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Deutschland ist ungenügend geschützt gegen massenhafte Wahlbeeinflussung durch Trollarmeen und Desinformationskampagnen fremdstaatlicher Akteure oder Tech-Milliardäre mit rechtsextremen Einstellungen wie Elon Musk. Für wirksamen Schutz braucht es Dreierlei: Tax The Rich, Regulierung von Plattformen als Medien und EU-finanzierte soziale Netze, ohne Datenhandel und Profitinteresse.

Meine Rede im Wortlaut: 

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den USA spricht man schon von „The Nerd Reich“ und von „Broligarchie“, weil Tech-Bro-Milliardäre großer digitaler Konzerne mit ihrer Macht die Demokratie aushebeln und fremdenfeindliche Politik unterstützen.

Elon Musk, einer von Iihnen, ist mit 417 Milliarden Dollar der reichste Mensch der Welt. Das ist so viel Geld, dass jemand, der vor der letzten Eiszeit damit angefangen hätte, jeden einzelnen Tag 10 000 Dollar auszugeben, heute, 114 000 Jahre später, immer noch Kohle übrig hätte. So absurder Reichtum ist gefährlich. Denn er führte unter anderem dazu, dass Elon Musk denkt, er könne nicht nur Jachten und Raketen kaufen, sondern auch Demokratien und Gesetzeslosigkeit.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch (AfD))

Rechtsextreme Parteien unterstützt er, weil sie Kapitalismus pur mit wenig Steuern und Regulierung versprechen; so steht es ja auch im Wahlprogramm der AfD. Und als Profiteur der südafrikanischen Apartheid ist für ihn auch ihr Rassismus völlig okay.

So wie es Elon Musk egal ist, was das für die Sicherheit von Menschen bedeutet, die irgendwie nach einem Migrationshintergrund aussehen, queer sind oder antifaschistisch, so war das gestern Union und FDP egal, als sie gemeinsam und geplant die Brandmauer einrissen, um mit der AfD gemeinsame Sache zu machen – einer laut Tausender Beweise verfassungswidrigen Partei. Putins und Elons Trollarmeen haben nun noch leichteres Spiel; denn gestern wurde unsere Demokratie von innen beschädigt.

(Detlef Seif (CDU/CSU): Oijoijoi!)

Vor solch illegitimer ausländischer Einflussnahme in Deutschland sind wir leider schlecht geschützt, nicht nur wegen mangelnder Medienkompetenz, sondern auch, weil die für die Umsetzung des Digital Services Act zuständige Behörde Bundesnetzagentur nicht einmal ein Viertel der notwendigen Stellen bekam. Wirklich effektiv verhindert man eine Manipulation politischer Diskurse auf digitalen Plattformen aber nur durch drei strukturelle Maßnahmen.

Erstens: Tax the Rich!

(Beifall bei der Linken)

Zweitens: eine Einstufung digitaler Plattformen als Medien. In Medien wie dem Fernsehen ist zum Beispiel Wahlwerbung streng reguliert. Dennoch kann Elon auf seiner Plattform X, deren Algorithmen er ganz persönlich beeinflussen kann, in seinem Kanal mit 200 Millionen Followern mit mehr Reichweite als der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Debatte mit Frau, wie er sie nennt, „Wiedel“ ausstrahlen, die Spitzenkandidatin einer Partei mit faschistischem Führungspersonal ist, und unberührt davon Desinformation verbreiten.

Drittens braucht es ein gemeinwohlorientiertes soziales Netz: offen, interoperabel, ohne Datenhandel und Manipulation, mit einer verlässlichen Finanzierung durch die Europäische Union, im Fediverse oder als Variante von Bluesky, wie es die „Free Our Feeds“-Initiative plant. Diese wichtige Infrastruktur der digitalen Gesellschaft muss Daseinsvorsorge sein –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss bitte.

Anke Domscheit-Berg (Die Linke):

– und kein Instrument zur Bereicherung rücksichtsloser Milliardäre. – Das ist nun wirklich meine letzte Rede.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, bitte.

Anke Domscheit-Berg (Die Linke):

Und deshalb erlaube ich mir noch einen Satz.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Einen Satz, ja.

Anke Domscheit-Berg (Die Linke):

Ich hoffe, die Wähler/-innen werden vor und bei der Wahl gegen Rechtsextreme und ihre Steigbügelhalter auf die Barrikaden gehen und mit ihrem Kreuz dafür sorgen, dass es im nächsten Bundestag eine starke Linksfraktion mit verlässlich antifaschistischer Politik gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)

Jahrelang gab es Warnungen vor den Gefahren globaler sozialer Netze, die von Milliardären kontrolliert werden, denn große digitalen Plattformen sind die soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft, und wie jede Infrastruktur hat ihr Zustand einen enormen Einfluss auf die Gesellschaft. Facebook hat 3,07 Milliarden aktive Nutzer, das entspricht 37 Prozent der Weltbevölkerung. Die Manipulationsmöglichkeiten sind unfassbar und buchstäblich weltumfassend. Für Millionen Menschen weltweit ist Facebook sogar gleichbedeutend mit dem Internet, weil Facebook in ihren Handyverträgen inklusive ist und offene Datenverträge zu teuer für sie sind. Dieser Umstand wurde vor einigen Jahren den Rohingya in Myanmar zum Verhängnis, denn auf Facebook wurde massenhaft Desinformation über diese muslimische Minderheit verbreitet, ohne dass es Überprüfungsmöglichkeiten im offenen Internet gab, oder innerhalb von Facebook Faktenchecks, sinnvolle Moderationen oder andere Korrekturmechanismen. Die Folge waren die Vertreibung von 700.000 Menschen in 2017, massenhafter Mord an Rohingyas, viele wurden zerstückelt oder lebend in ihren Häusern verbrannt. Den Zusammenhang zu Hassrede und Desinformation auf Facebook wies 2018 eine Untersuchung durch die UN nach.

Meta Whistleblowerin Frances Haugen machte 2021 öffentlich, wie das Unternehmen bewusst Kenntnisse über schädliche Wirkungen seiner Algorithmen ignorierte und wissentlich in Kauf nahm, dass sie Gewalt oder auch psychische Störungen mit schweren gesundheitlichen Folgen bei Jugendlichen förderten – alles das, für mehr Werbeeinnahmen, und um einen unvorstellbar reichen Menschen noch reicher zu machen. Öffentlicher und politischer Druck in den USA, von der UN und auch aus Europa führte dazu, dass Meta seine Moderation verbesserte und Factchecking Partnerschaften abschloss. Alles das will Milliardär Zuckerberg nun wieder aufgegeben und macht damit klar: Völkermord, rassistische Übergriffe oder Suizide bei Jugendlichen sind ihm schnurzpiep, so lange die Kasse stimmt, sich sein Milliardenvermögen weiter vermehren und er sich entspannt zurücklehnen kann, denn unter einer Trump-Regierung braucht er Sanktionen der US-Politik nicht zu fürchten, im Gegenteil, er rechnet sogar fest mit Schützenhilfe gegen Regulierungen der EU.

Die Demokratie weltweit ist in Gefahr und einen wesentlichen Anteil daran hat die Tatsache, dass eine Handvoll weißer, männlicher Tech-Milliardäre sich Liebkind machen mit einem kriminellen, rücksichtslosen, narzistischen Milliardär, der zum zweiten Mal Präsident der USA werden wird. Donald Trump ist aber nicht nur ein verurteilter Straftäter, Sexist und notorischer Lügner, er verachtet auch die Demokratie, ihre Institutionen und Prozesse, er lebt in einer Welt alternativer Fakten und will sich zum Herr einer Diktatur aufschwingen, in der nur noch sein Wort gilt. Wovon er träumt, dafür gibt es ein Wort, er will Faschismus statt Demokratie. Das alles ist kein Geheimnis, denn Donald Trump war im Wahlkampf transparent über seine Pläne, die auch dann faschistisch sind, wenn er sie selbst nicht so nennt. Vor diesem Hintergrund ist der Kniefall der Tech-Millardäre zu betrachten: das Verbot einer Wahlempfehlung für Kamala Harris in der Washington Post durch deren Eigentümer Milliardär Bezos, die diversen Millionen Spenden für seine Inaugurationsfeier von mehreren Tech-Unternehmen, u.a. Google, Amazon, Meta, Apple (Tim Cook) und auch die aktuelle Kehrtwende von Zuckerberg, der Faktenchecks wieder abschaffen, Moderationen begrenzen und aus Facebook und Instagram Schlangengruben wie X machen möchte.

Ich habe nur tiefste Verachtung für dieses Verhalten. Schon in den 30er Jahren konnten wir in Deutschland erleben, wie die industrielle Elite buchstäblich über Leichen ging und an der Seite Hitlers stand, noch heute profitieren Nachkommen dieser Elite von den guten Geschäften aus dieser finsteren Zeit. Heute stellen digitale Monopole gewaltige Machtkonzentrationen dar, die nicht nur in einem Land Politik und Gesellschaft beeinflussen können, sondern weltweit. Deshalb wirkt sich das Stiefellecken der US-Milliardäre bei Trump auf uns alle aus, auch in Europa. Und deshalb hängt so viel davon ab, ob wir uns gemeinsam dagegen wehren können und ob die neuen europäischen Instrumente der Regulierung konsequent angewendet werden und wirksam sind. Offensichtlich sorgen sich sowohl Elon Musk als auch Mark Zuckerberg nur noch vor der EU als regulierende Kraft, denn der Digital Services Act verpflichtet „Very Large Online Plattforms“ zur Beurteilung ihrer strukturellen Risiken (dazu gehört auch die Förderung von Gewalt, Rassismus oder Jugendgefährdung) und zu effektiven Maßnahmen, die diese Risiken minimieren. Wenn sie das nicht tun, wird es sehr teuer, denn EU Sanktionen können auch etliche Milliarden Euro betragen oder sogar zum Verbot der Plattform in der EU führen – und damit zum Verlust eines attraktiven Marktes mit einer halben Milliarde Konsument:innen.

Dagegen könnten sich nicht mal Tech-Milliardäre wehren. Vermutlich deshalb gelten die neuen Regeln noch nicht für die EU. aber mit ihrer Willfährigkeit gegenüber Trump und seiner kreuzgefährlichen politischen Agenda hoffen sie offensichtlich, die EU Regulierung ganz aushebeln zu können – durch staatliche Erpressung. So kündigte Zuckerberg nicht nur an, sich von den Faktenchecks zu trennen und die Moderationsteams im liberalen Kalifornien aufzulösen und durch Teams im konservativen Texas zu ersetzen, sondern verkündete außerdem, dass er „mit Präsident Trump zusammenarbeiten wird, um gegen fremdstaatliche Regierungen vorzugehen, die US-Unternehmen zu mehr Zensur bringen wollen“ und stellte fest, dass „der beste Weg, sich gegen den Trend übermäßiger staatlicher Zensur zu wehren, der mit Unterstützung durch die US-Regierung sei.“ Mit „Zensur“ und „fremdstaatlichen Regierungen“ meint er offensichtlich die Absicht der EU, mit dem DSA auch gegen massive Desinformation zum Beispiel im Zusammenhang mit Wahlen vorzugehen, damit sie sich besser wehren kann u.a. gegen massive Einflussnahme auf demokratische Prozesse von außen, wie sie z.B. mit der von Putin-gesteuerten Doppelgänger-Kampagne erst vor Kurzem nachgewiesen wurde.

Zuckerbergs Hoffnung hat eine glaubwürdige Basis, denn Trumps Vize Vance erklärte öffentlich, dass die US Mitgliedschaft in der NATO davon abhängen würde, wie stark die EU US-Techkonzerne reguliert. Laufende Ermittlungsverfahren der EU u.a. gegen X und diverse öffentliche Schlagabtausche zwischen Elon Musk und Ex-EU Kommissar Thierry Breton haben die Konfliktlinien sichtbar und die Bedrohung real werden lassen und so wird wohl Tech-Milliardär Elon zu Bau-Milliardär Donald gegangen sein und als Gegenleistung für die finanzielle und politische Wahlunterstützung mit Worten und Algorithmen auf seiner Plattform X zugunsten des künftigen US-Präsidenten einen harten Verteidigungskurs gegen europäische Regulierungen eingefordert haben. Diesen Schutz will natürlich auch Zuckerberg für seine Plattformen und da macht man dann auch mal gemeinsame Sache mit reaktionären Faschisten. Die Erwartung, man könne sich als US-Unternehmen der Regulierung durch andere Staaten entziehen, selbst wenn man in diesen Staaten eine extreme Marktmacht besitzt und Milliarden Umsätze macht, ist reichlich hanebüchen.

Möglicherweise spielt aber noch ein anderer Aspekt dabei eine Rolle: Eifersucht und Neid innerhalb der Tech-Milliardärs-Elite, wo die einen nicht ertragen können, dass einer von ihnen, Schmuddelkind Elon, eine engere Beziehung zum Weißen Haus hat, als sie. Also tun sie einer nach dem anderen, alles das, was sie tun müssen, um gleichzuziehen, um auch am Tisch sitzen zu dürfen und die Gunst eines Präsidenten zu genießen, der nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt zu einer akuten Bedrohung geworden ist. Alte weiße Männer zündeln so gemeinsam und nehmen Gewalt, Terror und Polarisierung in Kauf, weil ihnen der Rest der Welt egal ist, so lange in ihren Yachten und Villas noch die goldenen Wasserhähne funktionieren, ihre Privatflugzeuge sie noch überall hin fliegen und sie sich als Herrschende mit so viel Macht erleben, dass sie faktisch unangreifbar und unregulierbar geworden sind.

Es gibt nur eine angemessene Reaktion darauf: der Beweis des Gegenteils – also hartes und kompromissloses Anwenden des Digital Services Act der EU und damit der Beweis europäischer Unabhängigkeit und politischer Stärke, eine Verteidigung unseres Wertesystems, das wir von US-Tech-Milliardären nicht zerstören lassen dürfen. Künftig braucht es aber mehr, nämlich endlich ein gemeinwohlorientiertes soziales Netz, eine nicht-kommerzielle soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft als Teil der Daseinsvorsorge, die europäisch getragen die Vernetzung und Kommunikation zwischen Menschen ermöglicht, ohne diese Verbindungen zu kommerzialisieren. Langfristig müssen wir brechen mit der Abhängigkeit von digitalen Monopolen, denn ihr Zerstörungspotenzial ist inakzeptabel hoch.

Eine gekürzte Fassung diesen Kommentars erschien in der taz-Tageszeitung vom 09.01.2025:

https://taz.de/Trump-Musk-und-die-Tech-Milliardaere/!6057399/ 💌

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