Zum vierten Mal seit 2021 erfragte DIE LINKE im Bundestag die Bundesregierung zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT und nimmt eine Gesamtbewertung für die ablaufende Legislatur vor. Die ehemalige Ampelregierung war mit hohen Ansprüchen angetreten, schrieb sich Nachhaltigkeit in den Titel des Koalitionsvertrages und versprach nachhaltigere Rechenzentren, 100% Ökostrom bis Ende 2024, Einkauf von IT-Produkten und Dienstleistungen unter Berücksichtigung des Blauen Engels und die Fortsetzung der Reduktion der Rechenzentren im Rahmen der IT-Konsolidierung des Bundes. In der vorliegenden Kleinen Anfrage beantwortete die Bundesregierung auch Fragen zum erheblichen Einkaufsvolumen des Bundes für IT Produkte und Dienstleistungen, zur Umsetzung des Energieffizienzgesetzes und zum (extrem angestiegenen) Gesamtenergieverbrauch der Bundes-IT. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag:

Krachend gescheitert: Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele für die Bundes-IT

Meine vierte Kleine Anfrage zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT offenbart eine verheerende Bilanz der scheidenden Bundesregierung, die mit hohen Ansprüchen angetreten war, aber an jeglicher Umsetzung scheiterte. Der Energieverbrauch durch IT ist massiv angestiegen, die unglaubliche Marktmacht des Bundes von fast 10 Milliarden Euro Einkaufsvolumen wurde einfach nicht für die Bevorzugung nachhaltiger IT genutzt und seit 10 Jahren nicht erreichte Ziele wurden plötzlich für überflüssig erklärt, Beschlüsse ignoriert, Zielerreichungen nicht gemessen sowie Zielverfehlungen nicht sanktioniert. Auch die Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes scheint völlig egal, niemand fühlt sich verantwortlich, schon gar nicht das BMWK. Die Ampel ist an der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele krachend gescheitert, aber ich fürchte, in einer Koalition unter Merz wird das Thema Nachhaltigkeit der Digitalisierung schon an der mangelnden Zielsetzung scheitern.

Energieverbrauch der Bundes-IT extrem gestiegen, Ökostrom-Ziel verfehlt

Um 63 GWh stieg der Energieverbrauch der Bundes-IT in 2023. Allein damit könnte man 18.000 Mehrpersonenhaushalte mit Strom versorgen. Insgesamt wurden 2023 sogar 407 GWh verbraten – das würde für sämtliche ca. 116.000 Einwohner Göttingens reichen. Das bereits in 2017 vereinbarte Ziel, unter einem Verbrauch von 350 GWh zu bleiben, wurde damit erstmalig seit 2016 verfehlt, und gleich um 57 GWh. Der Anstieg des IT-Energieverbrauchs um 18 Prozent geht laut Bundesregierung vorwiegend auf den Energiehunger der Rechenzentren zurück. Trotzdem ergab meine Kleine Anfrage: nur jedes 10. RZ des Bundes nutzt ein Energiemanagement und nur ca. 70 Prozent der RZ verwenden 100 Prozent Ökostrom.

Trotz Klimakrise ignorierte die Bundesregierung die eigene Verantwortung und sorgte weder ausreichend für einen geringeren Energieverbrauch, noch für mindestens 100% Ökostrom. Dabei war es ihr erklärtes Ziel, dass bis Ende 2024 alle Liegenschaften des Bundes nur saubere Energie nutzen. Trotzdem werden einige RZ „nicht vor 2028“ und andere sogar erst „spätestens bis 2045“ auf Ökostrom umstellen – das wäre 21 Jahre nach der Deadline! Solche Antworten müssten interne Konsequenzen haben, haben sie aber nicht und hatten sie nie und das ist Teil des Problems.

Chance verpasst: 10 Milliarden Euro Einkaufsmacht des Bundes bei IT ohne Impact

Der Bund könnte allein mit seiner immensen Marktmacht Einfluss darauf nehmen, wie nachhaltig die IT in ganz Deutschland ist, denn bei über 2.000 Vergaben in 2023 gab er fast 10 Mrd Euro für IT-Produkte und Dienstleistungen aus. Aber das passiert einfach nicht, weil es zwar Beschlüsse, Leitfäden und Vorgaben gibt, aber keinerlei Verbindlichkeit, keine Transparenz zur Umsetzung und niemanden, der sich wirklich dafür verantwortlich fühlt. Allein für Software Beschaffung wurden 4,8 Mrd Euro in 2023 ausgegeben. In weiteren 3,7 Milliarden für IT-Dienste sind außerdem Vergaben für Software-Entwicklung enthalten. Laut Umweltbundesamt ist das Ressourceneinsparpotenzial von Software immens, aber trotzdem hat der Bund in dieser Legislatur bei mehr als 1700 vergebenen Software-Entwicklungsaufträgen kein einziges Mal die Einhaltung der Kriterien des Blauen Engel für energieeffiziente Software verlangt oder bei Eigenentwicklungen vergeben, nicht mal das Klima- und das Umweltministerium.

Auch bei keiner der 118 Vergaben von Cloud Dienstleistungen war der Blaue Engel eine Bedingung für den Einkauf. Hier könnte der Markt wirklich mal etwas regeln, aber eben nur, wenn der Bund seine Marktmacht auch nutzt. Ein Ministerium, das Wirtschafts- und Klimathemen vereint, könnte dabei Vorreiter sein, aber im BMWK ignoriert man nicht nur die eigene Marktmacht, sondern auch die Macht der Regulierung. Nach Verabschiedung des abgeschwächten Energieeffizienzgesetzes scheint sich das BMWK nämlich dafür nicht mehr zu interessieren, denn es hat laut Antwort der Bundesregierung auf meine Fragen dazu u.a. „keine Kenntnis“ davon, ob und wie sich Unternehmen oder selbst der Bund daran halten, z.B. durch Beteiligung am RZ-Register.

Die 135 Rechenzentren des Bundes nutzen kaum Abwärme und klimafreundliche Kältemittel

Bei der Senkung der negativen Klimawirkung von Rechenzentren wurde weder bei der Nachnutzung der Abwärme noch bei der Art der Kältemittel eine nennenswerte Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr erreicht. Bei Bestands-Rechenzentren ist eine Veränderung nicht einfach und manchmal gar nicht umzusetzen. Aber offensichtlich schöpft der Bund seine Möglichkeiten nicht aus, denn nur jedes 8. Rechenzentrum nutzt einen Teil seiner Abwärme und nur jedes 6. Rechenzentrum setzt klimafreundliche Kältemittel ein und für etwa jedes Dritte RZ wurde nicht einmal eine Antwort auf diese simplen Fragen gegeben.

Fazit zur Betriebskonsolidierung des Bundes: immer mehr statt weniger Rechenzentren

Seit 10 Jahren soll die Anzahl der Rechenzentren des Bundes um 90 Prozent sinken, von 100 RZ in 2015 auf 10 RZ in 2025. Stattdessen zeigen meine Kleinen Anfragen seit Jahren, dass keine Konsolidierung stattfindet. Für Ende 2024 gab der Bund 135 RZ an und noch in diesem Jahr sollen daraus sogar 139 werden, bevor es irgendwann weniger werden sollen. In 2028 sollen es 123 RZ sein, also immer noch 23 Prozent mehr, als bei Beginn der Konsolidierung, statt 90 Prozent weniger. Noch 2023 wurde mir im Digitalausschuss das alte Ziel der Konsolidierung auf künftig nur noch 10 RZ als weiterhin gültig versichert. Da war sogar von nur noch 3 Master-RZ die Rede. Aber nun kapituliert der Bund einfach komplett und erklärt nach einem Jahrzehnt Fehlentwicklung, dass die Anzahl der RZ ganz egal und ihre Reduktion kein Ziel mehr sei, man schaue jetzt nur noch auf die Konsolidierbarkeit von Anwendungen. Da die IT-Konsolidierung des Bundes eines der teuersten IT-Projekte mit einem Volumen von über 3 Milliarden Euro ist, ist diese Bankrotterklärung nicht nur peinlich, sondern auch ein unfassbar laxer Umgang mit Steuergeldern. Der Bundesrechnungshof kritisiert die mangelnde Umsetzung schon seit Jahren völlig zu Recht, aber leider auch völlig ohne Wirkung.

Kaum Transparenz, ein (noch?) disfunktionales Berichtswesen, fehlende Tools als Ausrede

Ich glaube an den Grundsatz „You get what you measure“, denn wenn man Ziele nicht messbar definiert und den Grad ihrer Erreichung nicht erhebt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man sie verfehlt. Deshalb habe ich das Fehlen messbarer Ziele bei der Digitalstrategie von Anfang an kritisiert. Auch die Umsetzungsschwäche bei der Nachhaltigkeit der Digitalisierung hat viel mit vagen Zielen und/oder mangelnder Transparenz zu tun. Wieder war eine besonders häufige Antwort auf meine Fragen „Keine Angabe“ oder „keine Kenntnis“. Man kann nur spekulieren, ob das an Unfähigkeit oder am Unwillen liegt, diese Daten bereitzustellen. Manchmal ist die Ursache klar, wie bei der grottigen Ressourceneffizienz von Websites des Bundes. Den Klima-Impact seiner laut Antwort der Bundesregierung 2.160 Websiten ignoriert der Bund nämlich deshalb komplett, weil man die existierenden Tools zur Messung ihrer Ressourceneffizienz nicht gut genug findet. Dabei könnte der Bund selbst Tools entwickeln und zertifizieren lassen. Alternativ könnten eigene Vorgaben des Bundes dafür sorgen, dass Websiten von BMI und BMWK nicht mehr bei Messwerkzeugen wie websitecarbon.com schlechter abschneiden, als über 90 Prozent aller Websiten weltweit.

Immerhin könnte es künftig zuverlässigere Daten geben, denn ein neues Berichtswesen für die Nachhaltigkeit der RZ ist geplant. Ein Tool dafür soll irgendwann in 2025 entwickelt werden. Allerdings steht und fällt der Erfolg damit, ob die Anwendung verbindlich ist und sich die Behörden daranhalten. Vorgaben gibt es jetzt auch schon viele, sie werden nur leider folgenlos ignoriert. Der Gipfel ist jedoch der Umgang des Bundes mit verfehlten Zielen. Denn dann wird die Berichterstattung einfach verschleppt, wie beim Monitoringbericht zum Maßnahmeprogramm Nachhaltigkeit, der für 2023 immer noch nicht vorgelegt wurde und für 2024 „wegen Evaluierung“ gar nicht mehr geplant wird. Oder das Ziel wird insgesamt für obsolet erklärt, wie bei der Konsolidierung der Anzahl der Rechenzentren. Mehr Bankrotterklärung geht eigentlich gar nicht.

Antwort der Bundesregierung

Antwortschreiben der Bundesregierung im Original (geschwärzt)
Anlage 1 (Anzahl RZ 2022-2028, Eigenbetrieb ja/nein)
Anlage 2 (Einhaltung der Kriterien des Blauen Engels durch RZ des Bundes)
Anlage 3 (Gesamtenergieverbrauch der RZ, Bezug von Ökostrom)
Anlage 4 (verwendete Kältemittel in RZ, geplante Umrüstung)
Anlage 5 (Abwärmenutzung durch RZ, Energy Reuse Factor, geplante Umstellung)
Anlage 6 (Nachhaltigkeit bei Verträgen für Rechenzentrums-Dienstleistungen)
Anlage 7 (Liste der Website-Adressen des Bundes)

Tabellengrafiken (Auswertung der Anlagen)

Umfassende Analyse der Antwort der Bundesregierung mit Zahlen, Daten, Fakten

Weiterführende Informationen

Kleine Anfrage Nachhaltigkeit der Bundes-IT 2023
Kleine Anfrage Nachhaltigkeit der Bundes-IT 2022
Kleine Anfrage Nachhaltigkeit der Bundes-IT 2021
Schriftliche Frage zur Anzahl Entwicklungsaufträge für Software 2021-2024
Kritik des Bundesrechnungshof an der IT Konsolidierung des Bundes
Mein Talk auf dem 37C3-Kongress „Klimafreundliche Digitalisierung – Koalitionsvertrag versus Wirklichkeit“, 2023

Mit wie viel Geld fördert der Bund immer noch Blockchain Vorhaben? Das fragte ich mich, als mir auffiel, dass laut Haushaltstitel „Innovative Anwendungen von Künstlicher Intelligenz“ auch Blockchain gefördert werden kann – das stand im Kleingedruckten. Man muss kein Techie sein, um zu verstehen, dass KI und Blockchain völlig unterschiedliche Dinge sind und so ein Haushaltstitel in die Irre führt. Beide Technologien haben aber eine Gemeinsamkeit: erst war Blockchain der heißeste Scheiß, danach wurde der Blockchain Hype Cycle vom Thema Künstliche Intelligenz abgelöst. Ich wollte genauer wissen, wieviel Fördergelder die Ampel-Regierung auch jetzt noch für die Förderung von Blockchain ausgibt, eine Technologie, die vor allem wegen ihres eklatanten Missverhältnisses von Nutzen zu unerwünschten Nebenwirkungen heftig kritisiert wurde und habe die Bundesregierung dazu befragt und danach, was sie zum nachhaltigen Erfolg bisher geförderter Blockchain-Projekte weiß. Die Antworten sind krass.

tl;dr:

  • 29 Mio Euro Fördergelder in 2024 für Blockchain Projekte, laut Bundesregierung, evtl. sogar mehr
  • 230 Vorhaben von 5 Ministerien, mehr als die Hälfte vom BMWK
  • Förderschwerpunkte: Mobilität, Energie, Lebensmittelindustrie, Wirtschaftsförderung (Industrie 4.0) und Bildung
  • Förderergebnis? Unbekannt! Keine Evaluation zur Weiterexistenz geförderter Blockchain-Projekte der letzten Jahre
  • Es geht um 215 Mio Euro Förderungen für Blockchain-Projekte der letzten Jahre
  • Evidenzbasierte Förderung findet nicht statt – ob Steuergeld sinnlos verbrannt wurde, interessiert den Bund nicht
  • Das Geld fehlt woanders, z.B. bei der Förderung des Open Source Ökosystems

Nachfolgend meine ausführliche Analyse der Antwort der Bundesregierung.

Am Ende dieses Beitrags gibt es noch Links zu:

  • den Antwort-Dokumenten im Original,
  • einem Zahlen, Daten, Fakten Dokument mit zusätzlichen Hintergrundinformationen („Analyse-Doc“),
  • einer Excel-Tabelle, damit ihr alle Zahlen nachvollziehen könnt (das Antwort-Dokument war ein unmöglich formatiertes pdf Dokument),

Förderung nach „Hype“ statt evidenzbasiert

Mit Fördergeldern können Regierungen steuernden Einfluss auf die Entwicklung von Technologien und Innovationen nehmen, sie können bremsen oder für Rückenwind sorgen. Deshalb ist es relevant, wie viel Fördergeld aus welchen Gründen für welche Technologien ausgegeben wird und ob die gewünschten Ziele damit erreicht werden. Seit Jahren stelle ich fest, dass nicht die Technologien gefördert werden, die tatsächlich von besonderer strategischer Bedeutung sind, sondern eine Förderung nach „Hype“ erfolgt, deren Sinnhaftigkeit nicht einmal überprüft wird. An bestimmte Technologien, die alle paar Jahre wechseln, werden völlig irrationale Erwartungen geknüpft, die plötzlich alle möglichen gesellschaftlichen Probleme lösen sollen, an deren Lösung die Regierungen bisher scheiterten. Das lässt Regierungen innovativ erscheinen, und übertüncht ihr flächendeckendes Versagen bei der realen Digitalpolitik. Die weiterhin erschreckende digitale Inkompetenz in politischen Führungsebenen dürfte außerdem eine realistische Bewertung der Technologie-Hype-Cycles verhindern.

Kein Monitoring: Ergebnis von über 200 Mio € Förderung für Blockchain bleibt Blackbox

Die Bundesregierung gab in ihrer Antwort auf meine Schriftliche Frage zu, dass sie keinerlei Monitoring über die Nachnutzung von Förderprojekten im Rahmen kommerzieller Geschäftsmodelle durchführt. Dabei sollte gerade dann die Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen eine Rolle spielen, wenn es um Zuschussförderung der Wirtschaft geht. Es ist völlig klar, dass man auch mal ins Risiko gehen muss und nicht aus jeder Förderung ein tragfähiges privatwirtschaftliches Geschäftsmodell wird. Aber genauso klar ist auch, dass der Bund eine Verantwortung bei der Vergabe von Fördergelder hat, um einerseits ihre Verschwendung zu verhindern und andererseits ihre Wirkung zu maximieren. Diese Bewertung erfordert jedoch ein Monitoring bereits erfolgter Förderungen, damit für nachfolgende Haushaltsjahre eine Nachsteuerung erfolgen kann und aus Fehlern gelernt wird.

Die Folgen sind aber nicht nur sinnlos ausgegebenes Geld und falsche Signale in den Markt, sondern auch der schlichte Umstand, dass man einen Steuer-Euro nur einmal ausgegeben kann, jeder sinnfrei verbrannte Euro also an anderer Stelle fehlt, auch für strategisch wichtige Investitionsbedarfe.

Millionen und Milliarden für Hype Tech, Peanuts für Open Source

So ergab eine Kleine Anfrage von meiner MdB Kollegin Petra Sitte und mir (LINK) und meine aktuelle Schriftliche Frage an die Bundesregierung ein Fördervolumen von insgesamt ca. 250 Millionen Euro für Vorhaben mit Blockchain-Technologie seit 2017, davon entfielen 29 Millionen auf 2024. Laut meiner Kleinen Anfrage vom Juli 2024 (Link) wird die Nachfolge Hype Technologie Künstliche Intelligenz sogar mit 1,1 Milliarden Euro gefördert. Gleichzeitig sind Fördergelder für Open Source Infrastrukturen, die die digitale Souveränität stärken würden und einen positiven Impact sogar auf globale Tech-Ökosysteme haben könnten, viel zu gering. Die wenigen Millionen für den Souvereign Tech Fund sollten sogar für 2025 gekürzt werden, was nur im parlamentarischen Verfahren verhindert werden konnte.

Es ist höchste Zeit, dass Fördergelder sinnvoller vergeben werden, dass ihre Wirkung evaluiert wird und dass die Erkenntnisse dieser Evaluationen in die Planung neuer Förderprogramme einfließen. Eine Förderung von Technologien um ihrer selbst willen, wie durch den Haushaltstitel „Innovative Anwendungen von KI“, sollte es gar nicht geben, denn damit wird vor allem eine Hype-Technologie noch weiter gehyped. Und das verführt dazu, Förderanträge zu stellen für Zwecke, wo diese Technologie gar keinen Sinn macht. Besonders verrückt ist aber, dass sich dem genannten Haushaltstitel auch Ausgaben des BMDV in Höhe von mehr als 3,5 Millionen Euro für Blockchain-Vorhaben verbergen. Es widerspricht dem Anspruch an Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, wenn ein Titel Künstliche Intelligenz verspricht, aber Blockchain fördert.

230 Blockchain-Förderprojekte in 2024 – 85 mehr als 2022

Das Ausmaß der geförderten Blockchain Projekte überrascht, denn ihre Anzahl ist seit meiner letzten Kleinen Anfrage Anfang 2022 sogar von 145 auf 230 angewachsen, allerdings hat sich die Fördersumme deutlich reduziert, was aber auch daran liegen kann, dass es die zusätzlichen Milliarden für Konjunkturprogramme aus den letzten Jahren nicht mehr gibt.

Es fällt auf, dass in 2024 nur noch fünf Ministerien statt der zehn in 2022 Blockchain Vorhaben fördern, übrig geblieben sind und dass sich das Engagement zur Förderung von Blockchain sehr stark unterscheidet.

Das BMAS, BMG, BMI, BMJ und BMZ waren in der Kleinen Anfrage von 2022 noch mit Förderprojekten dabei, in 2024 nicht mehr.

1 Mio € für Digitale Identitäten mit Blockchain – ein Totes Pferd

Der Fokus der Förderung hat sich ebenfalls verschoben. Für die Förderung Digitaler Identitäten mit Blockchain-Bezug fließen in 2024 nur noch knapp eine Million Euro Steuergeld, es sind vor allem Mittel aus dem mehrjährigen Vorhaben „Schaufensterprojekte Digitale Identitäten“, das noch von der GroKo Regierung beschlossen wurde und insgesamt stattliche 50 Millionen Fördergeld verschlang. Mit der blockchain-basierten ID-Wallet hatte die Vorgängerregierung noch gewaltig Schiffbruch erlitten. Die ID-Wallet mit digitalem Führerschein sollte als Vorzeigeprojekt vor den Bundestagswahlen die Stimmung heben und musste stattdessen wegen irreparabler Sicherheitsprobleme nach wenigen Tagen eingestellt werden. Die Ampel setzt bei ihren neuen Konzepten für Digitale Identitäten nicht mehr auf Blockchain Konzepte und das ist auch gut so. Dass die Ampel beim Thema Digitale Identitäten trotzdem weiterhin den elektronischen Personalausweis vernachlässigt (seit Jahren wurde z.B. eine Marketingkampagne versprochen und fällt stets wegen Geldmangel aus) und bei der EUID gerade seltsame Wege geht, ist eine andere Geschichte… Was die verplemperten 50 Mio Fördergelder für Blockchain-IDs unterm Strich brachten (ich erwähnte es schon), das weiß die Ampel jedenfalls nicht und das interessiert sie auch null.

Weitere Millionen für Mobilität, Energie, Lebensmittelindustrie, Industrie 4.0 und Bildung

Ob tatsächlich alle 230 Projekte Blockchain enthalten, konnten wir nicht abschließend verifizieren. Für 23,7 Millionen der 29 Millionen Fördersumme ließ sich das durch die Vorhabenbeschreibung oder öffentliche Quellen bestätigen. Unsere Clusterung dieser zweifelsfreien Blockchain-Projekte ergab große Schwerpunkte der Förderung in den Branchen Mobilität und Verkehr (6 Mio €), bei Energiethemen (4 Mio), Lebensmittelindustrie (3 Mio) sowie für diverse Förderungen der Wirtschaft (4,8 Mio) vor allem mit Bezug auf Industrie 4.0 und den Bildungssektor (1,3 Mio). Die vollständige Projekt-Liste und unsere Cluster finden sich in den unten verlinkten Dokumenten.

Bei manchen Projekten fragt man sich schon, ob man da mit Gewalt einen use case erfinden wollte, wie z.B. bei einer Blockchain zur Rückverfolgbarkeit von eFuels. Manche sind so ungenau beschrieben, dass sie keinerlei Bewertung zulassen, z.B. „Anwendungen in der Luftfahrt“, die mit immerhin einer Viertelmillion Euro bezuschusst wurden, oder „Erschließung neuer Lieferketten für die Raumfahrt“ mit vergleichbarem Volumen.

Blockchain für: Energienetze, Schweine, Kartoffeln und Weiterbildungsbiographien

Blockchain-Anwendungen können in sehr spezifischen – ebenfalls geförderten – Bereichen sinnvoll sein, z.B. bei der Organisation von Energienetzen, die smart, verteilt und flexibel sind. Sie können Energiegenossenschaften oder Peer-to-Peer Energiehandel erleichtern und vielleicht sind auch die Projekte zum „Digitalen Zertifikatssystem der Kartoffel-Wertschöpfungskette“ oder zur „Rückverfolgbarkeit und Transparenz entlang der Wertschöpfungskette Schwein“ sinnvolle Anwendungen, das müßte eine spätere Evaluation feststellen, die es wahrscheinlich auch nicht geben wird. Für bestimmt überflüssig halte ich die „dezentrale Speicherung individueller Weiterbildungsbiographien“, deren Umsetzung mit einer Blockchain auch eine Viertelmillion Steuer-Euros verschlang. Auch die eine Million für das Projekt mit dem komplexen Titel: „KI-gestütztes personalisiertes und adaptives Lernangebot zur Förderung der Digitalkompetenz Lehrender in der Weiterbildung, das auf verteilten Plattformen stattfindet und mit fälschungssicheren Zertifikaten abschließt“ klingt nach Humbug. Ich kenne keinen einzigen Fall, wo ein Arbeitgeber ein fälschungssicheres Weiterbildungszertifikat sehen wollte und ganz gewiss gäbe es hinreichend sichere Alternativen, die mit erheblich weniger Ressourcenverbrauch auskommen.

Fazit

Von evidenzbasierter Förderpolitik ist die Bundesregierung weit entfernt. Das schmerzt, denn gerade wenn die Wirtschaft schwächelt, der soziale Zusammenhalt gefährdet ist und das Gemeinwohl ständig den Kürzeren zieht bei Haushaltsverhandlungen, ist eine kluge Haushaltsführung wichtig. Wir können uns nicht länger leisten, Geld zu verbrennen, das an kritischen Stelle fehlt. Es braucht dafür mehr Kompetenz und mehr Zurückhaltung bei der Förderung von Hype-Tech. Vielleicht sind ja manche der 230 geförderten Blockchain Projekte sogar sinnvoll, (zu) viele sind es aber vermutlich nicht. Denn das Verhältnis von Erfolg zu Misserfolg ist gerade bei Hype-Tech oft schlecht und ein Monitoring daher umso wichtiger. Aus möglichen Förderfehlern lernen will die Ampel-Regierung leider nicht. Das muss sich ändern.

Links:

Trotz rückständiger digitaler Infrastruktur streicht die Ampel beim Glasfaserausbau 2 Mrd, mit dem neuen Mindest-Internet (15 MBit/s) surft man langsamer als in Burkina Faso und der Verbraucherschutz für Mobilfunknutzende auf dem Land wird faktisch abgeschafft.

Meine Rede im Wortlaut:

Anke Domscheit-Berg (Die Linke): 

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „90 Prozent Abschlag führen zu null Prozent Verbraucherschutz“: So überschrieb die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ihre Stellungnahme und meinte damit die Minderungsrechte für Verbraucher/-innen nach der vorliegenden Gesetzesänderung.

Das TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz soll nämlich nicht nur Genehmigungsverfahren beschleunigen, sondern auch die Mindestinternetbandbreite anheben und Nutzerrechte stärken, wenn man XXL-Internet bezahlt, aber nur XXS-Internet geliefert wird.

Die Mindestinternetbandbreite soll künftig 15 Mbit betragen. Das ist weniger als die Durchschnitts-Downloadgeschwindigkeit in Burkina Faso und ein Zehntel der Durchschnitts-Downloadgeschwindigkeit in Uruguay. Und es ist peinlich für Deutschland.

(Beifall bei der Linken)

Das Ampelziel „1 Gigabit für alle in 2030“ ist schon jetzt nicht erreichbar, sagt der Breitbandverband BREKO. Trotzdem werden aktuell Fördermittel für den Ausbau von Glasfaser in Höhe von 2 Milliarden Euro gestrichen, während gleichzeitig die EU Deutschland wieder für die miese digitale Infrastruktur rügt.

Bei den Minderungsrechten wird es dann richtig verrückt. Ich erkläre das mal mit einer Analogie und ein bisschen Mathe. Stellen Sie sich vor, Sie schließen ein Brötchenabo für 30 Tage ab. Sie zahlen täglich 10 Euro; der Bäcker verspricht täglich zehn Brötchen. Wären die Brötchen Ihre Mobilfunkbandbreite, müssten Sie auch dann jeden Tag 10 Euro zahlen, wenn Sie nur bei jedem zehnten Bäckerbesuch ein einziges Brötchen bekommen und bei allen anderen überhaupt keins.

Genau so soll es für Verbraucher/-innen sein, die auf dem Land Mobilfunk nutzen. Selbst wenn bei jeder zehnten Breitbandmessung gerade mal 10 Prozent Leistung gemessen werden, soll das vertragsgemäß und keine Minderung möglich sein, auch wenn alle anderen Messungen null Netz messen. Mit 90 Prozent Abschlag gibt es dann tatsächlich 0 Prozent Verbraucherschutz. So ein Unfug ist mit der Linken nicht zu machen.

(Beifall bei der Linken)

Neben Landmenschen, die für ihre Verträge übrigens keinen Landrabatt bekommen, werden auch ärmere Menschen unverhältnismäßig benachteiligt. Noch ein Rechenbeispiel: 10 Prozent von einem teuren 1 000-Mbit-Vertrag sind immer noch 100 Mbit. Aber 10 Prozent von einem sparsamen 50-Mbit-Vertrag sind nur noch 5 Mbit, und damit ist digitale Teilhabe nicht mehr möglich. Die Linke fordert deshalb Nachbesserungen.

Der Anspruch auf eine Mindestbandbreite muss auf deutlich über 15 Mbit erhöht werden. Verbraucherrechte müssen Verbraucher/-innen wirklich schützen. Und 90prozentige Abschläge sind genauso inakzeptabel wie die Ungleichbehandlung von Stadt und Land. Das muss dieser Gesetzentwurf auch sicherstellen.

(Beifall bei der Linken)

Um digitale Teilhabe wirklich zu sichern, braucht es auch einen pauschalen Schadenersatzanspruch, wenn die Mindestinternetbandbreite wiederholt unterschritten wird. 

Ohne diese Änderungen bleibt der Gesetzentwurf Murks, und er bleibt verbraucherfeindlich. 

Vielen Dank. 

Meine Frage:

„Wofür konkret wurden oder werden die 1,5 Mio. Euro Haushaltsmittel aus dem Titel 892 07-332 (Gesamtvolumen 4,5 Mio. Euro) in 2024 verausgabt, die nach Finanzierung der geplanten und bisher nicht veröffentlichten Förderrichtlinie im Umfang von 3 Mio. Euro zur Förderung von Reparaturinitiativen verfügbar sind (bitte jede Ausgabe beschreiben hinsichtlich Summe, Empfänger und Zweck), und welche konkreten Ausgaben wurden oder werden noch aus dem Haushalt 2024, Titel 686 03-332 “Förderung der Entwicklung Digitaler Lösungen für den Umweltschutz (Gesamtvolumen 2 Mio. Euro) verausgabt (bitte jede Ausgabe beschreiben hinsichtlich Summe, Empfänger und Zweck)?“

Antwort der Bundesregierung vom 06.09.2024:

„Zusätzlich zu den in der Frage genannten Förderungen befindet sich eine begleitende Maßnahme zu dem geplanten Reparaturförderprogramm in Vorbereitung, mit dem Zweck der Information und Sensibilisierung zum Thema Reparatur, um ein stärkeres Bewusstsein für eine vermehrte Reparatur von Produkten zu schaffen. Diese wird finanziert mit Haushaltsmitteln aus dem Kapitel 1601 Titel 892 07 und soll eine Laufzeit von drei Jahren haben. Die Summe im Jahr 2024 und der Empfänger können daher derzeit noch nicht benannt werden.

Aus dem Kapitel 1601 Titel 686 03 werden verschiedene Vorhaben/Projekte zur Förderung der Entwicklung digitaler Lösungen für den Umweltschutz finanziert. Für das Jahr 2024 sind (einschließlich Ausgabereste) folgende Ausgaben vorgesehen bzw. verausgabt worden:


1. Mobilwandel 2035:
Zweck: Beim Förderprogramm Mobilwandel 2035 geht es um die Unterstützung von innovativen Konzepten für eine Mobilität der Zukunft. Im Mittelpunkt stehen dabei Ansätze für eine umweltfreundliche Mobilität, die zu mehr Lebensqualität in Stadt und Land führen sollen. Einen Schwerpunkt bilden Maßnahmen mit Bezug zur Digitalisierung. Es werden im Jahr fünf Vorhaben mit 13 Zuwendungsempfangenden gefördert. Die ZUG gGmbH ist die zuständige Projektträgerin und empfängt Mittel zur Administrierung des Förderprogramms.


Empfänger:
Uni Kassel
ISME GmbH

Stadt Schwerin
Nahverkehr Schwerin GmbH
Uni Stuttgart
Storebox Dtl. GmbH
Fraunhofer Gesellschaft
Uni Stuttgart (anderes Vorhaben)
Uni Mannheim
EXXETA AG
Stadt Bredstedt
Stadt Burgwedel
TU Dortmund
ZUG gGmbH
Summe: 2.419.406 Euro

2. Community Nachhaltige Digitalisierung
Zweck: Aufbau und Ausbau der Community Nachhaltige Digitalisierung zur Förderung eines Netzwerkes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz im Bereich nachhaltige Digitalisierung (Erarbeitung von Publikationen, Workshops, Leitfaden zu Green Coding, Netzwerktreffen, Konferenz, Kontaktvermittlungen)

Empfänger: msg Systems AG
Summe: 493.931,66 Euro

3. Digitale Lösungen für den nachhaltigen Konsum in der Kreislaufwirtschaft:
Zweck: Entwicklung eines Zielbildes und eines Umsetzungsplans für digitale Lösungen für den nachhaltigen Konsum in der Kreislaufwirtschaft unter Einbeziehung eines Stakeholderdialogs

Empfänger: Ecologic Institut gGmbH (Unterauftragnehmer: IZT, GFA)
Summe: 200.000 Euro

4. Jahreskonferenz Community nachhaltige Digitalisierung

Zweck: Jahreskonferenz der Community Nachhaltige Digitalisierung; finanziert wird das Catering
Empfänger: Herr Ribisel Catering GmbH
Summe: 5.973,21 Euro“

Antwort der Bundesregierung in Original (geschwärzt):

Meine Frage:

„Berücksichtigt der kürzlich zwischen dem Beschaffungsamt des BMI und dem Unternehmen SAP geschlossene Rahmenvertrag im Volumen von knapp 700 Mio. Euro zu SAP Produkten und Dienstleistungen (siehe zum Beispiel https://news.sap.com/germany/2024/06/neue-rahmenvereinbarung-sap-digitalisierungbundesverwaltung/) ökologische Nachhaltigkeitsaspekte, zum Beispiel für die Energieeffizienz von Software oder von Cloud Dienstleistungen (siehe Leitfaden zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung von Software in der Fassung von 2023: www.umweltbundes-amt.de/publikationen/leitfaden-zur-umweltfreundlichenoeffentlichen-21 sowie die Vorgaben des Blauen Engels für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte (DE-UZ 215) https://produktinfo.blauer-engel.de/uploads/criteriafile/de/DE-UZ%20215-202001-de%20Kriterien-V4.pdf), und wenn ja, in welcher Weise, und wenn nein, wie begründet die Bundesregierung diese Abweichung von den Leitfäden und ihrem öffentlichen Commitment zur Nutzung nachhaltigerer IT im Bund, wie im Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP und in der Digitalstrategie festgehalten?“

Antwort der Bundesregierung vom 04.09.2024:

„Die Frage bezieht sich auf die Rahmenvereinbarung 21884 „Überlassung und Pflege von SAP-Software und die Bereitstellung von SAP Cloud-Services sowie Dienstleistungen“. Dabei handelt es sich um eine herstellerfestgelegte Ausschreibung, die explizit den genannten Leistungsgegenstand zum Inhalt hatte. Die in der Rahmenvereinbarung abgeschlossenen Leistungen werden von verschiedenen Behörden, darunter auch Behörden des Zivil- und Katastrophenschutzes, Sicherheitsbehörden, Infrastrukturdienstleistern benötigt, und sind für die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes der einzelnen Behörden notwendig. Die wesentlichen Bestandteile der Rahmenvereinbarung werden nur von SAP angeboten.

Die Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit konnten daher nur eingeschränkt berücksichtigt werden. Die Thematik Nachhaltigkeit wurde im Rahmen der Verhandlungen zwar besprochen. Gütezeichen konnten allerdings nur insoweit berücksichtig werden, wie sie die Produkte der Firma SAP AG ohnehin schon umfassen. Eine Auszeichnung des Blauen Engels von SAP Produkten bestand zum Zeitpunkt der Rahmenvereinbarung nicht. Bedarfsträgern und Bedarfsträgerinnen können durch ihre Abrufe aus der Rahmenvereinbarung die Nachhaltigkeit allerdings im Einzelfall fördern, indem sie z. B. IT-Dienstleistungen nachhaltig per Fernzugriff abrufen, statt einem Vor-Ort Service.“

Antwortschreiben im Original (geschwärzt):

In einer Kleinen Anfrage der Gruppe die LINKE rund um das Thema Reparaturförderung erteilt sich die Bundesregierung selbst ein Armutszeugnis und bleibt meilenweit hinter ihren Ankündigungen zurück. Reparaturgesetz oder Förderung von Reparaturinitiativen – nichts davon ist umgesetzt, zum Reparaturbonus gibt es nicht einmal Informationen.

Die Antwort der Bundesregierung im Wortlaut sowie eine genaue Analyse mit zusätzlichen Hintergrundinformationen finden sich am Ende dieses Dokuments.

Zur Antwort der Bundesregierung nimmt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag wie folgt Stellung:

Zusammenfassend:

„Die Ampel hat sich das Reparaturthema groß in den Koalitionsvertrag geschrieben, für Umweltministerin Lemke sollte es das ‚Schlüsselthema‘ ihrer Amtszeit werden, aber die Antworten auf meine Kleine Anfrage sind oberflächlich, unvollständig und zeugen sowohl von mangelndem Ehrgeiz als auch von mangelnder Fantasie, effektive Wege zu finden, die die Reparaturkultur in Deutschland in Schwung bringen. Damit ist die Chance verpasst, auf diese Weise einen wichtigen doppelten Beitrag zu leisten: den Verbrauch wertvoller Ressourcen und damit ihre negativen Klimawirkung zu verringern und gleichzeitig für Verbraucher:innen Kosten zu senken, weil Neukäufe vermieden werden können.“

Zum Reparaturgesetz / Förderung von Reparaturinitiativen

„Leider ist die Bundesregierung auch drei Jahre nach ihrer Amtszeit beim Reparaturthema kaum vorangekommen, denn der Riese im Ankündigen blieb ein Zwerg in der Umsetzung. Das Reparaturgesetz soll noch in diesem Jahr kommen, aber bisher liegt nicht mal ein Referentenentwurf vor und viele Sitzungswochen hat das Jahr nicht mehr. Die Förderung dezentraler Reparaturinitiativen fordere ich seit dem ersten Jahr der Ampelregierung in jeder Haushaltsverhandlung. Von den zwei Millionen, die es im 2023er Haushalt gab, ist am Ende kein einziger Euro geflossen, weil die Förderrichtlinie einfach nicht kam. Genau vor einem Jahr versprach die Ampel, sie käme noch und die Fördergelder erreichten die Reparaturcafés noch in 2023. Daraus wurde aber nichts und nun bekomme ich die gleiche Antwort ein Jahr später. Diesmal sollen von 4,5 Mio, die im Haushalt des BMUV für “Reparieren statt Wegwerfen” vorgesehen sind, drei Millionen Euro an Reparaturinitiativen fließen. Was mit den übrigen 1,5 Millionen Euro passiert, verschweigt die Bundesregierung ganz. Auch im Haushalt 2025 werden aktuell 4,5 Millionen Euro eingeplant. Aber was nutzt das Geld, wenn es wieder nur in der Theorie verfügbar ist?

Immer mehr Reparaturinitiativen gibt es überall in Deutschland. Gerade im ländlichen Raum gibt es oft gar keine kommerziellen Dienstleister mehr, da ist die Alternative wegwerfen und online neu bestellen. Das ist unsozial, denn es ist teuer und außerdem ist es klimaschädlich, denn gerade bei elektronischen Geräten wie Smartphones oder Tablets entfallen etwa 80 Prozent des CO2 Fußabdrucks allein auf die Herstellung. Eine durch Reparatur verlängerte Nutzungsdauer senkt daher den durchschnittlichen jährlichen CO2 Fußabdruck erheblich. Deshalb ist es so wichtig, dass diese gemeinnützigen Initiativen auch unterstützt werden vom Bund, z.B. um Werkzeuge zu beschaffen, Reparaturräumlichkeiten einzurichten oder um Weiterbildungen zu finanzieren, wie Reisekosten oder Honorare für Reparaturexpert:innen. Die vielen ehrenamtlichen Reparatur-Engagierten seit fast zwei Jahren mit Ankündigungen hinzuhalten, ist genau das falsche Signal.“

Zum Reparaturbonus

„Viele gute Beispiele aus Nachbarländern wie Frankreich und Österreich, aber auch Länderinitiativen wie in Thüringen oder Sachsen zeigen, dass ein Reparaturbonus besonders effektiv darin ist, das Reparieren zu fördern und damit Geld und Ressourcen zu sparen, denn oft ist ein Neukauf schlicht billiger, als eine Reparatur, weil entweder die Ersatzteile oder die Reparaturdienstleistungen zu teuer sind.

Ein Reparaturbonus senkt diese Kosten durch einen staatlichen Zuschuss und kann je nach Ausgestaltung einerseits das Reparieren in gemeinnützigen Repaircafés unterstützen, wenn wie in Thüringen statt 50 Prozent der Ersatzteilkosten bei kommerzieller Reparatur bei einer Reparatur im Repaircafé die kompletten Kosten für Ersatzteile übernommen werden – bis zu 100 € pro Person und Jahr. Andererseits wird aber auch das lokale Handwerk unterstützt, denn allein in Thüringen sind dadurch mehr als fünf Millionen Euro Reparaturumsätze generiert worden.

Gewonnen hat auch das Klima, denn die 30.000 geförderten thüringischen Reparaturen haben etwa 3.000 Tonnen CO2 Äquivalente und fast 400 Tonnen Elektroschrott eingespart. Das ist doch großartig und da Elektroschrott in der EU die am schnellsten wachsende Abfallart ist, müssen solche Potenziale überall in Deutschland gehoben werden! Schließlich sind wir weltweit einer der Spitzenreiter bei der Erzeugung von Elektroschrott. 

Dennoch hat die Bundesregierung auf meine Fragen zum Reparaturbonus nur Ausreden parat und keine einzige klare Antwort. Haushaltsmittel wären keine da, heißt es, und die Ampel rechnet mir sogar vor, dass das thüringische Modell für ganz Deutschland nur lächerliche 34 Millionen Euro kosten würde! Da stimmen doch offenbar die Prioritäten so gar nicht mehr in der Regierung, selbst wenn das Geld knapp ist. In 2024 hat allein das BMBF eine halbe Milliarde Euro in seinem Haushalt nur für Künstliche Intelligenz, aber 34 Millionen für einen bundesweiten Reparaturbonus, ein Fünfzehntel der KI-Förderung eines einzigen Ministeriums sind nicht machbar? Das ist doch ein Witz! Selbst die Luxusvariante eines Reparaturbonus, wo dann auch Reparaturen von Fahrrädern und Gartenmöbeln bezuschusst werden könnten, den jeder zweite Haushalt in Deutschland einmal im Jahr nutzt, würde laut Antwort der Regierung nur relativ überschaubare zwei Milliarden Euro kosten. Die Menge eingesparter Ressourcen wären dabei immens und über 20 Millionen Haushalte in Deutschland hätten einen direkten Nutzen davon. Ein Win-Win für das Klima und die Gesellschaft. 

Aber selbst wenn Christian Lindner meint, für Reparaturboni gäbe es von ihm kein Geld im Haushalt, gibt es sogar Alternativen, die ohne Haushaltsmittel auskommen, wie Frankreich uns vormacht, z.B. über einen herstellerfinanzierten Reparaturbonus, der eine haushaltsunabhängige dauerhafte Finanzierung sicherstellt, weil er aus Zahlungen der Hersteller für jedes verkaufte Produkt finanziert wird, die je nach Nachhaltigkeit des Produktes höher oder niedriger sein können, also sogar noch eine zusätzliche Lenkungswirkung entfalten. Selbst auf meine konkrete Frage nach der Haltung der Bundesregierung zu diesem Modell kommt nur ein allgemeines ‚wir prüfen verschiedene Konzepte‘ und das finde ich ist ein Jahr vor dem Ende der Legislatur einfach entschieden zu spät und entschieden zu wenig.“

Links

Zum Dritten Mal nach 2022 und 2023 befragte die Gruppe DIE LINKE im Bundestag die Bundesregierung nach dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bund und zur Förderung von KI. Aus der Antwort der Ampel zur diesjährigen Kleinen Anfrage ergibt sich ein starker Zuwachs der KI-Anwendungen sowie immense verfügbare finanzielle Mittel in Höhe von über 2,5 Milliarden Euro für KI-Vorhaben bei gleichzeitig fehlenden Supportstrukturen, mangelnden Kompetenzen, Standards und verbindlichen Prozessen, obwohl alles dies seit Jahren angekündigt wurde. Auch Ankündigungen der Ampel zur Nachhaltigkeit beim Einsatz von KI wurden flächendeckend nicht eingehalten.

Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Gruppe DIE LINKE im Bundestag:

Weiterlesen

Meine Frage:

„Wann ist nach derzeitigem Sachstand mit der Einführung eines Reparaturbonus,
einer Förderrichtlinie für ein Recht auf Reparatur sowie einem Reparaturgesetz
zu rechnen, und welche Haushaltsmittel stehen für damit verbundene
Aufwände 2024 jeweils zur Verfügung?“

Antwort der Bundesregierung:

„Ein Programm zur Förderung von Reparatur-Initiativen und Selbsthilfe-
Werkstätten zur Unterstützung von Reparaturmaßnahmen (RRL) soll im
Jahr 2024 gestartet werden. Ein darüber hinaus gehender Reparaturbonus ist
auf Bundesebene derzeit nicht geplant. In den Haushalt sind für 2024 bei Kapitel 1601 Titel 892 07 „Reparieren
statt Wegwerfen“ Mittel in Höhe von 4,5 Mio. Euro eingestellt.
Ein Entwurf eines Reparatur-Gesetzes wird derzeit entwickelt und soll ebenfalls
in diesem Jahr vorgelegt werden.“

Antwortschreiben um Original (geschwärzt):

Zusammenfassung:
Harte Themen gab es im Digitalausschuss vom 24.4.24: Verteidigungsminister Pistorius war mit mehreren Generälen präsent und stellte sich unseren Fragen zu KI, Drohnen, Cloud und hybride Bedrohung, natürlich ging es auch um den Ukraine-Krieg und digitale Kriegsführung – von Kamikaze-Drohnen bis Satelliten-Konnektivität. Ethisch alles nicht so einfach. Wir haben außerdem Microsoft vorgeladen und nebst BSI und BMI zu den jüngsten 3 Hackerangriffen befragt: Erkenntnisse, Folgen, Sicherheitsrisiken und Konsequenzen für die digitale Souveränit des Bundes. Kürzer gehts ums dritte Thema: Umsetzung der KI-Verordnung. Bonusthema diesmal: der Girlsday! Ich hatte 8 Mädels zu Gast, die im Podcast kurz zu Wort kommen.

Kapitelmarken:
00:00:07 Intro
00:01:18 Girls Day
00:04:16 Pistorius: Meine u seine Intro
00:12:19 Pistorius: Sicherheitslücken, Graubereiche, Hackback
00:20:47 Pistorius: Konnektivität, Ukraine-Krieg, KI
00:27:47 Pistorius: Cloud, WebEx Leak, Nachhaltigkeit, Fazit
00:33:04 Hackerangriffe auf Microsoft: Intro – 3 Fälle
00:44:36 MSFT Hacks: BSI, BMI – Betroffenheit, Konsequenzen
00:47:43 MSFT Hacks: Sicherheit souveräner Clouds, Rahmenverträge
00:54:51 KI-Verordnung – next Steps dt. Umsetzung
00:57:03 Outro

Weiterführende Links:

Rede zur internationalen Digitalpolitik vom 25.04.24

GirlsDay

Verteidigungsmininister Pistorius u Digitalisierung im Militär

Microsoft-Gate

KI-Verordnung – AI Act

Mehr von mir und Feedback von euch zu #DerADBPodcast:


Meine Frage:

„Welche Förderprogramme der Bundesregierung zu Open-Source-Software gab oder gibt es seit Beginn der 20. Wahlperiode (bitte tabellarisch nach Jahr und abgeflossenen Haushaltsmitteln für beendete Vorhaben sowie verfügbares Gesamtbudget für in 2024 noch fortlaufende oder beginnende Programme auflisten), und mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung den niedrigen Anteil an Open Source Software in der Bundesverwaltung (vgl. www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/it-open-source-bundesregierung-kleine-anfrage-100.html) bei Softwareentwicklungsprojekten (z. B. 0,5 % beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr) und bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit Open-Source-Software substanziell erhöhen, um ihr Koalitionsversprechen, aber auch die Digitalstrategie hinsichtlich der Erhöhung des Anteils von Open-Source-Software, umzusetzen?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathof:

„In der Bundesregierung werden verschiedene Förderprogramme zu Open-Source-Software umgesetzt. Eine entsprechende Übersicht kann der beigefügten Tabelle (siehe Anlage) entnommen werden. Zudem werden seitens der Bundesregierung aktuell verschiedene Maßnahmen vorangetrieben, um die Nutzung von Open-Source-Software weiter zu forcieren. Eine zentrale Maßnahme zur Stärkung der digitalen Souveränität und zur Förderung von Open Source innerhalb der Öffentlichen Verwaltung ist das Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS), das am 14. Dezember 2022 gegründet worden ist. Es wurde zunächst als Einrichtung für die Bundesverwaltung eingerichtet, perspektivisch werden die Länder hinzukommen. ZenDiS bündelt Anwendungen auf Open-Source Basis und macht sie damit für Bund und Länder zentral über die Open Source Plattform Open CoDE zugänglich.
Zudem enthält das Gesetz zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften zur Digitalisierung der Verwaltung (OZG-Änderungsgesetz – OZGÄndG), das am 23. Februar 2024 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde und derzeit im Bundesrat beraten wird, zwei Regelungen zur Stärkung der digitalen Souveränität im Sinne der Fragestellung:

  • Gemäß § 16a E-Government-Gesetz neu (EGovG) sollen die Behörden des
    Bundes offene Standards nutzen und bei neu anzuschaffender Software O-
    pen-Source-Software vorrangig vor solcher Software beschaffen, deren Quell-
    code nicht öffentlich zugänglich ist oder deren Lizenz die Verwendung, Weiter-
    gabe und Veränderung einschränkt. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des
    OZGÄndG sollen die Behörden des Bundes offene Standards nutzen und vor-
    rangig Software mit offenem Quellcode einsetzen. Wird eine genutzte Soft-
    ware weiterentwickelt, so ist der weiterentwickelte Quellcode unter eine geeig-
    nete Software- und Open-Source-Lizenz zu stellen und zu veröffentlichen, so-
    weit der Veröffentlichung keine zwingenden sicherheitsrelevanten Gründe ent-
    gegenstehen und dies lizenzrechtlich zulässig ist. Die Software soll als Refe-
    renzimplementierung veröffentlicht werden.
  • § 4 Onlinezugangsgesetz neu (OZG) enthält eine Rechtsverordnungsermäch-
    tigung, wonach die Bundesregierung für die elektronische Abwicklung von
    Verwaltungsverfahren, die der Durchführung unmittelbar geltender Rechtsakte
    der Europäischen Union, für die dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zu-
    steht, oder der Ausführung von Bundesgesetzen dient, die Verwendung be-
    stimmter IT-Komponenten im Benehmen mit dem IT-Planungsrat verbindlich
    vorgeben kann. Bei der Bereitstellung dieser IT-Komponenten sollen offene
    Standards und offene Schnittstellen verwendet werden. Zudem soll auch hier
    Open-Source-Software soll vorrangig vor solcher Software eingesetzt werden,
    deren Quellcode nicht öffentlich zugänglich ist oder deren Lizenz die Verwen-
    dung, Weitergabe und Veränderung einschränkt.

Als Maßnahmen, die über die Regelungen zur vorrangigen Beschaffung von Open Source Software hinaus dazu beitragen können, den Anteil an Open Source Software in der Bundesverwaltung zu erhöhen, sind neben den genannten Aktivitäten insbesondere Leistungen zur Migrationsunterstützung zu nennen, die eine Hinführung auf offene Standards oder zu Open-Source-Datenbanken als zentralen Ansatz verfolgen.“

Antwortschreiben im Original (geschwärzt):