Zu spät und zu wenig ehrgeizig ist das Update zum Onlinezugangsgesetz. Durch 95% Kürzung der Mittel in 2024 werden geplante Fortschritte unwahrscheinlich. Meilensteine während der Ampel-Amtszeit gibt es nicht. Aber einige unserer Forderungen werden endlich (teilweise) umgesetzt.
Meine Rede im Wortlaut:
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Endlich, mit über einem Jahr Verspätung, liegt ein Update für das Onlinezugangsgesetz für eine schnellere Verwaltungsdigitalisierung vor. Einerseits hat es die Chance verpasst für einen großen Wurf. Es ist zu unverbindlich, zu wenig ehrgeizig und hoffnungslos unterfinanziert. Andererseits ist es trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Schriftform wird durch digitale Identifizierung ersetzbar, Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit werden verbindlich, der Bund stellt Basisdienste bereit. Und ja, das alles sind Selbstverständlichkeiten, aber nicht gelebte Praxis bisher.
(Manuel Höferlin (FDP): Ja, genau!)
Alle drei Jahre soll es eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation geben, und das ist super. Vielleicht belegt ja die erste im Jahre 2027, dass das bisherige Monitoring Schönfärberei ist. Die Fortschrittsmessung muss endlich ehrlich und bürgerorientiert werden. Das fordert auch der Bundesrechnungshof.
(Beifall bei der Linken)
Verbindliche Standards sind eine wesentliche Grundlage für den Datenaustausch zwischen Behörden und kommen leider erst in zwei Jahren und auch nur für Leistungen des Bundes. Der Rechtsanspruch auf digitale Dienste kommt sogar erst in vier Jahren, auch nur für Dienstleistungen des Bundes und nach Buchstaben des Gesetzes auch nur für den Onlinezugang, also das digitale Einreichen von Anträgen. Aber immerhin: Alle 115 Dienstleistungen des Bundes sollen in fünf Jahren Ende-zu-Ende digitalisiert sein, also schon 2029 – zwölf Jahre, nachdem das erste Onlinezugangsgesetz in Kraft trat. Das meine ich mit „zu wenig ehrgeizig“.
(Beifall bei der Linken)
Übrigens: Kein einziger Meilenstein liegt in der Amtszeit der Ampel.
Besonders kritisch finde ich aber: Auf meine schriftliche Frage gab die Bundesregierung zu: Für die Umsetzung fehlt ihr das Geld. – 95 Prozent Kürzung der Haushaltsmittel für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in 2024!
Aber heute stimmen wir nicht über Haushaltsmittel und die unsinnige Schuldenbremse ab, sondern über das neue Onlinezugangsgesetz. Das sind zwar nur ein paar Trippelschritte, aber Sie gehen nach vorn. Daher gibt es trotz Kritik Zustimmung zum Gesetzentwurf von der Linken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Volker Redder (FDP) – Maik Außendorf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So geht konstruktive Oppositionsarbeit, Herr Amthor!)
https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/Bildschirmfoto-2024-02-23-um-13.20.46.png14702528Melissa Meyerhttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngMelissa Meyer2024-02-23 13:59:142024-02-23 13:59:17Verwaltungsdigitalisierung: Unterfinanziert und in Trippelschritten
Ständig neue miese Rankings zur Verwaltungsdigitalisierung, trotzdem senkt die Ampel die einzigen konkreten Ziele erst von 575 zu digitalisierenden Leistungen auf 35, dann auf 15. Auch im verspäteten OZG 2.0 fehlen: Ein Rechtsanspruch auf digitale Verwaltung, verbindliche Standards, transparentes und ehrliches Monitoring und Grundlagen für schnellere Entscheidungen. So wird sich wenig ändern.
Meine Rede vom 20.09.2023 zu TOP 5
Änderung des Onlinezugangsgesetzes Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften zur Digitalisierung der Verwaltung (OZG-Änderungsgesetz – OZGÄndG) Drucksache 20/8093
im Wortlaut:
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Der Spiegel“ zitierte kürzlich eine globale Studie zur Zufriedenheit von Bürgern mit digitalen Verwaltungsdiensten aus 41 Ländern: Nur in Japan war der Frust noch größer als bei uns, und das, obwohl 2017 das Onlinezugangsgesetz uns versprach, 575 Verwaltungsleistungen – vom Ausweisantrag bis zur Zulassung von Autos – bis Ende 2022 zu digitalisieren. Am Ende waren trotzdem nur 5 Prozent online verfügbar, manche nur in einer einzigen Kommune, viele nur als Schaufensterdigitalisierung. Man kennt es vom BaföG-Antrag: online hochladen, im Amt wieder ausdrucken.
Es fehlte am sinnvollen Ziel der Ende-zu-Ende-Digitalisierung, aber leider auch an verbindlichen Standards, an einheitlichen Basisdiensten, an klaren Zuständigkeiten und vor allem auch an einer transparenten und ehrlichen Fortschrittsmessung statt der Schönfärberei im sogenannten OZG-Dashboard, das der Bundesrechnungshof zu Recht sogar als „massive Täuschung“ bezeichnet hat. So verhindert man Digitalisierung, meine Damen und Herren.
Nach dem Regierungswechsel sind diese Defizite leider allesamt geblieben. Die Lösung der Ampel: die Reduktion des Ziels von 575 auf sogenannte 35 Booster-Leistungen. Donnerwetter! Aber trotzdem war Ende 2022 nur eine einzige überall in Deutschland und volldigital verfügbar; 7 der 35 waren überhaupt nicht digitalisiert.
Vor Kurzem habe ich übrigens die Bundesregierung gefragt: Welche dieser 35 Booster-Leistungen sind denn jetzt überall in Deutschland digital verfügbar? Und die Bundesregierung weiß das gar nicht; sie sagt, die Länder seien dafür zuständig. Oder mit anderen Worten: Die Ampel gab sich ein Ziel, dessen Erfüllungsgrad sie nicht kennt und das sie auch überhaupt nicht interessiert. Peinlicher geht’s doch nicht, meine Damen und Herren!
Oder doch? Denn Ende August senkte die Bundesregierung die Latte erneut. Aus 35 Booster-Leistungen wurden 15 Fokusleistungen mit zwei Jahren Fristverlängerung, verantwortlich wieder die Länder und Kommunen. Der Bund kann also wieder Augen, Ohren und den Mund zuhalten, wenn ich nach dem Fortschritt frage.
Das neue Onlinezugangsgesetz 2.0 schafft zwar Klarheit zur Bereitstellung von Basisdiensten wie der BundID zur Identifikation, sogar mit einem Postfach; das ist sehr gut. Sie nennt auch die Ende-zu-Ende-Digitalisierung als Ziel – auch das ist sehr gut -, leider aber nur für manche Dienstleistungen. Welche, das steht da nicht mal, das bleibt offen; und das ist schlecht.
Außerdem schafft dieses Gesetz leider immer noch keine Verbindlichkeiten für einheitliche Standards – einer der größten Verhinderungsgründe – und keine realitätstreue transparente Fortschrittsmessung über föderale Ebenen hinweg. Es ändert nichts an den schleppenden Entscheidungsprozessen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Und es schafft auch immer noch keinen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen. So bleiben wir weiter Vorletzter – wenn uns das traditionell stempelnde Japan nicht doch noch überholt.
https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/Bildschirmfoto-2023-09-21-um-19.07.20.png9861522Melissa Meyerhttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngMelissa Meyer2023-09-21 19:03:022023-09-21 19:03:03Meine Rede zum neuen Onlinezugangsgesetz – Die Novelle löst Probleme der Verwaltungsdigitalisierung eben nicht
Mit dem Onlinezugangsgesetz von 2017 sollten 575 Verwaltungsdienstleistungen bis Ende 2022 digital verfügbar sein. Das Ziel wurde weit verfehlt, seitdem hat die Ampel-Koalition die Regierungsziele mehrfach nach unten angepasst. Am Abend des 20.09.2023 findet die Erste Lesung der neuen Fassung des OZG im Bundestag statt, das weiterhin viele bestehende Probleme nicht adressiert. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag:
“Die Ampel-Koalition hat von der GroKo viele Probleme bei der Verwaltungsdigitalisierung geerbt, ist aber beim Versuch, sie zu lösen, hoffnungslos gescheitert. Das neue OZG 2.0 kommt ein Jahr zu spät und adressiert viele Baustellen nicht oder ungenügend. Ja, es gibt mehr Klarheit hinsichtlich der Basisdienste, wie die Nutzung der Bundes-ID zur Identifikation und auch die Nennung der Ende-zu-Ende-Digitalisierung als Ziel ist ein Fortschritt. Aber für welche Leistungen dieses Ziel erfüllt sein soll, und bis wann, das beantwortet der Gesetzentwurf leider nicht. Verbindlich ist nichts davon, denn einen einklagbaren Rechtsanspruch schafft das Gesetz nicht. Auch eine der größten Barrieren bei der Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung, das Fehlen verbindlicher Standards über alle föderalen Ebenen hinweg, beseitigt das OZG 2.0 nicht, denn es schreibt nur die Veröffentlichung von Standards vor, aber schweigt sich aus zu ihrer Verbindlichkeit.
Ob und wie Ziele erreicht werden, hängt aber auch vom Monitoring ab, es heißt ja nicht umsonst, “You get what you measure”. Bisher logen sich alte und neue Bundesregierung mit dem OZG Dashboard in die Tasche, so dass der Bundesrechnungshof diese Schönfärberei völlig zu Recht als ‘massive Täuschung’ bezeichnete, denn niemand konnte diesem Dashboard entnehmen, welche Dienstleistungen die Anforderungen des OZG tatsächlich erfüllten und wo genau sie digital verfügbar waren. Eine Leistung wurde schon als ‘digitalisiert’ erfasst, selbst wenn sie nur eine Digitalisierungsstufe unter dem OZG-Standard und das auch nur für eine Teilleistung und obendrein nur in einer einzigen Kommune irgendwo in Deutschland erreicht hatte. Da wundert es nicht, dass Deutschland in einem globalen Ranking zur Zufriedenheit mit der digitalen Verwaltung aktuell nur Vorletzte von 41 Ländern ist.
Auch dieses Monitoring-Problem ändert das neue OZG nicht. Die Datenlage wird also weiter schlecht bleiben und der Bund wird wie kürzlich auf meine schriftliche Frage nach dem Umsetzungsgrad der in 2022 beschlossenen 35 Booster-Leistungen (https://mdb.anke.domscheit-berg.de/2023/09/meine-schriftliche-frage-zum-umsetzungsstand-der-ozg-booster-leistungen/) wohl auch künftig keine Antworten geben können, weil er die Verantwortung dafür allein den Ländern zuschiebt und offensichtlich keinerlei Interesse am Grad der Umsetzung hat.
Ich rechne schon jetzt damit, dass das auch bei den kürzlich als Teil des Deutschlandpaktes verkündeten 15 Fokus-Leistungen so sein wird, mit denen der Bund seine konkreten Ziele zur Verwaltungsdigitalisierung erneut mehr als halbierte. Von 575 zu digitalisierenden Dienstleistungen erst auf 35 und dann auf 15 Leistungen zu reduzieren und die Frist dafür von 5 Jahre auf 7 Jahre zu verlängern, aber gleichzeitig die Schaufensterdigitalisierung von Bafög-Anträgen als Erfolg zu feiern, dazu braucht es schon eine gewisse Kaltschnäuzigkeit. Zumindest da hat die Ampel im Vergleich zur GroKo noch eine Schippe drauf gelegt.
Aber im OZG 2.0 Gesetz stehen nicht mal diese 15 Leistungen, das Gesetz bleibt unkonkret, denn es lässt für die meisten Dienste offen, bis wann sie denn nun wirklich digital verfügbar sein sollen, allein für ‘wesentliche Leistungen’ des Bundes soll eine fünf Jahresfrist gelten, aber welche Leistungen das sind, das erfährt man wiederum nicht. So kann sich die Ampel auch künftig die Latte immer noch tiefer hängen, ohne dass es allzu sehr auffällt und die Verwaltungsdigitalisierung langsamer umsetzen, als eine Schnecke mit angezogener Handbremse kriechen kann. Vielleicht überholt uns dann auch noch Japan, das einzige Land, dessen Bürger*innen noch unzufriedener mit ihrer digitalen Verwaltung waren, als die Deutschen.”
/von
https://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.png00Max Blumhttps://mdb.anke.domscheit-berg.de/wp-content/uploads/2018/06/Logo_Anke.pngMax Blum2023-09-20 11:49:312023-09-21 17:42:00Pressemitteilung: Kein Rechtsanspruch auf digitale Verwaltung – OZG 2.0 kommt mit vielen Defiziten
Welchen Stand der Digitalisierung haben die im Rahmen des Onlinezugangsge- setzes in 2022 priorisierten 35 Leistungen (“OZG-Booster”, Nummer 1 bis 28) aktuell und wo sind sie für Bürgerinnen und Bürger verfügbar (bitte jeden der Dienste jeweils in einer der folgenden vier Kategorien tabellarisch zuordnen: 1) die Leistung ist über- all in Deutschland UND Ende zu Ende digitalisiert verfügbar 2) die Leistung ist zwar überall, aber nicht Ende zu Ende digitalisiert verfügbar 3) die Leistung ist Ende zu Ende digitalisiert, aber nicht überall verfügbar 4) die Leistung ist weder überall, noch Ende zu Ende digitalisiert verfügbar; wenn im Einzelfall eine Zuordnung nicht möglich sein sollte, bitte genau begründen, warum nicht und ersatzweise den Stand der Digi- talisierung und Verfügbarkeit verbal so genau wie möglich beschreiben)?
Welchen Stand der Digitalisierung haben die im Rahmen des Onlinezugangsge- setzes in 2022 priorisierten 35 Leistungen (“OZG-Booster”, Nummer 29 bis 35) aktu- ell und wo sind sie für Bürgerinnen und Bürger verfügbar (bitte jeden der Dienste je- weils in einer der folgenden vier Kategorien tabellarisch zuordnen: 1) die Leistung ist überall in Deutschland UND Ende zu Ende digitalisiert verfügbar 2) die Leistung ist zwar überall, aber nicht Ende zu Ende digitalisiert verfügbar 3) die Leistung ist Ende zu Ende digitalisiert, aber nicht überall verfügbar 4) die Leistung ist weder überall, noch Ende zu Ende digitalisiert verfügbar; wenn im Einzelfall eine Zuordnung nicht möglich sein sollte, bitte genau begründen, warum nicht und ersatzweise den Stand der Digitalisierung und Verfügbarkeit verbal so genau wie möglich beschreiben)?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff:
Zu 1. und 2. Die beiden Schriftlichen Fragen werden gemeinsam beantwortet. Für die Umsetzung der vom IT-Planungsrat mit Beschluss 2022/20 vom 2. Mai 2022 priorisierten Leistungen sind die Länder zuständig, so dass der Bundesregierung die für eine Beantwortung der Fragen erforderlichen Informationen nicht vorliegen. Für die von der Bundesregierung herausgegebene Webseite https://dashboard.ozg-um- setzung.de/ stellen die Länder allgemeine Informationen zum Umsetzungsstand von OZG-Leistungen zur Verfügung. Darunter befinden sich auch zahlreiche der vom IT- Planungsrat mit Beschluss vom 2. Mai 2022 priorisierten Leistungen.
Fünf Jahre sind vergangen, seit das Onlinezugangsgesetz (OZG) in Kraft getreten ist. Zum 31.12.2022 lief es aus, ein Nachfolgegesetz gibt es weiterhin nicht. Seit längerem war absehbar, dass nicht einmal die im OZG verankerten Ziele der Verwaltungsdigitalisierung erreicht werden, weshalb sich der IT-Planungsrat im Mai 2022 auf 35 OZG-Leistungen einigte, die als “Booster” priorisiert bis Ende 2022 umgesetzt werden sollten. Auf Anfragen von Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion, informierte das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) über den Status Quo zur Umsetzung dieser Booster-Leistungen. Aus den Antworten geht hervor, dass das Ziel des OZG-Boosters völlig verfehlt wurde. Zum Jahresende waren kaum Booster-Dienste flächendeckend verfügbar, es gab nur wenig Nachnutzung und vollständig digital und in ganz Deutschland verfügbar ist nur ein einziger der 35 Dienste. Offenbart wurden auch viele Barrieren, die von Domscheit-Berg schon länger kritisiert worden sind, aber deren Abbau weiterhin stockt. Mängel gibt es außerdem bei der Gesamtkoordination und bei der Nachvollziehbarkeit der Verwaltungsdigitalisierung, deren Fortschritte zu intransparent sind.
Die schriftlichen Fragen und die Antworten der Bundesregierung sind am Ende dieses Beitrages verlinkt.
Das Versagen des OZG-Boosters in Zahlen:
7 der 35 Booster-Leistungen (jede fünfte) sind überhaupt nicht digital verfügbar
nicht mal jede zehnte (3 von 35) sind in ganz DE verfügbar, davon ist nur eine (Corona-Hilfe) voll digital (Baföganträge werden zB. immer noch in den Behörden ausgedruckt)
Nur 1 Booster-Leistung ist damit flächendeckend und voll digital (Reifegrad 3 oder 4) verfügbar (Corona-Hilfe)*
Fast jede 2. OZG Booster-Leistung (16 von 35 = 46%) ist digital verfügbar, ohne dass sie irgendwo nachgenutzt wird
Nur 7 Leistungen (jede fünfte) werden in 1-2 Ländern genutzt
Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion:
,,Kurz vor Ablauf der versemmelten fünfjährigen Umsetzungsfrist des Onlinezugangsgesetzes fragte ich die Bundesregierung, wie es wenigstens mit den 35 sogenannten Booster-Leistungen aussieht, die als priorisierte Leistungen bis Jahresende verfügbar gemacht werden sollten. Die Antworten der Bundesregierung offenbaren, dass selbst dieses extrem abgespeckte Ziel weit verfehlt wurde, denn nur eine einzige dieser Leistungen steht vollständig digitalisiert und flächendeckend in Deutschland zur Verfügung, jede fünfte der Booster-Leistungen (sieben) ist überhaupt noch nicht digitalisiert, darunter besonders häufig genutzte Leistungen, wie Personalausweis beantragen oder Kfz-An- und Ummeldung. Die Hälfte der digitalen Booster-Leistungen können Bürger:innen wiederum nur in einem einzigen Bundesland nutzen. Da hat man dann Pech, wenn man in den 15 anderen Bundesländern wohnt. Zu den drei Leistungen, die es überhaupt bundesweit gibt, gehört der Bafög Antrag, der zwar online gestellt werden kann, allerdings in den Behörden immer noch ausgedruckt werden muss. Dieses Beispiel als Erfolg zu vermelden, wäre mir peinlich.
Unfassbar finde ich, dass mit der Kfz An- und Ummeldung laut Unterlagen der Bundesregierung gerade eine besonders häufige Verwaltungsdienstleistung bisher offenbar daran scheitert, dass ausgerechnet der Digital- und Verkehrsminister bisher die fehlende gesetzliche Grundlage nicht geschaffen hat, obwohl sich hier sogar die Themenfelder Verkehr und Digitalisierung verbinden.
Längst bekannte und von mir seit Jahren kritisierte Barrieren bestehen weiterhin und immer noch gibt es keinen funktionierenden Austausch von Informationen zwischen Bund und Ländern. Die Intransparenz über den Umsetzungsfortschritt ist erschütternd, inbesondere mit Blick auf den Digitalisierungsgrad . Weil die Booster-Leistungen in der Verantwortung der Länder liegen, antwortet mir die Bundesregierung, dass ich die Länder danach fragen muss, welchen Reifegrad die umgesetzten Booster-Leistungen überhaupt haben, also ob man wie beim Bafög z.B. in der Behörde trotzdem noch den Antrag ausdrucken muss oder nicht. Ich soll auch die Länder danach fragen, wann die bisher nicht umgesetzten Booster-Leistungen nun kommen sollen, denn der Bund ließ offenbar das gemeinsam beschlossene Zieldatum verstreichen, ohne sich mit den Ländern auf neue Zieldaten wenigstens für die fehlenden OZG-Booster-Leistungen zu einigen. Mir fehlt dafür jedes Verständnis. So kann man ein gemeinsames Großvorhaben nicht steuern. Auf diese Weise kommen wir mit der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland nicht voran!
Viel Zeit ging offenbar auch verloren, weil die Finanzierung der Umsetzung und Nachnutzung für 2023 zu lange ungesichert, obwohl die Ampel-Koalition doch immer wieder erklärte, welche hohe Priorität die Verwaltungsdigitalisierung für sie hat. Bei Haushaltsverhandlungen sieht man dann, wie die Prioritäten wirklich verteilt sind. Aber auch an anderen Grundlagen fehlt es weiterhin, denn aus den Unterlagen des BMI geht auch hervor, dass immer noch viel zu komplizierte Vertragsabstimmungen, intransparente Betriebskosten und unklare Datenschutzregeln die Nachnutzung bereits digitalisierter Booster-Leistungen behindern.
Am Traurigsten macht jedoch der Grund dafür, warum es die OZG Leistung „Ummeldung“ immer noch nicht flächendeckend in Deutschland gibt, was nach Auskunft der Bundesregierung daran liegt, dass dieser Prozess sogar vollständig digital umgesetzt wurde, was bedeutet, dass in der Abwicklung auch die Verwaltung digital mit den Bürger:innen kommunizieren kann. Anders als alle anderen im Alltag bekannten elektronischen Postfächer, wo man Nachrichten und Anhänge nicht nur schicken, sondern auch empfangen kann, sind viele Nutzerkonten für digitale Verwaltungsdienstleistungen aber nur Einbahnstraßen und kommen mit vollständig digitalisierten Prozessen, die eine Kommunikation in beide Richtungen erfordern, nicht klar. Überall dort kann man also die verfügbare online Dienstleistung „Ummeldung“ gar nicht anbieten. An diesem Beispiel zeigt sich erschütternd deutlich, wie grundfalsch es war, beim Onlinezugangsgesetz nur auf Schaufensterdigitalisierung zu setzen und nicht erst einmal die Grundlagen zu schaffen, nämlich unter anderem gut funktionierende Basisdienste, wie ein richtiges Postfach, und standardisierte Schnittstellen. Jede Häuslebauerin versteht, dass es erst eine gute Planung, dann ein Fundament und erst zum Schluss eine schöne Tür braucht, und dass die verschiedenen Gewerke beim Hausbau durch eine vernünftige Bauleitung koordiniert werden müssen, damit alles in der richtigen Reihenfolge und ohne Zeitverzug gebaut wird. Bei der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland bauen wir zuerst schicke Türen, ohne Plan, ohne Fundament, ohne Haus drumrum und offenbar ohne jegliche Koordination des Gesamtprozesses – so kann das nicht funktionieren und seit Jahren predigen das viele Fachleute und leider werden sie immer noch nicht ausreichend gehört.
Umso wichtiger wird das OZG 2.0 als Nachfolgegesetz, das endlich die Grundlagen für eine wirkliche Verwaltungsdigitalisierung schaffen muss. Obwohl die Bundesregierung ein solches Gesetz bereits im Frühjahr ankündigte, kann sie jetzt immer noch keine Zeitplanung dafür vorlegen und verweist in ihrer Antwort auf meine schriftlichen Fragen auf die baldige Einleitung formaler Abstimmungsprozesse mit den anderen Ministerien und den Bundesländern. Ich habe selbst als Oppositionspolitikerin keinerlei Genugtuung dabei, die jeweiligen Bundesregierungen für ihr Versagen bei der Verwaltungsdigitalisierung zu kritisieren, denn wie alle anderen Bürger:innen finde ich einen weiterhin derart schlechten Standard schlicht unerträglich.“
* Hinweis: Da das BMI zu den Reifegraden keine Aussage treffen konnte, wurden diese auf dem Infoportal der OZG-Umsetzung selbst recherchiert. Davon abgesehen sind die Basis der Auswertung die referenzierten Antworten des BMI und die vom BMI bereitgestellten weiterführenden Dokumente (verlinkt am Ende des Beitrages).
Vor fünf Jahren beschloss die damalige GroKo Regierung das Onlinezugangsgesetz, mit dem Ziel, die Verwaltungsdigitalisierung endlich zu beschleunigen. Man gab sich dafür ein halbes Jahrzehnt Zeit – zum Ende des Jahres 2022 sollten dann 575 öffentliche Dienstleistungen (eigentlich Leistungsbündel) online verfügbar sein.
Dieses Ziel wird nicht erreicht werden, das steht schon länger fest. Im Mai senkte die Ampel-Regierung die Latte und beschloss den sogenannten „OZG-Booster“, 35 priorisierte Dienste sollten statt der ursprünglichen 575 noch bis zum Jahresende kommen. Die Transparenz rund um den Fortschritt der Verwaltungsdigitalisierung war und ist trotz (oder gerade wegen) des vor ca. 2 Jahren eingeführten digitalen Dashboards leider schlecht. Deshalb habe ich im Sommer 2022 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen und Antworten auf die Fragen zu finden, wo wir eigentlich wirklich stehen, was nun tatsächlich bis zum Jahresende erreichbar ist, wie die nächsten Schritte der Bundesregierung aussehen und warum es mit dem Fortschritt seit Jahren nichts wird. Im Jahr 2022 steht Deutschland im DESI-Ranking zu public services auf Platz 18 von 27 in der EU. Mit der neuen Regierung sollte das alles besser werden. Ich habe meine Zweifel.
Denn die umfangreiche Antwort der Bundesregierung auf meine Kleine Anfrage zum Status quo der OZG-Umsetzung offenbarte eine Vielzahl großer Dauerbaustellen sowie ein erschreckendes Ausmaß von Planlosigkeit und Intransparenz. Und es wurde bereits offensichtlich, dass auch die Top 35 Prio Dienstleistungen nicht bis Ende 2022 flächendeckend digital bereitstehen werden. Nachstehend eine strukturierte Analyse der Antworten der Bundesregierung zur Umsetzung und Fortführung des Onlinezugangsgesetzes. Die einzelnen Abschnitte der nachfolgenden Übersicht sind verlinkt, können also auch separat schnell gefunden und gelesen werden. Wer es noch kürzer bevorzugt, kann meine Pressemitteilung dazu lesen.
Fehlende Standards, Schnittstellen und Basisdienste
Komplexe IT Projekte, die viele verschiedenen Institutionen, Fachverfahren und föderale Ebenen einbeziehen, brauchen vor allem eines ganz am Anfang: verbindliche einheitliche Standards und Schnittstellen. Ihr Fehlen ist meines Erachtens eine der Hauptursachen für das bisherige Versagen bei der Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung in Bund und Ländern. In ihrer Antwort auf Frage 22 meiner Kleinen Anfrage räumt die Bundesregierung die Notwendigkeit solcher Standards zwar ein, aber wenn sie fünf Jahre nach Verabschiedung des OZG-Gesetzes und wenige Monate vor Ablauf des ursprünglichen Zieldatums schreibt, dass „die Art der Standards und die Art der Festlegung noch bestimmt werden“ müssen, dann bin ich einigermaßen sprach- und hoffnungslos.
Für die Software-Entwicklung im komplexen Umfeld der Verwaltungsdigitalisierung ist Interoperabilität durch geeignete Schnittstellen und standardisierte Datenformate eine unverzichtbare Grundlage, und mit Grundlage meine ich eine Art Fundament, das wie beim Häuserbau immer zuerst entstehen muss, bevor man dann darauf bauen kann. Noch ist eine Schnittstelle vom Online-Antrag zur weiteren Bearbeitung im Fachverfahren, FIT-Connect, bisher für nur eine einzige Verwaltungsleistung verfügbar.
Genauso wichtig sind Basisdienste, wie Identifikation, Bezahlfunktionen etc. Nutzer:innen wollen da nicht lauter verschiedene Lösungen, und es wäre ja auch Ressourcenverschwendung, wenn z.B. jedes Bundesland sich da eine eigene Lösung entwickelt. Aber die einheitliche Schnittstelle zu einer gemeinsamen Bezahlplattform ePayBL, an der sich bisher 11 Länder und der Bund beteiligen, ist immer noch erst in Planung, wie aus der Antwort auf Frage 23 meiner Kleinen Anfrage hervorging:
Das Problem liegt nicht am Föderalismus, andere föderal organisierte Länder schaffen es auch, gemeinsame Strukturen zu vereinbaren. Das Problem liegt an der mangelhaften Governance, aber auch daran, dass die überragende Bedeutung einheitlicher Standards, Schnittstellen und Basisdienste schlicht nicht hinreichend erkannt wurde. Die Zuständigkeit für derartige Standards liegt beim IT-Planungsrat, der sich nur wenige Male im Jahr für wenige Stunden trifft und dabei stets eine volle Agenda hat. Dort werden Standards beauftragt, die Umsetzung übernimmt die Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT), die Freigabe liegt dann wieder beim IT-Planungsrat. Ein zeitraubender Prozess, bei dem der IT-Planungsrat zum Flaschenhals wird. Dennoch lehnt es die Bundesregierung ab, die KoSIT zentraler aufzustellen und durch ein Selbstbefassungsrecht handlungsfähiger und unabhängiger von einer Beauftragung durch den IT-Planungsrat zu machen (siehe Antwort auf Frage 5 der K.A.). Auch sonst zeigt die Bundesregierung keine Vorschläge auf, wie der IT-Planungsrat reformiert werden könnte, ein Problembewusstsein scheint nicht vorhanden zu sein. Wie es mit der verbindlichen Festlegung von Standards nun plötzlich zügig vorangehen soll, bleibt auch künftig ein Rätsel.
Einseitige Förderung und Schaufensterdigitalisierung
Das Onlinezugangsgesetz zielte leider schon in der Sache nur auf „online Zugang“ ab, also darauf, öffentliche Dienstleistungen z.B. über ein Internet Formular beantragen zu können.
Das ist jedoch eine einseitige Sicht, die nur das Schaufenster eines Verwaltungsprozesses nach außen betrifft. Der Nutzen für Bürger:innen entsteht jedoch nicht dadurch, dass sie keinen Antrag per Brief mehr schicken müssen, sondern vor allem dadurch, dass der gesamte Prozess auch im Hintergrund in der Verwaltung selbst digital abgewickelt wird. Denn nur so ist erreichbar, dass Prozesse schneller und einfacher ablaufen und man nicht jedes Mal bereits bekannte Daten neu eingeben muss.
Da das OZG dies aber gar nicht zum erklärten Ziel hatte, fand der Anschluss an die Fachverfahren zur weiteren Bearbeitung in den Verwaltungen fast nirgendwo statt, was in der Praxis zu absurden Prozessen führt. Online eingegebene Daten werden in Behörden ausgedruckt, in andere Fachverfahren erneut eingebeben oder sogar per Briefpost an andere Behörden geschickt zur weiteren Bearbeitung. Ein OZG 2.0 Folgegesetz könnte und sollte sich der Digitalisierung ganzer Verwaltungsprozesse widmen, aber auf meine Fragen danach, wann das OZG 2.0 kommt und ob es endlich ganze Prozesse betrachten wird, kam leider nur ein Hinweis auf „vorbereitende Gespräche“ und einen „iniierten Dialogprozess“ mit den Ländern und darauf, dass der Bund zu einer Prozessoptimierung stets ermutigt hat. Kein Zeitplan, keine konkrete Strategie. Das ist frustrierend.
Angesichts dieser Zustände ist es nicht verwunderlich, dass auch die Verknüpfung von verschiedenen Input-Kanälen (Web-Interface, Bürgertelefon 115, Gespräch vor Ort, Chatbots usw.) zu einem gemeinsamen Prozess im digitalen Fachverfahren bisher nicht möglich ist und offensichtlich auch noch nicht einmal geplant wurde (siehe Antwort der Bundesregierung auf Frage 20).
Chaos und fehlende Kostenkontrolle beim Roll-Out in die Fläche
Ein sinnvolles Prinzip des OZG ist es (zumindest auf dem Papier), dass Software und Wissen zur Nachnutzung bereitgestellt werden sollen, damit im Idealfall ein Produkt nur einmal entwickelt, und dann von Verwaltungen in ganz Deutschland genutzt werden kann (Einer für Alle = EfA- Prinzip). Das spart Aufwand und Kosten sowie beschleunigt (theoretisch) die Umsetzung auch durch das Teilen von Wissen. Wenn also eine OZG-Leistung in einem Bundesland entwickelt wurde, sollten alle anderen Länder mitsamt ihrer Kommunen diese Leistung zügig und reibungsarm übernehmen können. Soweit die Theorie.
Die ernüchternde Praxis offenbart die Antwort auf meine Frage 8: Stand 18. Juli 2022 standen nur 47 von 153 Einer-für-Alle -OZG-Leistungen tatsächlich zur Nachnutzung bereit, also nicht einmal ein Drittel. Dazu kommen rund 50 weitere EfA-Leistungen, zu denen die Bundesregierung in ihrer Antwort keine Angaben machte, die aber im Informationsportal OZG zu finden sind. Dort finden sich auch 81 weitere Leistungen mit anderen Nachnutzungs-Modellen („FIM-basierte Eigenentwicklung“ und „Nachnutzbare Software“), zu denen der Bundesregierung ebenso nichts zum Status bekannt zu sein scheint, jedenfalls wurde meine Frage dahingehend nicht beantwortet (Antwort auf Frage 8). Viel zu spät also (oder sogar gar nicht) steht die Software bereit, die Länder und Kommunen nachnutzen sollen. Bis zum November hat sich daran auch wenig geändert, am 10.11.2022 wurden im Zusammenhang mit der Sitzung des IT-Planungsrats neue Zahlen öffentlich: immer noch sind erst 73 von 153 EfA Leistungen verfügbar, aber nur 14 EfA-Leistungen werden bisher überhaupt von irgendwem irgendwo anders nachgenutzt.
Das liegt wohl auch daran, dass die Nachnutzung selbst voller konzeptioneller Probleme steckt und alles andere als einfach ist, selbst wenn die Software zur Verfügung steht:
Die Nachnutzung ist rechtlich hochkomplex und hängt beispielsweise individuell von der Existenz einer “inhousefähigen juristischen Person” ab,
Verantwortlichkeiten der Datenverarbeitung und Regelungen der Auftragsverarbeitung sind selbst bei den Einer-für-Alle-(EfA)Leistungen jeweils im Einzelfall individuell zu erörtern,
die verfügbaren Leistungen müssen von den Ländern zu erheblichen Preisen eingekauft werden, über deren Zustandekommen keinerlei Transparenz besteht, und Kommunen haben überhaupt keinen Zugriff auf den Marktplatz,
die oft finanzschwachen Kommunen können die Umsetzung der Leistungen kaum selbst stemmen, es fehlen klare Vorgaben, wie sie dabei unterstützt werden. Für eine kostengünstige oder kostenfreie Nachnutzung spricht der Bund lediglich eine unverbindliche Empfehlung aus (Antwort auf Frage 9).
Rechtlich liegt die Verantwortung über die Kommunen den einzelnen Ländern. Es kann aber nicht sein, dass der Bund die OZG-Umsetzung mit Milliarden fördert (Antwort auf Frage 10), ohne daran klare Bedingungen und Transparenzanforderungen zum Roll-Out der Leistungen in die Fläche zu knüpfen. Stattdessen wird es den Ländern offengehalten, ob und wie stark sie die Kommunen bei der OZG-Umsetzung finanziell unterstützen. So können sich vor allem ärmere Kommunen in unsolidarischeren Bundesländern die Umsetzung selbst vorhandener OZG-Module gar nicht leisten.
Das einzige Land, von ich weiß, dass es OZG-Leistungen kostenlos an seine Kommunen weitergibt, ist das linksregierte Thüringen. Und siehe da – laut OZG Dashboard Stand September 2022 ist die flächendeckende (!) Verfügbarkeit von OZG-Leistungen in Thüringen am weitesten fortgeschritten – sogar bei geringem OZG-Fördermittelverbrauch (Antwort auf Frage 10). Die 35 Booster-Leistungen sind im übrigen überwiegend kommunale Dienste, die also in über 11.000 Kommunen umgesetzt werden sollen – bis Ende 2022. Die Bundesregierung lässt offensichtlich die Kommunen im Stich und macht sich einen schlanken Fuß, um im Januar 2023 möglicherweise den Bundesländern dafür die Verantwortung zuzuschieben, dass auch die 35 Booster-Leistungen nicht überall in Deutschland verfügbar sind. Sie interessiert sich nicht einmal für Informationen, denn die Ampel-Regierung hat nach eigenen Angaben bisher keine Kenntnis darüber, in welchen Ländern für Kommunen welche Kosten bei der Nachnutzung anfallen und wo Bundesländer Kosten der Kommunen übernehmen (Antwort auf Frage 6).
Auch auf meine Frage, warum die Nachnutzung einer EfA-Leistung teurer ist als eine Eigenentwicklung und was man dagegen tun kann, kam von der Bundesregierung nichts (Antwort auf Frage 11):
Kurz, es herrscht einigermaßen Chaos bei der Aufgabe, die entwickelten OZG-Leistungen effektiv in die Fläche zu bringen. Und der große potentielle Vorteil der öffentlichen Hand, nicht parallel und gegeneinander, sondern offen und kooperativ miteinander zu arbeiten, wird nicht realisiert – zum Nachteil der Bürger:innen, aber auch der öffentlichen Haushalte und Verwaltungen.
Zu wenig erreicht und falsch priorisiert
Den Fortschritt zu den neu priorisierten 35 OZG-Booster-Leistungen habe ich in Frage 15 meiner Kleinen Anfrage erfragt. Die Antwort: jede zweite war Ende Sommer immer noch in keinem einzigen Bundesland umgesetzt, darunter besonders gerade besonders häufige Dienstleistungen, wie Ummeldung, Eheschließung, Personalausweis, Kfz An- und Ummeldung, Meldebescheinigung. Dass bis Ende Dezember 2022 in 11 000 Kommunen verfügbar sein werden, ist damit unmöglich, und auch die Priorisierung selbst wirft mit Blick auf die OZG-Booster Dienstleistung “Waffenerlaubnisse” Fragen auf, die uns die Bundesregierung zum Teil einfach gar nicht beantwortet:
Warum priorisierte man ausgerechnet Waffenerlaubnisse? Sollen sich Reichsbürger künftig digital und bequem schneller bewaffnen können, noch bevor es allen anderen endlich digital möglich ist, einen Ausweis zu beantragen oder eine Eheschließung anzumelden? Für eine solche Priorisierung fehlt mir jedes Verständnis.
Den elektronischen Personalausweis beinahe vergessen
Ohne den elektronischen Personalausweis (nPA) bewirkt die OZG-Umsetzung wenig, es gibt ihn immerhin schon über 10 Jahre, aber kaum jemand weiß davon, weil es keine Marketingkampagnen dafür gab und weil es nach wie vor kaum Anwendungsfälle dafür gibt Außerdem gab es Kritik an der Nutzerfreundlichkeit der dazugehörigen Anwendung AusweisApp2, also habe ich auch danach gefragt. Zur Nutzerfreundlichkeit hat die Bundesregierung jedoch laut ihrer Antwort auf meine Frage 33 überhaupt keine Daten. Dabei wird seit vielen Jahren von jeder Regierung immer wieder betont, wie wichtig Nutzerfreundlichkeit sei. Es gilt jedoch der Satz: You get what you measure, man bekommt, was man misst. Wer keine Nutzerfreundlichkeit misst, bekommt auch keine.
Daten dazu existieren nicht, weil ein Nutzertracking nicht zulässig sei, schrieb mir die Bundesregierung in ihre Antwort, als ob es nicht möglich wäre, anonymisierte Umfragen durchzuführen oder Nutzerfreundlichkeit gezielt zu testen.
Immerhin wurde meine Frage nach den Abbruchraten bei der Nutzung der AusweisApp2 beantwortet: sie betragen fast 50 Prozent! Es ist naheliegend, dass bei derartigen Abbruchraten die Nutzer:innen vermutlich nicht sehr zufrieden sind. Ein eCommerce Unternehmen mit derartigen „Erfolgs“-Raten wäre sicher schnell vom Markt verschwunden.
Eine Förderung von Kartenlesern zur zuverlässigeren und Smartphone/Telefonnummer-unabhängigen nPA-Nutzung erscheint der Bundesregierung nicht erforderlich (Antwort auf Frage 34), und eine Überarbeitung der AusweisApp2 wird lediglich perspektivisch in Aussicht gestellt (Antwort auf Frage 31). Der nachlässige Umgang bei der Etablierung des nPA ist umso bedauerlicher, als dass mit diesem schon ab 2008 (!) der Weg zu einer prinzipiell sehr sinnvollen Lösung für eine digitale Identität bereitet wurde. Doch dann redeten plötzlich alle von selbst gemanagten Identitäten (SSI) und Blockchain… aber das ist ein anderes Thema.
OZG-Dashboard fehlerhaft und geschönte Transparenz
Um Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Open Source und Open Data ist es ebenfalls nicht gut bestellt: Zwar wurde die Transparenz der OZG-Umsetzung durch das schrittweise verbesserte OZG-Dashboard zunehmend verbessert, doch selbst gegenwärtig können Daten aus dem Saarland und Berlin zum Umsetzungsstand nicht dargestellt werden, weil es keine Schnittstelle für die Datenlieferung gibt, die Zahlen zu diesen Bundesländern sind im Dashboard folglich falsch, ein Hinweis auf die fehlenden Zahlen gibt es nicht (Antwort auf Frage 13). Die vom Bundesrechnungshof festgestellte “geschönte” Darstellung besteht weiterhin, so gilt beispielsweise eine OZG-Leistung im Dashboard als umgesetzt, also digital verfügbar, wenn eine einzige von mehreren Einzelleistungen des betreffenden Leistungsbündels digital nutzbar ist, selbst wenn das für die Gesamtleistung gar nicht gilt. Auch die schönfärbende Darstellung “Leistung in mindestens einer Kommune verfügbar” ist nach wie vor präsent. Eine Leistung gilt also als verfügbar und abgehakt, wenn sie zwar in Hinterposemuckel genutzt werden kann, aber in 11.000 weiteren Kommunen nicht. Will eine Bürgerin wissen, ob eine bestimmte Dienstleistung in ihrer eigenen Kommune digital angeboten wird, sucht sie auf dem Dashboard vergeblich, derartige Informationen gibt es dort nicht.
Auch wie häufig bestimmte Verwaltungsleistungen tatsächlich digital genutzt werden, können Bund und Länder bisher nur zum Teil feststellen. Hier soll es entsprechend der Antwort der Bundesregierung auf meine Frage 1 durch eine zentrale Zusammenführung von Nutzungsdaten bald eine Verbesserung geben, wir werden sehen, ob „Ende 2022“ die versprochene technische Lösung dafür sowohl verfügbar ist als auch in der Praxis genutzt wird:
Recht viele Informationen zum Umsetzungsstand finden sich auf einer OZG-Informationsplattform, die jedoch im Dashboard oder anderen zentralen Informationsseiten gar nicht verlinkt ist, und deren Inhalt ohne Registrierung eines Nutzerkontos auch nicht zugänglich ist. Warum, bleibt das Geheimnis der Ampel. Praktizierte Kostentransparenz im Rahmen der Nachnutzung von OZG-Leistungen besteht bisher nicht einmal ansatzweise, auch hier wurden erst jetzt in aktuellen Beschlüssen des IT-Planungsrats Verbesserungen angekündigt (Antwort auf Frage 11).
Open Source nicht gelebt, Open Data ignoriert
Obwohl Open Source als 13. Prinzip im Servicestandard für digitale Verwaltungsleistungen verankert ist, wird die Umsetzung in die Praxis nur halbherzig gelebt. In den sechs Grundprinzipien der Förderung mit OZG-Konjunkturmitteln ist lediglich eine Empfehlung für Open Source enthalten (Antwort auf Frage 2). Man könnte vermuten, dass die Bundesregierung gern wissen würde, welche Bundesländer viele Millionen Fördergeld für die Umsetzung des OZG in Anspruch nehmen UND sich an die Empfehlung Open Source halten, aber das ist nicht der Fall. Die Bundesregierung hat keinerlei Informationen darüber, welche OZG-Leistungen tatsächlich Open Source sind, auch hier verweist sie auf die Bundesländer, die man einzeln abfragen soll. Der Informations- und Datenaustausch zwischen Bund, Ländern und Kommunen funktioniert offenbar genau null und auch das ist ein Grund dafür, warum die Verwaltungsdigitalisierung nicht voran kommt:
Immerhin soll der Quellcode der OZG-Leistungen künftig auf opencode.de veröffentlicht und eine Weiterentwicklung der Software durch alle daran Interessierten ermöglicht werden. Bisher handelt es sich dabei jedoch nur um eine Ankündigung und ob sich darin wirklich der partizipative Gedanke Freier Software wiederfindet, bleibt abzuwarten. Bisher sah es jedenfalls nicht danach aus.
Ein bekannter Fallstrick in Verträgen der öffentlichen Hand mit IT-Dienstleistern ist nicht nur fehlende Klarheit bezüglich Open Source und Interoperabilität, sondern auch bezogen darauf, wer welche Rechte an Daten innehat, die im Laufe eines Prozesses anfallen. Open Data propagiert die Ampel-Regierung ja schon im Koalitionsvertrag aber auch in der Digitalstrategie, ein Recht auf Open Data wurde angekündigt. Da ich mich seit mehr als 15 Jahren mit dem Thema Zugang zu offenen Verwaltungsdaten befasse, weiß ich, dass eine Hürde dafür oft die Überforderung der jeweiligen Behörde ist, die sich mit dem Thema nicht auskennt. Daher fragte ich in Frage 25 meiner K.A., wie die Bundesregierung derartige Hürden zum Beispiel durch geeignete Mustervertragsbausteine für Open Data senkt. Die Antwort geht leider an der Frage vorbei und ignoriert den Bezug auf Open Data und ist sogar irreführend:
Ich habe selbst bei der FITKO angerufen und auch im FIT-Store nach Musterverträgen gesucht. Mit dem Suchwort „Open Data“ findet man nur ein Ergebnis, nämlich einen Mustervertrag zum Export von Kulturgütern, in dem erwähnt wurde, dass er zum Thema Open Data keine Vorgaben enthält. Von der FITKO selbst erfuhr ich, dass es weder Vorgaben noch Hilfestellungen dort zum Thema Open Data gibt. Ob sich daran künftig etwas ändert, bleibt der Antwort der Bundesregierung nach unklar.
IT-Sicherheit vernachlässigt, Registermodernisierung mit Datenschutzproblemen
Last but not least gibt es bedenkliche Versäumnisse sowohl beim Datenschutz als auch bei der IT-Sicherheit. So hält die Bundesregierung externe Audits und Zertifikate bei selbst-entwickelter Software nicht für nötig, wie aus der Antwort auf meine Frage 4 hervorgeht. Eine unabhängige Qualitätskontrolle im laufenden Betrieb scheint aus Sicht der Bundesregierung demnach nicht relevant zu sein, was schon recht erstaunlich ist:
Sie erkennt auch kein Problem darin, dass die IT-Sicherheitsverordnung Portalverbund (ITSiV-PV) erst mehrere Jahre (!) nach Inkrafttreten des OZG erlassen wurde, obwohl das OZG-Gesetz selbst eine solche IT-Sicherheitsverordnung vorgab, und dass die Zivilgesellschaft bei deren Erarbeitung nicht einbezogen wurde (Antwort auf Frage 4). Eine Antwort darauf, wie mit Sicherheitsproblemen umgegangen wird, die durch die mehrjährige Verspätung der IT-Sicherheitsvorgaben für die OZG-Umsetzung entstanden sein könnten, verweist nur pauschal auf den IT-Grundschutz, so als bräuchte es die IT-Sicherheitsverordnung eigentlich gar nicht. Eine eigenwillige Interpretation.
Weiterhin scheint die Bundesregierung von der verfassungsrechtlich fragwürdigen Registermodernisierung mit Ausweitung der Steuer-ID zu einer einheitlichen Personenkennziffer nicht abrücken zu wollen (Antwort auf Frage 36). Das Mindeste wäre, das im § 11 des OZG geforderte Datenschutzcockpit für Bürger:innen so zu erweitern, dass es nicht nur Transparenz über die Übermittlung persönlicher Daten bietet, sondern auch Handlungsmöglichkeiten für Bürger*innen, um bestimmte Daten für bestimmte Behörden zu bestimmten Zwecken dort freizugeben, damit auf diese Weise eine technische Barriere gegen unerwünschte Datenzusammenführung existiert, die die Nutzer*innen selbst kontrollieren. Pläne der Bundesregierung dahingehend gibt es aber nicht:
Was soll nur werden?
Für das seit Anfang dieses Jahres angekündigte “OZG 2.0” kann die Bundesregierung nach wie vor keinen Zeitpunkt oder Zeitplan zur Veröffentlichung benennen (Antwort auf Frage 18), und das, obwohl davon auch die Folgefinanzierung nach 2022 abhängt. Somit ergeben sich Planungsunsicherheiten für Zuwendungsempfänger, was die Umsetzung weiter hemmen dürfte. Seit meiner Kleinen Anfrage im Spätsommer hat sich dazu die Lage nur verschärft, denn die bisherigen Mittel – 600 Mio Euro sollen noch übrig sein aus dem Haushalt 2022 – sollen nach Stand 11.11.2022 nicht auf den Haushalt 2023 übertragbar sein, was zu erheblichen Finanzierungsengpässen führen kann. Im aktuellen Haushaltsenwurf für 2023 sind bisher nur 380 Mio Euro für Verwwaltungsdigitalisierung vorgesehen, was nach Ansicht von Vertreter*innen mehrerer Bundesländer nicht reicht, um angestoßene Vorhaben umzusetzen.
Immerhin werden in der Antwort der Bundesregierung auch einige sinnvolle Ankündigungen gemacht. Beispielsweise ist eine Plattform für alle OZG-Nutzungsdaten geplant; die Festlegung und Umsetzung von Standards (okay, die sind viele Jahre überfällig), ein weiterer, integrativer Marktplatz in der Hand einer Genossenschaft „govdigital e.G.“ zur Nachnutzung von OZG-Leistungen, ein gemeinsames Digitalisierungsbudget von Bund und Ländern für den dauerhaften Betrieb von EfA-Leistungen, ein low-code-Ansatz “MODUL-F” zur Förderung modularer Programmierung in Eigeninitiative und anderes mehr. Wie viel davon wann und wie kommt, bleibt abzuwarten.
/von
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Stichtag war der 17.02.24 – der Digital Services Act soll seitdem auch für alle kleineren digitalen Dienste gelten – über 5.000 in Deutschland, auch nicht-kommerzielle sind betroffen. Das deutsche Gesetz dazu fehlt immer noch, die Bundesnetzagentur soll zuständig sein, hat aber weder nötige Ressourcen noch gesetzliche Grundlage – das war Thema in einer Anhörung und im folgenden Digitalausschuss am 21.02.2024. Außerdem: endlich kommt (1 J. zu spät) das Update zum Onlinezugangsgesetz. Bringt es endlich den nötigen Schwung in die Verwaltungsdigitalisierung? Spoiler: Meine Antwort ist ein klares Jein, denn es fehlt noch einiges, vor allem aber auch hier die nötigen Ressourcen.
Kapitelmarken: 00:00:07 Intro und Gruppenstatus Linke 00:02:20 Intro Anhörung Umsetzung DSA in DE 00:09:12 Positionen Zivilgesell. zum Dig.Dienste Gesetz 00:20:21 Positionen Wirt., Wiss., Landesmedienanstalt, BNetzA 00:27:03 Q&A zu Mastodon u Co, BKA, Forschung 00:31:10 Ausschuss-Debatte DDG, EUKOM, BfDI, BNetzA 00:40:00 Onlinezugangsgesetz: Intro, E2E, OSS, ID, Monitoring 00:47:56 E2E-Digit., Rechtsanspruch, Finanzierung, Standards 00:55:16 Monitoring, Offline Zugang, Nutzerorientierung, Fazit 00:58:01 Outro u Hinweise
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