Bild: Marco Verch, „Fokus auf Kaffeetasse“, CC-BY 2.0

Im November stellte ich gemeinsam mit meiner Kollegin Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Thema „Digitale Gewalt gegen Frauen„, weil ich wissen wollte, wie sie damit umgeht, dass immer mehr Fälle häuslicher Gewalt auch im digitalen Raum stattfinden. Frauen werden erpresst, bedroht oder überwacht, z. B. durch unsichtbare Apps auf dem Handy, Stalking per Messenger oder das Veröffentlichen von intimen Fotos im Internet. Weiterlesen

In 20 Jahren, träumte Wirtschaftsminister Altmaier auf dem Digitalgipfel Anfang dieser Woche, wird er abends im Sessel sitzend seinen Hausroboter
ein Bier holen schicken. Die geschätzt 85 Prozent Männer im großen Saal der Nürnberger Messe lachten. Wenn ihre Frauen keinen Bock haben, ihnen ein Bierchen zu bringen, ist so ein Roboter ein schöner Ausblick in die Zukunft. Dieses Jahr widmete sich der Gipfel der „künstlichen Intelligenz“.

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Foto: Jeanette Tittel, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode

Seit fast 20 Jahren finden immer am 25. November Aktionen statt, um auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Seinen Ursprung hat dieser „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ in der Dominikanischen Republik. Am 25. November 1960 wurden die drei Schwestern Mirabal wegen ihrer politischen Aktivitäten gegen die Diktatur nach monatelanger Folter getötet.

Auch heute kämpfen wir gegen Gewalt, die Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen begegnet, im privaten Raum, bei der Arbeit oder auch im Internet. Im vergangenen Jahr wurden 147 Frauen von ihrem (Ex-)Partner getötet, 224 Frauen überlebten solche Tötungsversuche. Jeden Tag versucht also ein Mann, seine (Ex-)Partnerin zu töten, alle zweieinhalb Tage erreicht er sein tödliches Ziel. In den Medien werden diese Morde dann meist Tatsachen verdrehend als Beziehungsdrama bezeichnet.

Im Land Brandenburg lag die Zahl der gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt im Jahr 2017 bei 4254, bundesweit wurden 140.000 Menschen Opfer häuslicher Gewalt, 82 Prozent waren Frauen. Es gibt in Deutschland zu wenig Plätze in Frauenhäusern, auch das Frauenhaus in Brandenburg an der Havel, kann kaum noch Frauen (und Kinder) aufnehmen. Über die Ausfinanzierung müssen sich dringend alle politischen Ebenen einigen.

Auch wenn Gewalt gegen Frauen am häufigsten im privaten Raum stattfindet und nicht, wie oft angenommen, auf dunkler Straße und durch Fremde, gibt es sichere Räume praktisch nicht, was die Bewegungsfreiheit von Frauen einschränkt, denn fast jede meidet bestimmte Orte, weil sie sie für Frauen gefährlich findet. Angesichts vielfältiger Kleidungs- und Verhaltenstipps für Frauen muss jedoch deutlich gesagt werden: verantwortlich für Gewalt sind Täter, nicht Opfer.

Mich schockiert auch, wie wenig ernst Gewalt gegen Frauen im Internet genommen wird. Die Polizei kennt sich z. B. nur äußerst selten mit den Möglichkeiten für digitales Stalking durch unsichtbare Apps auf dem Handy aus. Wenn Frauen aber dadurch jederzeit geortet werden können, steigt ihr Risiko, Opfer physischer Gewalt zu werden. Auch mit Beleidigungen bis hin zur Androhung von Vergewaltigung, Misshandlungen und Mord  werden Frauen zunehmend im Netz konfrontiert. Auch ich habe Hassnachrichten erhalten, wurde beleidigt und bedroht. Ich habe manches bei der Polizei angezeigt, aber noch nie endete ein Fall vor Gericht. Polizei und Justiz fehlen die fachliche Kompetenz und die personellen Kapazitäten, um sich angemessen um diese Rechtsbrüche zu kümmern. Vielen fehlt selbst das grundlegendste Verständnis. Das voriges Jahr in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bringt hier nur wenig Abhilfe. Es führt bestenfalls zur Löschung von Hassnachrichten, aber nicht zur Strafverfolgung. Und die Entscheidung, ob überhaupt gelöscht wird, liegt im Ermessen von Großkonzernen wie Facebook oder Twitter. Hassnachrichten über Messengerdienste sind überhaupt nicht vom NetzDG erfasst.

Digitale Gewalt ist jedoch mehr als Hassnachrichten, dazu zählt auch das Veröffentlichen persönlicher Informationen im Netz, wie Adresse oder Telefonnummer, Identitätsmissbrauch z. B. durch Anlegen gefälschter Profile auf Pornoseiten, oder der Versand intimer Fotos an den Arbeitgeber. Solche Taten wirken in das Leben der Betroffenen hinein. Die Bundesregierung bleibt jedoch weitgehend untätig, was die Untersuchung dieser Problematik und vor allem ihre Bekämpfung angeht, sie lässt die Opfer allein.

In einer Kleinen Anfrage zum Thema „Digitale Gewalt gegen Frauen“ (Drucksache 19/5743) fordere ich daher von der Bundesregierung Fakten und Informationen zu konkreten Maßnahmen, wie sie das Ausmaß digitaler Gewalt erfasst und wie sie gegen digitale Gewalt vorgeht. Zu beidem hat sie sich mit Ratifizierung der Istanbul Konvention verpflichtet.  Das Internet muss ein Raum sein, in dem sich Menschen frei bewegen können, ohne Angst vor jedweder Form von Gewalt. Staatliche Behörden müssen das Thema endlich ernst nehmen, Polizist*innen und Strafverfolgungsbeamte weiterbilden und eine zeitgemäße IT-Ausstattung erhalten. Es wird Zeit, dass die Polizei bei Fällen digitaler Gewalt konsequent Ermittlungen aufnimmt und die Justiz Recht auch durchsetzt. Online-Aktionen wie #metoo oder #keinemehr bleiben wichtig, um Aufmerksamkeit auf das Ausmaß digitaler Gewalt zu lenken. Als Feministin, Netzaktivistin und als persönlich Betroffene, ist mir das Thema besonders wichtig, ich bin deshalb sehr gespannt auf die Antworten der Regierung.

Update:

„Sprachgewalt. Frauen im Netz“ | Feministische Sommeruni 2018

Das Netz ermöglicht kollaborative Wissensprojekte wie Wikipedia, bringt aber auch Mechanismen sprachlicher Gewalt zutage, die eine echte Gefahr für Meinungsfreiheit und Vielfalt im Netz bedeuten. Die Herrschafts- und Machtstrukturen der analogen Welt wirken auch im Netz. Der Umgang mit ihnen erfordert jedoch medienspezifische feministische und antirassistische Strategien. Was brauchen wir, um die Vision von mehr Teilhabe, Gerechtigkeit und Repräsentation aller Menschen im Netz zu verwirklichen? Diese Frage habe ich bei der Feministischen Sommeruni zusammen mit Tarik Tesfu, Anatol Stefanowitsch und Christina Dinar diskutiert, moderiert wurde die Veranstaltung von Stefanie Lohaus.

Foto: k_tjaaa, CC BY 4.0

Am 16. März debattierte der Bundestag über den Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Durchsetzung von Equal Pay – also der Beendigung von Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts, den ich besonders gern mitgezeichnet habe. Dieses Jahr ist der Equal Pay Day am 18. März, aber das ist jedes Jahr anders – warum? Equal Pay Day ist der Tag im Jahr, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden. Weil sich die konkreten Zahlen jedes Jahr ein bisschen ändern, ist der Equal Pay Day kein fester Tag im Kalender, sondern liegt mal etwas früher, mal später. Dieses Jahr ist es so, dass Frauen – gemessen am durchschnittlichen Bruttostundenlohn – in Deutschland 21 Prozent weniger verdienen.

Trotz aller schönen Reden hat sich diese Situation in den letzten zehn Jahren – und solange gibt es den Equal Pay Day schon – nicht viel geändert. Vor kurzem ergab eine neue IAB Studie, dass zumindest Vollzeit arbeitende Frauen nicht überall weniger verdienen. In Ostdeutschland gibt es sogar Regionen, in denen es andersherum ist (in Cottbus verdienen Frauen statistisch sogar 17% mehr als Männer). Das liegt aber nicht daran, dass Frauen in Ostdeutschland besser als im Westen bezahlt würden: Das werden sie nicht. Die Durchschnittseinkommen von vollzeitarbeitenden Frauen sind in Ost- und Westdeutschland ähnlich. Der Grund für den Unterschied bei den Männern ist offensichtlich, dass es in Ostdeutschland viel weniger (noch höher bezahlte) Industriearbeitsplätze gibt.

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Bild: feminist-Weiberzeichen-Faust, CC0

Diese Studie kommt jedoch auch gesamtdeutsch nur auf einen Gehaltsunterschied von 14%, weil sie eben nur Vollzeitarbeitende erfaßte. Fakt ist nämlich, dass fast 40% aller erwerbstätigen Frauen in Deutschland Teilzeit arbeiten und komischerweise  der geschlechtsabhängige Gehaltsunterschied für eine in Teilzeit gearbeitete Stunde höher ist, als für eine Stunde in Vollzeit. Für den Durchschnitt aller Frauen ist daher der Gehaltsunterschied höher und liegt bei den erwähnten 21%. Im Vergleich zu den anderen Ländern in Europa liegt Deutschland damit weit hinten. Nur Tschechien und Estland sind noch schlechter. Das ist natürlich völlig inakzeptabel für eins der reichsten Länder der Welt, das zudem gern für sich in Anspruch nimmt, ein besonders fortschrittliches Land zu sein. Tatsächlich scheint es manchmal so, als hätten wir das 18. Jahrhundert gerade erst hinter uns gelassen. Auch die aktuelle Auseinandersetzung um den Paragraph 219a, der das seit der Nazizeit bestehende Verbot der Information über Schwangerschaftsabbrüche beschreibt, ist dafür ein Beispiel, denn er bestraft Frauenärzt*innen, die auf ihrer Website darüber informieren, dass sie solche Eingriffe vornehmen und beschränkt damit die Chancen von Frauen, diese Informationen im Internet finden zu können. Die SPD ruderte diese Woche leider zurück und wollte ihren eigenen, einstimmig beschlossenen Antrag auf Aufhebung des Paragraphen 219a nicht mehr einbringen. Unser Antrag ist zwar auch noch da, aber die SPD hat den Schwanz eingekniffen und wird nicht mehr dafür stimmen. Die eigentlich vorhandene Parlamentsmehrheit ist damit perdu. Die GroKo fängt schlecht an für Frauenrechte.

Aber zurück zum Gehaltsunterschied: Das Problem der ungleichen Entlohnung von Frauen und Männern ist noch viel größer als die 21% Unterschied im Bruttostundenlohn. Das liegt auch an spezifischen Gründen für die ungleiche Bezahlung, wie  verschiedene Rollenzuweisungen. So leisten Frauen im Durchschnitt jeden Tag 87 Minuten mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer – das sind über 50 Prozent mehr Zeitaufwand, Zeit, die ihnen für Anderes fehlt. Auch dehalb arbeiten Frauen viel häufiger in Teilzeit und verdienen entsprechend weniger pro Monat – weil sich der niedrigere Stundenlohn mit einer niedrigeren Stundenanzahl multipliziert.

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Dazu kommt, dass Frauen viel häufiger in Berufen im reproduktiven Bereich arbeiten, also auch hier: soziale Arbeit, haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheit, Pflege, Erziehung. Diese Berufe werden durch die Bank schlechter bezahlt als ,typische Männerberufe’, als wäre Kindererziehung weniger Wert als die Aufgabe eines Maschinenwärters – gleichWERTIGE Arbeit wird schlicht nicht gleich bezahlt. Durch diese Effekte ist der Unterschied des durchschnittlichen Monatseinkommens von Frauen noch viel höher, als die häufiger zitierten 21% Lohnlücke im Bruttostundenlohn. Die langfristige Folge am Ende eines Arbeitslebens ist dann notwendigerweise auch ein Unterschied bei den Renten und Pensionen und der beträgt sogar  46%, Männer haben also derzeit im Alter fast doppelt so viel Geld zur Verfügung als Frauen! Diese lebenslange Benachteiligung von Frauen, die in höherer Altersarmut gipfelt, dürfen wir nicht hinnehmen. Ich setze mich deshalb nicht nur am Equal Pay Day für faire Bezahlung ein, sondern jeden Tag. Wir brauchen endlich gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit! Unser Antrag im Bundestag soll dazu beitragen.

15.03.18 – Antrag – Drucksache Nr. 19/1005

Dass das geltende Recht „Gleiches Geld für gleiche und gleichwertige Arbeit“ bis heute nicht durchgesetzt wurde, ist nicht hinnehmbar. Das Entgelttransparenzgesetz von 2017 wird der überfälligen gesellschaftlichen Aufgabe, Lohndiskriminierung zügig zu beenden, nicht gerecht. Ein wirksames Entgeltgleichheitsgesetz muss betriebliche Prüfverfahren verbindlich einführen, Auskunftspflichten für alle Betriebe vorsehen und geeignete Sanktionsmechanismen mitbringen. (zum PDF)

Foto: Ralf Wunderlich, CC BY-ND 4.0

„Mauern einreißen!“ so lautet der Titel des 2014 erschienenen Buches von Anke Domscheit-Berg. Darin beschreibt sie u.a. ihre Erfahrungen mit der Unfreiheit als Studentin in der DDR, aber auch die Wirkung sogenannter „gläsernen Decken“ für Frauen in der Wirtschaft. Aus Anlass des Internationalen Frauentages lud der Kreisverband der LINKEN Oberhavel die Bundestagsabgeordnete am 10. März 2018 zu einer Lesung nach Mühlenbeck ein, der etwa 40 Besucherinnen und Besucher beiwohnten.

Mauern in der DDR

Als erstes las Frau Domscheit-Berg eine Passage über ihre Studienzeit Ende der 1980er Jahre in der DDR vor. „Vertraulichkeit war ein seltenes Gut in der DDR“, alles war auf kollektives Handeln ausgerichtet. Am Abend des 9. November 1989 hörte sie Radio während sie an einer Studienarbeit saß. Dort hieß es, dass der freie Grenzübertritt von nun an möglich sei. Eine Stunde später nahm sie die gleiche Nachrichtenmeldung auf Kassette auf. „Ich wollte einen Beweis dafür, dass die DDR-Nachrichten wirklich von freiem Grenzübertritt für jeden DDR-Bürger gesprochen hatten – nur falls es später mal als Versehen deklariert worden wäre“, so Domscheit-Berg. Für sie war klar, dass die Reisefreiheit großartig war, aber gleichzeitig auch das Aus für die große Vision eines demokratischen Sozialismus, da die politischen Bürgerbewegungen und Demonstrationen in den Monaten zuvor zum Stillstand kommen würden. Am 11.11.89 passierte sie gemeinsam mit ihren Eltern das erste mal die Mauer nach West-Berlin. Alle waren gut gelaunt und freundlich zu einander. Ein Gefühl des Zusammengehörens lag in der Luft. Dieses Erlebnis prägt die Autorin bis heute und dient ihr als Energiequelle: „Uns sperrt nie wieder einer ein! Dieses Gefühl plötzlich unbegrenzter Freiheit habe ich in mir bewahrt.“

Im Abschnitt „Lachen war systemgefährdend“ gibt Domscheit-Berg ein Beispiel zu den kleinen Schikanen, mit denen sich DDR-Bürger in ihrem Leben arrangieren mussten. Sie erlebte dies selbst im Studium, als sie ausgerechnet im Fach „Politische Ökonomie“ einen Lachanfall bekam, weil man durch die Hose des Lehrers den Abdruck seines Gemächts sehen konnte und dies für eine 19-jährige Studentin einen belustigenden Anblick bot. Der Lehrer empfand dies als Sabotage und verwies sie zeitweilig des Raumes. Als sie nach ihrer Rückkehr wieder zu Lachen anfing, hatte dies ernsthafte Konsequenzen. Der Lehrer bat sie heraus und machte ihr klar, dass solch ein Benehmen im Fach „Pol-Ök“ einem Akt der Sabotage politischer Bildung gleichkäme und er dafür sorgen werde, dass sie im Wiederholungsfall einen Schul-Rausschmiss wegen politischen Fehlverhaltens erhält. Diese Drohung machte der Autorin wirklich viel Angst.

Über einen sehr ermutigenden Moment schreibt die Autorin im Zusammenhang mit dem Ausreiseantrag ihrer Studienfreundin, die zu ihrem Mann in den Westen wollte. Im Sommer 1989 musste sie mehrmals vor einem kleinen, grauen Sachbearbeiter für Ausreisewillige vorsprechen, der seine Allmacht genoss und über Gefängnis oder Ausreise mit nur einem Federstrich entscheiden konnte. Im November gab sie dort ihren Ausweis ab um Übergangszertifikate für die Ausreise in die BRD zu erhalten. Als kurze Zeit später die Mauer fiel, war sie wieder im Büro des Sachbearbeiters um ihren Ausweis einzufordern. „Aus dem Schreckensmann war der Ohnmächtige geworden, ein kleiner und grauer Sachbearbeiter, der die Welt nicht mehr verstand und vor dem keiner mehr Angst hatte.“ Dieses Erlebnis ihrer Studienfreundin macht der Autorin immer wieder Mut: „Jeder, der Macht hat, kann sie auch wieder verlieren. Verhältnisse können sich umkehren.“

Alltägliche Grenzen für Frauen in der Wirtschaft

Als Führungskraft im Westen machte Anke Domscheit-Berg ganz eigene Erfahrungen mit Mauern im Wirtschaftsleben. „Erfolgreiche Frauen sind unsexy. Je erfolgreicher eine Frau im Beruf ist, desto unattraktiver wird sie. Bei Männern ist das genau umgekehrt.“ Diese Erscheinung macht Domscheit-Berg anhand ihres Versuchs deutlich über Online-Partnerbörsen einen Mann kennenzulernen. „Das Interesse der Männer schwand mit dem Augenblick als sie erfuhren, dass man selbst eine höhere berufliche Position einnimmt oder dass man sehr erfolgreich ist.“ Diese Erfahrung haben auch drei Bekannte der Autorin gemacht, so dass sie fortan begannen ihre Profile auf den Online-Plattformen „herunterzustufen“ um mehr Kontaktanfragen zu erhalten. Eine Professorin schrieb dann z.B., dass sie „an der Universität“ arbeite. Die schwierige Suche nach einem Partner, der die eigenen beruflichen Erfolge schätzt und anerkennt, sei wohl ein Grund dafür, dass Frauen in Führungspositionen oft keine Familie gründen und so noch mehr den Stempel der „karrieregeilen Emanze“ aufgedrückt bekommen.

Ganz anders war das Thema der Berufstätigkeit der Frauen in der DDR. Dort war die Gleichberechtigung viel weiter als in der heutigen Bundesrepublik. Zwar blieb die Haushaltsarbeit oft bei den berufstätigen Frauen hängen, es gab aber mit dem monatlichen „Haushaltstag“ immerhin eine kleine staatliche Anerkennung dafür. Das Kinderspielzeug wurde nach Altersgruppen und nicht nach Geschlecht unterteilt. So war es ganz normal, dass Frauen Kranführerinnen werden konnten und auf der Packung des Bausatzes „Der kleine Schwachstromelektriker“ ein Mädchen abgebildet war. Den Spruch „ein Mädchen macht so was nicht“ gab es in der DDR nicht. Generell standen Mädchen alle Berufszweige offen. „Für mich waren die Erfahrungen, die ich im Produktionspraktikum in einem Landwirtschaftsmaschinenbetrieb während der Schulzeit gemacht habe, eine wichtige Erfahrung für mein Leben. Heute hört man immer wieder, dass Frauen nicht für technische Fächer geeignet sind. Diese Stereotypen sind durch die Erfahrungen in der DDR vollkommen überholt,“ so Domscheit-Berg.

Staatliche Überwachung früher und heute

Ein weiteres wichtiges Thema für die politische Arbeit von Anke Domscheit-Berg ist der Kampf gegen staatliche Überwachung und der Einsatz für Freiheitsrechte der Bügerinnen und Bürger. „Der Staat traut dem Bürger nicht, so war das früher in Ost und West“. Auch wenn die staatliche Überwachung in der DDR in einem vielfach größeren Maße geschah, so wurden auch Briefe und Telefonate aus der DDR in Westdeutschland mitgelesen oder vernichtet. Von den heutigen Möglichkeiten staatlicher Überwachung hätte die Stasi nicht mal träumen können. Grundlage dafür ist das G10-Gesetz, das es den Sicherheitsbehörden erlaubt Telekommunikation im großen Stil und automatisiert auszuforschen. So werden Millionen von E-Mails mitgelesen, wenn sie „gängige Begriffe“, die die Sicherheitsbehörden in Listen zusammenstellen enthalten, auch wenn dadurch jährlich nur etwa 200 Hinweise auf Straftaten gefunden werden können. Das G10-Gesetz erlaubt auch den Austausch von Daten mit ausländischen Geheimdiensten, so dass dadurch der Schutz der eigenen Bevölkerung vor den Aktivitäten des jeweiligen Geheimdienstes umgangen werden kann. „Wenn ich aufgrund der Gesetzeslage meine eigenen Bürgerinnen und Bürger nicht selbst überwachen kann, so lass ich es eben von einem ausländischen Geheimdienst machen. Als Gegenleistung werden dann Ausländer vom deutschen Geheimdienst ausspioniert, der nicht den gesetzlichen Beschränkungen im Ausland unterliegt,“ so Domscheit-Berg.

Die Ausweitung der Überwachung wird mit der Terrorabwehr begründet. Dabei werden nur 0,2% der Europäer in ihrem Leben Opfer einer Gewalttat. 9 von 10 Menschen sterben dagegen an der Folge einer „Zivilisationskrankheit“, wie Diabetes, falscher Ernährung oder durch Umwelteinwirkungen. Statt mehr Überwachung bräuchte es eher einer Ausweitung der Verkehrssicherheit, psychosozialer Beratung oder einer besseren Arbeitsmarktintegration bisher ausgegrenzter Gruppen. Das Verhältnis von Staat und Bürger zeichnet sich mehr und mehr durch gegenseitiges Misstrauen aus. Ein Ausdruck davon ist auch die wachsende Zustimmung für die AfD. „Wenn diese Partei mal an die Macht kommen sollte und den Zugriff auf den Überwachungsapparat erhält, dann droht ein Faschismus 4.0 mit bisher ungeahnten Folgen,“ mahnt Domscheit-Berg.

Ungleiche Chancen und Digitalisierung

In der anschließenden Diskussion wurden nochmals die Themen der Lesung aufgegriffen. Domscheit-Berg berichtete aus ihrer Arbeit als neu gewählte Abgeordnete in einem Parlament mit nur 30-prozentigem Frauenanteil. „Im Bundestag entscheiden nun zu 70 Prozent Männer über Körper, Sexualität und Bekleidung von Frauen. Das wird bei den aktuellen Debatten über Schwangerschaftsabbrüche, Paragraf § 219a StGB oder das Tragen von Kopftüchern deutlich. Der Frauenanteil ist auf dem tiefsten Stand seit den 1990er Jahren.“

Auch hat die Wiedervereinigung noch immer keine Gleichstellung zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen gebracht. „Die Wiedervereinigung war vor allem ein Karrieresprungbrett für Westdeutsche im Osten, die die freigewordenen Führungspositionen besetzt haben,“ so Domscheit-Berg. Heute befinden sich nur auf etwa 1-2% aller Führungspositionen Ostdeutsche. Auch sind die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung zu unterschiedlich, obwohl es dafür keine vernünftigen Gründe mehr gibt.

Sorgen macht Domscheit-Berg die fehlende Beschäftigung der Politik mit den Herausforderungen der Digitalisierung. Vor allem die heute weitverbreiteten Dienstleistungsjobs werden zukünftig immer stärker durch Maschinen ersetzt. „Dies ist auch eine Gefahr für unseren Sozialstaat. Eine Maschine zahlt keine Einkommenssteuer oder Sozialversicherungsbeiträge. Wir müssen deswegen über Alternativen, wie eine Wertschöpfungssteuer oder ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutieren.“

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Vermittlung des Umgangs mit digitalen Medien und Geräten. „Mein Mann und ich fördern die Verbreitung des Bausatzes Calliope Mini in Schulen. Damit können Schülerinnen und Schüler ab der dritten Klasse spielerisch das Programmieren lernen und erhalten so einen ganz neuen Zugang zur digitalen Welt. All meine Einnahmen, die ich aus Nebentätigkeiten erhalte, spende ich deshalb für die Anschaffung von Klassensätzen dieser Geräte.“ In Zeiten, wo jeder von Smartphones und Computern umgeben ist, sei es sehr wichtig zu wissen, wie solche Geräte funktionieren auch um als Mensch die Hoheit über die Maschinen zu behalten. Auch das einreißen dieser Wissensmauer liegt Anke Domscheit-Berg sehr am Herzen.

28.02.18 – Antrag – Drucksache Nr. 19/962

100 Jahre nach Erkämpfung des Frauenwahlrechts gleicht die Geschlechtergleichstellung immer noch dem sprichwörtlichen Ritt auf der Schnecke – dabei verlangt das Grundgesetz aktive Maßnahmen des Staates für deren tatsächliche Durchsetzung. Zur Erfüllung dieses Verfassungsauftrags und zur Stärkung der repräsentativen Demokratie sind gesetzliche Maßnahmen überfällig, die die politische Teilhabe von Frauen stärken und den Frauenanteil im Deutschen Bundestag erhöhen. (zum PDF)

23.11.17 – Gesetzentwurf – Drucksache Nr. 19/93

Schwangerschaftsabbrüche sind zwar rechtswidrig, aber unter Bedingungen straffrei. Dennoch besteht ein Verbot für das Werben und Anbieten. AbtreibungsgegnerInnen nutzen diese widersprüchliche Rechtslage, um die Rechtswidrigkeit in den Vordergrund zu stellen. Am 24.11. steht deshalb eine Gynäkologin vor Gericht, die Schwangerschaftsabbrüche in ihrem Leistungskatalog aufführte. Notwendig ist deshalb, eine gesetzliche Klarstellung und die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Frauen. (zum PDF)