Beiträge

Zum Dritten Mal nach 2022 und 2023 befragte die Gruppe DIE LINKE im Bundestag die Bundesregierung nach dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bund und zur Förderung von KI. Aus der Antwort der Ampel zur diesjährigen Kleinen Anfrage ergibt sich ein starker Zuwachs der KI-Anwendungen sowie immense verfügbare finanzielle Mittel in Höhe von über 2,5 Milliarden Euro für KI-Vorhaben bei gleichzeitig fehlenden Supportstrukturen, mangelnden Kompetenzen, Standards und verbindlichen Prozessen, obwohl alles dies seit Jahren angekündigt wurde. Auch Ankündigungen der Ampel zur Nachhaltigkeit beim Einsatz von KI wurden flächendeckend nicht eingehalten.

Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Gruppe DIE LINKE im Bundestag:

Weiterlesen

In 2023 machte die Unternehmensübernahme von VMWare durch Broadcom Schlagzeilen, da VMWare Produkte u.a. bei sogenannten Virtualisierungen und Clouddiensten den Markt dominieren und Broadcom bei früheren Übernahmen durch radikale Veränderungen von Lizenzmodellen und Preisstrukturen zu Lasten der Kunden auffiel und dabei vorhandene Abhängigkeiten gnadenlos ausnutzte. Auch die Bundes-IT hängt stark von VMWare Produkten ab und ist potenziell erheblichen Preiserhöhungen unterworfen. Trotzdem vergab der Bund noch im Herbst 2023 Rahmenverträge im Volumen von 600 Mio Euro für VMWare-Produkte. Eine Kleine Anfrage der Gruppe DIE LINKE im Bundestag deckte auf, dass die Bundesregierung nicht einmal eine Risikobewertung vorgenommen hat, dass die Abhängigkeiten wie vermutet enorm sind, dabei Detailinformationen wegen potenzieller Staatswohlgefährdung eingestuft wurden, einschließlich der Folgekosten für den Bund.

Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag:

„Die Bundesregierung verspricht immer wieder mehr Digitale Souveränität, aber tut weiterhin viel zu wenig, um dieses Versprechen in die Realität umzusetzen. Das rächt sich auch im Fall der einseitigen Abhängigkeit von VMWare-Produkten, für die allein von Nov. 2019 bis Mai 2024 Lizenzen im Wert von 460 Mio € vom Bund bezogen wurden. Der Bund ruht sich darauf aus, dass er Lizenzen über Rahmenverträge mit Dritten bezieht und diese noch bis zu drei Jahre Laufzeit haben, so dass die enormen Preissteigerungen erst mit Zeitverzug bei der IT des Bundes ankommen. Aber eine entscheidende Software in einem Gesamtsystem, wie z.B. in vielen der über 180 Rechenzentren des Bundes, kann man nicht von heute auf morgen austauschen. Dazu braucht es zuerst eine Gesamtrisikobewertung und darauf aufbauend eine Exitstrategie. In ihrer Antwort gibt die Bundesregierung zu, dass es beides bisher nicht gibt.

Kurzfristig sieht sie keinerlei Handlungsbedarf, nicht einmal ein Vergabestopp wird erwähnt. Für die Gesamtwirtschaft rechnet die Bundesregierung allerdings direkt mit Einschränkungen der Zuverlässigkeit des IT-Betriebs durch auslaufende Updates, sowie mit Kostensteigerungen. Der Fall “VMware” zeigt tatsächlich sehr anschaulich, wie ein Lock-in-Effekt funktioniert, denn viele VMware-Kunden können gar nicht zu Alternativen wechseln, weil ein Umstieg zu komplex oder technisch auf absehbare Zeit nicht machbar ist. Diese Kunden müssen in den sauren Apfel willkürlicher Preiserhöhungen beißen, was besonders kleine- und mittlere Unternehmen in finanzielle Schieflage bringen kann. Aber auf drei Jahren sicherer Konditionen kann sich der Bund nicht ausruhen.

Aktuell fehlt jedoch ohnehin jeglicher Überblick, denn von den öffentlich breit diskutierten Problemen wie dem Zwang zum Umstieg von on-premise Lösungen auf Cloud-Lösungen und von Einzel- auf (in vielen Fällen erheblich teurere und oft unnötige) Bündellizenzen oder den negativen Auswirkungen beim Zwangsumstieg auf Abo-Modelle und von gestoppten Wartungsverträgen, die zu erheblichen IT-Sicherheitsrisiken führen, hat die Bundesregierung nach ihrer Aussage bisher nichts mitbekommen.

Die Folgen des schlechten Risikomanagements sollen offenbar nicht öffentlich werden, denn wichtige Teile ihrer Antwort stellte sie nur in nichtöffentlichen Dokumenten bereit, wozu auch meine Frage zu erwarteten Kostensteigerungen gehört, die mit Verweis auf eine mögliche Staatswohlgefährdung zur Verschlusssache erklärt wurden.

Vor allem aber muss die Bundesregierung endlich ihr Bekenntnis zur digitalen Souveränität auch leben und dazu gehört eine angemessene Ausstattung des Zentrums für Digitale Souveränität, damit es seine Aufgabe, Open Source Alternativen für den Bund bereitzustellen, auch erfüllen kann. Statt immer wieder Milliardenschwere Rahmenverträge mit den immer gleichen großen US-Konzernen abzuschließen, sollte der Bund konsequent das Ökosystem für Open Source Produkte weiterentwickeln und wo immer es diese Möglichkeit gibt, leistungsfähige Open Source Lösungen einsetzen. Dies gilt insbesondere für den anstehenden Wechsel hin zu einer Cloud-basierten Bundes-IT. Denn wenn nicht endlich ein konsequentes Umdenken im Sinne einer tatsächlichen digitalen Souveränität und damit auch im Sinne des Gemeinwohls stattfindet, bleibt die unabhängige, hoheitliche und sichere Digitalisierung der Verwaltung unerreichbar.“

Weiterführende Links:

Meine Frage:

„Mit welchen Meilensteinen und jeweils welchen Ressourcen soll die Umsetzung des laut Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zu errichtende “Zentrum für Legistik” erfolgen (bitte Beginn der Umsetzung, Meilensteine und Zeitraum des geplanten Arbeitsbeginns des Zentrums angeben), und wie ist beziehungsweise soll die Governance dieses Zentrums organisiert werden (unter anderem Organisation der Federführung, Art der Rechtsform, neue Behörde oder nicht)?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathof:

„Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) beschäftigt sich derzeit damit, das im Koalitionsvertrag vorgesehene Zentrum für Legistik zu errichten. Es soll diepraxisnahe Qualifizierung in zeitgemäßer Rechtssetzung fördern.Hierzu gehören neben Fach- und Rechtskenntnissen insbesondere auch spezifische Kompetenzen im Bereich der Rechtssprache sowie moderne Arbeitsmethoden. Bisherwurden hierzu zwei Online-Kurse entwickelt, von denen ein Angebot auch öffentlich verfügbar ist (https://www.ondea.de/DE/ZfL/ZfL_node.html). Seit Ende 2023 arbeitet das Zentrum zusammen mit der PD – Berater der Öffentlichen Hand

Gesellschaft mit beschränkter Haftung in einem Projekt zu Daten und Digitalen Werkzeugen im Gesetzgebungsverfahren, um das Angebot des BMJ insbesondere im Hinblick auf die effektivere Nutzung von Daten, deren Analyse und Visualisierung in der Rechtsetzung
weiterzuentwickeln, indem entsprechende Kompetenzen von Legistinnen und Legisten gefördert und geeignete Werkzeuge bereitgestellt werden. Derzeit testet das Zentrum ein Vorgehensmodell für die konzeptionelle Frühphase der Rechtsetzung mit Legistinnen und
Legisten im BMJ; eine Einbeziehung von Mitarbeitenden aus weiteren Ressorts ist beabsichtigt.“

Antwortschreiben im Original (geschwärzt):

Meine Frage:

„Welche Verhandlungen führt oder plant die Bundesregierung einschließlich nachgeordneter Behörden mit dem Unternehmen Microsoft zu Lizenzverträgen (bitte jeweils Art und ungefähre Anzahl der Lizenzen – auch mit einer Bandbreite – angeben, sowie das maximal angenommene Vertragsvolumen (z. B. Summe der Lizenzkosten ohne Rabatte nach aktuell üblichen Preisen für Verwaltungskunden)), und was ist jeweils der Zeitrahmen für diese Verhandlungen (tatsächlicher oder geplanter Beginn und voraussichtliches, geplantes Ende)?“

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Johann Saathof:

„Microsoft stellt der öffentlichen Verwaltung in Deutschland Microsoft-Lizenzen und Microsoft-Leistungen in aller Regel nicht im Direktgeschäft, sondern über sog. Microsoft-Handelspartner zur Verfügung. Der Bezug von Microsoft-Lizenzen und -Leistungen erfolgt in diesen Fällen regelmäßig über Rahmenvereinbarungen, die zuvor mit Handelspartnern geschlossen wurden. Daher erfolgt keine Verhandlung mit dem Unternehmen Microsoft zu Lizenzverträgen. Grundlage der mit den Handelspartnern geschlossenen Rahmenvereinbarungen sind in den meisten Fällen die sog. Microsoft-Konditionenverträge. Zu den Microsoft- Konditionenverträgen gehören der Konzernvertrag (Enterprise Agreement), ein Mantelvertrag (Business- und Service-Agreement) und der Select Plus-Vertrag. Die Verträge sind inhaltlich auf die Bedürfnisse der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik Deutschland zugeschnitten und werden in regelmäßigen Abständen zwischen dem Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie Microsoft neu verhandelt. Die Microsoft-Konditionenverträge können durch Bund, Länder und Kommunen genutzt und wie oben beschrieben, den Rahmenvereinbarungen mit Handelspartnern zugrunde gelegt werden. Die Microsoft-Konditionenverträge begründen indessen keine eigenständigen Verträge zum Bezug von Lizenzen, für die ein bestimmtes Volumen angegeben werden kann. Nähere Informationen zu den Microsoft-Konditionenverträgen können über die Website von www.cio.bund.de abgerufen werden.“

Antwortschreiben im Original (geschwärzt):

Anfang April 2024 bekam ich die Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage. Ich hatte wissen wollen, wie lange der IT-Planungsrat (das zuständige Gremium aus Bund und Ländern) brauchte, um die 14 aktuellsten Standards für die Verwaltungsdigitalisierung zu verabschieden.

Funfact: Warum habe ich nach den 14 jüngsten Standards gefragt? Weil ich nach den Regeln des parlamentarischen Fragerechts keine Frage stellen darf, auf die es mehr als 28 Antworten gibt. Ich habe für jeden Standard wissen wollen, wann er verabschiedet wurde und wie lange die Bearbeitungszeit war – also 2 Fakten. Das Limit von 28 dividiert durch 2 Fakten = 14 Standards, das war das “fragbare Maximum”.

Im Durchschnitt brauchte der IT-Planungsrat fast 3 Jahre für einen neuen Standard

Die Zusammenfassung der Antwort in einem Satz: es dauerte zwischen 8 und unfassbare 72 Monate, um einen neuen Standard durch den IT-Planungsrat zu beschließen. Im Durchschnitt dauerte es knapp 3 Jahre.

Hier weitere ausgewählte Fakten aus der Antwort der Bundesregierung :

  • 14 Standards zur Verwaltungsdigitalisierung wurden vom IT-Planungsrat seit 2019 verabschiedet
  • Durchschnittliche Dauer von Erstbefassung bis Beschluss: 2,7 Jahre = 33 Monate
  • Kürzeste Dauer: 8 Monate (2 mal)
  • Längste Dauer: 72 Monate (2 mal)
  • Mehr als jeder Dritte Standard (5 von 14), der seit 2019 beschlossen wurde dauerte mindestens 3 Jahre
  • In den Jahren 2024, 2023 u 2022 wurden nur je 3 Standards beschlossen
  • In 2021 wurden sogar nur 2 u in 2020 sogar nur 1 Standard beschlossen

Die vollständige Antwort der Bundesregierung findet sich HIER.

Warum Standards und die  Dauer ihrer Entwicklung relevant sind, was das alles mit unserem Alltag zu tun hat und wie GroKo versus Ampel so performen, und was sich künftig möglicherweise stark verändern wird, gibts in den folgenden Abschnitten zu lesen.

Ohne Standards keine Verwaltungsdigitalisierung (die funktioniert)

Standards sind eine Grundbedingung dafür, dass Verwaltungsdigitalisierung funktioniert, deshalb sind immer noch fehlende oder unverbindliche Standards einer der Haupgründe dafür, dass in Deutschlands Ämtern immer noch so viel gefaxt und gestempelt wird und Studierende selbst nach Hochladen eines Online Antrages ein halbes Jahr auf ihr erstes Bafög warten müssen, weil der Online Antrag nicht mit dem Fachverfahren kompatibel ist und alles doch wieder intern ausgedruckt werden muss. Wenn Behörden unterschiedliche Formate beispielsweise für Adressfelder haben, verhindert das den behördenübergreifenden elektronischen Datenaustausch. Man muss sich das vorstellen wie Puzzleteile, deren Nöppel nicht zusammen passen oder sich überlegen, wo die Elektroindustrie heute stünde, wenn es keine einheitlichen Stecker und Steckdosen gäbe. Da leuchtet jedem ein, wie wichtig die Standardisierung ist, bei der Verwaltungsdigitalisierung ist das aber oft nicht der Fall. Dabei kann man auch von Vorreiterländern wie Estland oder Finnland lernen, wie wichtig es ist, dass man zuerst die infrastrukturellen Voraussetzungen schafft – einschließlich einheitlicher Standards für Daten, Formularfelder oder Schnittstellen.

Der Status Quo: Standardsentwicklung für die deutsche Verwaltung, OZG und die GroKo

Fehlen Standards, werden immer mehr Lösungen entwickelt, die am Ende nicht zueinander passen, also nicht interoperabel sind, und je länger sie fehlen, umso mehr Wildwuchs entsteht und immer mehr Widerstand dagegen, verbindliche Standards zu akzeptieren. Das haben wir gerade im Bundesrat erlebt, wo das OZG 2.0 wegen der darin enthaltenden Vorgaben zu Standards gescheitert ist.

Wie, wann und wie schnell also Standards entwickelt werden, hat daher einen enormen Einfluss auf die Qualität und Geschwindigkeit der Verwaltungsdigitalisierung. Die GroKo hatte das Thema komplett in den Sand gesetzt, verbindliche Vorgaben für Standards im ersten Onlinezugangsgesetz 2017 versäumt (siehe dazu meine Rede im Bundestag zum OZG vom 20.09.23) und einen völlig ineffizienten Prozess zur Entwicklung der Standards über den IT-Planungsrat etabliert, der mit drei Sitzungen im Jahr zum absoluten Flaschenhals wurde.

In den Jahren 2020 und 2021 wurden insgesamt nur drei Standards verabschiedet, seit 2019 und bis heute dauerte die Entwicklung verabschiedeter Standards jahrelang. Einige Standards brauchten fünf oder sogar sechs Jahre, selbst im Durchschnitt waren es 33 Monate: 2,7 Jahre. Mir ist völlig unklar, wie man sich für einen Standard zum Einkauf von Cloud Leistungen 63 Monate Zeit lassen konnte, selbst die 24 Monate für den Standard zum Bauantrag waren einfach zu lang, denn gerade bei Bauanträgen gibt es viele Beteiligte, die Informationen und Dokumente untereinander austauschen müssen, die in unterschiedlichen Fachanwendungen verarbeitet werden und wo einheitliche Datenformate unglaublich viel Bearbeitungszeit sparen können, weil alles digital erledigt werden kann. Das kann man heute doch niemandem mehr vermitteln, warum so wichtige Voraussetzungen für eine gute Verwaltungsdigitalisierung so schleppend geschaffen werden.

Was ist anders bei der Ampel?

In den ersten 2,5 Jahren ihrer Amtszeit ist es der Ampel nicht gelungen, die Laufzeiten nennenswert zu beschleunigen und seit Unterzeichnung des Koalitionsvertrages wurden von der Ampel nur drei Standards neu auf den Weg gebracht und auch beschlossen, da ist aber schon die “Digitale Dachmarke” als Kennzeichen für staatliche Webseiten mitgezählt, die als Plan beschlossen wurde, aber graphisch noch nicht einmal existiert, selbst diese oberflächliche Beschluss, den ich kaum “Standard” nennen würde, dauerte acht Monate.

Aber neu in der Amtszeit der Ampel angestoßen und beschlossen wurde auch der überfällige XBezahldienste Standard, der Nutzer:innen bestimmter digitaler Verwaltungsdienste endlich ermöglichen soll, Zahlungen an den Staat, z.B. Gebühren für einen online Antrag, für einen Pass oder Ausweis oder eine Hundeanmeldung auch online mit gängigen Zahldiensten zu leisten. Das frustriert Bürger:innen schon lange, dass man zwar überall woanders einfach digital bezahlen kann, nur beim Staat nicht, wo das Bezahlen nutzerfeindlich ist und auch in den Behörden selbst hohe vermeidbare Aufwände verursacht, wenn Gebührenbescheide erstellt und verschickt und Zahlungseingänge extra verbucht werden müssen, beides ist ja unnötig, wenn digital bezahlt wird und die Zahlung automatisch an der richtigen Stelle verbucht wird. Das reduziert schließlich auch Fehler und deren Folgeaufwände. Seit November 2023 gibt es dafür also endlich einen Standard, jetzt muss er nur noch verbindlich und von allen Behörden genutzt werden. Das ist ein Brett, das noch viel dicker ist, als die Verabschiedung des Standards.

Ausblick: Wann wird es endlich besser?

Da ich seit Jahren immer wieder eine Reform der Zuständigkeiten und Prozesse gefordert habe, um Standards schneller zu entwickeln und die Abhängigkeiten vom trägen IT-Planungsrat zu reduzieren (z.B. mit meiner Kleinen Anfrage zum OZG von 2022 und in meinen Reden im Bundestag HIER und HIER), freut mich sehr, dass nun endlich die Einrichtung eines Standardisierungsboards beschlossen wurde, das anders zusammengesetzt und mit anderen Abstimmungsregeln und eigenen Kompetenzen tatsächlich das Potenzial hat, die nötige Dynamik zu schaffen. Darin werden nicht nur Bund, Länder und Kommunen mit Stimmrechten vertreten sein, sondern auch die FITKO, die eine zunehmend wichtige Rolle erhält (und das ist gut so!), der DIN als deutsches Normungsgremium, und öffentliche sowie private IT-Dienstleister der Verwaltung mit je 1 Stimme, die über die Vitako  bzw. den Databund benannt werden. Auch Gäste sind möglich, z.B. aus den Fachkonferenzen der Länder. Das Gremium trifft sich hoffentlich häufiger als der IT-Planungsrat (der trifft sich ja nur 3 mal im Jahr) und es kann außerdem im Umlaufverfahren Standards bearbeiten und viele auch final beschließen. Nur bei verbindlich vorgeschriebenen Standards soll auch künftig noch ein formeller Entscheid des IT-Planungsrates nötig sein.

Beschreibung und Organisationsstruktur des Standardisierungsboards gemäß Beschluss 2024/05 des IT-Planungsrats vom 05.02.24

Ich hoffe, dieser jüngste Beschluss des IT-Planungsrates vom 05.02.24 wird nun zügig umgesetzt und das Standardisierungsboard kommt ins Arbeiten, denn wir haben schon viel zu viel Zeit verloren! Es könnte im Prinzip in wenigen Monaten etabliert werden und wenn das klappt, dann hätte die Ampel eine wirkliche Reform geschafft, es könnte eine der wenigen tatsächlichen Verbesserungen in ihrer Amtszeit werden – wenn sie es durchzieht und das zeitnah. Der Bedarf an Standards steigt ja auch mit dem Fortschritt der Digitalisierung und wer weiß, wie viele Standards beim IT-Planungsrat noch und vielleicht auch schon seit Jahren in der Schublade liegen, denn meine Anfrage bezog sich ja nur auf Standards, die auch beschlossen worden sind. Da könnten noch etliche Standards seit Jahren vor sich hinschmoren…Vielleicht frage ich ja auch danach noch!

Mit dem Onlinezugangsgesetz von 2017 sollten 575 Verwaltungsdienstleistungen bis Ende 2022 digital verfügbar sein. Das Ziel wurde weit verfehlt, seitdem hat die Ampel-Koalition die Regierungsziele mehrfach nach unten angepasst. Am Abend des 20.09.2023 findet die Erste Lesung der neuen Fassung des OZG im Bundestag statt, das weiterhin viele bestehende Probleme nicht adressiert. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag:

“Die Ampel-Koalition hat von der GroKo viele Probleme bei der Verwaltungsdigitalisierung geerbt, ist aber beim Versuch, sie zu lösen, hoffnungslos gescheitert. Das neue OZG 2.0 kommt ein Jahr zu spät und adressiert viele Baustellen nicht oder ungenügend. Ja, es gibt mehr Klarheit hinsichtlich der Basisdienste, wie die Nutzung der Bundes-ID zur Identifikation und auch die Nennung der Ende-zu-Ende-Digitalisierung als Ziel ist ein Fortschritt. Aber für welche Leistungen dieses Ziel erfüllt sein soll, und bis wann, das beantwortet der Gesetzentwurf leider nicht. Verbindlich ist nichts davon, denn einen einklagbaren Rechtsanspruch schafft das Gesetz nicht. Auch eine der größten Barrieren bei der Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung, das Fehlen verbindlicher Standards über alle föderalen Ebenen hinweg, beseitigt das OZG 2.0 nicht, denn es schreibt nur die Veröffentlichung von Standards vor, aber schweigt sich aus zu ihrer Verbindlichkeit.

Ob und wie Ziele erreicht werden, hängt aber auch vom Monitoring ab, es heißt ja nicht umsonst, “You get what you measure”. Bisher logen sich alte und neue Bundesregierung mit dem OZG Dashboard in die Tasche, so dass der Bundesrechnungshof diese Schönfärberei völlig zu Recht als ‘massive Täuschung’ bezeichnete, denn niemand konnte diesem Dashboard entnehmen, welche Dienstleistungen die Anforderungen des OZG tatsächlich erfüllten und wo genau sie digital verfügbar waren. Eine Leistung wurde schon als ‘digitalisiert’ erfasst, selbst wenn sie nur eine Digitalisierungsstufe unter dem OZG-Standard und das auch nur für eine Teilleistung und obendrein nur in einer einzigen Kommune irgendwo in Deutschland erreicht hatte. Da wundert es nicht, dass Deutschland in einem globalen Ranking zur Zufriedenheit mit der digitalen Verwaltung aktuell nur Vorletzte von 41 Ländern ist.

Auch dieses Monitoring-Problem ändert das neue OZG nicht. Die Datenlage wird also weiter schlecht bleiben und der Bund wird wie kürzlich auf meine schriftliche Frage nach dem Umsetzungsgrad der in 2022 beschlossenen 35 Booster-Leistungen (https://mdb.anke.domscheit-berg.de/2023/09/meine-schriftliche-frage-zum-umsetzungsstand-der-ozg-booster-leistungen/) wohl auch künftig keine Antworten geben können, weil er die Verantwortung dafür allein den Ländern zuschiebt und offensichtlich keinerlei Interesse am Grad der Umsetzung hat.

Ich rechne schon jetzt damit, dass das auch bei den kürzlich als Teil des Deutschlandpaktes verkündeten 15 Fokus-Leistungen so sein wird, mit denen der Bund seine konkreten Ziele zur Verwaltungsdigitalisierung erneut mehr als halbierte. Von 575 zu digitalisierenden Dienstleistungen erst auf 35 und dann auf 15 Leistungen zu reduzieren und die Frist dafür von 5 Jahre auf 7 Jahre zu verlängern, aber gleichzeitig die Schaufensterdigitalisierung von Bafög-Anträgen als Erfolg zu feiern, dazu braucht es schon eine gewisse Kaltschnäuzigkeit. Zumindest da hat die Ampel im Vergleich zur GroKo noch eine Schippe drauf gelegt.

Aber im OZG 2.0 Gesetz stehen nicht mal diese 15 Leistungen, das Gesetz bleibt unkonkret, denn es lässt für die meisten Dienste offen, bis wann sie denn nun wirklich digital verfügbar sein sollen, allein für ‘wesentliche Leistungen’ des Bundes soll eine fünf Jahresfrist gelten, aber welche Leistungen das sind, das erfährt man wiederum nicht. So kann sich die Ampel auch künftig die Latte immer noch tiefer hängen, ohne dass es allzu sehr auffällt und die Verwaltungsdigitalisierung langsamer umsetzen, als eine Schnecke mit angezogener Handbremse kriechen kann. Vielleicht überholt uns dann auch noch Japan, das einzige Land, dessen Bürger*innen noch unzufriedener mit ihrer digitalen Verwaltung waren, als die Deutschen.”