Zum 4. Mal seit 2020 hat Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin im Bundestag, die Bundesregierung nach der Anzahl und Besetzung ihrer IT-Sicherheitsstellen befragt. Vor dem Kontext einer stetig steigenden Bedrohungslage bei wachsender Abhängigkeit von funktionierenden digitalen Diensten beunruhigt das Ergebnis der aktuellen Befragung, denn zwar gab es einen erheblichen Zuwachs an IT-Sicherheitsstellen seit 2020, aber jede 5. Stelle ist zur Zeit unbesetzt, im BMDV sogar jede zweite Stelle und im BMG sind es seit Jahren sogar knapp 80 Prozent der IT-Sicherheitsstellen.
Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg:
„Als Digitalpolitikerin treibt es mir Tränen in die Augen, Jahr für Jahr den Zahlen der Bundesregierung entnehmen zu müssen, dass es immer noch keine erkennbare IT-Sicherheitsstrategie für den Bund gibt. Anders ist nicht erklärbar, dass IT-Sicherheit so extrem unterschiedlich in den Ministerien behandelt wird.
Wie kann es mit dem BMUV ein Ministerium geben, dass heute weniger IT-Sicherheitsstellen hat, als vor vier Jahren, obwohl die Bedrohungslage für alle Einrichtungen des Bundes gleichermaßen stark anstieg? Wie kann es sein, dass das BMDV ständig zwischen massivem Stellenaufbau und –abbau hin- und herpendelt und dem BMG offenbar die IT-Sicherheit so egal ist, wie der sprichwörtliche Sack Reis in China? Wie kann es sein, dass immer noch jedes dritte Ministerium (einschließlich nachgeordneter Behörden) im Bund nicht einmal 10 Planstellen für IT-Sicherheit hat?
Es fehlt einfach ein gemeinsames Bewusstsein, eine gemeinsame Linie für mehr IT-Sicherheitskompetenz im Bund. Da überrascht dann auch nicht die Kritik des Normenkontrollrates an ungesicherten Netzen, veralteten Informationssicherheitskonzepten und gegen Cyberangriffe ungenügend geschützte Datenbanken und Server bei Einrichtungen des Bundes. Ich mache mir große Sorgen darum, dass diese Schwächen von böswilligen Dritten erfolgreich ausgenutzt werden und fordere die Bundesregierung dazu auf, diese strukturellen Missstände endlich zu beheben.
Mehr IT-Sicherheitskompetenz braucht es dafür auch auf der Ebene der Minister:innen, das zeigen aktuell die Richtungsdebatten der Ampel-Koalition zur sogenannten Chatkontrolle-Verordnung der EU, deren Ergebnis aufgrund von Inkompetenz zu einer gefährlichen Regulierung führen kann, die nicht nur die größte Überwachungsinfrastruktur in der Geschichte des Internets schaffen würde, sondern gleichzeitig auch die IT-Sicherheit für alle gefährdet.“
Zum Schlusslicht BMG ergänzt die Obfrau im Digitalausschuss:
„Das BMG kann man inzwischen selbst als Sicherheitslücke bezeichnen, denn seit vier Jahren fristet die IT-Sicherheit im Gesundheitsministerium ein Schattendasein. Egal, ob eHealth Großprojekte negative Schlagzeilen schreiben, ein Krieg ausbricht, Ransomware Attacken zur größten Bedrohung werden, oder die Hausspitze wechselt, es bleiben seit Jahren fast 80% der IT-Sicherheitsstellen unbesetzt. Mit nicht einmal drei besetzten Stellen kann man im Hause Lauterbach unmöglich den enormen Anforderungen gerecht werden, die gerade durch digitale Projekte entstehen, die mit sensiblen Gesundheitsdaten zu tun haben. Es darf nicht die Regel sein, dass IT-Sicherheitsrisiken oder ihre effektivste Beseitigung von Freiwilligen des Chaos Computer Clubs beschrieben werden, was leider gerade erst beim Thema Konnektorentausch für 130.000 Arztpraxen wieder der Fall war. Das BMG trägt als Mehrheitsgesellschafter der gematik GmbH selbst die Verantwortung für die Fehlentscheidungen, die zur Verschwendung von vielen Millionen Euro Krankenkassenbeiträge führen und die offensichtlich auf mangelhafte Kompetenz in IT-Sicherheitsfragen zurückzuführen sind.“
Daten und Datenauswertung IT-Sicherheitsstellen Bund:
/von
https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.png00Max Blumhttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngMax Blum2023-01-25 12:02:502023-03-01 19:07:31Der Bund als Sicherheitslücke: Jede 5. IT-Sicherheitsstelle im Bund ist unbesetzt
https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.png00Birgithttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngBirgit2023-01-25 11:53:052023-01-25 11:53:06Meine Schriftliche Frage zur Besetzung von IT-Sicherheitsstellen in Bundesministerien – 2023
https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.png00Max Blumhttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngMax Blum2023-01-20 17:53:412023-01-20 19:05:09Meine Rede zur Chatkontrolle im Bundestag
Als letzten Tagesordnungspunkt debattierte der Bundestag am Abend des 19. Januar 2023 einen Antrag der Linksfraktion mit der Aufforderung, die Bundesregierung zur Ablehnung der sogenannten Chatkontrolle Verordnung der EU zu verpflichten. Der Antrag wurde von allen übrigen Fraktionen abgelehnt. Der Entwurf einer EU-Verordnung für Regeln zur Prävention und Bekämpfung der Darstellung sexueller Gewalt an Kindern ist hochumstritten, da er vor allem auf weitreichende und grundrechtsverletzende Überwachungsmaßnahmen und nur sehr wenig auf Prävention setzt. Kritik kam nicht nur per offenem Brief von über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Europa, sondern auch von Kinderschutzorganisationen und besonders umfassend und grundsätzlich über ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das den Entwurf als unvereinbar mit europäischen und deutschen Grundrecht bewertet, sowie als ungeeignet für die Erreichung des beabsichtigten Ziels, Kinder besser zu schützen.
Seit Monaten streiten sich die Ampel-Parteien in der Frage, wie sie sich zur Chatkontrolle-Verordnung verhalten. Vor allem Innenministerin Faeser machte Schlagzeilen, als sie mehrfach öffentlich die Verordnung lobte und das sogenannte Client Side Scanning – das automatische Durchsuchen von Inhalten auf privaten Geräten vor der Verschlüsselung – befürwortete. Auch in der Debatte war erkennbar, dass ein Riß durch die Ampelkoalition geht, trotz Kritik von MdB aller drei Ampelfraktionen an grundrechtswidrigen Elementen der geplanten Verordnung und der erklärten Absage einer SPD Rednerin zum Client Side Scanning. Denn weiterhin ist nur sicher, dass Deutschland die Verordnung nicht ablehnen wird, offen ist aber weiterhin, ob es zu einer Zustimmung oder ein Enthaltung kommen wird und damit Deutschland direkt oder indirekt dazu beiträgt, die größte Überwachungsinfrastruktur seit Jahrzehnten aufzubauen. Schon im Herbst 2022 hatte bereits das österreichische Parlament daher seine Regierung auf Basis der Landesverfassung zur Ablehnung der Chatkontrolle Verordnung verpflichtet.
Die digitalpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Anke Domscheit-Berg, erklärt:
„Es ist mir unbegreiflich, dass eine Bundesregierung ohne Beteiligung der CDU/CSU es nicht schafft, sich unmissverständlich gegen ein EU-Verordnungsvorhaben zu positionieren, das nichts weiter als ein Gruselkabinett von Überwachungsmaßnahmen ist und keineswegs geeignet, Kinder besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Die Ampel-Koalitionäre argumentieren, dass sie sich einerseits nur bei einer grundsätzlichen Unterstützung in Brüssel für positive Veränderungen des Verordnungsentwurfs einsetzen könnten und es andererseits ja auch unterstützenswerte Inhalte wie ein geplantes EU-Zentrum gäbe. Dieses Zentrum hat jedoch keineswegs den Zweck, vor allem der Prävention zu dienen, sondern soll insbesondere die Umsetzung technischer Überwachungsmaßnahmen unterstützen und begleiten.
Außerdem ist es völlig abwegig, eine Verordnung zu unterstützen, die nicht nur einen klaren Bruch mit dem Koalitionsvertrag darstellt, sondern in Gänze unvereinbar ist mit der Grundrechtecharta der EU und mit Verfassungsgrundrechten. Ein von mir beauftragtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kam schon Ende 2022 zu einem vernichtenden Gesamturteil, wonach die Verordnung weder geeignet noch angemessen und verhältnismäßig sei und das Ende der Vertraulichkeit elektronischer Kommunikation bedeute. Sie gefährdet außerdem die IT-Sicherheit aller Nutzer und Nutzerinnen digitaler Dienste, denn um Inhalte auf privaten Geräten vor der Verschlüsselung z.B. über einen Messengerdienst automatisiert durchsuchen zu können, müssen überall Hintertüren in Apps und/oder Geräte eingebaut werden, und diese Hintertüren können und werden Kriminelle für verbrecherische Zwecke nutzen.
Die Koalition redet sich schön, dass sie sowohl mit einer Zustimmung als auch mit einer Enthaltung in Brüssel dazu beitragen wird, dass in Europa eine beispiellose Zensur- und Überwachungsinfrastruktur entsteht, die unkontrollierbar ist, von undemokratischen Drittstaaten begeistert für die Unterdrückung Oppositioneller kopiert werden wird und einen Geist aus der Flasche lässt, der kaum wieder eingefangen werden kann. Mit der Anwendung dieser Verordnung werden künftig Ermittlungsbehörden durch tausende Fälle falscher Verdächtigungen von der Verbrechensermittlung abgehalten, Jugendliche werden massenhaft kriminalisiert, weil Algorithmen Sexting von Grooming nicht unterscheiden können, und unzählige Unschuldige werden schrecklicher Verbrechen verdächtigt, weil künstliche Intelligenz legitime Familienfotos z.B. von badenden Kindern in Chats oder Foto-Cloud-Backups mit strafbaren Bildern verwechselt.
Soziale Probleme lassen sich mit technischen Mitteln nicht lösen, stattdessen braucht es endlich einen umfassenden Katalog wirksamer, aber eben nicht grundrechtsverletzender Maßnahmen, um Kinder tatsächlich besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Ich bedaure sehr, dass die Ampelmehrheit im Bundestag sich dem Antrag der Linken nicht anschließen wollte und fordere die Regierungskoalition erneut dazu auf, sich weder aktiv noch passiv am Aufbau dieser beispiellosen Überwachungsinfrastruktur zu beteiligen.”
Hintergrund: Als letzten Tagesordnungspunkt debattierte der Bundestag am Abend des 19. Januar 2023 einen Antrag der Linksfraktion mit der Aufforderung, die Bundesregierung zur Ablehnung der sogenannten Chatkontrolle-Verordnung der EU zu verpflichten. Der Antrag wurde von allen übrigen Fraktionen abgelehnt. Der Entwurf einer EU-Verordnung für Regeln zur Prävention und Bekämpfung der Darstellung sexueller Gewalt an Kindern ist hochumstritten, da er vor allem auf weitreichende und grundrechtsverletzende Überwachungsmaßnahmen und nur sehr wenig auf Prävention setzt. Kritik kam nicht nur per offenem Brief von über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Europa, sondern auch von Kinderschutzorganisationen und besonders umfassend und grundsätzlich über ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das den Entwurf als unvereinbar mit europäischen und deutschen Grundrecht bewertet, sowie als ungeeignet für die Erreichung des beabsichtigten Ziels, Kinder besser zu schützen.
Seit Monaten streiten sich die Ampel-Parteien in der Frage, wie sie sich zur Chatkontrolle-Verordnung verhalten. Vor allem Innenministerin Faeser machte Schlagzeilen, als sie mehrfach öffentlich die Verordnung lobte und das sogenannte Client Side Scanning – das automatische Durchsuchen von Inhalten auf privaten Geräten vor der Verschlüsselung – befürwortete. Auch in der Debatte war erkennbar, dass ein Riss durch die Ampelkoalition geht, trotz Kritik von MdB aller drei Ampelfraktionen an grundrechtswidrigen Elementen der geplanten Verordnung und der erklärten Absage einer SPD-Rednerin zum Client Side Scanning. Denn weiterhin ist nur sicher, dass Deutschland die Verordnung nicht ablehnen wird, offen ist aber weiterhin, ob es zu einer Zustimmung oder einer Enthaltung kommen wird und damit Deutschland direkt oder indirekt dazu beiträgt, die größte Überwachungsinfrastruktur seit Jahrzehnten aufzubauen. Schon im Herbst 2022 hatte bereits das österreichische Parlament daher seine Regierung auf Basis der Landesverfassung zur Ablehnung der Chatkontrolle-Verordnung verpflichtet.“
Fünf Jahre sind vergangen, seit das Onlinezugangsgesetz (OZG) in Kraft getreten ist. Zum 31.12.2022 lief es aus, ein Nachfolgegesetz gibt es weiterhin nicht. Seit längerem war absehbar, dass nicht einmal die im OZG verankerten Ziele der Verwaltungsdigitalisierung erreicht werden, weshalb sich der IT-Planungsrat im Mai 2022 auf 35 OZG-Leistungen einigte, die als “Booster” priorisiert bis Ende 2022 umgesetzt werden sollten. Auf Anfragen von Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion, informierte das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) über den Status Quo zur Umsetzung dieser Booster-Leistungen. Aus den Antworten geht hervor, dass das Ziel des OZG-Boosters völlig verfehlt wurde. Zum Jahresende waren kaum Booster-Dienste flächendeckend verfügbar, es gab nur wenig Nachnutzung und vollständig digital und in ganz Deutschland verfügbar ist nur ein einziger der 35 Dienste. Offenbart wurden auch viele Barrieren, die von Domscheit-Berg schon länger kritisiert worden sind, aber deren Abbau weiterhin stockt. Mängel gibt es außerdem bei der Gesamtkoordination und bei der Nachvollziehbarkeit der Verwaltungsdigitalisierung, deren Fortschritte zu intransparent sind.
Die schriftlichen Fragen und die Antworten der Bundesregierung sind am Ende dieses Beitrages verlinkt.
Das Versagen des OZG-Boosters in Zahlen:
7 der 35 Booster-Leistungen (jede fünfte) sind überhaupt nicht digital verfügbar
nicht mal jede zehnte (3 von 35) sind in ganz DE verfügbar, davon ist nur eine (Corona-Hilfe) voll digital (Baföganträge werden zB. immer noch in den Behörden ausgedruckt)
Nur 1 Booster-Leistung ist damit flächendeckend und voll digital (Reifegrad 3 oder 4) verfügbar (Corona-Hilfe)*
Fast jede 2. OZG Booster-Leistung (16 von 35 = 46%) ist digital verfügbar, ohne dass sie irgendwo nachgenutzt wird
Nur 7 Leistungen (jede fünfte) werden in 1-2 Ländern genutzt
Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion:
,,Kurz vor Ablauf der versemmelten fünfjährigen Umsetzungsfrist des Onlinezugangsgesetzes fragte ich die Bundesregierung, wie es wenigstens mit den 35 sogenannten Booster-Leistungen aussieht, die als priorisierte Leistungen bis Jahresende verfügbar gemacht werden sollten. Die Antworten der Bundesregierung offenbaren, dass selbst dieses extrem abgespeckte Ziel weit verfehlt wurde, denn nur eine einzige dieser Leistungen steht vollständig digitalisiert und flächendeckend in Deutschland zur Verfügung, jede fünfte der Booster-Leistungen (sieben) ist überhaupt noch nicht digitalisiert, darunter besonders häufig genutzte Leistungen, wie Personalausweis beantragen oder Kfz-An- und Ummeldung. Die Hälfte der digitalen Booster-Leistungen können Bürger:innen wiederum nur in einem einzigen Bundesland nutzen. Da hat man dann Pech, wenn man in den 15 anderen Bundesländern wohnt. Zu den drei Leistungen, die es überhaupt bundesweit gibt, gehört der Bafög Antrag, der zwar online gestellt werden kann, allerdings in den Behörden immer noch ausgedruckt werden muss. Dieses Beispiel als Erfolg zu vermelden, wäre mir peinlich.
Unfassbar finde ich, dass mit der Kfz An- und Ummeldung laut Unterlagen der Bundesregierung gerade eine besonders häufige Verwaltungsdienstleistung bisher offenbar daran scheitert, dass ausgerechnet der Digital- und Verkehrsminister bisher die fehlende gesetzliche Grundlage nicht geschaffen hat, obwohl sich hier sogar die Themenfelder Verkehr und Digitalisierung verbinden.
Längst bekannte und von mir seit Jahren kritisierte Barrieren bestehen weiterhin und immer noch gibt es keinen funktionierenden Austausch von Informationen zwischen Bund und Ländern. Die Intransparenz über den Umsetzungsfortschritt ist erschütternd, inbesondere mit Blick auf den Digitalisierungsgrad . Weil die Booster-Leistungen in der Verantwortung der Länder liegen, antwortet mir die Bundesregierung, dass ich die Länder danach fragen muss, welchen Reifegrad die umgesetzten Booster-Leistungen überhaupt haben, also ob man wie beim Bafög z.B. in der Behörde trotzdem noch den Antrag ausdrucken muss oder nicht. Ich soll auch die Länder danach fragen, wann die bisher nicht umgesetzten Booster-Leistungen nun kommen sollen, denn der Bund ließ offenbar das gemeinsam beschlossene Zieldatum verstreichen, ohne sich mit den Ländern auf neue Zieldaten wenigstens für die fehlenden OZG-Booster-Leistungen zu einigen. Mir fehlt dafür jedes Verständnis. So kann man ein gemeinsames Großvorhaben nicht steuern. Auf diese Weise kommen wir mit der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland nicht voran!
Viel Zeit ging offenbar auch verloren, weil die Finanzierung der Umsetzung und Nachnutzung für 2023 zu lange ungesichert, obwohl die Ampel-Koalition doch immer wieder erklärte, welche hohe Priorität die Verwaltungsdigitalisierung für sie hat. Bei Haushaltsverhandlungen sieht man dann, wie die Prioritäten wirklich verteilt sind. Aber auch an anderen Grundlagen fehlt es weiterhin, denn aus den Unterlagen des BMI geht auch hervor, dass immer noch viel zu komplizierte Vertragsabstimmungen, intransparente Betriebskosten und unklare Datenschutzregeln die Nachnutzung bereits digitalisierter Booster-Leistungen behindern.
Am Traurigsten macht jedoch der Grund dafür, warum es die OZG Leistung „Ummeldung“ immer noch nicht flächendeckend in Deutschland gibt, was nach Auskunft der Bundesregierung daran liegt, dass dieser Prozess sogar vollständig digital umgesetzt wurde, was bedeutet, dass in der Abwicklung auch die Verwaltung digital mit den Bürger:innen kommunizieren kann. Anders als alle anderen im Alltag bekannten elektronischen Postfächer, wo man Nachrichten und Anhänge nicht nur schicken, sondern auch empfangen kann, sind viele Nutzerkonten für digitale Verwaltungsdienstleistungen aber nur Einbahnstraßen und kommen mit vollständig digitalisierten Prozessen, die eine Kommunikation in beide Richtungen erfordern, nicht klar. Überall dort kann man also die verfügbare online Dienstleistung „Ummeldung“ gar nicht anbieten. An diesem Beispiel zeigt sich erschütternd deutlich, wie grundfalsch es war, beim Onlinezugangsgesetz nur auf Schaufensterdigitalisierung zu setzen und nicht erst einmal die Grundlagen zu schaffen, nämlich unter anderem gut funktionierende Basisdienste, wie ein richtiges Postfach, und standardisierte Schnittstellen. Jede Häuslebauerin versteht, dass es erst eine gute Planung, dann ein Fundament und erst zum Schluss eine schöne Tür braucht, und dass die verschiedenen Gewerke beim Hausbau durch eine vernünftige Bauleitung koordiniert werden müssen, damit alles in der richtigen Reihenfolge und ohne Zeitverzug gebaut wird. Bei der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland bauen wir zuerst schicke Türen, ohne Plan, ohne Fundament, ohne Haus drumrum und offenbar ohne jegliche Koordination des Gesamtprozesses – so kann das nicht funktionieren und seit Jahren predigen das viele Fachleute und leider werden sie immer noch nicht ausreichend gehört.
Umso wichtiger wird das OZG 2.0 als Nachfolgegesetz, das endlich die Grundlagen für eine wirkliche Verwaltungsdigitalisierung schaffen muss. Obwohl die Bundesregierung ein solches Gesetz bereits im Frühjahr ankündigte, kann sie jetzt immer noch keine Zeitplanung dafür vorlegen und verweist in ihrer Antwort auf meine schriftlichen Fragen auf die baldige Einleitung formaler Abstimmungsprozesse mit den anderen Ministerien und den Bundesländern. Ich habe selbst als Oppositionspolitikerin keinerlei Genugtuung dabei, die jeweiligen Bundesregierungen für ihr Versagen bei der Verwaltungsdigitalisierung zu kritisieren, denn wie alle anderen Bürger:innen finde ich einen weiterhin derart schlechten Standard schlicht unerträglich.“
* Hinweis: Da das BMI zu den Reifegraden keine Aussage treffen konnte, wurden diese auf dem Infoportal der OZG-Umsetzung selbst recherchiert. Davon abgesehen sind die Basis der Auswertung die referenzierten Antworten des BMI und die vom BMI bereitgestellten weiterführenden Dokumente (verlinkt am Ende des Beitrages).
Meine Wahlkreisreise in die Prignitz führte mich am 6. 12.2022 auch nach Breese, in der Nähe von Wittenberge, wo ich die Elbtal-Alpaka-Farm besuchte. Geschäftsführer Dietmar Krempner zeigte uns seinen Familienbetrieb, auf dessen Gelände einheimische Tiere wie Kaninchen, Meerschweinchen und Schafe aber auch über exotischere, wie Zwerg-Kängurus, westafrikanische Bergziegen und natürlich die kleine Alpaka-Herde zuhause sind.
https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/22-12-06_Elbtal_Alpakka_Krempner_-scaled.jpeg25602226Christian Richterhttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngChristian Richter2022-12-14 10:11:002023-01-10 10:03:24Alpakas in der Prignitz
Mit wie viel Personal (bitte Angabe in Personenmonaten) wird derzeit jeweils in den Ressorts BMI, BMDV, BMF, BMWK und Kanzleramt im interministeriellen Laborformat digitale Identitäten mit Angabe des jeweiligen Themenschwerpunkts gearbeitet, und welche Erhöhung der Personenmonate ist jeweils gegebenenfalls geplant?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff (BMI):
Derzeit wird mit folgendem Personaleinsatz im interministeriellen Laborformat GovLabDE Digitale Identitäten gearbeitet (Angaben erfolgen in Vollzeitäquivalenten – VZÄ). Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI): Die Beteiligung des BMI am Laborformat Digitale Identitäten umfasst fünf Personen in einem Umfang von 4,5 VZÄ. Es besteht folgende thematische Aufteilung: Projekt-leitung (1 VZÄ); Smart-eID (1 VZÄ); Projektmanagement-Office und Berichtswesen (1 VZÄ), Large-Scale-Pilots (1 VZÄ); Berechtigungszertifikate (0,5 VZÄ). Bundeskanzleramt (BK): 0,25 VZÄ zur allgemeinen Projektbegleitung. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): Die Beteiligung des BMWK am Laborformat Digitale Identitäten umfasst (Zeitraum: Januar 2022 bis heute) eine Person mit ca. 0,3 VZÄ. Hinzu kommt die punktuelle Be-teiligung von Personen der Begleitforschung „Sichere Digitale Identitäten“, die über das Schaufensterprogramm durch das BMWK finanziert wird. Bundesministerium der Finanzen (BMF): Im BMF sind für das interministerielle Laborformat digitale Identitäten 0,75 VZÄ vor-gesehen und derzeit auch besetzt. Die Kollegen betreuen hauptsächlich die Entwick-lung einer ID-Wallet und einer Smart-eID. Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV): Derzeit ist das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit insgesamt 1,25 Personenmonaten am interministeriellen Laborformat GovLabDE Digitale Identi-täten beteiligt. Inhaltlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorrangig mit den Themenschwerpunkten „Regulierung“ sowie „Marketing und Vertrieb“ befasst. Das BMDV plant, die Mitarbeit ab Mitte Dezember 2022 auf 2,0 Personenmonate zu erhöhen.
Bei wie vielen der OZG-Leistungen mit hohem (substanziellen) Vertrauensniveau ist konkret geplant, für deren digitale Nutzung ausschließlich den elektronischen Perso-nalausweis (nPA) als digitale Identifikationsmöglichkeit zu akzeptieren und bei wie vielen anderen OZG-Leistungen ist geplant, auch eine Smart-eID oder weitere digi-tale Identifikationsmöglichkeiten zu akzeptieren (bitte die fraglichen OZG Leistungen aufschlüsseln nach den 14 Themenfeldern des OZG und jeweils die Anzahl der Leis-tungen angeben, für die nur der nPA geplant ist und davon unterschieden, jeweils die Anzahl der Leistungen mit geplanten anderen Identifikationsmöglichkeiten für diese OZG-Leistungen)?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff (BMI):
Gemäß § 2 Abs. 3 des E-Government-Gesetzes des Bundes ist jede Bundesbehörde verpflichtet, in Verwaltungsverfahren, in denen sie die Identität einer Person auf Grund einer Rechtsvorschrift festzustellen hat oder aus anderen Gründen eine Identi-fizierung für notwendig erachtet, die eID-Funktion anzubieten. Die meisten E-Govern-ment-Gesetze der Länder sehen ähnliche Bestimmungen vor, wobei diese teilweise nur als Soll-Vorschrift verfasst sind. Die Nutzung der eID-Funktion ist zudem komfor-tabel auch über die Einbindung eines Nutzerkontos möglich, und zwar unabhängig davon, ob das Nutzerkonto des Bundes oder eines Landes, das die eID-Funktion be-reits unterstützt, verwendet wird. Die Smart-eID ist nur eine andere technische Reali-sierung der eID-Funktion – es sind derzeit keine Leistungen des Onlinezugangsge-setzes (OZG) geplant, welche die Nutzung der Smart-eID ausschließen. Entsprechend den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS-Verordnung) ist keine OZG-Leistung geplant, welche ausschließlich die eID-Funktion des Personalausweises akzeptiert. Alle digitalen Verwaltungsleistungen werden auch Identifikationsmittel anderer EU-Mitgliedstaaten akzeptieren, welche auf dem erforderlichen Vertrauensniveau notifi-ziert sind.
Gab es fachlichen Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern des Bun-desministeriums des Innern und für Heimat, Bundesministerium für Digita-les und Verkehr, Bundesministerium der Finanzen, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und des Bundeskanzleramtes (bitte jeweils nach Ressort aufschlüs-seln) mit (wenn ja) genau welchen konkreten Interessensver-treterinnen und Inte-ressenvertretern von Verbänden, Einzelunternehmen, NGOs, und Einzelperso-nen seit Januar 2022 bis jetzt, zu Themen, die die Ent-wicklung digitaler Identitä-ten berühren (diese Themen bitte mindestens nach nPA, IDWallet und Smart-eID aufschlüsseln) und welche Verbändeanhörun-gen gab es dazu?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff (BMI):
Die Frage wird dahingehend verstanden, dass nach Kontakten der Leitungsebenen der jeweiligen Häuser gefragt ist. Die Aufstellung ist der Tabelle zu entnehmen. Die Leitungsebenen von BK, BMWK, BMDV, BMF und BMI pflegen im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung Kontakte mit einer Vielzahl von Akteuren aller gesellschaftli-chen Gruppen. Unter diesen regelmäßigen Austausch fallen Gespräche und auch Kommunikation in anderen Formen (schriftlich, elektronisch, telefonisch). Es ist we-der rechtlich geboten, noch im Sinne einer effizienten und ressourcenschonenden öf-fentlichen Verwaltung leistbar, entsprechende Informationen und Daten (z. B. sämtli-che Veranstaltungen, Sitzungen und Termine nebst Teilnehmerinnen und Teilneh-mern) vollständig zu erfassen oder entsprechende Dokumentationen darüber zu er-stellen oder zu pflegen. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Ge-spräche oder deren Ergebnisse – einschließlich Telefonate und elektronischer Kom-munikation – besteht nicht und eine solche umfassende Dokumentation wurde insoweit nicht durchgeführt oder vorgehalten. Neben Gesprächen auf Leitungsebene bestehen zusätzlich auf der Arbeitsebene di-verse fachliche Austausche. Verbändeanhörungen sind nicht erfolgt.
In welchem Rahmen wurden bei der Konzeptionierung der Smart-eID gesellschaftli-che Auswirkungen im Rahmen einer Technikfolgenabschätzung, einer Analyse der ethischen, rechtlichen und sozialen Auswirkungen durch die Bundesregierung oder durch Dritte wie z.B. des BfDI, der Zivilgesellschaft oder der Wissenschaft einbezo-gen (bitte die jeweilige Art der Einbeziehung und Auswertung gesellschaftlicher Aus-wirkungen konkret nennen, einschließlich das Format und/oder die Quelle) und wel-che spezifischen Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung für ihr konkretes Han-deln gezogen (hinsichtlich eID Vorhaben) nach den Stellungnahmen der Fiff und des CCC, die am 17.05.2021 im Rahmen der Anhörung „Elektronischer Identitätsnach-weis mit einem mobilen Endgerät“ im Innenauschuss vorgelegt wurden (https://www.ccc.de/system/uploads/314/original/eID_Stellungnahme-cccfiff9.pdf9)?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff (BMI):
Mit dem Online-Ausweis existiert seit 2010 ein besonders sicheres und datensparsa-mes Mittel für die Online-Identifizierung, das die Souveränität des Individuums über seine hoheitliche Identität besonders schützt. Neben einer technisch sehr sicheren Konzeption und Umsetzung besteht ein besonderer Vorteil im System der Berechti-gungszertifikate, die einerseits bei einem Identifizierungsvorgang auch die Identifizie-rung des Anfragenden gegenüber dem Nutzer sicherstellt und andererseits durch die vorgeschaltete Prüfung durch die Vergabestelle für Berechtigungszertifikate die Zweckmäßigkeit der Datenerhebung erfordert. Durch die Bereitstellung auf dem Personalausweis, dem elektronischen Aufenthaltsti-tel und der Unionsbürgerkarte steht dieses System sehr vielen Menschen offen. Den-noch wird es heute noch zu oft nicht genutzt und stattdessen auf andere Identifizie-rungsmethoden, oft unter Einbeziehung dritter Parteien zurückgegriffen. Es ist daher ein Anliegen der Bundesregierung, die Nutzung des Online-Ausweises weiter zu be-fördern. Mit der Smart-eID besteht zukünftig die freiwillige Möglichkeit, die bisher nur auf den Karten gespeicherte digitale Identität auch auf dem Smartphone zu speichern und damit die Karte zum Online-Ausweisen nicht mehr an das Smartphone halten zu müssen. Dabei wird durch strikte technische Vorgaben ein vergleichbares Sicher-heitsniveau wie bei den Karten erreicht. Für die Identifizierung wird dabei weiterhin die bereits seit 2010 in Betrieb befindliche Infrastruktur des Online-Ausweises genutzt. Die genannte gemeinsame Stellungnahme von Fiff und CCC stellt darauf ab, dass nur teure Smartphones die erforderlichen Voraussetzungen mitbringen und daher Menschen mit geringen finanziellen Möglichkeiten von der Nutzung ausgeschlossen werden. Die Smart-eID ist jedoch nur eine „Komfortfunktion“ für das bestehende Sys-tem und keine neue Identifizierungsmöglichkeit. Daher wird, auch wenn heute noch nicht alle Smartphones die notwendigen Voraussetzungen mitbringen, durch die Smart-eID niemand von der Online-Ausweisfunktion ausgeschlossen. Dezidierte Un-tersuchungen zu den in der Schriftlichen Frage genannten Aspekten wurden auf-grund der relativ geringen Änderung des bestehenden Systems in der Konzeptions-phase der Smart-eID daher nicht vorgenommen. Zudem ist davon auszugehen, dass die erforderlichen Sicherheitselemente zukünftig in Geräten aller Preisklassen vorhanden sein werden. Neben dem steigenden Bedarf an sicherheitsrelevanten Applikationen ist dies vor allem in einer zunehmenden Ver-breitung eingebauter SIM-Karten (eSIM/eUICC) begründet. Hier zeichnet sich ein ähnlicher Weg ab wie bei der kontaktlosen Schnittstelle NFC. Nur durch die Ent-scheidung, den Personalausweis mit dieser Schnittstelle auszustatten, obwohl diese 2010 noch nicht verbreitet war, können heute Smartphones als Lesegerät für das Online-Ausweisen verwendet werden.
Das Krisenmanagement der Bundesregierung ist katastrophal. Die galoppierende Inflation, explodierende Energie- und Lebensmittelpreise machen Angst – und sie erfordern entschlossenes politisches Handeln. Vor allem jene Menschen, die schon vor der Inflation zu wenig hatten, ignoriert die Ampel-Regierung. Für sie war und ist die Linksfraktion im Bundestag die einzige wirkliche Interessensvertretung. Wir wollen aber auch ihre Sorgen und Nöte aufgreifen und zurück in den Bundestag tragen. Deshalb sind viele linke Bundestagsabgeordnete in ganz Deutschland mit einer Energietour unterwegs. Ich war Gastgeberin der Energietour in Oranienburg, Wittstock, Neuruppin und Wittenberge im Norden von Brandenburg. Wir kamen mit vielen Menschen ins Gespräch, informierten über unsere Forderungen und hatten für alle Berichte der Bürger:innen ein offenes Ohr. Wir klärten auch auf über leider viel zu wenig bekannte Fakten. So war 2021 ein Rekordjahr für Deutschlands Milliardär:innen, denn Großvermögen sind so stark gestiegen wie noch nie. Die 100 reichsten Familien konnten ihr Vermögen um 116 Milliarden Euro steigern, trotz Coronakrise, Ukraine-Krieg und weltweiten Logistikproblemen! So wuchs zum Beispiel das Vermögen von Dieter Schwarz, Eigentümer der Schwarz-Gruppe (Kaufland/Lidl) zwischen 2020 und 2022 um mehr als 25 Milliarden US-Dollar (!) auf aktuell 47,1 Milliarden US-Dollar. Er ist der reichste Deutsche. Auch die Vermögen anderer Superreicher wie Klaus-Michael Kühne (Logistikdienstleisters Kühne+Nagel), Familie Heister und Karl Albrecht Junior (Aldi Süd), Susanne Klatten und Stefan Quandt (beide BMW) wuchsen in den letzten 2 Jahren um viele Milliarden, manche verdoppelten sich sogar.
Gleichzeitig sind 14 Millionen Menschen in Deutschland von Armut betroffen, das ist ein trauriger Höchststand. Armut ist aber kein Naturgesetz, man kann etwas dagegen tun!
Und die Antwort der Bundesregierung? Ein Witz! Wir fordern eine Übergewinnsteuer, denn während arme Haushalte nicht wissen, wie sie Gas und Strom bezahlen sollen, sind die Gewinne vieler Gas- und Stromunternehmen extrem angestiegen. Bis zu 100 Milliarden Euro könnte die Übergewinnsteuer bringen. Stattdessen heißt Hartz IV jetzt Bürgergeld und bleibt bei marginalen Verbesserungen Armut per Gesetz. Die geringe Erhöhung deckt kaum den Inflationsausgleich, die Sanktionen bleiben ab Tag 1.
Minister Habeck gibt den Menschen Duschtipps, Kanzler Scholz schweigt, Lindner fährt weiter Porsche während er von Gratismentalität schwafelt und gleichzeitig durch die hohe Inflation Steuereinnahmen wie nie zuvor einnimmt. Für die Bundeswehr gab es plötzlich 100 Milliarden Sondervermögen, aber für die Fortsetzung des 9 Euro Tickets soll das Geld fehlen.
DIE LINKE sagt: Schluss mit Teuer! Essen, Energie und Wohnen müssen bezahlbar sein!
Wir fordern neben einem sozialen Klimabonus von 125 Euro, einem Bürgergeld von 678 Euro, endlich eine Vermögens- und Übergewinnsteuer einzuführen. Geld ist genug da, es muss nur gerecht verteilt werden! Der ÖPNV soll in einem Dreistufenplan kostenlos werden, Mieten gedeckelt, Energie über einen kostenlosen Sockelbetrag bezahlbar bleiben. In meinen Wahlkreisbüros steht mein Wahlkreismitarbeiter für Sozialberatung zur Verfügung. Viele Menschen wissen nicht, was es für Hilfsmöglichkeiten gibt, z.B. einen einmaligen Wohngeldzuschuss, wenn eine Energienachzahlung zu hoch ist. Ich wünsche mir noch mehr konkrete Hilfsangebote der LINKEN und dass sie genau wie unsere Forderungen und Konzepte bekannter werden. Nach dem heißen Herbst folgt der solidarische Winter und da werden wir DIE LINKE dringender gebraucht als je zuvor.
DIE LINKE sagt: Schluss mit Teuer! Essen, Energie und Wohnen müssen bezahlbar sein!
Wir fordern:
Alle Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen – oder ohne Einkommen – erhalten einen sozialen Klimabonus von monatlich 125 Euro plus 50 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied.
Die Hartz-IV-Sätze also das Bürgergeld müssen auf die von Sozialverbänden errechnete angemessene Höhe von 678 Euro angehoben werden.
Die Inflation darf nicht die Löhne auffressen! Viele Unternehmen haben an den Börsen Spitzenabschlüsse gemacht. Statt hohe Dividenden auszuschütten, müssen die Löhne erhöht werden. Solidarität mit den Beschäftigten und Gewerkschaften, die jetzt für höhere Löhne kämpfen.
Geld ist genug da – verteilt es gerecht!
Die Extragewinne der Konzerne in der Krise müssen extra besteuert werden. Wir brauchen eine Übergewinnsteuer!
Wer enormen Reichtum, also ein Nettovermögen über 2 Millionen Euro, besitzt, muss über eine einmalige Vermögensabgabe (Reichensteuer) an der Finanzierung der Krisenkosten beteiligt werden.
Auch langfristig müssen große Vermögen gerechter besteuert werden, um in Bildung, Pflege und Klimaschutz zu investieren: Vermögensteuer jetzt!
Die Schuldenbremse muss ausgesetzt bleiben! Die Regierung hat für das 100 Mrd. Euro Aufrüstungspaket der Bundeswehr die Schuldenbremse quasi ausgesetzt. Ab nächstem Jahr soll die Schuldenbremse wieder gelten. Das heißt: viel weniger Geld für Soziales, für Bildung, Pflege. Kommunen müssen bei Schwimmbädern, Jugendclubs und Bibliotheken sparen. Die Preise kontrollieren und deckeln Der Staat muss eingreifen, wenn die Preise für lebenswichtige Dienste und Waren durch die Decke gehen.
Es gab eine staatliche Preisaufsicht für Strom, die wollen wir wieder einführen. Preisabsprachen zwischen den Konzernen wollen wir hart bestrafen.
Alle Haushalte bekommen einen Sockelbetrag für Strom und Gas. Grundverbrauch wird preiswerter, Vielverbrauch wird teurer. So wird Energiesparen belohnt.
Die Pendlerpauschale ist ungerecht: Wer wenig verdient, hat keine Vorteile. Wir wollen ein Mobilitätsgeld für alle Pendler*innen, egal ob für Auto oder Bahn und auch für niedrige Einkommen.
Bezahlbare Miete statt fette Rendite! Viele Immobilienkonzerne erhöhen »wegen der Inflation« die Mieten. Damit werden vor allem die Dividenden ihrer Aktionäre geschützt, nicht aber die Mieter*innen. Die Bundesregierung muss deswegen bundesweit Mietendeckel ermöglichen. Wir fordern: keine Zwangsräumungen mehr, wenn die Nebenkosten nicht gezahlt werden können!
Verkehr und Energieversorgung sozial und klimagerecht
Strom- und Wärmenetze gehören in öffentliche Hand. Mit Stadtwerken, Energiegenossenschaften und Windkraftanlagen in kommunaler Hand stärken wir das öffentliche Eigentum und sorgen für gerechte Preise. Strom- und Gassperren werden verboten.
Den ÖPNV in 3 Schritten kostenfrei machen: 1. Das 9-Euro-Ticket muss bis Ende des Jahres verlängert werden. 2. Deutschlandweit kostet der ÖPNV nicht mehr als einen Euro pro Tag. Schüler- und Sozialtickets sind frei. 3. Der ÖPNV wird kostenfrei mit guten Verbindungen und schnellen Taktungen.
Gemeinsam sorgen wir dafür, dass es ein heißer Herbst und ein solidarischer Winter wird. Gegen die soziale Kälte der Ampel-Regierung.
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https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/Oranienburg-11-scaled.jpg19202560Ralf Wunderlichhttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngRalf Wunderlich2022-11-25 10:17:592022-11-25 11:51:50Armut ist kein Naturgesetz! Schluss mit Teuer!
Meinen Wahlkreistag am 15.11.2022 in Bernau begann ich natürlich mit einem Besuch bei Bürgermeister André Stahl. Mit seiner Wiederwahl im Juni schon im ersten Wahlgang hatte er gezeigt, dass DIE LINKE auch Erfolge einfahren kann. Bernau hat 42.000 Einwohner – noch 2001 waren es erst 27.700, noch immer kommen jährlich bis zu 1.000 Neu-Bernauer:innen hinzu. Das liegt an den Vorteilen, die Bernau bietet: seine Lage kurz vor der nordöstlichen Berliner Stadtgrenze, die gute Anbindung mit RB und S-Bahn, die hohe Lebensqualität durch die Lage im Grünen, eine effektive Verwaltung, gute Infrastruktur und die Abwesenheit von Wohnraumspekulationskonzernen wie Deutsche Wohnen.
Nicht ohne Stolz erzählte mir mein Parteikollege André Stahl, wie Bernau das anhaltende Wachstum ohne größere Probleme bewältigt. Wie Kita- und Schulplätze rechtzeitig „mitwachsen“, neue Spielplätze und Sportstätten entstehen, der Busverkehr massiv ausgebaut wird oder Wohnraum für Tausende in ehemaligen militärischen Liegenschaften entsteht.
Natürlich gibt es noch offene Bedarfe, die Plusbuslinie zwischen Oranienburg und Bernau sollte schon in 2022 fahren, aber wann sie wirklich in Betrieb geht, ist immer noch nicht klar, das ist sehr schade, denn dann käme ich auch ohne Umweg über Berlin von meinem Oranienburger Wahlkreisbüro zu meinem neuen Wahlkreisbüro in Bernau.
Bürgermeister André Stahl zeigte mir nach einem Gespräch in seinem Büro die Stellen in seiner Stadt, die Vergangenheit und Zukunft besonders erkennbar machen. So gibt es in Bernau verschiedene sogenannte Konversionsflächen, also Liegenschaften, die einer ehemaligen militärischen Nutzung in zivile Nutzung überführt werden sollen. Oft sind derartige Liegenschaften schwierig, denn häufig finden sich unbekannten Schadstoffe im Boden und/oder alte Munition.
Wir besichtigten eine bereits abgeschlossene Umwandlung und eine, die noch ganz am Anfang steht. Aus den Gebäuden des früheren Heersbekleidungsnebenamtes entstand ein attraktives Wohngebiet mit 720 Wohnungen in schön sanierten Klinkerbauten, mit Blick auf einen großen, neu geschaffenen Park, der auf mehr als 4 km Platz zum Spazierengehen bietet. Diese Idylle, der sogenannte Pankebogen, liegt außerdem nur wenige Fußminuten zur Bahn nach Berlin.
Noch viel mehr Wohnraum soll auf dem Gelände des früheren Heeresbekleidungsamtes an der Schwanebecker Chaussee entstehen: 2000 Wohnungen für ca 4-5.000 Menschen. Dafür braucht man aber noch viel Fantasie, denn das künftige neue Stadtviertel besteht zur Zeit nur aus Brachland und vor allem einem sehr großen Gebäuderiegel, in dem u.a. russische Soldaten zu DDR-Zeiten in großen Schlafsälen untergebracht waren. Aktuell hat dieses Gebäude den morbiden Charme eines beeindruckenden Lost Place, mit vielen künstlerische Graffitis, mit Licht- und Schattenspielen auf ausgebrochenen Fenstern und abblätternden Lack. In einem Raum am Ende eines ehemaligen Schlafsaales entdecke ich russische Originalwandgestaltungen als Bänder unter der Decke, die kannte auch André Stahl noch nicht. Die typisch sozialistische Ikonographie deckt das ganze Themen-Spektrum ab: Darstellungen von Bergbau und Landwirtschaft finden sich genauso wie der Weltraum, Atomenergie und Bildung, aber auch wie Panzer, Raketen und U-Boote. Ich hoffe, diese kunstgeschichtlich interessanten Darstellungen werden nicht abgeschlagen oder übermalt, sondern erhalten und in die künftige Nutzung integriert. Die bemerkenswerten Graffitis wurden schon jetzt in einem Buch fotografisch verewigt.
Bis das neue Viertel hier entstanden ist, werden noch einige Jahre vergehen. Der Investor wird sogar eine Schule und eine Kita auf eigene Kosten bauen, die dann ins Eigentum der Stadt übergehen, immerhin, denn Sozialwohnungen werden dort leider nicht entstehen.
Um Kultur und Sport ging es bei einer weiteren Baustelle, die ich mit dem Bürgermeister beging. Mitten in der Stadt entsteht die Bernau Arena, deren Rohbau bereits steht. Bald können dort bis zu 2.000 Besucher:innen verschiedenste Veranstaltungsformate erleben, vom Basketball bis Abiball. Die Nutzungsvielfalt ermöglichen vier verschiedene (also auswechselbare) Fußböden und ausfahrbare Tribünen. Zur Arena gehört auch ein Parkhaus mit geplant 700 Stellplätzen, wenn es fertig ist, sollen andere Parkplätze in der Nähe künftig verschwinden, Park statt Parkplatz ist dann die Devise.
Gemeinsam besuchten wir noch einen Ort, der Vergangenheit und Zukunft verbindet und vielen unbekannt sein dürfte, obwohl er eine von 51 kulturellen UNESCO-Welterbestätte in Deutschland ist: das Bauhaus Campus Bernau mit einem kleinen aber feinen Besucherzentrum neben dem Gelände der Bundesschule, die 1928–1930 unter dem damaligen Bauhausdirektor Hannes Meyer, dem Architekten Hans Wittwer und unter der Beteiligung aller Bauhauswerkstätten als Weiterbildungseinrichtung für Gewerkschaftler:innen errichtet wurde. Für mich war diese Station besonders spannend, denn in der DDR habe ich Textilkunst an der Fachschule für Angewandte Kunst Schneeberg studiert, die sich in der Tradition des Bauhauses verstand. Und so interessierte mich am meisten ein kleines, silbernes Textil in der Dauerausstellung, eine Nachbildung des innovativen, handgewebten Stoffes aus der Bauhausweberei, der in der früheren Aula der Bundesschule alle Wände mit silbernem Schimmer überzog und gleichzeitig für eine gute Akustik sorgte.
Das war ein sehr vollgepackter Vormittag, an dem ich viel über Bernau gelernt habe. Eins ist klar, Bernau wird massiv unterschätzt und entwickelt sich sehr gut. Wer sich für mehr Informationen über Bernau interessiert: Ich habe auch den Rest dieses Wahlkreistages in Bernau verbracht, mich mit Genoss:innen der Region in meinem neuen Wahlkreisbüro getroffen und eine Braugenossenschaft besucht (Blogtext davon).
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https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2C78FD6A-0970-4AAE-A2DA-9CAE6057DB8B_1_201_a-scaled-e1669357673988.jpeg13241728Ralf Wunderlichhttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngRalf Wunderlich2022-11-25 07:30:172022-11-25 10:11:16Unterwegs mit Bürgermeister Stahl: Bernau eine Stadt mit Zukunft!
Mein im Tagesspiegel Backround erschienener Artikel, vom 21.11.2022
Die Vorratsdatenspeicherung ist zwar weitgehend vom Tisch, aber nun droht ihre jüngste Schwester, bekannt als „Chatkontrolle“, per Europäischer Regulierung eine gefährliche Zensur-Infrastruktur zu schaffen, die von undemokratischen Regierungen, aber auch in der EU selbst missbraucht werden kann, ohne wirksame Kontrollmöglichkeiten durch Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Journalismus oder Politik.
Die EU-Verordnung soll Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen, in dem Bilder davon oder Cybergrooming eher entdeckt werden. Weitreichende Eingriffe in Grundrechte werden immer mit Zielen durchgesetzt, bei denen der gesellschaftliche Widerstand klein ist, wer will schon als jemand da stehen, der Kindervergewaltiger vor Strafverfolgung schützt? Nach 9/11 war es der Kampf gegen denTerrorismus, davor war die Angst groß und deshalb der Widerstand klein gegen Überwachung im Netz.
Aber die Hürde für Grundrechtseinschränkungen liegt hoch, drei Anforderungen müssen erfüllt sein, unabhängig davon, wie edel die erklärten Ziele sind. Genau diese Prüfung nahm der unabhängige Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in meinem Auftrag vor, denn jede Grundrechtseinschränkung muss sowohl geeignet, als auch angemessen und verhältnismäßig sein. Nach aktuellem Stand würde die Verordnung Diensteanbieter dazu verpflichten, eine Risikobewertung ihres Dienstes hinsichtlich der Verbreitung dieser speziellen Inhalte vorzunehmen. Dazu muss ein Diensteanbieter aber wissen, ob sein Dienst dafür genutzt wird, wozu er alle Inhalte kontrollieren muss. Das erfordert wiederum algorithmische Filter, da Milliarden von Inhalten zu prüfen wären.
Das ginge in zwei Varianten: entweder man baut Löcher in verschlüsselte Kommunikation ein, was ein klarer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag wäre, der ein Bekenntnis zur Unantastbarkeit sicherer Verschlüsselungen enthält. Oder man nutzt Client Side Scanning (CSS), bei dem noch vor dem Verschlüsseln die Inhalte überprüft werden. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages erfordert das CSS den Einbau „kodifizierter, werkseitiger Hintertüren“ in den genutzten Geräten, also absichtliche Schwachstellen, die auch Dritte für Cyberangriffe nutzen können. Das reduziert die IT-Sicherheit in Zeiten hoher Angriffswahrscheinlichkeiten.
Auf meine Fragen nach ihrer Haltung zum CSS antwortete die Bundesregierung stets ausweichend. Hält Innenministerin Nancy Faeser eine Überwachung privater Kommunikationenper CSS etwa für vereinbar mit dem Koalitionsvertrag? Auch CSS macht verschlüsselte Kommunikation kaputt, denn ihr Zweck, vertrauliche und private Kommunikationen vor Kenntnisnahme Dritter zu schützen, ist nicht mehr erreichbar. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt daher zu der klaren Einschätzung, dass die verpflichtende Risikobewertung sichere Kommunikationswege faktisch abschafft.
Wäre die Chatkontrolle eine geeignete Maßnahme?
Schon bei der Prüfung der Eignung der Maßnahme dafür, ob sie Kinder vor sexualisierter Gewalt schützt, hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages Bedenken und verweist u.a. auf den Kinderschutzbund, der die Verordnung für überzogen und in der Sache für nicht hilfreich hält. Das Hauptproblem sei nicht, dass es an Anzeigen fehlte, sondern dass es an Ressourcen fehlt, bei Anzeigen schnell und effektiv zu ermitteln. Es braucht schlicht mehr Personal. Die steigenden Fallzahlen der vergangenen Jahre liegen vor allem an der bereits stattfindenden Erhellung des Dunkelfeldes.
So arbeiteten in der zuständigen Stelle in NRW noch vor vier Jahren nur zwölf Fachkräfte, inzwischen sind es 90. Mit der Chatkontrolle bekämen diese bereits überlasteten Fachkräfte eine Welle Tausender falscher Meldungen zusätzlich, weil die Algorithmen auch bisher unbekannte Bilder flaggen und legales Sexting unterscheiden sollen von Cybergrooming, was hohe Fehlerraten unvermeidbar macht. Das bindet Ressourcen, die bei echten Fällen fehlen werden – das wirkt sogar gegen das erklärte Ziel.
Wäre die Chatkontrolle angemessen?
Der Wissenschaftliche Dienst prüfte auch, ob die Chatkontrolle angemessen ist, der EuGH meint damit, dass es keine andere Maßnahme gibt, die mit weniger Grundrechtseinschränkung das gleiche Ziel erreicht. Auch diese Prüfung besteht die Chatkontrolle nicht. Mehr Ressourcen für Strafverfolgung und vor allem für Prävention im Bereich Kinder-und Jugendschutz bereitzustellen, wären zum Beispiel grundrechtsfreundlichere Maßnahmen. Ich kenne selbst Fälle aus meinem Umfeld, wo weder von Cybergrooming betroffene Jugendliche noch deren Eltern und Lehrkräfte wussten, was zu tun war, wie groß potenzielle Gefahren sind und wie oft Täter mit falschen Identitäten unterwegs sind. Als Teil der Prävention zum Thema Cybergrooming könnte zum Beispiel der hervorragende Film „Gefangen im Netz“ in allen Schulen gezeigt und sein Material bearbeitet werden.
Wäre die Chatkontrolle verhältnismäßig?
Bei einer Grundrechtseinschränkung muss weiterhin der mit ihr erzielbare Nutzen in einem sinnvollen Verhältnis zu den unerwünschten Nebenwirkungen stehen, um vereinbar zu sein mit der EUGrundrechtecharta (Art. 7, 8, 11 GRCh) und mit der EU Richtlinie 2002/58/EG, die die Vertraulichkeit der Kommunikation schützt. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt auch bei dieser Prüfung zu einer eindeutigen Einschätzung: die Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben, da bereits der Nutzen fraglich sei, die zu erwartenden negativen Effekte sowohl für die gesamte Gesellschaft (Stichworte Chilling Effect, geminderte IT-Sicherheit u.a.) aber auch für die eigentlich zu schützenden Jugendlichen gravierend sind.
So stammen nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von 5. Oktober 2022 inzwischen schon etwa 50 Prozent der illegalen Verbreitung pornografischer Inhalte von Jugendlichen selbst. Da das Strafrecht in Deutschland nicht unterscheidet, ob ein 50-Jähriger mit einer 15-Jährigen explizite Bilder austauscht oder zwei 15-Jährige untereinander, werden Heranwachsende schon heute kriminalisiert. Da Algorithmen der Chatkontrolle Cybergrooming von Sexting zwischen Minderjährigen nicht unterscheiden können, geraten Jugendliche künftig noch häufiger unter Verfolgungsdruck. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages verweist daher explizit auf die zu erwartenden negativen Folgen für die Entwicklung Heranwachsender.
Last but not least möchte ich auf die mangelnden Kontrollmöglichkeiten der Chatkontrolle hinweisen, denn schon in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung lehnten sowohl der EuGH als auch das Bundesverfassungsgericht deren Verhältnismäßigkeit auch mit dem Argument ab, dass es an hinreichendem Schutz vor Missbrauchsrisiken der Überwachung fehle.
Bei der Chatkontrolle wird ein als illegal identifiziertes Bild mit einem Algorithmus in einen Hash-Wert umgerechnet, der nicht wieder rückwärtsgerechnet werden kann. Dieser Hash-Wert wandert in eine Datenbank aller dorthin gemeldeten Hash-Werte. Ab da kann niemand mehr feststellen, was für ein Bild hinter einem solchen Hash steckt, es sei denn, man hat das Bild bereits und rechnet damit selbst einen Hash-Wert aus und kann dann beide Hash-Werte miteinander vergleichen. Will jemand die Verbreitung eines legalen, aber missliebigen Bildes behindern, bräuchte man nur den Hash-Wert dieses Bildes in die Datenbank laden und der Filter-Algorithmus der Chatkontrolle verhindert die Verbreitung dieses Bildes selbst in privaten Chats. Diese Eigenschaften machen die Chatkontrolle zu einer potenziell mächtigen Zensurmaschine, die sich externer Kontrolle entzieht. Bereits 2019 beschrieb die Electronic Frontier Foundation diese Missbrauchsmöglichkeiten von Client Side Scanning.
Ausblick
Viel Zeit bleibt nicht, um diese gefährliche Verordnung zu verhindern, sie soll den Digital Services Act ergänzen und voraussichtlich Anfang 2024 in Kraft treten. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre eine Klage dagegen vor dem EuGH erfolgreich, aber bis zu einem Urteil vergingen Jahre, in denen Grundrechte verletzt werden, Diktaturen einen Blueprint für Zensurinfrastrukturen erhalten und den Einsatz mit Verweis auf die EU rechtfertigen können und in denen sinnlos Ressourcen gebunden werden, die für den wirksamen Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt fehlen.
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https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/Bildschirmfoto-2023-01-19-um-11.34.09-e1674124165258.png9321342Melissa Meyerhttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngMelissa Meyer2022-11-21 10:52:002023-03-01 19:03:12Warum die Chatkontrolle nutzlos, aber gefährlich ist
Der Bund als Sicherheitslücke: Jede 5. IT-Sicherheitsstelle im Bund ist unbesetzt
Aktuelles, Chatkontrolle, Chatkontrolle, IT-Sicherheit, Pressemitteilung, Themen, VerbraucherschutzZum 4. Mal seit 2020 hat Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin im Bundestag, die Bundesregierung nach der Anzahl und Besetzung ihrer IT-Sicherheitsstellen befragt. Vor dem Kontext einer stetig steigenden Bedrohungslage bei wachsender Abhängigkeit von funktionierenden digitalen Diensten beunruhigt das Ergebnis der aktuellen Befragung, denn zwar gab es einen erheblichen Zuwachs an IT-Sicherheitsstellen seit 2020, aber jede 5. Stelle ist zur Zeit unbesetzt, im BMDV sogar jede zweite Stelle und im BMG sind es seit Jahren sogar knapp 80 Prozent der IT-Sicherheitsstellen.
Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg:
„Als Digitalpolitikerin treibt es mir Tränen in die Augen, Jahr für Jahr den Zahlen der Bundesregierung entnehmen zu müssen, dass es immer noch keine erkennbare IT-Sicherheitsstrategie für den Bund gibt. Anders ist nicht erklärbar, dass IT-Sicherheit so extrem unterschiedlich in den Ministerien behandelt wird.
Wie kann es mit dem BMUV ein Ministerium geben, dass heute weniger IT-Sicherheitsstellen hat, als vor vier Jahren, obwohl die Bedrohungslage für alle Einrichtungen des Bundes gleichermaßen stark anstieg? Wie kann es sein, dass das BMDV ständig zwischen massivem Stellenaufbau und –abbau hin- und herpendelt und dem BMG offenbar die IT-Sicherheit so egal ist, wie der sprichwörtliche Sack Reis in China? Wie kann es sein, dass immer noch jedes dritte Ministerium (einschließlich nachgeordneter Behörden) im Bund nicht einmal 10 Planstellen für IT-Sicherheit hat?
Es fehlt einfach ein gemeinsames Bewusstsein, eine gemeinsame Linie für mehr IT-Sicherheitskompetenz im Bund. Da überrascht dann auch nicht die Kritik des Normenkontrollrates an ungesicherten Netzen, veralteten Informationssicherheitskonzepten und gegen Cyberangriffe ungenügend geschützte Datenbanken und Server bei Einrichtungen des Bundes. Ich mache mir große Sorgen darum, dass diese Schwächen von böswilligen Dritten erfolgreich ausgenutzt werden und fordere die Bundesregierung dazu auf, diese strukturellen Missstände endlich zu beheben.
Mehr IT-Sicherheitskompetenz braucht es dafür auch auf der Ebene der Minister:innen, das zeigen aktuell die Richtungsdebatten der Ampel-Koalition zur sogenannten Chatkontrolle-Verordnung der EU, deren Ergebnis aufgrund von Inkompetenz zu einer gefährlichen Regulierung führen kann, die nicht nur die größte Überwachungsinfrastruktur in der Geschichte des Internets schaffen würde, sondern gleichzeitig auch die IT-Sicherheit für alle gefährdet.“
Zum Schlusslicht BMG ergänzt die Obfrau im Digitalausschuss:
„Das BMG kann man inzwischen selbst als Sicherheitslücke bezeichnen, denn seit vier Jahren fristet die IT-Sicherheit im Gesundheitsministerium ein Schattendasein. Egal, ob eHealth Großprojekte negative Schlagzeilen schreiben, ein Krieg ausbricht, Ransomware Attacken zur größten Bedrohung werden, oder die Hausspitze wechselt, es bleiben seit Jahren fast 80% der IT-Sicherheitsstellen unbesetzt. Mit nicht einmal drei besetzten Stellen kann man im Hause Lauterbach unmöglich den enormen Anforderungen gerecht werden, die gerade durch digitale Projekte entstehen, die mit sensiblen Gesundheitsdaten zu tun haben. Es darf nicht die Regel sein, dass IT-Sicherheitsrisiken oder ihre effektivste Beseitigung von Freiwilligen des Chaos Computer Clubs beschrieben werden, was leider gerade erst beim Thema Konnektorentausch für 130.000 Arztpraxen wieder der Fall war. Das BMG trägt als Mehrheitsgesellschafter der gematik GmbH selbst die Verantwortung für die Fehlentscheidungen, die zur Verschwendung von vielen Millionen Euro Krankenkassenbeiträge führen und die offensichtlich auf mangelhafte Kompetenz in IT-Sicherheitsfragen zurückzuführen sind.“
Zur erratischen Personalpolitik des Digitalministeriums ergänzt Domscheit-Berg:„Ausgerechnet das Digitalministerium scheint jährlich seine Anzahl von IT-Sicherheitsstellen zu würfeln. Noch 2021 wurden knapp 50 Stellen neu geschaffen, 2022 wurden 20 Stellen abgebaut, in diesem Jahr wurden wieder 47 Stellen plus gemeldet, unbesetzt sind allerdings sogar 56 Stellen, geändert haben sich im BMDV bisher also nur Zahlen auf dem Papier. Mit einer derart erratischen Fachkräftepolitik macht man sich auf dem Arbeitsmarkt natürlich nicht besonders beliebt, wer will schon einen Posten auf einem Schleudersitz bekleiden, in einem Ressort, dass nicht weiß, was es will, insbesondere wenn es um IT-Jobs in einem Digitalministerium geht?“
Kontakt:
Anke Domscheit-Berg
mailto: anke.domscheit-berg@bundestag.de
Tel.: (030) 227 73107
Weiterführende Informationen:
Daten und Datenauswertung IT-Sicherheitsstellen Bund:
Meine Schriftliche Frage zur Besetzung von IT-Sicherheitsstellen in Bundesministerien – 2023
Aktuelles, Bundestag, Digitalisierung und Staat, IT-Sicherheit, Parlamentarische Initiativen, Schriftliche Frage, Überwachung und Privatsphäre25.01.2023
Frage:
Wie viele IT-Sicherheitsstellen sind derzeit in den Bundesministerien und deren nachgeordneten Behörden besetzt und wie viele unbesetzt (bitte jeweils nach Bundesministerien inklusive der jeweils nachgeordneten Behörden analog zur Antwort der Bundesregierung auf meine Schriftliche Frage 45 in Drs. 20/833 aufschlüsseln, s. https://dserver.bundestag.de/btd/20/008/2000833.pdf)?
WeiterlesenMeine Rede zur Chatkontrolle im Bundestag
Aktuelles, Chatkontrolle, Chatkontrolle, Diverses, Rede, Themen, Überwachung und Privatsphäre, VerbraucherschutzZur Debatte des Antrags der Linksfraktion zur Chatkontrolle Verordnung der EU des 19.01.2023.
Alle Infos zur Chatkontrolle gibt es HIER
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DIE LINKE kritisiert Unterstützung der Ampelkoalition beim Aufbau beispielloser Überwachungsinfrastruktur
Aktuelles, Chatkontrolle, Chatkontrolle, Diverses, Pressemitteilung, Themen, Überwachung und Privatsphäre, VerbraucherschutzPressemitteilung vom 20. Januar 2023
Als letzten Tagesordnungspunkt debattierte der Bundestag am Abend des 19. Januar 2023 einen Antrag der Linksfraktion mit der Aufforderung, die Bundesregierung zur Ablehnung der sogenannten Chatkontrolle Verordnung der EU zu verpflichten. Der Antrag wurde von allen übrigen Fraktionen abgelehnt. Der Entwurf einer EU-Verordnung für Regeln zur Prävention und Bekämpfung der Darstellung sexueller Gewalt an Kindern ist hochumstritten, da er vor allem auf weitreichende und grundrechtsverletzende Überwachungsmaßnahmen und nur sehr wenig auf Prävention setzt. Kritik kam nicht nur per offenem Brief von über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Europa, sondern auch von Kinderschutzorganisationen und besonders umfassend und grundsätzlich über ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das den Entwurf als unvereinbar mit europäischen und deutschen Grundrecht bewertet, sowie als ungeeignet für die Erreichung des beabsichtigten Ziels, Kinder besser zu schützen.
Seit Monaten streiten sich die Ampel-Parteien in der Frage, wie sie sich zur Chatkontrolle-Verordnung verhalten. Vor allem Innenministerin Faeser machte Schlagzeilen, als sie mehrfach öffentlich die Verordnung lobte und das sogenannte Client Side Scanning – das automatische Durchsuchen von Inhalten auf privaten Geräten vor der Verschlüsselung – befürwortete. Auch in der Debatte war erkennbar, dass ein Riß durch die Ampelkoalition geht, trotz Kritik von MdB aller drei Ampelfraktionen an grundrechtswidrigen Elementen der geplanten Verordnung und der erklärten Absage einer SPD Rednerin zum Client Side Scanning. Denn weiterhin ist nur sicher, dass Deutschland die Verordnung nicht ablehnen wird, offen ist aber weiterhin, ob es zu einer Zustimmung oder ein Enthaltung kommen wird und damit Deutschland direkt oder indirekt dazu beiträgt, die größte Überwachungsinfrastruktur seit Jahrzehnten aufzubauen. Schon im Herbst 2022 hatte bereits das österreichische Parlament daher seine Regierung auf Basis der Landesverfassung zur Ablehnung der Chatkontrolle Verordnung verpflichtet.
Die digitalpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Anke Domscheit-Berg, erklärt:
„Es ist mir unbegreiflich, dass eine Bundesregierung ohne Beteiligung der CDU/CSU es nicht schafft, sich unmissverständlich gegen ein EU-Verordnungsvorhaben zu positionieren, das nichts weiter als ein Gruselkabinett von Überwachungsmaßnahmen ist und keineswegs geeignet, Kinder besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Die Ampel-Koalitionäre argumentieren, dass sie sich einerseits nur bei einer grundsätzlichen Unterstützung in Brüssel für positive Veränderungen des Verordnungsentwurfs einsetzen könnten und es andererseits ja auch unterstützenswerte Inhalte wie ein geplantes EU-Zentrum gäbe. Dieses Zentrum hat jedoch keineswegs den Zweck, vor allem der Prävention zu dienen, sondern soll insbesondere die Umsetzung technischer Überwachungsmaßnahmen unterstützen und begleiten.
Außerdem ist es völlig abwegig, eine Verordnung zu unterstützen, die nicht nur einen klaren Bruch mit dem Koalitionsvertrag darstellt, sondern in Gänze unvereinbar ist mit der Grundrechtecharta der EU und mit Verfassungsgrundrechten. Ein von mir beauftragtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kam schon Ende 2022 zu einem vernichtenden Gesamturteil, wonach die Verordnung weder geeignet noch angemessen und verhältnismäßig sei und das Ende der Vertraulichkeit elektronischer Kommunikation bedeute. Sie gefährdet außerdem die IT-Sicherheit aller Nutzer und Nutzerinnen digitaler Dienste, denn um Inhalte auf privaten Geräten vor der Verschlüsselung z.B. über einen Messengerdienst automatisiert durchsuchen zu können, müssen überall Hintertüren in Apps und/oder Geräte eingebaut werden, und diese Hintertüren können und werden Kriminelle für verbrecherische Zwecke nutzen.
Die Koalition redet sich schön, dass sie sowohl mit einer Zustimmung als auch mit einer Enthaltung in Brüssel dazu beitragen wird, dass in Europa eine beispiellose Zensur- und Überwachungsinfrastruktur entsteht, die unkontrollierbar ist, von undemokratischen Drittstaaten begeistert für die Unterdrückung Oppositioneller kopiert werden wird und einen Geist aus der Flasche lässt, der kaum wieder eingefangen werden kann. Mit der Anwendung dieser Verordnung werden künftig Ermittlungsbehörden durch tausende Fälle falscher Verdächtigungen von der Verbrechensermittlung abgehalten, Jugendliche werden massenhaft kriminalisiert, weil Algorithmen Sexting von Grooming nicht unterscheiden können, und unzählige Unschuldige werden schrecklicher Verbrechen verdächtigt, weil künstliche Intelligenz legitime Familienfotos z.B. von badenden Kindern in Chats oder Foto-Cloud-Backups mit strafbaren Bildern verwechselt.
Soziale Probleme lassen sich mit technischen Mitteln nicht lösen, stattdessen braucht es endlich einen umfassenden Katalog wirksamer, aber eben nicht grundrechtsverletzender Maßnahmen, um Kinder tatsächlich besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Ich bedaure sehr, dass die Ampelmehrheit im Bundestag sich dem Antrag der Linken nicht anschließen wollte und fordere die Regierungskoalition erneut dazu auf, sich weder aktiv noch passiv am Aufbau dieser beispiellosen Überwachungsinfrastruktur zu beteiligen.”
Hintergrund: Als letzten Tagesordnungspunkt debattierte der Bundestag am Abend des 19. Januar 2023 einen Antrag der Linksfraktion mit der Aufforderung, die Bundesregierung zur Ablehnung der sogenannten Chatkontrolle-Verordnung der EU zu verpflichten. Der Antrag wurde von allen übrigen Fraktionen abgelehnt. Der Entwurf einer EU-Verordnung für Regeln zur Prävention und Bekämpfung der Darstellung sexueller Gewalt an Kindern ist hochumstritten, da er vor allem auf weitreichende und grundrechtsverletzende Überwachungsmaßnahmen und nur sehr wenig auf Prävention setzt. Kritik kam nicht nur per offenem Brief von über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Europa, sondern auch von Kinderschutzorganisationen und besonders umfassend und grundsätzlich über ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das den Entwurf als unvereinbar mit europäischen und deutschen Grundrecht bewertet, sowie als ungeeignet für die Erreichung des beabsichtigten Ziels, Kinder besser zu schützen.
Seit Monaten streiten sich die Ampel-Parteien in der Frage, wie sie sich zur Chatkontrolle-Verordnung verhalten. Vor allem Innenministerin Faeser machte Schlagzeilen, als sie mehrfach öffentlich die Verordnung lobte und das sogenannte Client Side Scanning – das automatische Durchsuchen von Inhalten auf privaten Geräten vor der Verschlüsselung – befürwortete. Auch in der Debatte war erkennbar, dass ein Riss durch die Ampelkoalition geht, trotz Kritik von MdB aller drei Ampelfraktionen an grundrechtswidrigen Elementen der geplanten Verordnung und der erklärten Absage einer SPD-Rednerin zum Client Side Scanning. Denn weiterhin ist nur sicher, dass Deutschland die Verordnung nicht ablehnen wird, offen ist aber weiterhin, ob es zu einer Zustimmung oder einer Enthaltung kommen wird und damit Deutschland direkt oder indirekt dazu beiträgt, die größte Überwachungsinfrastruktur seit Jahrzehnten aufzubauen. Schon im Herbst 2022 hatte bereits das österreichische Parlament daher seine Regierung auf Basis der Landesverfassung zur Ablehnung der Chatkontrolle-Verordnung verpflichtet.“
Die PM auf der Seite der Linksfraktion.
Mehr zur Position und Arbeit von Anke Domscheit-Berg bezüglich Chatkontrolle
Kontakt:
Anke Domscheit-Berg
mailto: anke.domscheit-berg@bundestag.de
Tel.: (030) 227 73107
Onlinezugangsgesetz und OZG-Booster gescheitert
Aktuelles, Digitalisierung und Staat, eGovernment, Parlamentarische Initiativen, Pressemitteilung, Schriftliche FragePressemitteilung vom 02.01.2023
Fünf Jahre sind vergangen, seit das Onlinezugangsgesetz (OZG) in Kraft getreten ist. Zum 31.12.2022 lief es aus, ein Nachfolgegesetz gibt es weiterhin nicht. Seit längerem war absehbar, dass nicht einmal die im OZG verankerten Ziele der Verwaltungsdigitalisierung erreicht werden, weshalb sich der IT-Planungsrat im Mai 2022 auf 35 OZG-Leistungen einigte, die als “Booster” priorisiert bis Ende 2022 umgesetzt werden sollten. Auf Anfragen von Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion, informierte das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) über den Status Quo zur Umsetzung dieser Booster-Leistungen. Aus den Antworten geht hervor, dass das Ziel des OZG-Boosters völlig verfehlt wurde. Zum Jahresende waren kaum Booster-Dienste flächendeckend verfügbar, es gab nur wenig Nachnutzung und vollständig digital und in ganz Deutschland verfügbar ist nur ein einziger der 35 Dienste. Offenbart wurden auch viele Barrieren, die von Domscheit-Berg schon länger kritisiert worden sind, aber deren Abbau weiterhin stockt. Mängel gibt es außerdem bei der Gesamtkoordination und bei der Nachvollziehbarkeit der Verwaltungsdigitalisierung, deren Fortschritte zu intransparent sind.
Die schriftlichen Fragen und die Antworten der Bundesregierung sind am Ende dieses Beitrages verlinkt.
Das Versagen des OZG-Boosters in Zahlen:
Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion:
,,Kurz vor Ablauf der versemmelten fünfjährigen Umsetzungsfrist des Onlinezugangsgesetzes fragte ich die Bundesregierung, wie es wenigstens mit den 35 sogenannten Booster-Leistungen aussieht, die als priorisierte Leistungen bis Jahresende verfügbar gemacht werden sollten. Die Antworten der Bundesregierung offenbaren, dass selbst dieses extrem abgespeckte Ziel weit verfehlt wurde, denn nur eine einzige dieser Leistungen steht vollständig digitalisiert und flächendeckend in Deutschland zur Verfügung, jede fünfte der Booster-Leistungen (sieben) ist überhaupt noch nicht digitalisiert, darunter besonders häufig genutzte Leistungen, wie Personalausweis beantragen oder Kfz-An- und Ummeldung. Die Hälfte der digitalen Booster-Leistungen können Bürger:innen wiederum nur in einem einzigen Bundesland nutzen. Da hat man dann Pech, wenn man in den 15 anderen Bundesländern wohnt. Zu den drei Leistungen, die es überhaupt bundesweit gibt, gehört der Bafög Antrag, der zwar online gestellt werden kann, allerdings in den Behörden immer noch ausgedruckt werden muss. Dieses Beispiel als Erfolg zu vermelden, wäre mir peinlich.
Unfassbar finde ich, dass mit der Kfz An- und Ummeldung laut Unterlagen der Bundesregierung gerade eine besonders häufige Verwaltungsdienstleistung bisher offenbar daran scheitert, dass ausgerechnet der Digital- und Verkehrsminister bisher die fehlende gesetzliche Grundlage nicht geschaffen hat, obwohl sich hier sogar die Themenfelder Verkehr und Digitalisierung verbinden.
Längst bekannte und von mir seit Jahren kritisierte Barrieren bestehen weiterhin und immer noch gibt es keinen funktionierenden Austausch von Informationen zwischen Bund und Ländern. Die Intransparenz über den Umsetzungsfortschritt ist erschütternd, inbesondere mit Blick auf den Digitalisierungsgrad . Weil die Booster-Leistungen in der Verantwortung der Länder liegen, antwortet mir die Bundesregierung, dass ich die Länder danach fragen muss, welchen Reifegrad die umgesetzten Booster-Leistungen überhaupt haben, also ob man wie beim Bafög z.B. in der Behörde trotzdem noch den Antrag ausdrucken muss oder nicht. Ich soll auch die Länder danach fragen, wann die bisher nicht umgesetzten Booster-Leistungen nun kommen sollen, denn der Bund ließ offenbar das gemeinsam beschlossene Zieldatum verstreichen, ohne sich mit den Ländern auf neue Zieldaten wenigstens für die fehlenden OZG-Booster-Leistungen zu einigen. Mir fehlt dafür jedes Verständnis. So kann man ein gemeinsames Großvorhaben nicht steuern. Auf diese Weise kommen wir mit der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland nicht voran!
Viel Zeit ging offenbar auch verloren, weil die Finanzierung der Umsetzung und Nachnutzung für 2023 zu lange ungesichert, obwohl die Ampel-Koalition doch immer wieder erklärte, welche hohe Priorität die Verwaltungsdigitalisierung für sie hat. Bei Haushaltsverhandlungen sieht man dann, wie die Prioritäten wirklich verteilt sind. Aber auch an anderen Grundlagen fehlt es weiterhin, denn aus den Unterlagen des BMI geht auch hervor, dass immer noch viel zu komplizierte Vertragsabstimmungen, intransparente Betriebskosten und unklare Datenschutzregeln die Nachnutzung bereits digitalisierter Booster-Leistungen behindern.
Am Traurigsten macht jedoch der Grund dafür, warum es die OZG Leistung „Ummeldung“ immer noch nicht flächendeckend in Deutschland gibt, was nach Auskunft der Bundesregierung daran liegt, dass dieser Prozess sogar vollständig digital umgesetzt wurde, was bedeutet, dass in der Abwicklung auch die Verwaltung digital mit den Bürger:innen kommunizieren kann. Anders als alle anderen im Alltag bekannten elektronischen Postfächer, wo man Nachrichten und Anhänge nicht nur schicken, sondern auch empfangen kann, sind viele Nutzerkonten für digitale Verwaltungsdienstleistungen aber nur Einbahnstraßen und kommen mit vollständig digitalisierten Prozessen, die eine Kommunikation in beide Richtungen erfordern, nicht klar. Überall dort kann man also die verfügbare online Dienstleistung „Ummeldung“ gar nicht anbieten. An diesem Beispiel zeigt sich erschütternd deutlich, wie grundfalsch es war, beim Onlinezugangsgesetz nur auf Schaufensterdigitalisierung zu setzen und nicht erst einmal die Grundlagen zu schaffen, nämlich unter anderem gut funktionierende Basisdienste, wie ein richtiges Postfach, und standardisierte Schnittstellen. Jede Häuslebauerin versteht, dass es erst eine gute Planung, dann ein Fundament und erst zum Schluss eine schöne Tür braucht, und dass die verschiedenen Gewerke beim Hausbau durch eine vernünftige Bauleitung koordiniert werden müssen, damit alles in der richtigen Reihenfolge und ohne Zeitverzug gebaut wird. Bei der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland bauen wir zuerst schicke Türen, ohne Plan, ohne Fundament, ohne Haus drumrum und offenbar ohne jegliche Koordination des Gesamtprozesses – so kann das nicht funktionieren und seit Jahren predigen das viele Fachleute und leider werden sie immer noch nicht ausreichend gehört.
Umso wichtiger wird das OZG 2.0 als Nachfolgegesetz, das endlich die Grundlagen für eine wirkliche Verwaltungsdigitalisierung schaffen muss. Obwohl die Bundesregierung ein solches Gesetz bereits im Frühjahr ankündigte, kann sie jetzt immer noch keine Zeitplanung dafür vorlegen und verweist in ihrer Antwort auf meine schriftlichen Fragen auf die baldige Einleitung formaler Abstimmungsprozesse mit den anderen Ministerien und den Bundesländern. Ich habe selbst als Oppositionspolitikerin keinerlei Genugtuung dabei, die jeweiligen Bundesregierungen für ihr Versagen bei der Verwaltungsdigitalisierung zu kritisieren, denn wie alle anderen Bürger:innen finde ich einen weiterhin derart schlechten Standard schlicht unerträglich.“
* Hinweis: Da das BMI zu den Reifegraden keine Aussage treffen konnte, wurden diese auf dem Infoportal der OZG-Umsetzung selbst recherchiert. Davon abgesehen sind die Basis der Auswertung die referenzierten Antworten des BMI und die vom BMI bereitgestellten weiterführenden Dokumente (verlinkt am Ende des Beitrages).
Kontakt:
Anke Domscheit-Berg
mailto: anke.domscheit-berg@bundestag.de
Tel.: (030) 227 73107
Weiterführende Informationen:
Die URLs zu den externen Dokumenten im Antwortschreiben #2 und #3 waren nicht korrekt, auf Rückfrage teilte das BMI die gültigen URLs mit:
https://www.it-planungsrat.de/fileadmin/beschluesse/2022/Information2022_05_AL_Formblatt_Anbieter.pdf
https://www.it-planungsrat.de/fileadmin/beschluesse/2022/Information2022_05_AL_%C3%9Cbersicht_zum_Status_der_priorisierten_EfA-Leistungen.pdf
Alpakas in der Prignitz
Aktuelles, Anderen Brandenburger Regionen, Brandenburg, WahlkreisMeine Wahlkreisreise in die Prignitz führte mich am 6. 12.2022 auch nach Breese, in der Nähe von Wittenberge, wo ich die Elbtal-Alpaka-Farm besuchte. Geschäftsführer Dietmar Krempner zeigte uns seinen Familienbetrieb, auf dessen Gelände einheimische Tiere wie Kaninchen, Meerschweinchen und Schafe aber auch über exotischere, wie Zwerg-Kängurus, westafrikanische Bergziegen und natürlich die kleine Alpaka-Herde zuhause sind.
Meine Schriftlichen Fragen zu digitalen Identitäten
Aktuelles, Digitalisierung und Staat, eGovernment, Parlamentarische Initiativen, Schriftliche Frage, ThemenDatum: 29.11.2022 und 02.12.2022
Schriftliche Frage 1:
Mit wie viel Personal (bitte Angabe in Personenmonaten) wird derzeit jeweils in den Ressorts BMI, BMDV, BMF, BMWK und Kanzleramt im interministeriellen Laborformat digitale Identitäten mit Angabe des jeweiligen Themenschwerpunkts gearbeitet, und welche Erhöhung der Personenmonate ist jeweils gegebenenfalls geplant?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff (BMI):
Derzeit wird mit folgendem Personaleinsatz im interministeriellen Laborformat GovLabDE Digitale Identitäten gearbeitet (Angaben erfolgen in Vollzeitäquivalenten – VZÄ). Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI): Die Beteiligung des BMI am Laborformat Digitale Identitäten umfasst fünf Personen in einem Umfang von 4,5 VZÄ. Es besteht folgende thematische Aufteilung: Projekt-leitung (1 VZÄ); Smart-eID (1 VZÄ); Projektmanagement-Office und Berichtswesen (1 VZÄ), Large-Scale-Pilots (1 VZÄ); Berechtigungszertifikate (0,5 VZÄ). Bundeskanzleramt (BK): 0,25 VZÄ zur allgemeinen Projektbegleitung.
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): Die Beteiligung des BMWK am Laborformat Digitale Identitäten umfasst (Zeitraum: Januar 2022 bis heute) eine Person mit ca. 0,3 VZÄ. Hinzu kommt die punktuelle Be-teiligung von Personen der Begleitforschung „Sichere Digitale Identitäten“, die über das Schaufensterprogramm durch das BMWK finanziert wird. Bundesministerium der Finanzen (BMF): Im BMF sind für das interministerielle Laborformat digitale Identitäten 0,75 VZÄ vor-gesehen und derzeit auch besetzt. Die Kollegen betreuen hauptsächlich die Entwick-lung einer ID-Wallet und einer Smart-eID. Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV): Derzeit ist das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit insgesamt 1,25 Personenmonaten am interministeriellen Laborformat GovLabDE Digitale Identi-täten beteiligt. Inhaltlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorrangig mit den Themenschwerpunkten „Regulierung“ sowie „Marketing und Vertrieb“ befasst. Das BMDV plant, die Mitarbeit ab Mitte Dezember 2022 auf 2,0 Personenmonate zu erhöhen.
Schriftliche Frage 2:
Bei wie vielen der OZG-Leistungen mit hohem (substanziellen) Vertrauensniveau ist konkret geplant, für deren digitale Nutzung ausschließlich den elektronischen Perso-nalausweis (nPA) als digitale Identifikationsmöglichkeit zu akzeptieren und bei wie vielen anderen OZG-Leistungen ist geplant, auch eine Smart-eID oder weitere digi-tale Identifikationsmöglichkeiten zu akzeptieren (bitte die fraglichen OZG Leistungen aufschlüsseln nach den 14 Themenfeldern des OZG und jeweils die Anzahl der Leis-tungen angeben, für die nur der nPA geplant ist und davon unterschieden, jeweils die Anzahl der Leistungen mit geplanten anderen Identifikationsmöglichkeiten für diese OZG-Leistungen)?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff (BMI):
Gemäß § 2 Abs. 3 des E-Government-Gesetzes des Bundes ist jede Bundesbehörde verpflichtet, in Verwaltungsverfahren, in denen sie die Identität einer Person auf Grund einer Rechtsvorschrift festzustellen hat oder aus anderen Gründen eine Identi-fizierung für notwendig erachtet, die eID-Funktion anzubieten. Die meisten E-Govern-ment-Gesetze der Länder sehen ähnliche Bestimmungen vor, wobei diese teilweise nur als Soll-Vorschrift verfasst sind. Die Nutzung der eID-Funktion ist zudem komfor-tabel auch über die Einbindung eines Nutzerkontos möglich, und zwar unabhängig davon, ob das Nutzerkonto des Bundes oder eines Landes, das die eID-Funktion be-reits unterstützt, verwendet wird. Die Smart-eID ist nur eine andere technische Reali-sierung der eID-Funktion – es sind derzeit keine Leistungen des Onlinezugangsge-setzes (OZG) geplant, welche die Nutzung der Smart-eID ausschließen. Entsprechend den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS-Verordnung) ist keine OZG-Leistung geplant, welche ausschließlich die eID-Funktion des Personalausweises akzeptiert. Alle digitalen Verwaltungsleistungen werden auch Identifikationsmittel anderer EU-Mitgliedstaaten akzeptieren, welche auf dem erforderlichen Vertrauensniveau notifi-ziert sind.
Schriftliche Frage 3:
Gab es fachlichen Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern des Bun-desministeriums des Innern und für Heimat, Bundesministerium für Digita-les und Verkehr, Bundesministerium der Finanzen, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und des Bundeskanzleramtes (bitte jeweils nach Ressort aufschlüs-seln) mit (wenn ja) genau welchen konkreten Interessensver-treterinnen und Inte-ressenvertretern von Verbänden, Einzelunternehmen, NGOs, und Einzelperso-nen seit Januar 2022 bis jetzt, zu Themen, die die Ent-wicklung digitaler Identitä-ten berühren (diese Themen bitte mindestens nach nPA, IDWallet und Smart-eID aufschlüsseln) und welche Verbändeanhörun-gen gab es dazu?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff (BMI):
Die Frage wird dahingehend verstanden, dass nach Kontakten der Leitungsebenen der jeweiligen Häuser gefragt ist. Die Aufstellung ist der Tabelle zu entnehmen. Die Leitungsebenen von BK, BMWK, BMDV, BMF und BMI pflegen im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung Kontakte mit einer Vielzahl von Akteuren aller gesellschaftli-chen Gruppen. Unter diesen regelmäßigen Austausch fallen Gespräche und auch Kommunikation in anderen Formen (schriftlich, elektronisch, telefonisch). Es ist we-der rechtlich geboten, noch im Sinne einer effizienten und ressourcenschonenden öf-fentlichen Verwaltung leistbar, entsprechende Informationen und Daten (z. B. sämtli-che Veranstaltungen, Sitzungen und Termine nebst Teilnehmerinnen und Teilneh-mern) vollständig zu erfassen oder entsprechende Dokumentationen darüber zu er-stellen oder zu pflegen. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Ge-spräche oder deren Ergebnisse – einschließlich Telefonate und elektronischer Kom-munikation – besteht nicht und eine solche umfassende Dokumentation wurde insoweit nicht durchgeführt oder vorgehalten. Neben Gesprächen auf Leitungsebene bestehen zusätzlich auf der Arbeitsebene di-verse fachliche Austausche. Verbändeanhörungen sind nicht erfolgt.
Schriftliche Frage 4:
In welchem Rahmen wurden bei der Konzeptionierung der Smart-eID gesellschaftli-che Auswirkungen im Rahmen einer Technikfolgenabschätzung, einer Analyse der ethischen, rechtlichen und sozialen Auswirkungen durch die Bundesregierung oder durch Dritte wie z.B. des BfDI, der Zivilgesellschaft oder der Wissenschaft einbezo-gen (bitte die jeweilige Art der Einbeziehung und Auswertung gesellschaftlicher Aus-wirkungen konkret nennen, einschließlich das Format und/oder die Quelle) und wel-che spezifischen Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung für ihr konkretes Han-deln gezogen (hinsichtlich eID Vorhaben) nach den Stellungnahmen der Fiff und des CCC, die am 17.05.2021 im Rahmen der Anhörung „Elektronischer Identitätsnach-weis mit einem mobilen Endgerät“ im Innenauschuss vorgelegt wurden (https://www.ccc.de/system/uploads/314/original/eID_Stellungnahme-cccfiff9.pdf9)?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff (BMI):
Mit dem Online-Ausweis existiert seit 2010 ein besonders sicheres und datensparsa-mes Mittel für die Online-Identifizierung, das die Souveränität des Individuums über seine hoheitliche Identität besonders schützt. Neben einer technisch sehr sicheren Konzeption und Umsetzung besteht ein besonderer Vorteil im System der Berechti-gungszertifikate, die einerseits bei einem Identifizierungsvorgang auch die Identifizie-rung des Anfragenden gegenüber dem Nutzer sicherstellt und andererseits durch die vorgeschaltete Prüfung durch die Vergabestelle für Berechtigungszertifikate die Zweckmäßigkeit der Datenerhebung erfordert. Durch die Bereitstellung auf dem Personalausweis, dem elektronischen Aufenthaltsti-tel und der Unionsbürgerkarte steht dieses System sehr vielen Menschen offen. Den-noch wird es heute noch zu oft nicht genutzt und stattdessen auf andere Identifizie-rungsmethoden, oft unter Einbeziehung dritter Parteien zurückgegriffen. Es ist daher ein Anliegen der Bundesregierung, die Nutzung des Online-Ausweises weiter zu be-fördern. Mit der Smart-eID besteht zukünftig die freiwillige Möglichkeit, die bisher nur auf den Karten gespeicherte digitale Identität auch auf dem Smartphone zu speichern und damit die Karte zum Online-Ausweisen nicht mehr an das Smartphone halten zu müssen. Dabei wird durch strikte technische Vorgaben ein vergleichbares Sicher-heitsniveau wie bei den Karten erreicht. Für die Identifizierung wird dabei weiterhin die bereits seit 2010 in Betrieb befindliche Infrastruktur des Online-Ausweises genutzt. Die genannte gemeinsame Stellungnahme von Fiff und CCC stellt darauf ab, dass nur teure Smartphones die erforderlichen Voraussetzungen mitbringen und daher Menschen mit geringen finanziellen Möglichkeiten von der Nutzung ausgeschlossen werden. Die Smart-eID ist jedoch nur eine „Komfortfunktion“ für das bestehende Sys-tem und keine neue Identifizierungsmöglichkeit. Daher wird, auch wenn heute noch nicht alle Smartphones die notwendigen Voraussetzungen mitbringen, durch die Smart-eID niemand von der Online-Ausweisfunktion ausgeschlossen. Dezidierte Un-tersuchungen zu den in der Schriftlichen Frage genannten Aspekten wurden auf-grund der relativ geringen Änderung des bestehenden Systems in der Konzeptions-phase der Smart-eID daher nicht vorgenommen. Zudem ist davon auszugehen, dass die erforderlichen Sicherheitselemente zukünftig in Geräten aller Preisklassen vorhanden sein werden. Neben dem steigenden Bedarf an sicherheitsrelevanten Applikationen ist dies vor allem in einer zunehmenden Ver-breitung eingebauter SIM-Karten (eSIM/eUICC) begründet. Hier zeichnet sich ein ähnlicher Weg ab wie bei der kontaktlosen Schnittstelle NFC. Nur durch die Ent-scheidung, den Personalausweis mit dieser Schnittstelle auszustatten, obwohl diese 2010 noch nicht verbreitet war, können heute Smartphones als Lesegerät für das Online-Ausweisen verwendet werden.
Armut ist kein Naturgesetz! Schluss mit Teuer!
Aktuelles, Anderen Brandenburger Regionen, Brandenburg, Wahlkreis, Wahlkreis 58Das Krisenmanagement der Bundesregierung ist katastrophal. Die galoppierende Inflation, explodierende Energie- und Lebensmittelpreise machen Angst – und sie erfordern entschlossenes politisches Handeln. Vor allem jene Menschen, die schon vor der Inflation zu wenig hatten, ignoriert die Ampel-Regierung. Für sie war und ist die Linksfraktion im Bundestag die einzige wirkliche Interessensvertretung. Wir wollen aber auch ihre Sorgen und Nöte aufgreifen und zurück in den Bundestag tragen. Deshalb sind viele linke Bundestagsabgeordnete in ganz Deutschland mit einer Energietour unterwegs. Ich war Gastgeberin der Energietour in Oranienburg, Wittstock, Neuruppin und Wittenberge im Norden von Brandenburg. Wir kamen mit vielen Menschen ins Gespräch, informierten über unsere Forderungen und hatten für alle Berichte der Bürger:innen ein offenes Ohr. Wir klärten auch auf über leider viel zu wenig bekannte Fakten. So war 2021 ein Rekordjahr für Deutschlands Milliardär:innen, denn Großvermögen sind so stark gestiegen wie noch nie. Die 100 reichsten Familien konnten ihr Vermögen um 116 Milliarden Euro steigern, trotz Coronakrise, Ukraine-Krieg und weltweiten Logistikproblemen! So wuchs zum Beispiel das Vermögen von Dieter Schwarz, Eigentümer der Schwarz-Gruppe (Kaufland/Lidl) zwischen 2020 und 2022 um mehr als 25 Milliarden US-Dollar (!) auf aktuell 47,1 Milliarden US-Dollar. Er ist der reichste Deutsche. Auch die Vermögen anderer Superreicher wie Klaus-Michael Kühne (Logistikdienstleisters Kühne+Nagel), Familie Heister und Karl Albrecht Junior (Aldi Süd), Susanne Klatten und Stefan Quandt (beide BMW) wuchsen in den letzten 2 Jahren um viele Milliarden, manche verdoppelten sich sogar.
Gleichzeitig sind 14 Millionen Menschen in Deutschland von Armut betroffen, das ist ein trauriger Höchststand. Armut ist aber kein Naturgesetz, man kann etwas dagegen tun!
Und die Antwort der Bundesregierung? Ein Witz! Wir fordern eine Übergewinnsteuer, denn während arme Haushalte nicht wissen, wie sie Gas und Strom bezahlen sollen, sind die Gewinne vieler Gas- und Stromunternehmen extrem angestiegen. Bis zu 100 Milliarden Euro könnte die Übergewinnsteuer bringen. Stattdessen heißt Hartz IV jetzt Bürgergeld und bleibt bei marginalen Verbesserungen Armut per Gesetz. Die geringe Erhöhung deckt kaum den Inflationsausgleich, die Sanktionen bleiben ab Tag 1.
Minister Habeck gibt den Menschen Duschtipps, Kanzler Scholz schweigt, Lindner fährt weiter Porsche während er von Gratismentalität schwafelt und gleichzeitig durch die hohe Inflation Steuereinnahmen wie nie zuvor einnimmt. Für die Bundeswehr gab es plötzlich 100 Milliarden Sondervermögen, aber für die Fortsetzung des 9 Euro Tickets soll das Geld fehlen.
DIE LINKE sagt: Schluss mit Teuer! Essen, Energie und Wohnen müssen bezahlbar sein!
Wir fordern neben einem sozialen Klimabonus von 125 Euro, einem Bürgergeld von 678 Euro, endlich eine Vermögens- und Übergewinnsteuer einzuführen. Geld ist genug da, es muss nur gerecht verteilt werden! Der ÖPNV soll in einem Dreistufenplan kostenlos werden, Mieten gedeckelt, Energie über einen kostenlosen Sockelbetrag bezahlbar bleiben. In meinen Wahlkreisbüros steht mein Wahlkreismitarbeiter für Sozialberatung zur Verfügung. Viele Menschen wissen nicht, was es für Hilfsmöglichkeiten gibt, z.B. einen einmaligen Wohngeldzuschuss, wenn eine Energienachzahlung zu hoch ist. Ich wünsche mir noch mehr konkrete Hilfsangebote der LINKEN und dass sie genau wie unsere Forderungen und Konzepte bekannter werden. Nach dem heißen Herbst folgt der solidarische Winter und da werden wir DIE LINKE dringender gebraucht als je zuvor.
DIE LINKE sagt: Schluss mit Teuer! Essen, Energie und Wohnen müssen bezahlbar sein!
Wir fordern:
Geld ist genug da – verteilt es gerecht!
Verkehr und Energieversorgung sozial und klimagerecht
Gemeinsam sorgen wir dafür, dass es ein heißer Herbst und ein solidarischer Winter wird. Gegen die soziale Kälte der Ampel-Regierung.
Unterwegs mit Bürgermeister Stahl: Bernau eine Stadt mit Zukunft!
Aktuelles, Anderen Brandenburger Regionen, Brandenburg, WahlkreisMeinen Wahlkreistag am 15.11.2022 in Bernau begann ich natürlich mit einem Besuch bei Bürgermeister André Stahl. Mit seiner Wiederwahl im Juni schon im ersten Wahlgang hatte er gezeigt, dass DIE LINKE auch Erfolge einfahren kann. Bernau hat 42.000 Einwohner – noch 2001 waren es erst 27.700, noch immer kommen jährlich bis zu 1.000 Neu-Bernauer:innen hinzu. Das liegt an den Vorteilen, die Bernau bietet: seine Lage kurz vor der nordöstlichen Berliner Stadtgrenze, die gute Anbindung mit RB und S-Bahn, die hohe Lebensqualität durch die Lage im Grünen, eine effektive Verwaltung, gute Infrastruktur und die Abwesenheit von Wohnraumspekulationskonzernen wie Deutsche Wohnen.
Nicht ohne Stolz erzählte mir mein Parteikollege André Stahl, wie Bernau das anhaltende Wachstum ohne größere Probleme bewältigt. Wie Kita- und Schulplätze rechtzeitig „mitwachsen“, neue Spielplätze und Sportstätten entstehen, der Busverkehr massiv ausgebaut wird oder Wohnraum für Tausende in ehemaligen militärischen Liegenschaften entsteht.
Natürlich gibt es noch offene Bedarfe, die Plusbuslinie zwischen Oranienburg und Bernau sollte schon in 2022 fahren, aber wann sie wirklich in Betrieb geht, ist immer noch nicht klar, das ist sehr schade, denn dann käme ich auch ohne Umweg über Berlin von meinem Oranienburger Wahlkreisbüro zu meinem neuen Wahlkreisbüro in Bernau.
Bürgermeister André Stahl zeigte mir nach einem Gespräch in seinem Büro die Stellen in seiner Stadt, die Vergangenheit und Zukunft besonders erkennbar machen. So gibt es in Bernau verschiedene sogenannte Konversionsflächen, also Liegenschaften, die einer ehemaligen militärischen Nutzung in zivile Nutzung überführt werden sollen. Oft sind derartige Liegenschaften schwierig, denn häufig finden sich unbekannten Schadstoffe im Boden und/oder alte Munition.
Wir besichtigten eine bereits abgeschlossene Umwandlung und eine, die noch ganz am Anfang steht. Aus den Gebäuden des früheren Heersbekleidungsnebenamtes entstand ein attraktives Wohngebiet mit 720 Wohnungen in schön sanierten Klinkerbauten, mit Blick auf einen großen, neu geschaffenen Park, der auf mehr als 4 km Platz zum Spazierengehen bietet. Diese Idylle, der sogenannte Pankebogen, liegt außerdem nur wenige Fußminuten zur Bahn nach Berlin.
Noch viel mehr Wohnraum soll auf dem Gelände des früheren Heeresbekleidungsamtes an der Schwanebecker Chaussee entstehen: 2000 Wohnungen für ca 4-5.000 Menschen. Dafür braucht man aber noch viel Fantasie, denn das künftige neue Stadtviertel besteht zur Zeit nur aus Brachland und vor allem einem sehr großen Gebäuderiegel, in dem u.a. russische Soldaten zu DDR-Zeiten in großen Schlafsälen untergebracht waren. Aktuell hat dieses Gebäude den morbiden Charme eines beeindruckenden Lost Place, mit vielen künstlerische Graffitis, mit Licht- und Schattenspielen auf ausgebrochenen Fenstern und abblätternden Lack. In einem Raum am Ende eines ehemaligen Schlafsaales entdecke ich russische Originalwandgestaltungen als Bänder unter der Decke, die kannte auch André Stahl noch nicht. Die typisch sozialistische Ikonographie deckt das ganze Themen-Spektrum ab: Darstellungen von Bergbau und Landwirtschaft finden sich genauso wie der Weltraum, Atomenergie und Bildung, aber auch wie Panzer, Raketen und U-Boote. Ich hoffe, diese kunstgeschichtlich interessanten Darstellungen werden nicht abgeschlagen oder übermalt, sondern erhalten und in die künftige Nutzung integriert. Die bemerkenswerten Graffitis wurden schon jetzt in einem Buch fotografisch verewigt.
Bis das neue Viertel hier entstanden ist, werden noch einige Jahre vergehen. Der Investor wird sogar eine Schule und eine Kita auf eigene Kosten bauen, die dann ins Eigentum der Stadt übergehen, immerhin, denn Sozialwohnungen werden dort leider nicht entstehen.
Um Kultur und Sport ging es bei einer weiteren Baustelle, die ich mit dem Bürgermeister beging. Mitten in der Stadt entsteht die Bernau Arena, deren Rohbau bereits steht. Bald können dort bis zu 2.000 Besucher:innen verschiedenste Veranstaltungsformate erleben, vom Basketball bis Abiball. Die Nutzungsvielfalt ermöglichen vier verschiedene (also auswechselbare) Fußböden und ausfahrbare Tribünen. Zur Arena gehört auch ein Parkhaus mit geplant 700 Stellplätzen, wenn es fertig ist, sollen andere Parkplätze in der Nähe künftig verschwinden, Park statt Parkplatz ist dann die Devise.
Gemeinsam besuchten wir noch einen Ort, der Vergangenheit und Zukunft verbindet und vielen unbekannt sein dürfte, obwohl er eine von 51 kulturellen UNESCO-Welterbestätte in Deutschland ist: das Bauhaus Campus Bernau mit einem kleinen aber feinen Besucherzentrum neben dem Gelände der Bundesschule, die 1928–1930 unter dem damaligen Bauhausdirektor Hannes Meyer, dem Architekten Hans Wittwer und unter der Beteiligung aller Bauhauswerkstätten als Weiterbildungseinrichtung für Gewerkschaftler:innen errichtet wurde. Für mich war diese Station besonders spannend, denn in der DDR habe ich Textilkunst an der Fachschule für Angewandte Kunst Schneeberg studiert, die sich in der Tradition des Bauhauses verstand. Und so interessierte mich am meisten ein kleines, silbernes Textil in der Dauerausstellung, eine Nachbildung des innovativen, handgewebten Stoffes aus der Bauhausweberei, der in der früheren Aula der Bundesschule alle Wände mit silbernem Schimmer überzog und gleichzeitig für eine gute Akustik sorgte.
Das war ein sehr vollgepackter Vormittag, an dem ich viel über Bernau gelernt habe. Eins ist klar, Bernau wird massiv unterschätzt und entwickelt sich sehr gut. Wer sich für mehr Informationen über Bernau interessiert: Ich habe auch den Rest dieses Wahlkreistages in Bernau verbracht, mich mit Genoss:innen der Region in meinem neuen Wahlkreisbüro getroffen und eine Braugenossenschaft besucht (Blogtext davon).
Warum die Chatkontrolle nutzlos, aber gefährlich ist
Aktuelles, Chatkontrolle, Chatkontrolle, Digitale Gewalt, Diverses, Eigener Text, IT-Sicherheit, Themen, Überwachung und Privatsphäre, VerbraucherschutzMein im Tagesspiegel Backround erschienener Artikel, vom 21.11.2022
Die Vorratsdatenspeicherung ist zwar weitgehend vom Tisch, aber nun droht ihre jüngste Schwester, bekannt als „Chatkontrolle“, per Europäischer Regulierung eine gefährliche Zensur-Infrastruktur zu schaffen, die von undemokratischen Regierungen, aber auch in der EU selbst missbraucht werden kann, ohne wirksame Kontrollmöglichkeiten durch Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Journalismus oder Politik.
Die EU-Verordnung soll Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen, in dem Bilder davon oder Cybergrooming eher entdeckt werden. Weitreichende
Eingriffe in Grundrechte werden immer mit Zielen durchgesetzt, bei denen der gesellschaftliche Widerstand klein ist, wer will schon als jemand da stehen, der Kindervergewaltiger vor Strafverfolgung schützt? Nach 9/11 war es der Kampf gegen den Terrorismus, davor war die Angst groß und deshalb der Widerstand klein gegen Überwachung im Netz.
Aber die Hürde für Grundrechtseinschränkungen liegt hoch, drei Anforderungen müssen erfüllt sein, unabhängig davon, wie edel die erklärten Ziele sind. Genau diese Prüfung nahm der unabhängige Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in meinem Auftrag vor, denn jede Grundrechtseinschränkung muss sowohl geeignet, als auch angemessen und verhältnismäßig sein. Nach aktuellem Stand würde die Verordnung Diensteanbieter dazu verpflichten, eine Risikobewertung ihres Dienstes hinsichtlich der Verbreitung dieser speziellen Inhalte vorzunehmen. Dazu muss ein Diensteanbieter aber wissen, ob sein Dienst dafür genutzt wird, wozu er alle Inhalte kontrollieren muss. Das erfordert wiederum algorithmische Filter, da Milliarden von Inhalten zu prüfen wären.
Das ginge in zwei Varianten: entweder man baut Löcher in verschlüsselte Kommunikation ein, was ein klarer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag wäre, der ein Bekenntnis zur Unantastbarkeit sicherer Verschlüsselungen enthält. Oder man nutzt Client Side Scanning (CSS), bei dem noch vor dem Verschlüsseln die Inhalte überprüft werden. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages erfordert das CSS den Einbau „kodifizierter, werkseitiger Hintertüren“ in den genutzten Geräten, also absichtliche Schwachstellen, die auch Dritte für Cyberangriffe nutzen können. Das reduziert die IT-Sicherheit in Zeiten hoher Angriffswahrscheinlichkeiten.
Auf meine Fragen nach ihrer Haltung zum CSS antwortete die Bundesregierung stets ausweichend. Hält Innenministerin Nancy Faeser
eine Überwachung privater Kommunikationen per CSS etwa für vereinbar mit dem Koalitionsvertrag? Auch CSS macht verschlüsselte Kommunikation kaputt, denn ihr Zweck, vertrauliche und private Kommunikationen vor Kenntnisnahme Dritter zu schützen, ist nicht mehr erreichbar. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt daher zu der klaren Einschätzung, dass die verpflichtende Risikobewertung sichere Kommunikationswege faktisch abschafft.
Wäre die Chatkontrolle eine geeignete Maßnahme?
Schon bei der Prüfung der Eignung der Maßnahme dafür, ob sie Kinder vor sexualisierter Gewalt schützt, hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages Bedenken und verweist u.a. auf den Kinderschutzbund, der die Verordnung für überzogen und in der Sache für nicht hilfreich hält. Das Hauptproblem sei nicht, dass es an Anzeigen fehlte, sondern dass es an Ressourcen fehlt, bei Anzeigen schnell und effektiv zu ermitteln. Es braucht schlicht mehr Personal. Die steigenden Fallzahlen der vergangenen Jahre liegen vor allem an der bereits stattfindenden Erhellung des Dunkelfeldes.
So arbeiteten in der zuständigen Stelle in NRW noch vor vier Jahren nur zwölf Fachkräfte, inzwischen sind es 90. Mit der Chatkontrolle bekämen diese bereits überlasteten Fachkräfte eine Welle Tausender falscher Meldungen zusätzlich, weil die Algorithmen auch bisher unbekannte Bilder flaggen und legales Sexting unterscheiden sollen von
Cybergrooming, was hohe Fehlerraten unvermeidbar macht. Das bindet Ressourcen, die bei echten Fällen fehlen werden – das wirkt sogar gegen
das erklärte Ziel.
Wäre die Chatkontrolle angemessen?
Der Wissenschaftliche Dienst prüfte auch, ob die Chatkontrolle angemessen ist, der EuGH meint damit, dass es keine andere Maßnahme gibt, die mit weniger Grundrechtseinschränkung das gleiche Ziel erreicht. Auch diese Prüfung besteht die Chatkontrolle nicht. Mehr Ressourcen für Strafverfolgung und vor allem für Prävention im Bereich Kinder-und Jugendschutz bereitzustellen, wären zum Beispiel grundrechtsfreundlichere Maßnahmen. Ich kenne selbst Fälle aus meinem Umfeld, wo weder von Cybergrooming betroffene Jugendliche noch deren Eltern und Lehrkräfte wussten, was zu tun war, wie groß potenzielle Gefahren sind und wie oft Täter mit falschen Identitäten unterwegs sind. Als Teil der Prävention zum Thema Cybergrooming könnte zum Beispiel der hervorragende Film „Gefangen im Netz“ in allen Schulen gezeigt und sein Material bearbeitet werden.
Wäre die Chatkontrolle verhältnismäßig?
Bei einer Grundrechtseinschränkung muss weiterhin der mit ihr erzielbare Nutzen in einem sinnvollen Verhältnis zu den unerwünschten Nebenwirkungen stehen, um vereinbar zu sein mit der EUGrundrechtecharta (Art. 7, 8, 11 GRCh) und mit der EU Richtlinie 2002/58/EG, die die Vertraulichkeit der Kommunikation schützt. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt auch bei dieser Prüfung zu einer eindeutigen Einschätzung: die Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben, da bereits der Nutzen fraglich sei, die zu erwartenden negativen Effekte sowohl für die gesamte Gesellschaft (Stichworte Chilling Effect, geminderte IT-Sicherheit u.a.) aber auch für die eigentlich zu schützenden Jugendlichen gravierend sind.
So stammen nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von 5. Oktober 2022 inzwischen schon etwa 50 Prozent der illegalen Verbreitung pornografischer Inhalte von Jugendlichen selbst. Da das Strafrecht in Deutschland nicht unterscheidet, ob ein 50-Jähriger mit einer 15-Jährigen explizite Bilder austauscht oder zwei 15-Jährige untereinander, werden Heranwachsende schon heute kriminalisiert. Da Algorithmen der Chatkontrolle Cybergrooming von Sexting zwischen Minderjährigen nicht unterscheiden können, geraten Jugendliche künftig noch häufiger unter Verfolgungsdruck. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages verweist daher explizit auf die zu erwartenden negativen Folgen für die Entwicklung Heranwachsender.
Last but not least möchte ich auf die mangelnden Kontrollmöglichkeiten der Chatkontrolle hinweisen, denn schon in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung lehnten sowohl der EuGH als auch das Bundesverfassungsgericht deren Verhältnismäßigkeit auch mit dem Argument ab, dass es an hinreichendem Schutz vor Missbrauchsrisiken der Überwachung fehle.
Bei der Chatkontrolle wird ein als illegal identifiziertes Bild mit einem Algorithmus in einen Hash-Wert umgerechnet, der nicht wieder rückwärtsgerechnet werden kann. Dieser Hash-Wert wandert in eine Datenbank aller dorthin gemeldeten Hash-Werte. Ab da kann niemand mehr feststellen, was für ein Bild hinter einem solchen Hash steckt, es sei denn, man hat das Bild bereits und rechnet damit selbst einen Hash-Wert aus und kann dann beide Hash-Werte miteinander vergleichen. Will jemand die Verbreitung eines legalen, aber missliebigen Bildes behindern, bräuchte man nur den Hash-Wert dieses Bildes in die Datenbank laden und der Filter-Algorithmus der Chatkontrolle verhindert die Verbreitung dieses Bildes selbst in privaten Chats. Diese Eigenschaften machen die Chatkontrolle zu einer potenziell mächtigen Zensurmaschine, die sich externer Kontrolle entzieht. Bereits 2019 beschrieb die Electronic Frontier Foundation diese Missbrauchsmöglichkeiten von Client Side Scanning.
Ausblick
Viel Zeit bleibt nicht, um diese gefährliche Verordnung zu verhindern, sie soll den Digital Services Act ergänzen und voraussichtlich Anfang 2024 in Kraft treten. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre eine Klage dagegen vor dem EuGH erfolgreich, aber bis zu einem Urteil vergingen Jahre, in denen Grundrechte verletzt werden, Diktaturen einen Blueprint für Zensurinfrastrukturen erhalten und den Einsatz mit Verweis auf die EU rechtfertigen können und in denen sinnlos Ressourcen gebunden werden, die für den wirksamen Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt fehlen.