Die Umsetzung des EU Digital Services Act braucht Nachbesserung: Gefahren entstehen durch massenhafte Datenweiterleitungen an das BKA und Mißbrauch von Netzsperren. Die zuständige BNetzA hat nicht mal Stellen; KMU und dezentrale, nicht kommerzielle Dienste stehen im Regen.

Meine Rede zur Umsetzung des DSA auf nationaler Ebene im Wortlaut (18.01.2023):

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Einschätzung zur Umsetzung des DSA gibt es jetzt in 90 Sekunden. Gut daran ist die Klarheit bei der Störerhaftung und die Beteiligung der Zivilgesellschaft im Beirat. Aber insgesamt finde ich die Umsetzung doch misslungen.

Erstens: Noch häufiger als bisher können Netzsperren wegen Urheberrechtsverletzungen direkt beim Anbieter und ohne Richtervorbehalt eingefordert werden. Wer die vorgesehene Verhältnismäßigkeit prüfen soll, bleibt dabei völlig offen. Als Linke kritisiere ich dieses Zensurheberrecht!

Zweitens. Die Pflicht zur proaktiven Datenweiterleitung an das BKA in Artikel 18 des DSA besteht bei „Gefahr für die Sicherheit von Personen“. Das ist ein sehr schwammiger Rechtsbegriff und muss konkretisiert werden, will man massenhaftes Ausleiten personenbezogener Daten verhindern und Gerichte nicht mit Klagen überlasten.

Drittens: Die Anwendung des Digitale-Dienste-Gesetzes ist bei nichtkommerziellen Diensten völlig unklar, wenn sie dezentral organisiert sind wie Mastodon oder das Wikimedia-Projekt „Wikimedia Commons“. Die Autorencommunity dort ist getrennt vom Verein Wikimedia. Sollen jetzt ehrenamtliche Autorinnen und Autoren das Beschwerdemanagement einrichten und Transparenzberichte erstellen? Eine Umsetzungsunterstützung für nichtkommerzielle Anbieter und viele kleine und mittlere Unternehmen unter den 5 000 betroffenen Anbieter/-innen gibt es bisher nicht.

Viertens hat die künftig zuständige Bundesnetzagentur als Digitale-Dienste-Koordinator bisher noch nicht einmal Stellen dafür, ist in vier Wochen aber bereits Ansprechpartnerfür über 5 000 Anbieter und mehrere Millionen Nutzer/-innen. Bessern Sie das nach, liebe Ampel, und das sehr schnell!

Vielen Dank.

Meine Rede zum Antrag der Union: „IP-Adressen rechtssicher speichern und Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen“ (18.01.2024):

Die von der Union beantragte IP-Adress-Vorratsdatenspeicherung ist verfassungswidrig. Massenüberwachungsinstrumente gehören nicht in eine  Demokratie! Wofür würde die AfD sie verwenden, wen überwachen und wofür? Missbrauch verhindern, heißt Überwachungsinfrastruktur verhindern!

Meine Rede im Wortlaut:
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum dritten Mal debattieren wir hier den vorliegenden Antrag der Union, die seit 20 Jahren die Einführung der Vorratsdatenspeicherung fordert, zur Abwechslung in der Variante „IP-Adressen“ und unter dem Vorwand des Kinderschutzes. Ich könnte meine alten Reden noch mal halten.

Die Sachlage hat sich ja nicht geändert. Die Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen ist weder geeignet noch angemessen oder verhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Sie würde das gesamte Onlineverhalten aller Menschen in Deutschland überwachen. 

Die Erfahrung zeigt: Neue Instrumente zur Massenüberwachung wecken Begehrlichkeiten und werden für immer mehr Zwecke eingesetzt. Aus aktuellem Anlass finde ich daher folgende Frage wichtig: Stellen Sie sich mal vor, eine demokratiefeindliche Partei wie die rechts außen hat Zugriff auf solche Überwachungstechnologien. Was glauben sie, wofür die AfD sie wohl verwenden würde? 

Wen würde sie wohl überwachen und aus welchen Anlässen? Und was würde sie mit den Ergebnissen tun? Ein Missbrauch von Infrastrukturen, die sich für anlasslose Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung eignen, kann man nur verhindern, indem man sie gar nicht erst aufbaut.

Werkzeuge zur anlasslosen Massenüberwachung haben in einer Demokratie nichts verloren oder, wie die taiwanesische Ministerin für Digitales, Audrey Tang, vorgestern in Berlin sagte: In einer Demokratie nutzt man Digitalisierung, um den Staat transparenter zu machen, in einer Autokratie, um Bürgerinnen und Bürger transparenter zu machen. – Wenn wir die Demokratie wertschätzen, müssen wir also die Einführung derartiger Werkzeuge verhindern, aber auch, dass die AfD die Macht ergreift.

Vielen Dank.

Meine Frage:

„Wofür konkret wurden die für das Programm Reparieren statt Wegwerfen
vorgesehenen 2 Mio. Euro im Haushalt 2023 verausgabt (bitte je Ausgabe
Zweck/Empfänger und Höhe der Ausgabe angeben), und was waren die
Gründe dafür, dass die vorgesehenen Mittel (2 Mio. Euro) nicht vor allem
für Reparaturwerkstätten genutzt wurden?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Christian Kühn:

„In den Haushalt waren für das Jahr 2023 bei Kapitel 1601 Titel 892 07 „Re-
parieren statt Wegwerfen“ Mittel in Höhe von 2 Millionen Euro eingestellt.
Da leider zunächst noch kein Projektträger gewonnen werden konnte,
konnte das geplante Programm leider noch nicht begonnen werden, sodass im Jahr 2023 noch keine Haushaltsmittel aus diesem Titel verausgabt wer-
den konnten.

Der o. g. Titel ist übertragbar, sodass nicht verausgabte Haushaltsmittel
grundsätzlich als Ausgaberest im Haushaltsjahr 2024 zur Verfügung stehen
können. Eine Förderrichtlinie zur Förderung von Reparatur-Initiativen und
Selbsthilfe-Werkstätten zur Unterstützung von Reparaturmaßnahmen wurde
erstellt und wird in Kürze an den Bundesrechnungshof gesandt. Auch die
Suche nach einem Projektträger läuft derzeit erfolgversprechend, sodass mit
Inkrafttreten des Haushalts 2024 eine Umsetzung entsprechender Maßnah-
men zu erwarten ist.“

Antwortschreiben im Original:

Von Rechenzentren bis Software – wo muss und wie kann die Bundes-IT nachhaltiger werden?

CCC Talk

Wie der Bund seine IT einkauft und betreibt, hat eine erhebliche Auswirkung auf das Klima.

GroKo und Ampel-Regierung waren und sind daher groß im Ankündigen grüner IT: in digitalpolitischer Umweltagenda, Koalitionsvertrag, Digitalstrategie und Gigabitstrategie. Wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, erfrage ich als Bundestagsabgeordnete regelmäßig mit Kleinen Anfragen und schriftlichen Fragen. Ich verspreche kleine Hoffnungsschimmer, aber auch Frustration, denn meine neueste Anfrage vom November 2023 deckt schonungslos auf, wie intransparent und wie wenig nachhaltig die IT des Bundes immer noch ist und wie die Ampel sich die Latte immer tiefer hängt und trotzdem nicht drüber kommt.

Das Potenzial des Bundes als Großverbraucher (z. B. mit über 180 Rechenzentren), als Finanzierer (z. B. von über 400 KI-Projekten) und als Regulierer (z. B. beim Energieeffizienzgesetz oder beim Überbau von Glasfaser) ist aber riesig, auch das werde ich vermitteln und die Stellschrauben beschreiben, an denen man drehen könnte, um IT weniger klimaschädlich zu machen – auch außerhalb des Bundes.

Der Bund kauft jährlich für 260 Mrd. € ein, auch für mehr als 1 Mrd. IT, er betreibt über 180 Rechenzentren, förderte in 2023 über 400 KI-Projekte, setzt selbst über 100 Mal KI-Systeme ein und hat noch aus vielen weiteren Gründen mit seiner IT eine erhebliche Klimawirkung. Wie die GroKo hat sich auch die Ampel auf die Fahnen geschrieben, die Digitalisierung klimafreundlicher zu machen, ganz allgemein – durch Regulierung für alle (z. B. im Energieeffizienzgesetz), aber auch in eigener Verantwortung, bei den eigenen Rechenzentren, Software oder IT-Dienstleistungen. Die Ankündigungen dazu sind wohltönend, z. B. im Koalitionsvertrag und in der Digitalstrategie. Bundesbehörden und Rechenzentren sollen klimafreundlich(er) werden, es soll mehr Transparenz geben, z. B. über ein Energieeffizienzregister für Rechenzentren, es wurde versprochen, dass Vergabeprozesse die Nachhaltigkeit berücksichtigen sollen, auch beim Einkauf von IT und IT-Dienstleistungen, z. B. durch standardmäßigen Einkauf von IT mit Blauem Engel – auch bei Software. Selbst der Ausbau der Gigabitinfrastruktur sollte nachhaltiger werden. Aber passiert das alles auch?

Ich nutze meine parlamentarischen Rechte als Bundestagsabgeordnete der Opposition (DIE LINKE), um über schriftliche Fragen und Kleine Anfragen Fakten dazu öffentlich zu machen und die große Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu zeigen. Dabei geht es einerseits um das Vorhandensein von Daten (you get what you measure!) – tatsächlich also um einen Mangel an Transparenz zur Baseline – und andererseits um die Daten selbst, also wie gut oder schlecht die Nachhaltigkeit jeweils ist.

Einen Schwerpunkt lege ich dabei auf die Klimafreundlichkeit von Rechenzentren, aber auch zu anderen Themen gibt’s für Euch Fakten: zur Wiederverwendung von Hardware, zum Recht auf Reparatur und der (versprochenen!) Förderung von Reparatur-Initiativen, zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Vergabe von Hunderten Millionen Euro Fördergelder für KI-Projekte, zu Websites, Software und mehr. Da ich seit mehreren Jahren zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT Kleine Anfragen stelle und die Digitalpolitik der Bundesregierung aus dem Maschinenraum des Bundestages verfolge, kann ich auch die Entwicklung beschreiben und werde Euch zeigen, wie die Ampel-Regierung sich einfach die Latte immer niedriger hängt und vermutlich trotzdem kaum eines ihrer Nachhaltigkeitsziele erreichen wird. Beim 37C3 werde ich erstmalig die Ergebnisse meiner jüngsten Anfrage vom November 2023 öffentlich vorstellen.

Bei aller Frustration über den Status Quo zeigt mein Vortrag aber auch, welche riesigen Potenziale noch gehoben werden könnten, um tatsächlich eine nachhaltigere Digitalisierung zu erreichen – und dafür ist es nie zu spät!

Meine Frage:

„Welche Unternehmen entsprechen den 10 nicht namentlich genannten Vertragspartnern,
deren Rahmenverträge in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 18 der
Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 20/9641 in Anlage
5 angegeben wurden (bitte alle 10 den jeweiligen Nummern Vertragspartner 1
bis 10 zuordnen), und falls darunter nicht die Firma SAP ist, welche aktuell laufenden
Rahmenverträge hat der Bund mit dem Unternehmen SAP (bitte jeweils mit Inhalt,
Volumen in Euro und Laufzeit [Beginn und Ende] angeben)?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff:

„Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) hält
das Beschaffungsamt des BMI den Rahmenvertrag 20490 „Überlassung (Kauf) und
Pflege von SAP-Software“ zum Abruf durch die Bundesverwaltung vor.
Der Rahmenvertrag wurde am 27. November 2018 geschlossen und hat eine Laufzeit
bis zum 31. Dezember 2023. Der Rahmenvertrag enthält keine Mindest- oder
Maximalabnahmeverpflichtung. Aktuell beträgt das abgerufene Volumen
146.283.375,04 Euro.
Bitte beachten Sie, dass das abgerufene Volumen in einem laufenden Rahmenvertrag
stets nur eine Momentaufnahme darstellt, da sich der Wert durch zukünftige Abrufe
bis zum Laufzeitende verändern kann.
Nach Abwägung mit dem parlamentarischen Fragerecht kann nach Art. 12 und
Art. 14 des Grundgesetzes eine Nennung der Namen nicht erfolgen, da keine Genehmigung
zur Nennung der Namen seitens der betreffenden Rahmenvertragspartner
vorliegt.“

Antwortschreiben im Original:

Meine Frage:

„In welcher Höhe liegen oder lagen Ausgabereste aus dem Bundeshaushalt 2023 oder
aus Vorjahren für das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung
(ZenDiS) GmbH vor (Stand: Dezember 2023), und wurden oder werden diese
Ausgabereste in voller Höhe noch in 2023 an die ZenDiS GmbH überwiesen (falls
nicht, bitte angeben, ob das ZenDiS trotzdem auf diese Ausgabereste in 2024 zugreifen
kann)?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathoff:

„Aus dem Haushaltsjahr 2022 liegen in 0602 532 13 Ausgabereste in Höhe von
25.682.000 Euro für das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung
(ZenDiS) inkl. Souveräner Arbeitsplatz vor. Es wird angestrebt, den Verfügungszeitraum der bereits gebildeten Ausgabereste
aufgrund des weiterhin bestehenden Bedarfes zu verlängern. Die Inanspruchnahme
der Ausgabereste für Beauftragungen des Bundesministeriums des Innern und für
Heimat bei der ZenDiS GmbH richtet sich dann nach § 45 Abs. 3 der Bundeshaushaltsordnung.“

Antwortschreiben im Original:

Plenardebatte vom 14.12.2023: Antrag der AfD „Digital Services Act abschaffen“

Meine zu Protokoll gegebenen Rede:

Sehr geehrte Präsidentin/ sehr geehrter Präsident,
liebe Kolleg:innen der demokratischen Parteien,

Der vorliegende Antrag der AfD reiht sich ein in ihr jahrelanges „mimimi“ um die vermeintliche Verletzung ihres Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Denn auch in der zweiten Legislatur im Bundestag hat die AfD nicht verstanden, dass Meinungsfreiheit mit anderen Grundrechten konkurriert und daher selbstverständlich auch Grenzen hat. Diese Grenzen zieht das Strafrecht, ergänzt um rechtliche Regelungen, wie den DSA. Global dominante Plattformen für social Media haben längst extremen Einfluss auf die Meinungsbildung, in einer Art und Weise, die mit demokratischen Prinzipien kollidieren kann. Damit aber z.B. russische Trollfabriken nicht durch massive Verbreitung von Desinformationen Wahlen in Europa beeinflussen können oder damit digitale Gewalt nicht schrankenlos Einzelne oder bestimmte Bevölkerungsgruppen terrorisieren kann, braucht es Regeln, die das verhindern.

Es verwundert wenig, dass die AfD ausgerechnet für Elon Musk in die Bresche springt, denn der wäre in Deutschland vermutlich AfD Wähler. Er teilt ihre Schwäche für Verschwörungstheorien, wittert überall fremdgesteuerte linke Medien und hat ein Herz für Rechtsextreme und Nationalisten, selbst für solche, die wegen schwerer Fälle von Desinformation vor US Gerichten verurteilt wurden.
Für die AfD ist alles Meinungsfreiheit, was sie ungestraft sagen möchte, selbst wenn es sich um Rassismus und Hetze pur handelt. Sie faselt von Zensur, wenn ihren Beleidigungen, Hasstiraden und Gewaltfantasien Grenzen gesetzt werden, fordert aber selbst ein Verbot des Genderns. Meinungsfreiheit ist für AfD Politiker:innen nämlich nur dann von Wert, wenn es um ihre eigenen Positionen geht.

Und welche Positionen AfD Politiker:innen und Mitglieder so haben, kann man an einer erschreckend umfassenden, vom Zentrum für Politische Schönheit zusammengetragenen Liste sehr gut erkennen. Sie sortiert die Äußerungen in Rubriken, die z.B Holocaust, Gewaltenteilung oder Demokratiefeindlichkeit heißen. In letzter findet sich folgendes Zitat eines AfD Landesvorstandes Niedersachsen:
„Die AfD hat erfolgreich den Bundestag gestürmt. (…) Die nächste Phase im Krieg gegen dieses widerwärtigste System, das je auf deutschem Boden existierte, nimmt nun ihren Anfang. (…) Das Ende der Linken und dieses antideutschen Systems ist gekommen.“

Solche Äußerungen sind vom Verfassungsrecht auf Meinungsfreiheit nicht gedeckt und machen die wahre Intention der AfD deutlich: Die Demokratie mitsamt ihren Grundrechten zu Fall zu bringen. Sie wollen genau das tun, was Adolf Hitler seinerzeit empfahl: Die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln zu untergraben. Deshalb muss Demokratie wehrhaft sein, deshalb braucht sie Regeln und Sanktionen bei Regelverstößen. Damit sich das tatsächlich widerwärtigste System, das je auf deutschem Boden existierte, nämlich der Faschismus des Nationalsozialismus nie wiederholen kann.

Den durchsichtigen Antrag der AfD lehne ich daher wie alle Abgeordneten der Linken ab. Und wir werden weiter gegen jeden Versuch der AfD kämpfen, eine rechtsextreme Gesellschaft in Deutschland zu etablieren und den Faschismus zu verharmlosen.

Vielen Dank.

Eine aktuelle Kleine Anfrage der Linken im Bundestag zur Bewertung der Digitalen Souveränität des Bundes erfragte Informationen zu Rahmenverträgen der Bundes-IT und zu Ausgaben für proprietäre Software und Open Source Software (OSS). Aus der Antwort der Bundesregierung mit DS 20/9641 ergibt sich, dass die 10 größten Vertragspartner für IT-Rahmenverträge ein gemeinsames Rahmenvertragsvolumen von über 13,6 Mrd. Euro haben. Davon entfällt allein auf Produkte und Dienstleistungen des US-Herstellers Oracle ein Gesamtvertragsvolumen von 4,8 Milliarden Euro, mit dem größten Einzel-Rahmenvertrag über 4,6 Mrd Euro bei einer Laufzeit bis 2030. Weitere knapp 1,3 Milliarden entfallen auf zwei Rahmenverträge für Lizenzen des US-Unternehmens Microsoft.

Aus der detaillierten Abfrage von Ausgaben zu Entwicklungsaufträgen von Software und zu Dienstleistungen im Zusammenhang mit Software ergab sich, dass der Bund seit Beginn dieser Legislatur nur etwa 0,5 Prozent seiner entsprechenden Ausgaben für OSS einsetzte. So vergab das Digitalministerium Entwicklungsaufträge im Volumen von 22,3 Mio Euro, wovon aber nur 121.000 Euro (0,55 Prozent) auf die Entwicklung von OSS entfielen. Für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Software verausgabte der Bund insgesamt sogar etwa 3,5 Milliarden Euro, auch davon flossen aber nur 18,6 Mio (0,54 Prozent) an Open Source. Sowohl der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung als auch ihre Digitalstrategie versprachen jedoch, auf Open Source zu setzen. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg:

“Ich kann mich an keine Regierung erinnern, bei der digitalpolitische Ankündigungen und ihre Umsetzung derart eklatant auseinander klafften! Die Förderung von Open Source und die Betonung der Digitalen Souveränität als Richtschnur für IT-Entscheidungen sind offensichtlich reine Lippenbekenntnisse, denn in der Praxis setzt auch die sogenannte Fortschrittskoalition auf die übliche Praxis, für sehr viel Geld teure proprietäre Software insbesondere von großen US-Konzernen einzukaufen. Nicht einmal der für die Digitalstrategie zuständige Minister Wissing hält sich an das, was er darin angekündigt, denn für OSS Entwicklung gab er nur 0,5 Prozent seines Budgets für Softwareentwicklung aus.

Dass außerdem mehrjährige IT-Rahmenverträge über extrem hohe Summen v.a. mit US-Konzernen sowie zu ihren Produkten abgeschlossen wurden, ist genau das Gegenteil von Stärkung der digitalen Souveränität und erhöht auf viele Jahre die Abhängigkeit des Bundes von einzelnen US-Konzernen. Mit einer einzigen US-Firma (Oracle) sogar einen Rahmenvertrag über 4,6 Mrd Euro abzuschließen, der noch bis zum Ende der nächsten (!) Legislatur laufen wird, ist schlicht auch obszön, denn diese Summe ist doppelt so hoch, wie die Kosten der mühsam erkämpften Kindergrundsicherung bei ihrer Einführung und auch in Anbetracht des für 2024 zu erwartenden Kahlschlaghaushalts für viele soziale Belange. Außerdem wird damit die Abhängigkeit von einem einzelnen Hersteller über Jahre hinweg extrem erhöht. Wer aber abhängig ist von einzelnen Firmen und ihren Produkten, wird erpressbarer – muss also häufig immer mehr bezahlen, ist außerdem weniger flexibel und geht ein zusätzliches IT-Sicherheitsrisiko ein. Deshalb ist es völlig inakzeptabel, dass der Koalitionsvertrag zwar einerseits verspricht, die digitale Souveränität durch mehr OSS zu sichern, aber gleichzeitig der Bund mit milliardenschweren Rahmenverträgen das Gegenteil erreicht und Tatsachen schafft, die bei einer Handvoll US-Konzernen die Kassen klingeln lassen, aber jede Menge Nachteile und Risiken bedeuten, bis hin zum Risiko, dass es über eingebaute Hintertüren Datenabflüsse an US-Geheimdienste gibt.

Am Ende erkennt man doch immer am Geld, wie ernst es eine Regierung mit ihren Versprechen meint! Bisher stehen auch im Haushalt für 2024 Kürzungen ausgerechnet für Open Source Initiativen an, denn die Haushaltsmittel für das Zentrum für Digitale Souveränität sollen fast halbiert werden. Diese Kürzungen betreffen die beiden wichtigsten Vorhaben des Bundes zur Förderung von OSS: die Entwicklung eines Open Source Arbeitsplatzes, als Alternative zu Microsoft Office, und die Plattform OpenCode, auf der Software der Verwaltung veröffentlicht werden soll.

Würde es die Bundesregierung ernst meinen mit der Förderung von Open Source in der eigenen Verwaltung, gäbe es messbare Ziele und ein Monitoring für den Anteil von OSS im Bund, beides existiert bisher nicht, selbst ein Software-Lizenzmanagementsystem befindet sich erst in der Planungsphase, was bei so hohen Ausgaben für Lizenzen schlicht nicht nachvollziehbar ist. Die gesamte Praxis der Bundesregierung zur Entwicklung von Software und Vergabe von Rahmenverträgen konterkariert ihre eigenen strategischen Ziele und trägt viel zu wenig zur Entwicklung europäischer Open Source Alternativen und eines Open Source Ökosystems bei, sie schadet außerdem aktiv der digitalen Souveränität.”

Links:

Anmerkung:

Die Detailtabellen zu den einzelnen Entwicklungs- und Dienstleistungsverträgen (3 weitere Anlagen) sind eingestuft als „Nur für den Dienstgebrauch“ und können daher nicht veröffentlicht werden.

Meine Frage:

„Welche der im Auftrag des Bundes oder durch den Bund selbst entwickelte
Software trägt den Blauen Engel für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte, den es seit dem Jahr 2020 gibt (DE-UZ 215, Vergabekriterien:
https://produktinfo.blauerengel.de/uploads/criteriafile/de/DEUZ%
20215-202001-de%20Kriterien-V2.pdf) und seit wann sind konkrete
Nachhaltigkeitskriterien, insbesondere der Blaue Engel für ressourcen- und
energieeffiziente Softwareprodukte und allgemein die Empfehlungen im
Leitfaden zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung von Software,
der laut Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 20/3619, Frage 14 c in 2022 überarbeitet wurde, ein verbindlicher Bestandteil bei der Ausschreibung von Software-Entwicklungsleistungen?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Christian Kühn:

„Bisher gibt es keine mit dem Blauen Engel ausgezeichnete Software, die in
der Bundesverwaltung entwickelt wurde. Aktuell ist nur der Open Source
Dokumentenreader Okular mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. In der Regel
finden aber die Kriterien des Blauen Engel für ressourcen- und energieeffiziente
Softwareprodukte bei Ausschreibungen Anwendung.
Derzeit bezieht sich der Blaue Engel für Software (Ausgabe Januar 2020)
auf Anwendungssoftware, die ausschließlich die Hardwareressourcen des
lokalen Computers nutzen. Nicht unter den aktuellen Geltungsbereich der
Vergabegrundlage fallen die Softwareprodukte, bei denen der überwiegende
Anteil der Rechen- und Speicherarbeit nicht auf dem lokalen Computer erbracht,
sondern auf einen entfernten Server ausgelagert wird. Diese vernetzten
Softwareprodukte stellen aktuell den überwiegenden Anteil am Softwaremarkt
dar. Die Zertifizierung nach Vorgabe des aktuellen Blauen Engels
ist daher nur für einen kleinen Anteil an Software möglich.
Die überarbeitete Vergabegrundlage mit dem erweiterten Geltungsbereich
des Blauen Engels für Software wird im Dezember 2023 der Jury Umweltzeichen
zur Beschlussfassung vorgelegt.


Verbindliche Vorgaben für die Beauftragung von Leistungen im Auftrag des
Bundes (das schließt die Beschaffung und Beauftragung von Software mit
ein) sind in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher
Leistungen (AVV Klima) vom 19. Oktober 2021 enthalten. In der AVV Klima wird darauf hingewiesen, dass bei der Leistungsbeschreibung
auf vorhandene Gütezeichen verwiesen werden soll, explizit soll auf
das Gütezeichen Blauer Engel verwiesen werden.
Softwareentwicklungen werden in der Regel durch Abruf aus Rahmenverträgen
des Kaufhauses des Bundes beauftragt. Für die Ausschreibung und
Leistungsbeschreibung ist das Beschaffungsamt zuständig. Das Beschaffungsamt
verwendet die Nachhaltigkeitskriterien für ressourcen- und energieeffiziente
Softwareprodukte seit Gründung der Zentralstelle IT-Beschaffung
(ZIB) in 2017 als Bestandteil der konstitutiven Ziele der ZIB. Die
Nachhaltigkeitskriterien wurden in unterschiedlichen Ausprägungen in den
Ausschreibungen der ZIB berücksichtigt.“

Antwortschreiben im Original:

Meine Frage:

„Welche Ankündigungen verbesserter Nachhaltigkeit der IT des Bundes
wurden bisher in welcher Form umgesetzt, bezogen auf die angekündigten
Maßnahmen in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
Bundestagsdrucksache 20/3619, insbesondere aber nicht ausschließlich hinsichtlich
der angekündigten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur umweltfreundlichen
öffentlichen Beschaffung, des angekündigten Rahmenvertrags
für die Wiederverwendung und Aufbereitung von IKT-Produkten durch ein
Inklusionsunternehmen, sowie der Erarbeitung eines Maßnahmenplans mit
Zielen und Meilensteinen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der Bundes-
IT im Rahmen der Verlängerung der Green-IT-Initiative (bitte jeweils für
diese 3 Maßnahmen sowie für weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der IT des Bundes den Status Quo, Meilensteine und Zeitpläne
angeben)?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Christian Kühn:

„Der geplante Rahmenvertrag für die Wiederverwendung und Aufbereitung
von Produkten der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) durch
ein Inklusionsunternehmen konnte erfolgreich geschlossen werden. Der
Vertrag ist im Kaufhaus des Bundes unter der Rahmenvertragsnummer
21642 gelistet und steht seit dem 18. November 2022 zum Abruf zur Verfügung.
Vertragsnehmer ist die AfB (Arbeit für Menschen mit Behinderung)
gGmbH. Die Vertragslaufzeit beträgt 2 Jahre mit zwei Verlängerungsoptionen
um jeweils ein Jahr, sodass die maximale Vertragslaufzeit 4 Jahre beträgt.
Der Vertrag wird auch bereits intensiv genutzt und die aktuelle Auslastung
nach einem Jahr beträgt gut 20 Prozent.
Die Geschäftsstelle Green-IT im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hat in Zusammenarbeit
mit anderen Ressorts im Rahmen der Green-IT-Initiative des Bundes im
Jahr 2023
eine nachhaltige Ausstattungsrichtlinie für IKT-Arbeitsplätze entwickelt.
Das erarbeitete Konzept soll im Jahr 2024 dem CIO Board
vorgelegt und anschließend veröffentlicht werden.
Weiterhin wurde das Berichtswesen der Green-IT-Initiative mit Fokus
auf einfachere Datenerhebung und qualitativere Kennzahlen überarbeitet. Das Berichtswesen soll Anfang 2024 durch das CIOBoard
beschlossen und ab dem Berichtsjahr 2024 umgesetzt werden.
Auch die IST-Analyse zur Umsetzung der Kriterien des Blauen Engels
für Rechenzentren in den Haupt-Rechenzentren der Bundesverwaltung
wurde durchgeführt. Auf Basis der Analyse-Ergebnisse soll
Anfang 2024 mit der Maßnahmenplanung zur Umsetzung der Blauer
Engel-Kriterien in den Haupt-Rechenzentren des Bundes begonnen
werden.


Im Jahr 2024 wird mit der Erarbeitung einer Empfehlung zum nachhaltigen
Downsizing von Rechenzentren aufgrund von Konsolidierung begonnen.“

Antwortschreiben im Original: