktmacht u kann damit steuernd wirken, das tut er aber viel zu wenig.
  • „100% erneuerbare Energie“ findet sich bei fast allen (14 von 15) Co-Location RZ des Bundes (Frage 16)
  • Klimafreundliche Kältemittel sind nirgendwo Vertragsbestandteil
  • Nur selten gibt es einen Mindest-PUE Wert (4 von 15 Mal)
  • Aber zunehmend spielt Abwärmenutzung eine Rolle, 5 Mal als Vertragsbestandteil u 2 weitere Male findet sie statt (ohne Verankerung im Vertrag)

6. Sonderauswertung: BMWK und BMUV sind keine Vorbilder!

Die Bilanz ist für beide grün-geführten und für Umwelt und Klima zuständigen Ministerien mehr als peinlich.

  • BMWK:
    • 0 von 12 RZ des BMWK haben ein Energiemanagementsystem (Anl. 1)
    • Kein RZ nutzt Abwärme (Anlage 4)
    • Kein RZ nutzt klimafreundliche Kältemittel (für 4 ist eine Umrüstung geplant) (Anl. 3)
    • Nur bei Nutzung von Erneuerbaren blamiert sich Klimaminister Habeck nicht (11 von 12 RZ) (Anlage 2)
    • Das BMWK hat keine Personalstellen für die Nachhaltigkeit seiner RZ (Frage 1b)
  • BMUV:
    • Immerhin 5 von 6 RZ haben ein Energiemanagementsystem  (Anlage 1)
    • Nur 2 von 6 nutzen klimafreundl. Kältemittel (lt. Anlage 3).
    • Nur 1 von 6 nutzt Abwärme (Anlage 4)
    • Nur 4 von 6 RZ nutzen 100% Erneuerbare Energien
    • Lobenswert: es gibt 3 Personalstellen für Nachhaltigkeit in RZ (Frage 1b)

7. IT-Konsolidierung des Bundes: Ziele werden nicht erreicht, sondern abgeschafft

  • Das Großprojekt IT Konsolidierung des Bundes läuft von 2015 bis 2025 und wird vorr. 3,5 Mrd. € kosten. Laut Grobkonzept von 2015 soll die Anzahl der Bundes-RZ auf 10, laut Aussage im Herbst 2023 im Digitalausschuss sogar auf 3 RZ reduziert werden.
  • Seit Jahren steigt jedoch die Anzahl RZ anstatt zu sinken.
  • Laut Frage 8 hat der Bund 118 Rechenzentren, im letzten Jahr gab er 184 RZ an
  • Allerdings fehlen dieses Jahr in der Tabelle alle RZ des Kanzleramtes und der Beauftragten für Kultur und Medien (2022: 1+8 RZ) sowie beim Vergleich mit den Tabellen in 2022 auch 67 RZ des BMI, vermutlich die RZ der Netze des Bundes.
  • Rechnet man diese 9 + 67 RZ zu den 118 RZ hinzu, hat der Bund 194 RZ, also wieder 10 mehr als im letzten Jahr.
  • Bis 2025 will der Bund laut Frage 8 b) die Anzahl der RZ von 118 auf 99 verringern, auch in dieser Prognose-Zahl sind die unterschlagenen RZ aus drei Ressorts nicht enthalten.
  • Laut Antwort auf Frage 7 ist das aber für die BuReg offenbar kein Problem, da „die Anzahl der Rechenzentren kein Kriterium mehr für die Zielerreichung ist“ – ob die Anzahl RZ also nun wirklich reduziert wird oder nicht und wann es welche erreichbaren Ziele gibt, bleibt schleierhaft.

So viel also zum Fortschritt der Nachhaltigkeit der Bundes-Rechenzentren. Noch mehr Informationen zum Thema Nachhaltigkeit der Bundes-IT – also auch zu Software, Webseiten aber auch zum Einkauf von Open Source im Allgemeinen gibt es in meinem Artikel zum Vortrag Nachhaltigkeit der Bundes-IT: Koalitionsvertrag vs. Wirklichkeit zu lesen, den ich am 27.12.2023 beim 37. Chaos Communication Congress (#37C3) gehalten habe. Den Vortrag kann man sich HIER ansehen.

Eine aktuelle Kleine Anfrage der Linken im Bundestag zur Bewertung der Digitalen Souveränität des Bundes erfragte Informationen zu Rahmenverträgen der Bundes-IT und zu Ausgaben für proprietäre Software und Open Source Software (OSS). Aus der Antwort der Bundesregierung mit DS 20/9641 ergibt sich, dass die 10 größten Vertragspartner für IT-Rahmenverträge ein gemeinsames Rahmenvertragsvolumen von über 13,6 Mrd. Euro haben. Davon entfällt allein auf Produkte und Dienstleistungen des US-Herstellers Oracle ein Gesamtvertragsvolumen von 4,8 Milliarden Euro, mit dem größten Einzel-Rahmenvertrag über 4,6 Mrd Euro bei einer Laufzeit bis 2030. Weitere knapp 1,3 Milliarden entfallen auf zwei Rahmenverträge für Lizenzen des US-Unternehmens Microsoft.

Aus der detaillierten Abfrage von Ausgaben zu Entwicklungsaufträgen von Software und zu Dienstleistungen im Zusammenhang mit Software ergab sich, dass der Bund seit Beginn dieser Legislatur nur etwa 0,5 Prozent seiner entsprechenden Ausgaben für OSS einsetzte. So vergab das Digitalministerium Entwicklungsaufträge im Volumen von 22,3 Mio Euro, wovon aber nur 121.000 Euro (0,55 Prozent) auf die Entwicklung von OSS entfielen. Für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Software verausgabte der Bund insgesamt sogar etwa 3,5 Milliarden Euro, auch davon flossen aber nur 18,6 Mio (0,54 Prozent) an Open Source. Sowohl der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung als auch ihre Digitalstrategie versprachen jedoch, auf Open Source zu setzen. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg:

“Ich kann mich an keine Regierung erinnern, bei der digitalpolitische Ankündigungen und ihre Umsetzung derart eklatant auseinander klafften! Die Förderung von Open Source und die Betonung der Digitalen Souveränität als Richtschnur für IT-Entscheidungen sind offensichtlich reine Lippenbekenntnisse, denn in der Praxis setzt auch die sogenannte Fortschrittskoalition auf die übliche Praxis, für sehr viel Geld teure proprietäre Software insbesondere von großen US-Konzernen einzukaufen. Nicht einmal der für die Digitalstrategie zuständige Minister Wissing hält sich an das, was er darin angekündigt, denn für OSS Entwicklung gab er nur 0,5 Prozent seines Budgets für Softwareentwicklung aus.

Dass außerdem mehrjährige IT-Rahmenverträge über extrem hohe Summen v.a. mit US-Konzernen sowie zu ihren Produkten abgeschlossen wurden, ist genau das Gegenteil von Stärkung der digitalen Souveränität und erhöht auf viele Jahre die Abhängigkeit des Bundes von einzelnen US-Konzernen. Mit einer einzigen US-Firma (Oracle) sogar einen Rahmenvertrag über 4,6 Mrd Euro abzuschließen, der noch bis zum Ende der nächsten (!) Legislatur laufen wird, ist schlicht auch obszön, denn diese Summe ist doppelt so hoch, wie die Kosten der mühsam erkämpften Kindergrundsicherung bei ihrer Einführung und auch in Anbetracht des für 2024 zu erwartenden Kahlschlaghaushalts für viele soziale Belange. Außerdem wird damit die Abhängigkeit von einem einzelnen Hersteller über Jahre hinweg extrem erhöht. Wer aber abhängig ist von einzelnen Firmen und ihren Produkten, wird erpressbarer – muss also häufig immer mehr bezahlen, ist außerdem weniger flexibel und geht ein zusätzliches IT-Sicherheitsrisiko ein. Deshalb ist es völlig inakzeptabel, dass der Koalitionsvertrag zwar einerseits verspricht, die digitale Souveränität durch mehr OSS zu sichern, aber gleichzeitig der Bund mit milliardenschweren Rahmenverträgen das Gegenteil erreicht und Tatsachen schafft, die bei einer Handvoll US-Konzernen die Kassen klingeln lassen, aber jede Menge Nachteile und Risiken bedeuten, bis hin zum Risiko, dass es über eingebaute Hintertüren Datenabflüsse an US-Geheimdienste gibt.

Am Ende erkennt man doch immer am Geld, wie ernst es eine Regierung mit ihren Versprechen meint! Bisher stehen auch im Haushalt für 2024 Kürzungen ausgerechnet für Open Source Initiativen an, denn die Haushaltsmittel für das Zentrum für Digitale Souveränität sollen fast halbiert werden. Diese Kürzungen betreffen die beiden wichtigsten Vorhaben des Bundes zur Förderung von OSS: die Entwicklung eines Open Source Arbeitsplatzes, als Alternative zu Microsoft Office, und die Plattform OpenCode, auf der Software der Verwaltung veröffentlicht werden soll.

Würde es die Bundesregierung ernst meinen mit der Förderung von Open Source in der eigenen Verwaltung, gäbe es messbare Ziele und ein Monitoring für den Anteil von OSS im Bund, beides existiert bisher nicht, selbst ein Software-Lizenzmanagementsystem befindet sich erst in der Planungsphase, was bei so hohen Ausgaben für Lizenzen schlicht nicht nachvollziehbar ist. Die gesamte Praxis der Bundesregierung zur Entwicklung von Software und Vergabe von Rahmenverträgen konterkariert ihre eigenen strategischen Ziele und trägt viel zu wenig zur Entwicklung europäischer Open Source Alternativen und eines Open Source Ökosystems bei, sie schadet außerdem aktiv der digitalen Souveränität.”

Links:

Anmerkung:

Die Detailtabellen zu den einzelnen Entwicklungs- und Dienstleistungsverträgen (3 weitere Anlagen) sind eingestuft als „Nur für den Dienstgebrauch“ und können daher nicht veröffentlicht werden.

Zum Dritten Mal hatte die Linksfraktion mit einer Kleinen Anfrage Informationen zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT erfragt, da die Digitalisierung eine erhebliche Klimawirkung hat. Auch die Ampelregierung hat sich die Nachhaltigkeit der Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben, u.a. im Koalitionsvertrag, in ihrer Digitalstrategie und zuletzt mit dem Energieeffizienzgesetz aus dem Hause Habeck, das insbesondere Rechenzentren reguliert. Aber bereits die Anfragen von 2021 und 2022 ergaben, dass einerseits die Datenlage zum Thema katastrophal ist – die Bundesregierung weiß nicht einmal hinreichend, wo sie steht – und dass andererseits der Bund alles andere als ein Vorreiter in nachhaltiger Digitalisierung ist. Während in Dubai die COP28 zur Klimakrise tagt und nachdem gerade wieder ein Gericht dem Bund zu langsames Handeln bescheinigte, ergab die aktuelle Kleine Anfrage zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT, dass es dennoch nur marginale Verbesserungen, punktuell sogar Verschlechterungen gab und dass insbesondere keine strukturellen Verbesserungen erreicht wurden. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, Digitalpolitikerin der Linken im Bundestag:

Zu Daten u Intransparenz:

„So lange die Ampel weiterhin dieses eklatante strukturelle Informationsdefizit hat, wird sie keines ihrer Nachhaltigkeitsziele für ihre IT erreichen können. Kaum irgendwo ein Monitoring von Strom, Klima oder Wasser, für jedes 4. Rechenzentrum sind weder Ökostromanteil noch der Gesamtenergieverbrauch bekannt. Nicht einmal jedes dritte  Rechenzentrum gibt an, ein IT-Last-Monitoring zu betreiben, mit dem sich die Auslastung der Server optimieren lässt, was Energie spart. Auch zur Power UsageEffektiveness, ein übliches Maß zur Ermittlung von Energieeffizienz, gibt es für fast 40% der Rechenzentren des Bundes keine Daten. Ich bin es leid, immer nur von Ankündigungen einesguten Berichtswesen zu lesen, denn ohne vernünftige Daten kann man nicht gut steuern! Gerade zu frech ist die Unterschlagung von mehr als 60 Rechenzentren, für die es in 2022 noch Daten gab.“

Zu Nachhaltigkeit

„Ein besonders schlechtes Vorbild ist ausgerechnet das Klimaministerium von Habeck, der ein Energieeffizienzgesetz für nachhaltigere Rechenzentren durchsetzte, aber von dessen 12 Rechenzentren keines Abwärme nutzt oder klimafreundliche Kältemittel, es hat auch keines ein Energiemanagementsystem und nicht ein einziges steuerte Daten für den Aufbau seines Energieeffizienzregisters bei, alle anderen RZ des Bundes allerdings auch nicht.“

„Nachhaltigkeit schafft die Ampel nur auf dem Papier: Der Blaue Engel ist für Rechenzentren des Bundes schon seit Jahren eine Vorgabe, aber nicht einmal zwei Prozent haben ihn, Abwärme nutzt nicht mal jedes 10. Rechenzentrum – sogar weniger, als im letzten Jahr und knapp 90 Prozent der Rechenzentren nutzen weiter klimaschädliche Kältemittel. Die „besten“ fünf Prozent der Rechenzentren erfüllen gerade einmal die Hälfte der Anforderungen des aktuellen Blauen Engels. So wenig Fortschritt, noch dazu bei der angeblichen Fortschrittskoalition, habe ich mir nicht vorstellen können.

Zur IT-Konsolidierung

„Wenn die Ampel-Regierung ein Ziel nicht schafft, schafft sie es offenbar ab, denn nachdem erneut die Anzahl der Rechenzentren um 10 auf 194 RZ stieg, statt von 184 RZ auf 10 RZ zu sinken, erklärt sie nun, die Anzahl der RZ sei kein Kriterium mehr für dieZielerreichung. Das ist eine Bankrotterklärung erster Klasse. Auf der Strecke bleibt dadurch nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern auch die Leistungsfähigkeit, Souveränität und Sicherheit der Bundes-IT.“ 

Antwort der Bundesregierung:

Datenblatt zur Analyse:

Dieser Blogpost dreht sich um die Nachhaltigkeit der IT des Bundes. Schon zweimal habe ich dazu eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Hier werden die Daten der letzten Anfrage ausgewertet und außerdem zusammengefasst, was die Ampel sonst so zu dem Thema versprach oder seitdem beschloss. Zur besseren Orientierung und damit Ihr auch Abschnitte einzeln finden und lesen könnt, hier eine Übersicht:

    1. Ausgangslage und Vorgeschichte – meine erste Anfrage 2021

    Die Welt ist mit zwei globalen Transformationen konfrontiert: Digitalisierung und Klimakrise, beide hängen auch eng zusammen. Ohne Digitalisierung gibt’s keine Energie- und Verkehrswende, gleichzeitig steigt der Ressourcenverbrauch und der CO2 Fußabdruck der Digitalisierung rasant an. Digitalisierung muss daher nachhaltig sein. In der Pflicht steht dabei auch der Bund, der mit über 180 Rechenzentren und einem Einkaufsvolumen von einer Milliarde Euro im Jahr für ITK-Produkte und Dienstleistungen einen erheblichen Klimafußabdruck verursacht.

    Im Juni 2021, also noch zu GroKo Zeiten, erfragte ich erstmalig den Status der Nachhaltigkeit der Bundes-IT. Die Antworten waren deprimierend, denn einerseits fehlte es massiv an Überblick – viele Daten waren einfach nicht bekannt, und andererseits zeugten die Daten, die vorhanden waren, von durchgehend mangelhafter Nachhaltigkeit. Seit 2012 gibt es einen Blauen Engel für effizienten Rechenzentrumsbetrieb, seine acht Kriterien erfüllten die Rechenzentren des Bundes (da wo es überhaupt Daten gab) kaum: 80% nutzten z.B. klimaschädliche Kältemittel, 93% nutzten keine Abwärme. Wer sich für diese erste Anfrage interessiert, kann die Antwort der Bundesregierung hier nachlesen: Drucksache 19/31210.

    Im August 2022 wollte ich wissen, was sich seitdem getan hat und war gespannt, welche Unterschiede es zwischen GroKo und Ampel-Koalition gibt. Die ganze Antwort auf diese zweite Kleine Anfrage kann man hier finden: Drucksache 20/3619

    2. Die Versprechen der Ampel – Koalition

    Hoffnung machte mir dabei der Koalitionsvertrag der Ampel vom November 2021. Darin stand z.B., dass „neue Rechenzentren ab 2027 klimaneutral zu betreiben seien, und dass bei„IT-Beschaffungen des Bundes Zertifizierungen wie z. B. der Blaue Engel Standard sein sollen“. Weitere Vorhaben und Ziele folgten, so wurde im August 2022 die Digitalstrategie veröffentlicht, in der die Ampel-Koalition verspricht:

    „Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

    1. „…die 3. Abwärme von Rechenzentren besser genutzt wird und sich der Einsatz umwelt- und klimafreundlicher Kühlmethoden verbessert hat. Um dieses Ziel zu erreichen werden wir Beschaffungsrichtlinien anpassen (…).
    2. …der Aufbau eines Energieeffizienzregisters für Rechenzentren einen Wettbewerb unter den Rechenzentrums-Betreibern um die größte Energieeffizienzleistung ausgelöst hat.
    3. Methoden zur energieeffizienten Softwareentwicklung (ADB: gemeint ist vermutlich Entwicklung energieeffizienter Software)und effizienter KI-Entwicklung und -Übertragung (ADB: KI-Übertragung? gemeint ist vermutlich „Datenübertragung“) etabliert sind.“

    Schon im Juli 2022 wurde ein Sofortprogramm für den Gebäudesektor  angekündigt, in dem konkret davon die Rede ist, dass ein Energieeffizienzgesetz kommt und Rechenzentren zu mindestens 30% Abwärmenutzung verpflichten soll. Soweit die Ankündigungen. Aber wie sah es nun mit Transparenz und Nachhaltigkeit der Bundes-IT im Sommer 2022 aus?

    3. Kleine Anfrage 2022 offenbart eklatanten Mangel an Transparenz

    Um ein Problem beheben zu können, muss man sein Ausmaß kennen, dafür braucht es geeignete Daten. Die Datenlage zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT war auch ein Jahr nach meiner ersten Anfrage unverändert schlecht. Selbst einfache Fragen, wie nach der Nutzung erneuerbarer Energie in Rechenzentren konnten mir für zwei Drittel der Rechenzentren nicht beantwortet werden. Ein RZ des BMI gab als Erklärung dafür an, dass es gar keinen eigenen Stromzähler hat. In meinem Haus gibt es drei verschiedene Stromzähler, einer ist für das kleine Rechenzentrum in meinem Keller. Was bei mir im Keller geht, sollte auch das Bundesinnenministerium bei seinen Rechenzentren schaffen.

    Ohne eigenen Stromzähler wird es schwierig, den Energieverbrauch gezielt zu erfassen… Angaben des BMI aus Anlage 5

    Für jedes vierte seiner RZ weiß der Bund offenbar nicht, welche Kältemittel dort verwendet werden. Es ist nicht einmal klar, wie viele RZ die Bundesregierung tatsächlich hat oder in den nächsten Jahren haben wird. Die Zahlen sind inkonsistent. Es sind offenbar irgendwie um die 180 Rechenzentren, für 118 dieser RZ gab es zu keinem einzigen der acht Kriterien des Blauen Engels auch nur eine einzige Angabe. Sie sind offenbar im Blindflug was ihre Klimawirkung und Energieeffizienz angeht. Sehr dünn ist die Informationslage auch beim BMI, wo es besonders weh tut, denn das BMI ist für 82 Rechenzentren zuständig.

    Die Tabellen aus der Antwort der Bundesregierung waren allgemein bemerkenswert konfus, uneinheitlich ausgefüllt und enthielten sogar offensichtliche Fehler, etwa die Einstufung eines eindeutig klimaschädlichen Kältemittels in einem RZ des BMI als unbedenklich.

    Das BMI klassifiziert in Anlage 6 die Kältemittel R410a und R134a als unbedenklich, obwohl sie starke Treibhausgase sind (GWP-Wert 2088 bzw. 1430) 

    Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft verrät an irgendeiner Stelle, dass es die Daten für fünf verschiedene Rechenzentren einfach zusammengefasst hat. Wie soll man solche Daten sinnvoll auswerten?

    Die abgefragten Daten für das RZ Nr. 39 des BMEL gelten offenbar konsolidiert für fünf Rechenzentren. (aus: Anlage 2.1).

    Es fehlt an gutem Willen, Datenkompetenz oder auch an Datenquellen, wie einem getrennten Zähler für den Stromverbrauch. Ich habe da wohl Staub aufgewirbelt, denn drei Wochen nach Eingang meiner Anfrage wurde die Green-IT Initiative des Bundes mit erweiterten Ziele neu aufgelegt: nun soll das Berichtswesen verbessert und künftig jährlich die Kriterien des Blauen Engels für RZ erfasst werden! Auch aus der Opposition heraus kann man offenbar etwas bewirken.

    4. Zu wenig: Abwärmenutzung, Strom aus Erneuerbaren, klimafreundliche Kältemittel

    Bei der Transparenz hat sich offenbar nichts verbessert seit meiner ersten Anfrage in 2021. Leider auch kaum bei der tatsächlichen Nachhaltigkeit, die man ja nur dort beurteilen kann, wo es Daten gab. Für die Rechenzentren des Bundes habe ich acht Kriterien des Blauen Engels  für effizienten RZ-Betrieb  – von Ökostrom bis Kältemittel – abgefragt. Die häufigste Antwort war auch hier: „keine Ahnung“, die zweithäufigste war „keiner der acht Parameter wird erfüllt“.

    Über 90% der RZ, für die Daten angegeben werden, erfüllen nicht einmal vier der acht Kriterien des Blauen Engels. Nach den Angaben in den Tabellen erfüllt kein einziges RZ alle acht Kriterien, tatsächlich gibt es aber ein RZ, das mit dem Blauen Engel zertifiziert ist, das gleiche wie 2021.


    Nicht einmal für jedes Dritte RZ wurde angegeben, dass Strom aus erneuerbarer Energie verwendet wird.

    Nutzung von Ökostrom laut Anlage 5 der Antwort der Bundesregierung

    Null Veränderung gab es beim Thema Abwärme: 93% von 190 RZ nutzen sie immer noch nicht – genau wie im Vorjahr (für die Daten siehe Anlage 7 der Antwort der Bundesregierung)

    Nutzung von Abwärme laut Anlage 7 der Antwort der Bundesregierung

    Verbesserung auf niedrigem Niveau gab es bei klimaschädlichen Kältemitteln, deren Anteil von 80% in 2021 auf 67% in 2022 sank (Basis 190 RZ des Bundes), allerdings hat ja jedes vierte RZ die Frage nicht beantwortet, ob es wirklich eine Verbesserung gab, kann man daher nicht sicher sagen. 

    Nutzung von Kältemitteln nach Klimawirkung laut Anlage 6 der Antwort der Bundesregierung

    Entsprechend der umweltpolitischen Digitalagenda vom März 2020 sollten alle künftig in Betrieb gehenden Rechenzentren alle Kriterien des Blauen Engels einhalten. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage gab die Bundesregierung jedoch zu, dass mindestens 38% aller 34 RZ, die seit März 2020 neu in Betrieb gingen oder noch in Planung sind, die Kriterien des Blauen Engels NICHT erfüllen werden.

    Hinweis: Im Januar 2023 wurde der Blaue Engel für Rechenzentren novelliert, anstatt zwei getrennter Siegel für RZ und Co-Location-RZ gibt es nun einen einheitlichen Blauen Engel RZ-Betrieb allgemein.

    Anwendung der Kriterien des Blauen Engels bei neuen und geplanten RZ seit März 2020 laut Anlage 3 der Antwort der Bundesregierung

    5. Kein Fortschritt bei nachhaltiger Software und Webservices

    Nachhaltige IT hat aber nicht nur mit Rechenzentren zu tun. Laut Umweltbundesamt verbraucht eine ineffizient programmierte Software bis zu vier Mal so viel Energie wie nachhaltig programmierte Software, weshalb es inzwischen auch einen Blauen Engel für nachhaltige Software gibt. Meine Anfrage ergab, dass der Bund keine einzige Software nennen kann, die mit diesem Blauen Engel zertifiziert ist und vom Bund oder in seinem Auftrag entwickelt wurde. In manchen Behörden sollen Leitfäden für nachhaltige Softwareentwicklung zwar existieren (konkrete Beispiele werden keine genannt), aber ein Monitoring gibt es nicht und kontrolliert wird da vermutlich nichts.

    Die Bundesregierung schreibt in ihrer Antwort, dass für die nachhaltigere Beschaffung von Software nun auch ein Leitfaden überarbeitet werden soll, aber ohne Verbindlichkeit und Umsetzungskompetenz wird ein Leitfaden mehr nichts ändern. Wir erinnern uns: die Ampel Koalition will sich laut Digitalstrategie daran messen lassen, dass „bis 2025 Methoden zur energieeffizienten Softwareentwicklung etabliert sind“. In ihren eigenen Häusern könnte sie damit anfangen.

    Vom BMUV wurde mir im November 2022 im Nachgang zum Digitalausschuss mitgeteilt, dass eine Selbstverpflichtung der Bundesverwaltung zur Nutzung von Software mit Blauem Engel in Planung sei  – gehört habe ich seither jedoch nichts mehr davon.

    Für die unzähligen Websites des Bundes gibt es übrigens gleich gar keine Art von Vorgaben, Richtlinien oder Standards für Nachhaltigkeit, dabei hat auch ihre Programmierung einen großen Einfluss darauf, wie viel Energie bei ihrem Aufruf verbraucht wird.

    6. IKT des Bundes soll nachhaltiger werden, doch ein Monitoring fehlt

    Der Bund kauft jährlich im Wert von einer Milliarde Euro IT-Produkte und Dienstleistungen ein, da kommt es auch darauf an, dass nachhaltig eingekauft wird. Dabei ist der gesamte Lebenszyklus von Hardware zu betrachten, denn häufig hat die Nutzungsdauer einen erheblichen Einfluss auf den Klimafußabdruck. So entstehen nach Informationen des Öko-Institut e.V. z. B. 84% des Treibhausgasausstoßes von Laptops bereits durch die Herstellung des Geräts, bei Tablets sind es sogar 98%.

    In ihrer schriftlichen Antwort an mich kündigt die Bundesregierung hier etliche Verbesserungen an, z.B. wird die Abgabe von Gebrauchtgeräten an gemeinnützige Organisationen geprüft, neue Ausschreibungsprozesse mit Lebenszyklusbetrachtung pilotiert und ein Rahmenvertrag für die Wiederverwendung von IKT-Produkten inklusive ihrer Aufbereitung sogar durch ein Inklusionsunternehmen geplant. Ich hoffe, dass das alles auch umgesetzt wird und bin gespannt auf die gelebte Praxis!

    Auszug aus der Antwort der Bundesregierung auf Frage 21, ob die Bundesregierung plant, alte IT-Geräte verbindlich und unbürokratisch zu reparieren/aktualisieren, auf Markt für Gebrauchtwaren zu veräußert oder an gemeinnützige Institutionen abzugeben).

    Verunsichernd war allerdings eine Antwort des BMUV vom November 2022 auf meine Frage im Digitalausschuss, wie denn beim IKT-Einkauf des Bundes die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden solle. Die lakonische Antwort war, dass diese Kriterien bereits jetzt umgesetzt würden. Um es mal vorsichtig zu formulieren: diese Antwort ist mit der Realität schlicht nicht vereinbar. Außerdem spricht sie nicht für ein vorhandenes Problembewusstsein und echte Veränderungsbereitschaft.

    Leider existiertkein Monitoring der Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien im IKT-Lebenszyklus und es ist auch nicht geplant. So ist unklar, ob man überhaupt Einblick in die gelebte Praxis erhalten kann. 

    7. IT-Konsolidierung des Bundes tritt auf der Stelle

    Keinen erkennbaren Fortschritt gibt es bei der IT-Konsolidierung des Bundes, denn sie soll die Anzahl der Rechenzentren verringern, was auch ihren nachhaltigen Betrieb erleichtert. Die Bundesregierung scheint zwar immer noch nicht genau sagen zu können, wie viele Rechenzentren sie nun wirklich hat, aber dennoch wird aus ihrer Antwort eins klar: eine Reduktion der Anzahl Rechenzentren ist auch Jahre nach Beginn des Mammutprojektes nicht in Sicht, im Gegenteil, die Anzahl RZ steigt. Die IT-Konsolidierung wird damit nicht nur zum Milliardengrab für Steuergelder, sondern auch zu einer erheblichen Hürde auf dem Weg zu einer nachhaltigeren IT-des Bundes.

    8. Tacheles: Was die Ampel Koalition für nachhaltige IT tut

    Seit September 2022 gilt eine neue Green-IT-Initiative, die neben einem verbesserten Berichtswesen und Monitoring mit vereinheitlichten und zentral erfassten Kennzahlen auch die Einhaltung der Blauen Engel Kriterien forcieren soll – alles bis spätestens 2027. Dafür wurde ein Maßnahmeplan für die Umsetzung angekündigt. Dieser Plan scheint bisher noch nicht zu existieren.

    Konkret steht in der Green-IT Initiative als Zielvorgabe für 2027: „Grundsätzliche Erfüllung der Kriterien des Blauen Engels in allen bundeseigenen Haupt-Rechenzentren“. Von der Einschränkung auf Haupt-RZ (>100KW max. Anschlussleistung) ganz zu schweigen, gibt es Einschränkungen wie „Nachweis der Einhaltung der Wirtschaftlichkeit“ – womit sich die Vorgabe wieder aushebeln lässt. Weiterentwickelt werden soll das „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“ aus der Nachhaltigkeitsstrategie der Vorgänger GroKo-Regierung. Funfact: schon in dieser älteren Strategie stand, dass bei allen RZ des Bundes die Kriterien des Blauen Engels berücksichtigt werden sollen. Außerdem wurde in der Green-IT-Initiative konkret die vollständige Umstellung aller RZ auf Ökostrom bis Ende 2024 (die Rede ist von 2TWh pro Jahr) und das Erreichen einer klimaneutralen Bundesverwaltung bis 2030 festgelegt.

    Einige der Ziele der Ampel-Regierung soll das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG) umsetzen. Nach dem aktuellen Stand des Gesetzesentwurfs sollen nur noch Rechenzentren überhaupt reguliert sein, die mindestens 200 KW Anschlussleistung haben, in früheren Entwürfen war von 100 KW die Rede. Mit dieser Einschränkung sind ca 98% aller RZ raus aus jeder Pflicht. Abwärmenutzung für neue Rechenzentren soll bis 2028 stufenweise von 10% auf nur noch 20% ausgebaut werden (frühere Entwürfe: 40%), und die Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen dafür wurden deutlich erweitert. Berechtigt ist die Kritik von Bitkom, Eco und Umweltinstitut München, dass Wärmenetzbetreiberselbst bisher keine Verpflichtung zur Kooperation bei der Abwärmenutzung haben, es gibt auch keine Anforderung, Rechenzentren bei der Stadtplanung neuer Wohngebiete etc. aktiv einzuplanen. Stattdessen finden sich lediglich gewisse Informationspflichten der Wärmenetzbetreiber, welche Nutzungsmöglichkeiten theoretisch bestehen. Das ist eindeutig zu wenig! Sinnvoll ist die Anforderung eines  PUE ≤ 1,3 (auch wenn es geeignetere Kriterien gibt) für neue Rechenzentren ab 2026 und für alle anderen ab 2030, 100% erneuerbare Energie ab 2027 und Umweltmanagements- und Informationspflichten.  Schließlich reguliert der Gesetzentwurf die Luftkühlung stärker, die schrittweise auch für ältere Rechenzentren nur noch bei einer Eintrittstemperatur ab 27°C zulässig sein soll. Ein öffentlich zugängliches Energieeffizienzregister, vom Bund eingerichtet, steht leider nur ohne Umsetzungsfrist im Gesetz, mehr Transparenz ist dennoch überfällig. Wer mehr sachliche Kritik zum EnEffG lesen möchte, dem empfehle ich die Stellungsnahme des Umweltinstitutes vom April 2023.

    Bei der ersten Lesung zum Energieeffizienzgesetz bin ich in meiner Rede vor allem auf das Thema Rechenzentren eingegangen, man kann sie auf meiner Homepage nachlesen oderdas Video davon sehen und hören.

    9. Fazit

    Für 2022 hatte ich eine bessere Datenlage zur Nachhaltigkeit der Rechenzentren erhofft, tatsächlich aber sind die Informationslücken unverändert groß. Eine sinnvolle Steuerung im Sinne der Nachhaltigkeit ist auf dieser Basis nicht möglich, der Fortschritt steht und fällt also damit, dass der Bund die erklärte Verbesserung im Berichtswesen und im Monitoring schnell umsetzt.

    Mein Eindruck ist schon, dass die Ampel insgesamt das Thema nachhaltige IT stärker verfolgt, als die Vorgängerregierung, aber die Klimakrise schreitet ja auch voran und da müssen auf Absichtserklärungen in Strategien endlich auch konkrete Taten mit messbaren Effekten folgen. Das Energieeffizienzgesetz könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten, wenn es nicht, so wie bisher,  zum zahnlosen Tiger geschliffen wird und viele Aspekte weiter unberücksichtigt bleiben.

    Ich erwarte, dass die Umstellung der Bundes-RZ auf 100% Erneuerbare Energien kurzfristig erfolgt und dass man auch für die Umstellung auf klimafreundliche Kältemittel einen ehrgeizigen Plan vorlegt, der den Stand der Technik berücksichtigt. So können manche stark klimaschädlichen Kältemittel auch ohne Umbau der Kälteanlage durch erheblich weniger schädliche Kältemittel zeitnah ersetzt werden. Neue RZ des Bundes müssen höchsten Nachhaltigkeitsstandards genügen und dürfen nur noch so beschafft werden. Der Bund muss eine Rolle als Vorreiter bei der Gestaltung nachhaltiger IT einnehmen und sein Gewicht als Großauftragnehmer voll einsetzen, aber nicht nur bei der Beschaffung von Hardware, sondern auch bei Software und Dienstleistungen. Damit lässt sich erheblicher Druck auf den Markt als Ganzes ausüben und der notwendige Veränderungsprozess beschleunigen. Es braucht jeden Beitrag zur sozial gerechten Rettung des Klimas und das so schnell wie möglich! Die nachhaltige Digitalisierung der Bundes-IT könnte einer davon sein.

    10. Anhang

    • Die Antwort der Bundesregierung Drucksache 20/3619:

    In ihrer Antwort auf die zweite Kleine Anfrage der Linksfraktion zum Einsatz von KI in Bundesbehörden (Drucksache 20/6862) gab die Bundesregierung an, in mehr als 100 Fällen verteilt auf 12 Bundesministerien und ihre nachgeordneten Behörden KI-Systeme zu nutzen. Gleichzeitig unterstützt der Bund 446 Forschungsvorhaben, 58 Pilotprojekte und 10 Reallabore rund um Künstliche Intelligenz. Für die Umsetzung der KI-Strategie werden bis 2025 insg. 3,5 Mrd € zusätzlicher Mittel bereitgestellt, davon sind 2,78 Mrd € bereits verausgabt oder gebunden. Trotz starkem Zuwachs von KI im Bund fehlt es weiterhin an Kompetenzen, Strukturen und verbindlichen Prozessen, um die notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit herzustellen und die potenziellen Risiken sowohl bewerten, als auch einschränken zu können. Auch die Nachhaltigkeit der KI-Systeme spielt kaum eine Rolle.

    Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag:

    „Die Bundesregierung betont immer wieder, wie wichtig es sei, dass KI wertebasiert, gemeinwohlorientiert, transparent und nachvollziehbar eingesetzt wird, damit Vertrauen aufgebaut wird und die Akzeptanz steigt. Gelebt wird beim Bund das Gegenteil: Die Schere zwischen KI-Befähigung und KI-Einsatz geht weiter auseinander und hat im Bund ein erschreckendes Ausmaß angenommen, denn immer mehr KI-Systeme werden eingesetzt, ohne dafür die notwendigen Grundlagen zu schaffen. Es braucht aber keinen Hype, sondern ein strukturiertes Vorgehen, was ein Mindestmaß an Kompetenz zu KI in Bundesbehörden voraussetzt.

    Die Antwort der Ampel offenbart: Grundlegende ethische Standards werden nicht eingehalten, es gibt keine allgemeinverbindlichen Richtlinien zur Risikobewertung von KI-Systemen, kein dafür vorgegebenes Risikoklassenmodell, obwohl das schon im letzten Jahr angekündigt wurde. Manche Behörden zeigten durch ihre Antwort, dass sie nicht einmal die Frage danach verstanden haben. Vielleicht auch, weil die schon vor 13 Monaten angekündigten unterstützenden Strukturen weiter hin fehlen, wie die Schaffung eines Beratungs- und Evaluierungszentrums für Künstliche Intelligenz und eines KI-Kompetenzzentrums für die öffentliche Verwaltung, deren Prüfung und Aufbau immer noch ‚weiter vorangetrieben’ wird. 

    Ein absolutes NoGo ist jedoch der Umgang der Bundesregierung mit dem Einsatz von KI-Systemen in besonders grundrechtssensiblen Bereichen. Im letzten Jahr erhielt ich noch (eingestufte) Informationen zu KI-Systemen in Strafverfolgungs-, Ermittlungs- und Gefahrenabwehrbehörden des Bundes – so zu diversen Vorhaben bei ZITIS, die eine Laufzeit von mindestens bis 2023 haben, über die ich aber in der aktuellen Anfrage nichts mehr erfahren darf, weil selbst eine in der Geheimschutzstelle des Bundestages hinterlegte Information das Staatswohl gefährden würde. Zum Einsatz von KI-Systemen in sämtlichen Sicherheitsbehörden (Strafverfolgung, Ermittlung, Gefahrenabwehr und Geheimdienste) verweigert die Bundesregierung die Aussage, obwohl die Missbrauchsgefahren und Risiken hier besonders hoch sind.

    Die geplante EU-KI-Verordnung klassifiziertden Einsatz von KI in der Strafverfolgung als Hochrisiko-Bereich, für den hohe Anforderungen gelten, z.B. hinsichtlich der Bewertung und Minimierung von Risiken, der Qualität der Datensätze, der Dokumentation des Einsatzes und der Information der Nutzer:innen. Es ist verantwortungslos und demokratiegefährdend, jegliche Transparenz dazu zu verweigern, denn sie ist sowohl Grundlage für die ständig angemahnte gesellschaftliche Debatte als auch für die notwendige parlamentarische Kontrolle. Auch die lang angekündigte Algorithmenbewertungsstelle für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben gibt es weiterhin nicht, es fehlt also selbst ein internes Sicherheitsnetz.

    Bei beiden KI-Anwendungsfällen aus dem Hochrisiko-Bereich Migration wurde überhaupt keine Risikobewertung vorgenommen – spätestens nach Inkraft Treten der KI-Verordnung ist das ein Rechtsverstoß. Die Einstufung als Hochrisiko-KI gibt es nicht ohne Grund, denn Grundrechte können hier besonders leicht und besonders schwerwiegend verletzt werden.

    Mehr als zwei Milliarden Euro hat der Bund bereits in die Finanzierung von KI-Projekten gesteckt, 3,5 Milliarden stehen insgesamt zur Verfügung, aber die Schaffung eigener Strukturen im Bund, die dazu beitragen würden, dass KI-Systeme nur verantwortungsvoll und kompetent eingesetzt und evaluiert werden, bleibt auf der Strecke. Mit dieser dilettantischen und gefährlichen Vorgehensweise wird die Bundesregierung wohl kaum Vertrauen und Akzeptanz für KI in der Gesellschaft erreichen.

    Eine löbliche Ausnahme ist der Geschäftsbereich des BMAS, wo man sich kompetent mit den Prozessen rund um den Einsatz von KI befasst hat, Technikfolgeabschätzungen vornahm, Richtlinien für den KI-Einsatz im Arbeits- und Sozialbereich sowohl existieren als auch angewendet werden und wo auch Evaluationen stattfinden. Solche guten Beispielen müssen aber der Regelfall und nicht nur eine Ausnahme sein.

    Im Übrigen kritisiere ich scharf, dass die Ampel-Regierung etliche meiner Fragen unvollständig, gar nicht oder irreführend beantwortet hat und damit das parlamentarische Fragerecht verletzt. Das ist entweder Schlamperei oder Absicht, alternativ beides und in jedem Fall inakzeptabel.

    Hintergrund

    Anwendungen künstlicher Intelligenz prägen die öffentliche Debatte, seit ChatGPT und andere generative KI-Modelle vorstellbar machten, welche Potenziale – gute wie bedrohliche – in dieser Technologie liegen und wie wichtig Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei ihrem Einsatz sind. In der EU läuft aktuell die Trilog Verhandlung zur Verabschiedung der KI-Verordnung. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Anke Domscheit-Berg gab die Bundesregierung bereits im Januar 2022 an, 86 Mal KI-Systeme in der Bundesverwaltung einzusetzen, wobei nur ein einziges Mal eine Risikoklassifizierung vor dem Einsatz stattfand. Die Anfrage von 2022 offenbarte enorme Kompetenzlücken, einen eklatanten Mangel an Risikobewußtsein und strukturelle Defizite. In erweiterter Form wurde diese Kleine Anfrage von Anke Domscheit-Berg in 2023 erneut gestellt.

    Anhang – Antwort der Bundesregierung im Original (eingestufte Informationen geschwärzt):

    Drucksachennummer 20/4271

    1. Wie bewertet das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) – unter Berücksichtigung der Einschätzung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik
    (BSI), das einen Betrieb der ersten Konnektoren-Generation mit den derzeitigen RSA-Sicherheitsschlüsseln bis Ende 2025 als vertretbar einstuft– den von der Gematik GmbH „als einzig sinnvolle Alternative“ (https://www.gematik.de/newsroom/news-detail/pressemitteilung-gematikreaktion-auf-ccc-veroeffentlichung-zu-konnektoren) bezeichneten Austausch der Konnektoren bis August 2023?

    a) Wie bewertet das BMG die Aussage der Gematik GmbH, die Hardware sei veraltet und müsse ausgetauscht werden, um eine stabile TI aufrechtzuerhalten?

    b) Liegen validierte Erkenntnisse über konkrete Hardwareprobleme der Konnektoren vor?

    c) Welche Kriterien sind dem BMG bekannt, anhand derer die Gematik GmbH zu einem anderen Prüfergebnis als das BSI gelangte (bitte insbesondere darauf Bezug nehmen, aus welchen Gründen die Konnektoren, die über die Fähigkeit der Elliptische-Kurven-Kryptografie verfügen, nicht auch über das Jahr 2025 hinaus betrieben werden können)?

    d) Gab es eine erneute Bewertung des Konnektoren-Tausches, nachdem der Chaos Computer Club das Software-Update für die erste Konnektoren-Generation entwickelt hatte, oder ist eine erneute Bewertung/ Überprüfung geplant (Wenn ja, bitte deren Ergebnisse und mögliche Konsequenzen/Alternativen beschreiben, wenn nein, bitte begründen, warum keine Neubewertung erfolgt)?

    Antwort der Bundesregierung

    Weiterlesen
    Marta Stankevica, Woman Writing a Letter,CC BY 4.0

    Vor fünf Jahren beschloss die damalige GroKo Regierung das Onlinezugangsgesetz, mit dem Ziel, die Verwaltungsdigitalisierung endlich zu beschleunigen. Man gab sich dafür ein halbes Jahrzehnt Zeit – zum Ende des Jahres 2022 sollten dann 575 öffentliche Dienstleistungen (eigentlich Leistungsbündel) online verfügbar sein.

    Dieses Ziel wird nicht erreicht werden, das steht schon länger fest. Im Mai senkte die Ampel-Regierung die Latte und beschloss den sogenannten „OZG-Booster“, 35 priorisierte Dienste sollten statt der ursprünglichen 575 noch bis zum Jahresende kommen. Die Transparenz rund um den Fortschritt der Verwaltungsdigitalisierung war und ist trotz (oder gerade wegen) des vor ca. 2 Jahren eingeführten digitalen Dashboards leider schlecht. Deshalb habe ich im Sommer 2022 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen und Antworten auf die Fragen zu finden, wo wir eigentlich wirklich stehen, was nun tatsächlich bis zum Jahresende erreichbar ist, wie die nächsten Schritte der Bundesregierung aussehen und warum es mit dem Fortschritt seit Jahren nichts wird. Im Jahr 2022 steht Deutschland im DESI-Ranking zu public services auf Platz 18 von 27 in der EU. Mit der neuen Regierung sollte das alles besser werden. Ich habe meine Zweifel.

    Denn die umfangreiche Antwort der Bundesregierung auf meine Kleine Anfrage zum Status quo der OZG-Umsetzung offenbarte eine Vielzahl großer Dauerbaustellen sowie ein erschreckendes Ausmaß von Planlosigkeit und Intransparenz. Und es wurde bereits offensichtlich, dass auch die Top 35 Prio Dienstleistungen nicht bis Ende 2022 flächendeckend digital bereitstehen werden. Nachstehend eine strukturierte Analyse der Antworten der Bundesregierung zur Umsetzung und Fortführung des Onlinezugangsgesetzes. Die einzelnen Abschnitte der nachfolgenden Übersicht sind verlinkt, können also auch separat schnell gefunden und gelesen werden. Wer es noch kürzer bevorzugt, kann meine Pressemitteilung dazu lesen.

    Inhaltsübersicht

    Fehlende Standards, Schnittstellen und Basisdienste

    Komplexe IT Projekte, die viele verschiedenen Institutionen, Fachverfahren und föderale Ebenen einbeziehen, brauchen vor allem eines ganz am Anfang: verbindliche einheitliche Standards und Schnittstellen. Ihr Fehlen ist meines Erachtens eine der Hauptursachen für das bisherige Versagen bei der Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung in Bund und Ländern. In ihrer Antwort auf Frage 22 meiner Kleinen Anfrage räumt die Bundesregierung die Notwendigkeit solcher Standards zwar ein, aber wenn sie fünf Jahre nach Verabschiedung des OZG-Gesetzes und wenige Monate vor Ablauf des ursprünglichen Zieldatums schreibt, dass „die Art der Standards und die Art der Festlegung noch bestimmt werden“ müssen, dann bin ich einigermaßen sprach- und hoffnungslos.

    Für die Software-Entwicklung im komplexen Umfeld der Verwaltungsdigitalisierung ist Interoperabilität durch geeignete Schnittstellen und standardisierte Datenformate eine unverzichtbare Grundlage, und mit Grundlage meine ich eine Art Fundament, das wie beim Häuserbau immer zuerst entstehen muss, bevor man dann darauf bauen kann. Noch ist eine Schnittstelle  vom Online-Antrag zur weiteren Bearbeitung im Fachverfahren, FIT-Connect, bisher für nur eine einzige Verwaltungsleistung verfügbar.

    Genauso wichtig sind Basisdienste, wie Identifikation, Bezahlfunktionen etc. Nutzer:innen wollen da nicht lauter verschiedene Lösungen, und es wäre ja auch Ressourcenverschwendung, wenn z.B. jedes Bundesland sich da eine eigene Lösung entwickelt. Aber die einheitliche Schnittstelle zu einer gemeinsamen Bezahlplattform ePayBL, an der sich bisher 11 Länder und der Bund beteiligen, ist immer noch erst in Planung, wie aus der Antwort auf Frage 23 meiner Kleinen Anfrage hervorging:

    Das Problem liegt nicht am Föderalismus, andere föderal organisierte Länder schaffen es auch, gemeinsame Strukturen zu vereinbaren. Das Problem liegt an der mangelhaften Governance, aber auch daran, dass die überragende Bedeutung einheitlicher Standards, Schnittstellen und Basisdienste schlicht nicht hinreichend erkannt wurde. Die Zuständigkeit für derartige Standards liegt beim IT-Planungsrat, der sich nur wenige Male im Jahr für wenige Stunden trifft und dabei stets eine volle Agenda hat. Dort werden Standards beauftragt, die Umsetzung übernimmt die Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT), die Freigabe liegt dann wieder beim IT-Planungsrat. Ein zeitraubender Prozess, bei dem der IT-Planungsrat zum Flaschenhals wird. Dennoch lehnt es die Bundesregierung ab, die KoSIT zentraler aufzustellen und durch ein Selbstbefassungsrecht handlungsfähiger und unabhängiger von einer Beauftragung durch den IT-Planungsrat zu machen (siehe Antwort auf Frage 5 der K.A.). Auch sonst zeigt die Bundesregierung keine Vorschläge auf, wie der IT-Planungsrat reformiert werden könnte, ein Problembewusstsein scheint nicht vorhanden zu sein. Wie es mit der verbindlichen Festlegung von Standards nun plötzlich zügig vorangehen soll, bleibt auch künftig ein Rätsel.

    Einseitige Förderung und Schaufensterdigitalisierung

    Das Onlinezugangsgesetz zielte leider schon in der Sache nur auf „online Zugang“ ab, also darauf, öffentliche Dienstleistungen z.B. über ein Internet Formular beantragen zu können.

    Das ist jedoch eine einseitige Sicht, die nur das Schaufenster eines Verwaltungsprozesses nach außen betrifft. Der Nutzen für Bürger:innen entsteht jedoch nicht dadurch, dass sie keinen Antrag per Brief mehr schicken müssen, sondern vor allem dadurch, dass der gesamte Prozess auch im Hintergrund in der Verwaltung selbst digital abgewickelt wird. Denn nur so ist erreichbar, dass Prozesse schneller und einfacher ablaufen und man nicht jedes Mal bereits bekannte Daten neu eingeben muss.

    Da das OZG dies aber gar nicht zum erklärten Ziel hatte, fand der Anschluss an die Fachverfahren zur weiteren Bearbeitung in den Verwaltungen fast nirgendwo statt, was in der Praxis zu absurden Prozessen führt. Online eingegebene Daten werden in Behörden ausgedruckt, in andere Fachverfahren erneut eingebeben oder sogar per Briefpost an andere Behörden geschickt zur weiteren Bearbeitung. Ein OZG 2.0 Folgegesetz könnte und sollte sich der Digitalisierung ganzer Verwaltungsprozesse widmen, aber auf meine Fragen danach, wann das OZG 2.0 kommt und ob es endlich ganze Prozesse betrachten wird, kam leider nur ein Hinweis auf „vorbereitende Gespräche“ und einen „iniierten Dialogprozess“ mit den Ländern und darauf, dass der Bund zu einer Prozessoptimierung stets ermutigt hat. Kein Zeitplan, keine konkrete Strategie. Das ist frustrierend.

    Angesichts dieser Zustände ist es nicht verwunderlich, dass auch die Verknüpfung von verschiedenen Input-Kanälen (Web-Interface, Bürgertelefon 115, Gespräch vor Ort, Chatbots usw.) zu einem gemeinsamen Prozess im digitalen Fachverfahren bisher nicht möglich ist und offensichtlich auch noch nicht einmal geplant wurde (siehe Antwort der Bundesregierung auf Frage 20).

    Chaos und fehlende Kostenkontrolle beim Roll-Out in die Fläche

    Ein sinnvolles Prinzip des OZG ist es (zumindest auf dem Papier), dass Software und Wissen zur Nachnutzung bereitgestellt werden sollen, damit im Idealfall ein Produkt nur einmal entwickelt, und dann von Verwaltungen in ganz Deutschland genutzt werden kann (Einer für Alle = EfA- Prinzip). Das spart Aufwand und Kosten sowie beschleunigt (theoretisch) die Umsetzung auch durch das Teilen von Wissen. Wenn also eine OZG-Leistung in einem Bundesland entwickelt wurde, sollten alle anderen Länder mitsamt ihrer Kommunen diese Leistung zügig und reibungsarm übernehmen können. Soweit die Theorie.

    Die ernüchternde Praxis offenbart die Antwort auf meine Frage 8: Stand 18. Juli 2022 standen nur 47 von 153 Einer-für-Alle -OZG-Leistungen tatsächlich zur Nachnutzung bereit, also nicht einmal ein Drittel. Dazu kommen rund 50 weitere EfA-Leistungen, zu denen die Bundesregierung in ihrer Antwort keine Angaben machte, die aber im Informationsportal OZG zu finden sind. Dort finden sich auch 81 weitere Leistungen mit anderen Nachnutzungs-Modellen („FIM-basierte Eigenentwicklung“ und „Nachnutzbare Software“), zu denen der Bundesregierung ebenso nichts zum Status bekannt zu sein scheint, jedenfalls wurde meine Frage dahingehend nicht beantwortet (Antwort auf Frage 8). Viel zu spät also (oder sogar gar nicht) steht die Software bereit, die Länder und Kommunen nachnutzen sollen. Bis zum November hat sich daran auch wenig geändert, am 10.11.2022 wurden im Zusammenhang mit der Sitzung des IT-Planungsrats neue Zahlen öffentlich: immer noch sind erst 73 von 153 EfA Leistungen verfügbar, aber nur 14 EfA-Leistungen werden bisher überhaupt von irgendwem irgendwo anders nachgenutzt.

    Das liegt wohl auch daran, dass die Nachnutzung selbst voller konzeptioneller Probleme steckt und alles andere als einfach ist, selbst wenn die Software zur Verfügung steht:

    • Die Nachnutzung ist rechtlich hochkomplex und hängt beispielsweise individuell von der Existenz einer “inhousefähigen juristischen Person” ab,
    • Verantwortlichkeiten der Datenverarbeitung und Regelungen der Auftragsverarbeitung sind selbst bei den Einer-für-Alle-(EfA)Leistungen jeweils im Einzelfall individuell zu erörtern,
    • es gibt nach wie vor keinen Marktplatz, auf dem alle zur Nachnutzung bereitstehenden OZG-Leistungen angeboten werden (siehe auch Antwort auf Frage 9),
    • die verfügbaren Leistungen müssen von den Ländern zu erheblichen Preisen eingekauft werden, über deren Zustandekommen keinerlei Transparenz besteht, und Kommunen haben überhaupt keinen Zugriff auf den Marktplatz,
    • die oft finanzschwachen Kommunen können die Umsetzung der Leistungen kaum selbst stemmen, es fehlen klare Vorgaben, wie sie dabei unterstützt werden. Für eine kostengünstige oder kostenfreie Nachnutzung spricht der Bund lediglich eine unverbindliche Empfehlung aus (Antwort auf Frage 9).

    Rechtlich liegt die Verantwortung über die Kommunen den einzelnen Ländern. Es kann aber nicht sein, dass der Bund die OZG-Umsetzung mit Milliarden fördert (Antwort auf Frage 10), ohne daran klare Bedingungen und Transparenzanforderungen zum Roll-Out der Leistungen in die Fläche zu knüpfen. Stattdessen wird es den Ländern offengehalten, ob und wie stark sie die Kommunen bei der OZG-Umsetzung finanziell unterstützen. So können sich vor allem ärmere Kommunen in unsolidarischeren Bundesländern die Umsetzung selbst vorhandener OZG-Module gar nicht leisten.

    Das einzige Land, von ich weiß, dass es OZG-Leistungen kostenlos an seine Kommunen weitergibt, ist das linksregierte Thüringen. Und siehe da – laut OZG Dashboard Stand September 2022 ist die flächendeckende (!) Verfügbarkeit von OZG-Leistungen in Thüringen am weitesten fortgeschritten – sogar bei geringem OZG-Fördermittelverbrauch (Antwort auf Frage 10). Die 35 Booster-Leistungen sind im übrigen überwiegend kommunale Dienste, die also in über 11.000 Kommunen umgesetzt werden sollen – bis Ende 2022. Die Bundesregierung lässt offensichtlich die Kommunen im Stich und macht sich einen schlanken Fuß, um im Januar 2023 möglicherweise den Bundesländern dafür die Verantwortung zuzuschieben, dass auch die 35 Booster-Leistungen nicht überall in Deutschland verfügbar sind. Sie interessiert sich nicht einmal für Informationen, denn die Ampel-Regierung hat nach eigenen Angaben bisher keine Kenntnis darüber, in welchen Ländern für Kommunen welche Kosten bei der Nachnutzung anfallen und wo Bundesländer Kosten der Kommunen übernehmen (Antwort auf Frage 6).

    Auch auf meine Frage, warum die Nachnutzung einer EfA-Leistung teurer ist als eine Eigenentwicklung und was man dagegen tun kann, kam von der Bundesregierung nichts (Antwort auf Frage 11):

    Kurz, es herrscht einigermaßen Chaos bei der Aufgabe, die entwickelten OZG-Leistungen  effektiv in die Fläche zu bringen. Und der große potentielle Vorteil der öffentlichen Hand, nicht parallel und gegeneinander, sondern offen und kooperativ miteinander zu arbeiten, wird nicht realisiert – zum Nachteil der Bürger:innen, aber auch der öffentlichen Haushalte und Verwaltungen.

    Zu wenig erreicht und falsch priorisiert

    Den Fortschritt zu den neu priorisierten 35 OZG-Booster-Leistungen habe ich in Frage 15 meiner Kleinen Anfrage erfragt. Die Antwort: jede zweite war Ende Sommer immer noch in keinem einzigen Bundesland umgesetzt, darunter besonders gerade besonders häufige Dienstleistungen, wie Ummeldung, Eheschließung, Personalausweis, Kfz An- und Ummeldung, Meldebescheinigung. Dass bis Ende Dezember 2022 in 11 000 Kommunen verfügbar sein werden, ist damit unmöglich, und auch die Priorisierung selbst wirft mit Blick auf die OZG-Booster Dienstleistung “Waffenerlaubnisse” Fragen auf, die uns die Bundesregierung zum Teil einfach gar nicht beantwortet:

    Warum priorisierte man ausgerechnet Waffenerlaubnisse? Sollen sich Reichsbürger künftig digital und bequem schneller bewaffnen können, noch bevor es allen anderen endlich digital möglich ist, einen Ausweis zu beantragen oder eine Eheschließung anzumelden? Für eine solche Priorisierung fehlt mir jedes Verständnis.

    Den elektronischen Personalausweis beinahe vergessen

    Ohne den elektronischen Personalausweis (nPA) bewirkt die OZG-Umsetzung wenig, es gibt ihn immerhin schon über 10 Jahre, aber kaum jemand weiß davon, weil es keine Marketingkampagnen dafür gab und weil es nach wie vor kaum Anwendungsfälle dafür gibt Außerdem gab es Kritik an der Nutzerfreundlichkeit der dazugehörigen Anwendung AusweisApp2, also habe ich auch danach gefragt. Zur Nutzerfreundlichkeit hat die Bundesregierung jedoch laut ihrer Antwort auf meine Frage 33 überhaupt keine Daten. Dabei wird seit vielen Jahren von jeder Regierung immer wieder betont, wie wichtig Nutzerfreundlichkeit sei. Es gilt jedoch der Satz: You get what you measure, man bekommt, was man misst. Wer keine Nutzerfreundlichkeit misst, bekommt auch keine.

    Daten dazu existieren nicht, weil ein Nutzertracking nicht zulässig sei, schrieb mir die Bundesregierung in ihre Antwort, als ob es nicht möglich wäre, anonymisierte Umfragen durchzuführen oder Nutzerfreundlichkeit gezielt zu testen.

    Immerhin wurde meine Frage nach den Abbruchraten bei der Nutzung der AusweisApp2 beantwortet: sie betragen fast 50 Prozent! Es ist naheliegend, dass bei derartigen Abbruchraten die Nutzer:innen vermutlich nicht sehr zufrieden sind. Ein eCommerce Unternehmen mit derartigen „Erfolgs“-Raten wäre sicher schnell vom Markt verschwunden.

    Eine Förderung von Kartenlesern zur zuverlässigeren und Smartphone/Telefonnummer-unabhängigen nPA-Nutzung erscheint der Bundesregierung nicht erforderlich (Antwort auf Frage 34), und eine Überarbeitung der AusweisApp2 wird lediglich perspektivisch in Aussicht gestellt (Antwort auf Frage 31). Der nachlässige Umgang bei der Etablierung des nPA ist umso bedauerlicher, als dass mit diesem schon ab 2008 (!) der Weg zu einer prinzipiell sehr sinnvollen Lösung für eine digitale Identität bereitet wurde. Doch dann redeten plötzlich alle von selbst gemanagten Identitäten (SSI) und Blockchain… aber das ist ein anderes Thema. 

    OZG-Dashboard fehlerhaft und geschönte Transparenz

    Um Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Open Source und Open Data ist es ebenfalls nicht gut bestellt: Zwar wurde die Transparenz der OZG-Umsetzung durch das schrittweise verbesserte OZG-Dashboard zunehmend verbessert, doch selbst gegenwärtig können Daten aus dem Saarland und Berlin zum Umsetzungsstand nicht dargestellt werden, weil es keine Schnittstelle für die Datenlieferung gibt, die Zahlen zu diesen Bundesländern sind im Dashboard folglich falsch, ein Hinweis auf die fehlenden Zahlen gibt es nicht (Antwort auf Frage 13). Die vom Bundesrechnungshof festgestellte “geschönte” Darstellung besteht weiterhin, so gilt beispielsweise eine OZG-Leistung im Dashboard als umgesetzt, also digital verfügbar, wenn eine einzige von mehreren Einzelleistungen des betreffenden Leistungsbündels digital nutzbar ist, selbst wenn das für die Gesamtleistung gar nicht gilt. Auch die schönfärbende Darstellung “Leistung in mindestens einer Kommune verfügbar” ist nach wie vor präsent. Eine Leistung gilt also als verfügbar und abgehakt, wenn sie zwar in Hinterposemuckel genutzt werden kann, aber in 11.000 weiteren Kommunen nicht. Will eine Bürgerin wissen, ob eine bestimmte Dienstleistung in ihrer eigenen Kommune digital angeboten wird, sucht sie auf dem Dashboard vergeblich, derartige Informationen gibt es dort nicht.

    Auch wie häufig bestimmte Verwaltungsleistungen tatsächlich digital genutzt werden, können Bund und Länder bisher nur zum Teil feststellen. Hier soll es entsprechend der Antwort der Bundesregierung auf meine Frage 1 durch eine zentrale Zusammenführung von Nutzungsdaten bald eine Verbesserung geben, wir werden sehen, ob „Ende 2022“ die versprochene technische Lösung dafür sowohl verfügbar ist als auch in der Praxis genutzt wird:

    Recht viele Informationen zum Umsetzungsstand finden sich auf einer OZG-Informationsplattform, die jedoch im Dashboard oder anderen zentralen Informationsseiten gar nicht verlinkt ist, und deren Inhalt ohne Registrierung eines Nutzerkontos auch nicht zugänglich ist. Warum, bleibt das Geheimnis der Ampel. Praktizierte Kostentransparenz im Rahmen der Nachnutzung von OZG-Leistungen besteht bisher nicht einmal ansatzweise, auch hier wurden erst jetzt in aktuellen Beschlüssen des IT-Planungsrats Verbesserungen angekündigt (Antwort auf Frage 11).

    Open Source nicht gelebt, Open Data ignoriert

    Obwohl Open Source als 13. Prinzip im Servicestandard für digitale Verwaltungsleistungen verankert ist, wird die Umsetzung in die Praxis nur halbherzig gelebt. In den sechs Grundprinzipien der Förderung mit OZG-Konjunkturmitteln ist lediglich eine Empfehlung für Open Source enthalten (Antwort auf Frage 2). Man könnte vermuten, dass die Bundesregierung gern wissen würde, welche Bundesländer viele Millionen Fördergeld für die Umsetzung des OZG in Anspruch nehmen UND sich an die Empfehlung Open Source halten, aber das ist nicht der Fall. Die Bundesregierung hat keinerlei Informationen darüber, welche OZG-Leistungen tatsächlich Open Source sind, auch hier verweist sie auf die Bundesländer, die man einzeln abfragen soll. Der Informations- und Datenaustausch zwischen Bund, Ländern und Kommunen funktioniert offenbar genau null und auch das ist ein Grund dafür, warum die Verwaltungsdigitalisierung nicht voran kommt:

    Immerhin soll der Quellcode der OZG-Leistungen künftig auf opencode.de veröffentlicht und eine Weiterentwicklung der Software durch alle daran Interessierten ermöglicht werden. Bisher handelt es sich dabei jedoch nur um eine Ankündigung und ob sich darin wirklich der partizipative Gedanke Freier Software wiederfindet, bleibt abzuwarten. Bisher sah es jedenfalls nicht danach aus.

    Ein bekannter Fallstrick in Verträgen der öffentlichen Hand mit IT-Dienstleistern ist nicht nur fehlende Klarheit bezüglich Open Source und Interoperabilität, sondern auch bezogen darauf, wer welche Rechte an Daten innehat, die im Laufe eines Prozesses anfallen. Open Data propagiert die Ampel-Regierung ja schon im Koalitionsvertrag aber auch in der Digitalstrategie, ein Recht auf Open Data wurde angekündigt. Da ich mich seit mehr als 15 Jahren mit dem Thema Zugang zu offenen Verwaltungsdaten befasse, weiß ich, dass eine Hürde dafür oft die Überforderung der jeweiligen Behörde ist, die sich mit dem Thema nicht auskennt. Daher fragte ich in Frage 25 meiner K.A., wie die Bundesregierung derartige Hürden zum Beispiel durch geeignete Mustervertragsbausteine für Open Data senkt. Die Antwort geht leider an der Frage vorbei und ignoriert den Bezug auf Open Data und ist sogar irreführend:

    Ich habe selbst bei der FITKO angerufen und auch im FIT-Store nach Musterverträgen gesucht. Mit dem Suchwort „Open Data“ findet man nur ein Ergebnis, nämlich einen Mustervertrag zum Export von Kulturgütern, in dem erwähnt wurde, dass er zum Thema Open Data keine Vorgaben enthält. Von der FITKO selbst erfuhr ich, dass es weder Vorgaben noch Hilfestellungen dort zum Thema Open Data gibt. Ob sich daran künftig etwas ändert, bleibt der Antwort der Bundesregierung nach unklar.

    IT-Sicherheit vernachlässigt, Registermodernisierung mit Datenschutzproblemen

    Last but not least gibt es bedenkliche Versäumnisse sowohl beim Datenschutz als auch bei der IT-Sicherheit. So hält die Bundesregierung externe Audits und Zertifikate bei selbst-entwickelter Software nicht für nötig, wie aus der Antwort auf meine Frage 4 hervorgeht. Eine unabhängige Qualitätskontrolle im laufenden Betrieb scheint aus Sicht der Bundesregierung demnach nicht relevant zu sein, was schon recht erstaunlich ist:

    Sie erkennt auch kein Problem darin, dass die IT-Sicherheitsverordnung Portalverbund (ITSiV-PV) erst mehrere Jahre (!) nach Inkrafttreten des OZG erlassen wurde, obwohl das OZG-Gesetz selbst eine solche IT-Sicherheitsverordnung vorgab, und dass die Zivilgesellschaft bei deren Erarbeitung nicht einbezogen wurde (Antwort auf Frage 4). Eine Antwort darauf, wie mit Sicherheitsproblemen umgegangen wird, die durch die mehrjährige Verspätung der IT-Sicherheitsvorgaben für die OZG-Umsetzung entstanden sein könnten, verweist nur pauschal auf den IT-Grundschutz, so als bräuchte es die IT-Sicherheitsverordnung eigentlich gar nicht. Eine eigenwillige Interpretation.

    Weiterhin scheint die Bundesregierung von der verfassungsrechtlich fragwürdigen Registermodernisierung mit Ausweitung der Steuer-ID zu einer einheitlichen Personenkennziffer nicht abrücken zu wollen (Antwort auf Frage 36). Das Mindeste wäre, das im § 11 des OZG geforderte Datenschutzcockpit für Bürger:innen so zu erweitern, dass es nicht nur Transparenz über die Übermittlung persönlicher Daten bietet, sondern auch Handlungsmöglichkeiten für Bürger*innen, um bestimmte Daten für bestimmte Behörden zu bestimmten Zwecken dort freizugeben, damit auf diese Weise eine technische Barriere gegen unerwünschte Datenzusammenführung existiert, die die Nutzer*innen selbst kontrollieren. Pläne der Bundesregierung dahingehend gibt es aber nicht:

    Was soll nur werden?

    Für das seit Anfang dieses Jahres angekündigte “OZG 2.0” kann die Bundesregierung nach wie vor keinen Zeitpunkt oder Zeitplan zur Veröffentlichung benennen (Antwort auf Frage 18), und das, obwohl davon auch die Folgefinanzierung nach 2022 abhängt. Somit ergeben sich Planungsunsicherheiten für Zuwendungsempfänger, was die Umsetzung weiter hemmen dürfte. Seit meiner Kleinen Anfrage im Spätsommer hat sich dazu die Lage nur verschärft, denn die bisherigen Mittel – 600 Mio Euro sollen noch übrig sein aus dem Haushalt 2022 – sollen nach Stand 11.11.2022 nicht auf den Haushalt 2023 übertragbar sein, was zu erheblichen Finanzierungsengpässen führen kann. Im aktuellen Haushaltsenwurf für 2023 sind bisher nur 380 Mio Euro für Verwwaltungsdigitalisierung vorgesehen, was nach Ansicht von Vertreter*innen mehrerer Bundesländer nicht reicht, um angestoßene Vorhaben umzusetzen.

    Immerhin werden in der Antwort der Bundesregierung auch einige sinnvolle Ankündigungen gemacht. Beispielsweise ist eine Plattform für alle OZG-Nutzungsdaten geplant; die Festlegung und Umsetzung von Standards (okay, die sind viele Jahre überfällig), ein weiterer, integrativer Marktplatz in der Hand einer Genossenschaft „govdigital e.G.“ zur Nachnutzung von OZG-Leistungen, ein gemeinsames Digitalisierungsbudget von Bund und Ländern für den dauerhaften Betrieb von EfA-Leistungen, ein low-code-Ansatz “MODUL-F” zur Förderung modularer Programmierung in Eigeninitiative und anderes mehr. Wie viel davon wann und wie kommt, bleibt abzuwarten.

    Pressemitteilung vom 26.09.2022

    Digitalisierung und Klimakrise verändern als doppelte Transformation unsere gesamte Gesellschaft. Digitalisierung beschleunigt die Verkehrs- und Energiewende, trägt aber selbst erheblich zur Klimakrise bei, so ist ihr CO2 Fußabdruck vergleichbar mit dem des zivilen Flugverkehrs. Der Bund trägt daher sowohl als Regulierer Verantwortung, als auch als einer der größten Einkäufer von ITK-Produkten und Dienstleistungen in Deutschland. Die Ampel-Koalition hat sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Digitalstrategie Nachhaltigkeitsziele mit Bezug zur Digitalisierung veröffentlicht, u.a. mit der Verpflichtung, dass bei IT-Beschaffungen des Bundes Zertifizierungen wie z. B. der Blaue Engel Standard sein sollen. Sie will sich 2025 daran messen lassen, dass die Abwärme von Rechenzentren mehr genutzt wird, energieeffiziente Softwareentwicklung etabliert ist und ein Effizienzregister für Rechenzentren beschleunigend wirkt. In ihrer Antwort auf eine aktuelle Kleine Anfrage der Linksfraktion (Drucksache: 20/3164) offenbarte die Bundesregierung jedoch noch erhebliche Defizite, sowohl hinsichtlich der vorhandenen Datenlage, als auch hinsichtlich der Klimaschädlichkeit der Bundes-IT.

    Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag:

    „Wir müssen bundesweit in großem Tempo auf ressourcensparende IT umstellen. Der Bund hat 184 Rechenzentren und ein riesiges Einkaufsvolumen an ITK-Produkten und Dienstleistungen, da reicht es nicht, sich Blaue Engel für Rechenzentren auszudenken, da muss schnell und konsequent in den eigenen Häusern der viel zu hohe Klimafußabdruck gesenkt werden. Die Ankündigungen der Ampel-Koalition gehen dabei in die richtige Richtung, aber bei der Umsetzung und ihrer Verbindlichkeit zeigen sich schon jetzt gravierende Probleme.

    So ist die Datenlage zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT erschütternd schlecht, ohne die ein sinnvoller Maßnahmeplan mit Meilensteinen weder entwickelt noch nachgehalten werden kann. Für zwei Drittel der Rechenzentren konnte nicht einmal die Frage nach der Nutzung erneuerbarer Energie beantwortet werden und bei etwa jedem vierten Rechenzentrum blieb die Frage nach den verwendeten Kältemitteln ohne Angabe. Bei 118 von 184 Rechenzentren gab es zu keinem einzigen der acht Kriterien des Blauen Engels für RZ irgendwelche Daten. Die Qualität der gelieferten Daten ist völlig inakzeptabel, Daten waren nicht nur unvollständig, sondern auch widersprüchlich und enthielten offensichtliche Fehler, etwa die Einstufung eines Kältemittels als unbedenklich, das eindeutig klimaschädlich ist. Es fehlt an gutem Willen, an Datenkompetenz und mancherorts auch an Datenquellen, so hat nicht einmal jedes Rechenzentrum einen getrennten Zähler für seinen Stromverbrauch. Offenbar brauchte es meine Anfrage, um die Relevanz guter und vollständiger Daten zu erkennen, denn wohl nicht ganz zufällig beschloss die Ampel-Koalition drei Wochen nach Eingang meiner Anfrage, das Berichtswesen dafür zu verbessern und künftig jährlich die Kriterien des Blauen Engels für Rechenzentren zu erfassen.

    Die präsentierten Daten der Bundesregierung zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT decken darüberhinaus extreme Defizite auf: Nicht einmal jedes 10. Rechenzentrum nutzt die Abwärme, nicht einmal jedes Dritte verwendet wenigstens Strom aus erneuerbaren Energien, dafür nutzen immer noch Zweidrittel aller Rechenzentren klimaschädliche Kältemittel. Nur ein einziges Rechenzentrum erfüllt die Kriterien des Blauen Engels für Rechenzentren, den das Umweltbundesamt selbst entwickelt hat. Existierende Vorgaben werden großzügig ignoriert: Seit Mitte 2021 sind zumindest alle neuen Rechenzentren dazu verpflichtet, die acht Kriterien des Blauen Engels einzuhalten, aber nur für die Hälfte der 34 neu entstehenden Rechenzentren soll das auch in der Praxis zutreffen. 

    Noch schlechter sieht es aus bei weniger bekannten, aber nicht minder relevanten Aspekten, wie ineffizient programmierter Software, die laut Umweltbundesamt bis zu viermal so viel Energie verbraucht, wie ein nach Nachhaltigkeitsaspekten entwickeltes Computerprogramm. Deshalb gibt es inzwischen auch einen Blauen Engel für nachhaltige Software, aber obwohl der Bund jede Menge Fachanwendungen selbst programmiert oder programmieren lässt, gibt es laut Antwort der Bundesregierung darunter keine einzige Software, die den Blauen Engel trägt. Laut Digitalstrategie will sich die Bundesregierung 2025 daran messen lassen, dass Methoden energieeffizienter Softwareprogrammierung etabliert sind und das Abwärme aus Rechenzentren mehr genutzt wird – für sich selbst kann der Bund das weder aktuell noch für die Zukunft beantworten, weil es dafür weder verbindliche Vorgaben noch irgendein effektives Monitoring gibt.

    Ein Dauerproblem bleibt die auf der Stelle tretende IT-Konsolidierung des Bundes, mit der die Anzahl der Rechenzentren verringert und damit ihre Nachhaltigkeit erhöht werden sollen. Trotz undurchsichtiger Datenlage ist eins klar: eine Reduktion der Anzahl Rechenzentren scheint auch Jahre nach Beginn des Mammutprojektes nicht in Sicht, im Gegenteil, es entstehen offenbar immer weiter neue Rechenzentren. Die IT-Konsolidierung wird damit nicht nur zum Milliardengrab für Steuergelder, sondern auch zu einer erheblichen Hürde auf dem Weg zu einer nachhaltigeren IT-des Bundes.

    Wenn die Ampel Koalition ihrem Anspruch gerecht werden will, muss sie schnellstmöglich ein verpflichtendes Berichtswesen etablieren, damit es künftig jederzeit auf Knopfdruck aussagefähige Daten zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT gibt. Die Vorgaben für eine nachhaltige Beschaffung von ITK Produkten müssen verbindlich sein und überprüft werden, sonst bleibt es bei leeren Absichtserklärungen. Außerdem braucht es schnell den angekündigten konkreten Maßnahmenplan, mit Meilensteinen und Zieldaten und das versprochene Energieeffizienzgesetz. Die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien sollte kurzfristig erfolgen. Die Umstellung auf klimafreundliche Kältemittel muss beschleunigt werden und den Stand der Technik berücksichtigen. So können manche stark klimaschädlichen Kältemittel auch ohne Umbau der Kälteanlage durch erheblich weniger schädliche Kältemittel zeitnah ersetzt werden. Der Bund muss endlich eine Rolle als Vorreiter bei der Gestaltung nachhaltiger IT einnehmen und sein Gewicht als Großauftragnehmer einsetzen, um den Veränderungsprozess zu beschleunigen. Es braucht jeden Beitrag zur Rettung des Klimas und das so schnell wie möglich, ohne nachhaltige Digitalisierung ist das nicht zu schaffen.“

    Kontakt:

    Anke Domscheit-Berg

    mailto: anke.domscheit-berg@bundestag.de

    Weiterführende Informationen:

    • Die Antwort der Bundesregierung Drucksache 20/3619:
    • Übersichtsgrafiken zu den Auswertungen der Daten: [Folgt in Kürze]

    Drucksachennummer 203619

    1. Was hat die Bundesregierung unternommen, seitdem ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage (BT-Drucksache 19/31210) nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller ergab, dass die Nachhaltigkeit der Bundes-IT sehr intransparent ist, insbesondere mit Blick auf die vom Bund genutzten Rechenzentren?
      a) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seither unternommen, um die Datenlage ressortübergreifend zu verbessern und sowohl den Status als auch das Erreichen von Meilensteinen jederzeit feststellen zu können und Handlungsbedarfe frühzeitig zu erkennen?

    Antwort:

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