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„Das Märchen vom verhindernden Datenschutz“

26.09.2024 TOP 15 Umsetzung des EU-Data-Acts
“Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU: Umsetzung des EU-Data-Acts – Für eine innovative und wettbewerbsfähige Datenwirtschaft in Deutschland; Drucksache 20/12103”

Die Union beantragt schnellere und aus Verbrauchersicht schlechtere Umsetzung des EU Data Acts, der eigentlich über Zugang zu den eigenen Daten in smarten Geräten für Verbraucher mehr Freiheit bringen sollte. Dank FDP wird daraus wohl nichts, Privatsphäre wird eine Frage des Geldbeutels und Großunternehmen machen Reibach. Die Ampel schläft, bei Data Act genauso wie beim Recht auf Open Data.

Meine Rede im Wortlaut:

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleg*innen! Mit dem Data Act droht eine entgrenzte Kommerzialisierung der digitalen Welt. Denn die Daten des Internets der Dinge werden zur Handelsware. Profitieren werden aber wahrscheinlich windige Geschäftemacher und nicht, wie versprochen, Verbraucher*innen und das Gemeinwesen. Deren Interessen werden nämlich durch Klauseln beschnitten, die vor allem großen Unternehmen nützen. Das Ziel, eine faire Datennutzung im Internet der Dinge, wird so eher nicht erreicht. Und das ist eine verpasste Chance.

Ein gut gemachter Data Act brächte in der Tat mehr Freiheit für Verbraucher*innen. Wenn man zum Beispiel smarte Dinge reparieren lässt, muss man an die Daten ran, sie also transferieren können, oder auch dann, wenn man persönliche Daten von einem smarten Gerät auf ein anderes übertragen möchte, weil man mal die Marke wechseln will. Das würde Lock-in-Effekte tatsächlich reduzieren. Tatsächlich werden aber Unternehmen die Freiheit von Verbraucher*innen mit Ausreden beschränken können wie der „Wahrung von Geschäftsgeheimnissen“. Dafür hat die FDP bei Verhandlungen in Brüssel gesorgt und ist auch noch stolz darauf. Dieses Missverhältnis kritisieren wir Linke ausdrücklich.

Künftig entsteht ein wirtschaftliches Eigentum an Nutzerdaten beim Kauf von IoT-Produkten. Wie irgendeine Ware kann man die eigenen Nutzerdaten an Dritte verkaufen – auch vorab, zum Beispiel gegen einen Rabatt beim Kaufpreis. Die Privatsphäre würde also noch mehr vom Geldbeutel abhängen, und das ist völlig inakzeptabel, meine Damen und Herren. Nichts davon will der Antrag der Union verbessern. Dafür erzählt die Union wieder das Märchen vom verhindernden Datenschutz. Der verhindert aber keine Innovationen; der muss nur leider immer als Ausrede dienen, wenn wieder irgendwer irgendein Problem nicht gelöst gekriegt hat. Die Union steht für entgrenzten Datenkapitalismus auf Kosten des Gemeinwohls, der Verbraucher*innen und der kleinen Unternehmen. Kritik habe ich aber auch für die Ampel. Die Umsetzung des Data Acts wurde komplett verpennt. Wir erleben den klassischen Ampeldreiklang aus verschlepptem Gesetzentwurf, unklaren Zuständigkeiten und fehlenden Haushaltsmitteln.

Wir dürfen gespannt sein, ob und wie die Ampel den Data Act noch auf den Weg bringt und wann das Transparenzgesetz und das Recht auf Open Data kommen.
Vielen Dank.

Meine Rede der Debatte vom 31.03.2023: Europäische und Deutsche Datenwirtschaft

Meine Rede im Wortlaut:

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die EU verhandelt gerade den Data Act, um den Zugang zu Daten aus dem Internet der Dinge zu erleichtern. Die Europäische Kommission erwartet sich davon 270 Milliarden Euro Wertschöpfungssteigerung in der EU. Das Parlament in Brüssel erwartet eine Stärkung der Verbraucherrechte und des Gemeinwohls. Wahrscheinlich werden nach aktuellem Stand weder die Wünsche der Kommission noch die des Parlaments erfüllt. 

Es ist richtig: Verbraucher/-innen sollen einen Anspruch auf die Herausgabe ihrer Daten in verwendbaren Formaten erhalten. Das heißt im Klartext: Frieda Normalnutzerin könnte die Fitnessuhr eines anderen Herstellers kaufen und ihre Fitnesshistorie von der alten Uhr auf die neue übertragen. Sie könnte auch ihre defekte smarte Kaffeemaschine zum Reparateur ihres Vertrauens um die Ecke bringen, statt einen teuren Herstellerservice zu bezahlen. Nach dem Entwurf des Europäischen Parlaments erhält Frieda als Verbraucherin – das ist gut – diese Daten sogar kostenlos, und sie könnte sie sogar verkaufen. „Verkaufen“, das klingt verdammt nach Dateneigentum, und das ist ein ganz schwieriges Konzept. Daten sind nämlich keine Gegenstände, und es ist gefährlich, sie als solche zu behandeln.

Friedas Fitnessuhr kennt nämlich ihr Gewicht, ihr Alter, ihre Größe, aber zum Beispiel auch ihre Bewegungsmuster, ihren Herzrhythmus und ihre Diätpläne. Im Internet der Dinge entstehen digitale Zwillinge von uns, die käuflich werden sollen? Was glauben Sie, wer würde wohl eher seine Daten verkaufen: die Managerin oder ein Empfänger von Bürgergeld? Und wie freiwillig ist eigentlich der Verkauf digitaler Nutzerdaten durch arme Menschen, wenn es beim Kauf eines Produkts Rabatt dafür gibt, dass man künftig die mit diesem Produkt gesammelten Daten Dritten überlässt? Das Grundrecht Privatsphäre darf doch aber nicht vom Geldbeutel abhängen. 

Aus ethischen Gründen ist es im Übrigen verboten, Organe oder Menschen zu verkaufen. Solche ethischen Grenzen fordert die Linksfraktion auch für den Verkauf digitaler Zwillingsdaten von Menschen. Potenziell birgt der Data Act mehr Risiken für Verbraucher/-innen, ohne ihnen tatsächlich den Zugang zu den eigenen Daten zu garantieren, die ihre Geräte im Internet der Dinge generieren. Denn Unternehmen können aktuell noch viel zu leicht den Zugang zu Daten verweigern. Sieht ein Hersteller zum Beispiel eine Gefahr für die Sicherheit eines Produktes, erhält Frieda Normalnutzerin eben nicht die Statusdaten ihrer kaputten Kaffeemaschine und muss am Ende doch den teuren Herstellerservice oder gleich ein ganz neues Produkt bezahlen. Und erklären Unternehmen, die Daten seien Ergebnis eines komplexen proprietären Algorithmus, dann erhält auch künftig ein Start-up nicht deren Mobilitätsdaten, um daraus zum Beispiel einen klimafreundlichen Mobilitätsdienst zu entwickeln. 

Ich schließe mich daher der Forderung der Union in ihrem Antrag an, dass die Bundesregierung sich endlich mit klarerer und viel aktiverer Position in Brüssel einbringen muss, um zu verhindern, dass der Data Act mehr Probleme schafft, als er löst. 

Da wir – wenig überraschend – in Detailfragen trotzdem andere Positionen haben, werden wir uns beim Antrag der Union enthalten. Vielen Dank. 

Episoden

Zwei mal spielte Europa eine Rolle im Digitalausschuss vom 20.03.2024, zum einen ging es um die von der Ampel vertrödelte Umsetzung des Digital Services Act mittels Digitale Dienste Gesetz und wie gut und schlecht es nach einigen Veränderungen geworden ist (Spoiler: nicht gut genug, Funfact: Trixie von Storch tickte aus und das hatte was mit Schlümpfen zu tun) und zum anderen ging es um die anstehende Umsetzung des Data Acts im deutschen Recht – das gleiche Spiel wie beim DSA noch mal grün. Schaffen wir es diesmal pünklich? Ich habe Zweifel. Unser 3. Thema war die Evaluation der Gigabit-Richtlinie 2.0 zur Förderung des Glasfaserausbaus in DE, immerhin fließen da jetzt 3,6 Milliarden und eine neue Förderung ist geplant.

Kapitelmarken:
00:00:07 Intro
00:00:36 Umsetzung DSA – Dig. Dienste Gesetz: Änderungen
00:08:50 DDG: Daten ans BKA, Netzsperren, Bußgelder, Fazit
00:15:54 Dt Umsetzung EU Data Act – Intro
00:24:27 Data Act: Zeitplan, Verbraucherschutz, Dateninstitut
00:30:08 Gigabit-Richtlinie 2.0: Intro, Evaluationsbericht
00:42:38 Gigabit RL 2.0: Förderrichtlinie 2024, Beihilfe-Regelung EU
00:45:07 Outro

Weiterführende Links:

Meine Reden vom 21. und 22.3.24

Digitalausschuss

Artikel/Presse

Kurz-Zusammenfassung:
Aus einer Haushaltswoche ohne Digitalausschuss wurde durch ein Verfassungsgerichtsurteil adhoc eine Sitzungswoche mit Digitalausschuss und das waren unsere Themen: 1) warum es ein Offlinezugangsgesetz (kein Schreibfehler!) braucht, 2) Neues zum Data-Act der EU, der den Zugang zu IoT Daten regelt, und seine Schwächen, 3) Stand der eIDAS Verordnung der EU (mit ID-Wallet) – wann und wie sie kommt und in welchen Details sich die Teufel verbergen, 4) diverse Anträge der Linken zu: staatl. Ausnutzung von Sicherheitslücken, Gefahren durch Privatadressen im Impressum und Netzsperren ohne Richterbeschluss. Als Bonus auch diesmal ein Update zur Zukunft der Linken im Bundestag – der Weg vom Fraktions- zum Gruppenstatus.

Kapitelmarken:
00:00:07 Intro
00:02:22 Offlinezugangsgesetz für mehr Teilhabe
00:13:20 Data-Act – Zugang zu IoT Daten
00:19:49 Data-Act – Schutz für Verbraucher:innen u Privatsphäre
00:29:00 eIDAS-Verordnung – dig. Brieftasche (EU-Id-Wallet)
00:32:45 eIDAS: Sicherheit, Open Source, Überidentifikation, ID-Diebstahl
00:37:17 eIDAS: Umsetzung in DE, Blockchain, Smart eID, ePerso, QWACS
00:45:21 Linke-Antrag: keine staatl. Ausnutzung von IT-Sicherheitslücken
00:46:58 Linke-Antrag: Keine Privatadressen im Impressum
00:48:32 Linke-Antrag: Keine Netzsperren unter Umgehung der Gerichte
00:49:54 Update: Zukunft der LINKEN im Bundestag
00:51:55 Outro u Hinweise

Weiterführende Links:

Allgemein

Offlinezugangsgesetz:

Data Act:

eIDAS:


 Aktuelle Linke-Anträge im Digitalausschuss

Sonstige Empfehlungen: