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Eine aktuelle Kleine Anfrage der Linken im Bundestag zur Bewertung der Digitalen Souveränität des Bundes erfragte Informationen zu Rahmenverträgen der Bundes-IT und zu Ausgaben für proprietäre Software und Open Source Software (OSS). Aus der Antwort der Bundesregierung mit DS 20/9641 ergibt sich, dass die 10 größten Vertragspartner für IT-Rahmenverträge ein gemeinsames Rahmenvertragsvolumen von über 13,6 Mrd. Euro haben. Davon entfällt allein auf Produkte und Dienstleistungen des US-Herstellers Oracle ein Gesamtvertragsvolumen von 4,8 Milliarden Euro, mit dem größten Einzel-Rahmenvertrag über 4,6 Mrd Euro bei einer Laufzeit bis 2030. Weitere knapp 1,3 Milliarden entfallen auf zwei Rahmenverträge für Lizenzen des US-Unternehmens Microsoft.

Aus der detaillierten Abfrage von Ausgaben zu Entwicklungsaufträgen von Software und zu Dienstleistungen im Zusammenhang mit Software ergab sich, dass der Bund seit Beginn dieser Legislatur nur etwa 0,5 Prozent seiner entsprechenden Ausgaben für OSS einsetzte. So vergab das Digitalministerium Entwicklungsaufträge im Volumen von 22,3 Mio Euro, wovon aber nur 121.000 Euro (0,55 Prozent) auf die Entwicklung von OSS entfielen. Für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Software verausgabte der Bund insgesamt sogar etwa 3,5 Milliarden Euro, auch davon flossen aber nur 18,6 Mio (0,54 Prozent) an Open Source. Sowohl der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung als auch ihre Digitalstrategie versprachen jedoch, auf Open Source zu setzen. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg:

“Ich kann mich an keine Regierung erinnern, bei der digitalpolitische Ankündigungen und ihre Umsetzung derart eklatant auseinander klafften! Die Förderung von Open Source und die Betonung der Digitalen Souveränität als Richtschnur für IT-Entscheidungen sind offensichtlich reine Lippenbekenntnisse, denn in der Praxis setzt auch die sogenannte Fortschrittskoalition auf die übliche Praxis, für sehr viel Geld teure proprietäre Software insbesondere von großen US-Konzernen einzukaufen. Nicht einmal der für die Digitalstrategie zuständige Minister Wissing hält sich an das, was er darin angekündigt, denn für OSS Entwicklung gab er nur 0,5 Prozent seines Budgets für Softwareentwicklung aus.

Dass außerdem mehrjährige IT-Rahmenverträge über extrem hohe Summen v.a. mit US-Konzernen sowie zu ihren Produkten abgeschlossen wurden, ist genau das Gegenteil von Stärkung der digitalen Souveränität und erhöht auf viele Jahre die Abhängigkeit des Bundes von einzelnen US-Konzernen. Mit einer einzigen US-Firma (Oracle) sogar einen Rahmenvertrag über 4,6 Mrd Euro abzuschließen, der noch bis zum Ende der nächsten (!) Legislatur laufen wird, ist schlicht auch obszön, denn diese Summe ist doppelt so hoch, wie die Kosten der mühsam erkämpften Kindergrundsicherung bei ihrer Einführung und auch in Anbetracht des für 2024 zu erwartenden Kahlschlaghaushalts für viele soziale Belange. Außerdem wird damit die Abhängigkeit von einem einzelnen Hersteller über Jahre hinweg extrem erhöht. Wer aber abhängig ist von einzelnen Firmen und ihren Produkten, wird erpressbarer – muss also häufig immer mehr bezahlen, ist außerdem weniger flexibel und geht ein zusätzliches IT-Sicherheitsrisiko ein. Deshalb ist es völlig inakzeptabel, dass der Koalitionsvertrag zwar einerseits verspricht, die digitale Souveränität durch mehr OSS zu sichern, aber gleichzeitig der Bund mit milliardenschweren Rahmenverträgen das Gegenteil erreicht und Tatsachen schafft, die bei einer Handvoll US-Konzernen die Kassen klingeln lassen, aber jede Menge Nachteile und Risiken bedeuten, bis hin zum Risiko, dass es über eingebaute Hintertüren Datenabflüsse an US-Geheimdienste gibt.

Am Ende erkennt man doch immer am Geld, wie ernst es eine Regierung mit ihren Versprechen meint! Bisher stehen auch im Haushalt für 2024 Kürzungen ausgerechnet für Open Source Initiativen an, denn die Haushaltsmittel für das Zentrum für Digitale Souveränität sollen fast halbiert werden. Diese Kürzungen betreffen die beiden wichtigsten Vorhaben des Bundes zur Förderung von OSS: die Entwicklung eines Open Source Arbeitsplatzes, als Alternative zu Microsoft Office, und die Plattform OpenCode, auf der Software der Verwaltung veröffentlicht werden soll.

Würde es die Bundesregierung ernst meinen mit der Förderung von Open Source in der eigenen Verwaltung, gäbe es messbare Ziele und ein Monitoring für den Anteil von OSS im Bund, beides existiert bisher nicht, selbst ein Software-Lizenzmanagementsystem befindet sich erst in der Planungsphase, was bei so hohen Ausgaben für Lizenzen schlicht nicht nachvollziehbar ist. Die gesamte Praxis der Bundesregierung zur Entwicklung von Software und Vergabe von Rahmenverträgen konterkariert ihre eigenen strategischen Ziele und trägt viel zu wenig zur Entwicklung europäischer Open Source Alternativen und eines Open Source Ökosystems bei, sie schadet außerdem aktiv der digitalen Souveränität.”

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Anmerkung:

Die Detailtabellen zu den einzelnen Entwicklungs- und Dienstleistungsverträgen (3 weitere Anlagen) sind eingestuft als „Nur für den Dienstgebrauch“ und können daher nicht veröffentlicht werden.

Mit dem Onlinezugangsgesetz von 2017 sollten 575 Verwaltungsdienstleistungen bis Ende 2022 digital verfügbar sein. Das Ziel wurde weit verfehlt, seitdem hat die Ampel-Koalition die Regierungsziele mehrfach nach unten angepasst. Am Abend des 20.09.2023 findet die Erste Lesung der neuen Fassung des OZG im Bundestag statt, das weiterhin viele bestehende Probleme nicht adressiert. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag:

“Die Ampel-Koalition hat von der GroKo viele Probleme bei der Verwaltungsdigitalisierung geerbt, ist aber beim Versuch, sie zu lösen, hoffnungslos gescheitert. Das neue OZG 2.0 kommt ein Jahr zu spät und adressiert viele Baustellen nicht oder ungenügend. Ja, es gibt mehr Klarheit hinsichtlich der Basisdienste, wie die Nutzung der Bundes-ID zur Identifikation und auch die Nennung der Ende-zu-Ende-Digitalisierung als Ziel ist ein Fortschritt. Aber für welche Leistungen dieses Ziel erfüllt sein soll, und bis wann, das beantwortet der Gesetzentwurf leider nicht. Verbindlich ist nichts davon, denn einen einklagbaren Rechtsanspruch schafft das Gesetz nicht. Auch eine der größten Barrieren bei der Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung, das Fehlen verbindlicher Standards über alle föderalen Ebenen hinweg, beseitigt das OZG 2.0 nicht, denn es schreibt nur die Veröffentlichung von Standards vor, aber schweigt sich aus zu ihrer Verbindlichkeit.

Ob und wie Ziele erreicht werden, hängt aber auch vom Monitoring ab, es heißt ja nicht umsonst, “You get what you measure”. Bisher logen sich alte und neue Bundesregierung mit dem OZG Dashboard in die Tasche, so dass der Bundesrechnungshof diese Schönfärberei völlig zu Recht als ‘massive Täuschung’ bezeichnete, denn niemand konnte diesem Dashboard entnehmen, welche Dienstleistungen die Anforderungen des OZG tatsächlich erfüllten und wo genau sie digital verfügbar waren. Eine Leistung wurde schon als ‘digitalisiert’ erfasst, selbst wenn sie nur eine Digitalisierungsstufe unter dem OZG-Standard und das auch nur für eine Teilleistung und obendrein nur in einer einzigen Kommune irgendwo in Deutschland erreicht hatte. Da wundert es nicht, dass Deutschland in einem globalen Ranking zur Zufriedenheit mit der digitalen Verwaltung aktuell nur Vorletzte von 41 Ländern ist.

Auch dieses Monitoring-Problem ändert das neue OZG nicht. Die Datenlage wird also weiter schlecht bleiben und der Bund wird wie kürzlich auf meine schriftliche Frage nach dem Umsetzungsgrad der in 2022 beschlossenen 35 Booster-Leistungen (https://mdb.anke.domscheit-berg.de/2023/09/meine-schriftliche-frage-zum-umsetzungsstand-der-ozg-booster-leistungen/) wohl auch künftig keine Antworten geben können, weil er die Verantwortung dafür allein den Ländern zuschiebt und offensichtlich keinerlei Interesse am Grad der Umsetzung hat.

Ich rechne schon jetzt damit, dass das auch bei den kürzlich als Teil des Deutschlandpaktes verkündeten 15 Fokus-Leistungen so sein wird, mit denen der Bund seine konkreten Ziele zur Verwaltungsdigitalisierung erneut mehr als halbierte. Von 575 zu digitalisierenden Dienstleistungen erst auf 35 und dann auf 15 Leistungen zu reduzieren und die Frist dafür von 5 Jahre auf 7 Jahre zu verlängern, aber gleichzeitig die Schaufensterdigitalisierung von Bafög-Anträgen als Erfolg zu feiern, dazu braucht es schon eine gewisse Kaltschnäuzigkeit. Zumindest da hat die Ampel im Vergleich zur GroKo noch eine Schippe drauf gelegt.

Aber im OZG 2.0 Gesetz stehen nicht mal diese 15 Leistungen, das Gesetz bleibt unkonkret, denn es lässt für die meisten Dienste offen, bis wann sie denn nun wirklich digital verfügbar sein sollen, allein für ‘wesentliche Leistungen’ des Bundes soll eine fünf Jahresfrist gelten, aber welche Leistungen das sind, das erfährt man wiederum nicht. So kann sich die Ampel auch künftig die Latte immer noch tiefer hängen, ohne dass es allzu sehr auffällt und die Verwaltungsdigitalisierung langsamer umsetzen, als eine Schnecke mit angezogener Handbremse kriechen kann. Vielleicht überholt uns dann auch noch Japan, das einzige Land, dessen Bürger*innen noch unzufriedener mit ihrer digitalen Verwaltung waren, als die Deutschen.”

Autonome Waffensysteme & Digitalisierung in den anderen Ministerien (13.11.2019)

Heute waren Annegret Kramp-Karrenbauer und Dorothee Bär zu Gast im Ausschuss Digitale Agenda, um vom Stand der Digitalisierung im Verteidigungs- und den anderen Ministerien zu berichten. Mehr dazu im Bericht!

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Frage: Nach welchen Maßgaben bzw. methodischen Vorgaben findet jeweils die Evaluation des (auch geplanten) Einsatzes Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung im Geschäfts- und Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung statt, und an welchen dieser Evaluationen sind Soziologinnen und Soziologen, Verhaltensforscherinnen und Verhaltensforscher beteiligt? (BT-Drucksache 19/10765)

Antwort des Staatssekretärs Andreas Feicht vom 4. Juni 2019:

Die Bundesregierung versteht die Frage dahingehend, dass nicht nach allgemeinen Evaluationskriterien (wie z. B. Wirtschaftlichkeit) gefragt wird, sondern nach für Technologien Künstlicher Intelligenz spezifischen Maßgaben und Vorgaben. Insofern bestehen keine ausdrücklichen Maßgaben oder methodischen Vorgaben für den Einsatz von KI-Technologien im Geschäfts- und Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung. Aus der Strategie Künstliche Intelligenz und insbesondere den mit dieser gesetzten politischen Zielen folgen einige Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI-Technologien. Generell bieten KI-Systeme erhebliche Chancen (z. B. für die Forschung, die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft, die Optimierung von Produktions- und Verwaltungsprozessen und damit einhergehend eine Entlastung von Ressourcen und Verbesserung von Ergebnissen), bergen aber auch Risiken (z. B. für die individuelle Handlungsfreiheit, für die informationelle Selbstbestimmung und den Privatsphärenschutz sowie für die Teilhabe und Chancengleichheit einzelner Menschen oder gesellschaftlicher Gruppen). Die von der Bundesregierung eingesetzte Datenethikkommission soll insbesondere Handlungsempfehlungen für die Nutzung von Algorithmen-basierten Entscheidungssystemen und Anwendungen Künstlicher Intelligenz erarbeiten. Die Bundesregierung wird diese Handlungsempfehlungen prüfen. Soweit es sich innerhalb der zur Beantwortung der Frage zur Verfügung stehenden Zeit im Rahmen einer Ressortabfrage ermitteln ließ, sind Soziologinnen und Soziologen sowie Verhaltensforscherinnen und Verhaltensforscher nicht explizit an Evaluationen beteiligt.

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