Am 6. Oktober 2022 führte mich mein Wahlkreistag im Landkreis Ostprignitz Ruppin zum ehemaligen Kernkraftwerk Rheinsberg. Da seit Wochen immer wieder von der Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken die Rede ist, interessierte mich, wie eigentlich das Ende eines AKWs aussieht. Wie teuer, wie komplex ist das eigentlich? Das KKW Rheinsberg war seinerzeit das erste Atomkraftwerk in der DDR, es zählt mit einer (ex-) Leistung von 70MW zu den kleinen AKW.
Rheinsberger Genossinnen begleiteten mich auf die Rückbaustelle und immer wieder erzählten sie, wie das AKW in den letzten Jahrzehnten den Ort geprägt hatte. Heute gehört das Werk dem EWN, dem Entsorgungswerk für Nuklearanlagen, dessen einziger Gesellschafter das Bundesfinanzministerium ist.
Von einer Angestellten der EWN erfahren wir, dass noch heute etwa 200 Menschen dort ihren Arbeitsplatz haben, aber auch dass der Rückbau viele Jahre länger dauert, als ursprünglich geplant und dass er außerdem erheblich teurer werden wird. Anfänglich waren 420 Mio Euro dafür geplant, inzwischen schätzt man die Rückbaukosten auf über eine Milliarde Euro und da sind die langfristigen Kosten für die Lagerung radioaktiver Rückstände im Zwischenlager Nord bei Greifswald noch nicht einmal mit drin.
Das größere Atomkraftwerk Greifswald und das kleine Rheinsberger KKW werden mehr als sechs Milliarden Euro für den Rückbau verschlingen. Man kann auf so einer Rückbau-Baustelle sehr gut erleben, wie komplex es ist, ein AKW wieder loszuwerden. Das ganze Gerede von billiger und sauberer Energie wird bei dieser Gesamtbetrachtung ad absurdum geführt. 30 Jahre war das KKW Rheinsberg in Betrieb, von 1960-1990, der Rückbau wird damit länger dauern, als die Betriebszeit. Diese immensen Folgekosten, die potenziellen Gefahren für Mensch und Tier, aber auch die nach wie vor ungelöste Frage der Endlagerung radioaktiver AKW-Abfälle machen eigentlich klar, dass eine Nutzung von Atomstrom nie wieder in Frage kommen darf.
So ein ehemaliges Kraftwerk ist jedoch auch eine Reise in die Industrievergangenheit mit interessanten Einblicken zum Beispiel in die verschiedenen noch gut erhaltenen Blockwarten, den Schaltzentralen für diverse Steuerungsaufgaben – große Räume mit unzähligen Knöpfen und Messgeräten. Eine dieser Schaltzentralen habe ich in meiner Kindheit und Jugend schon unzählige Male gesehen – auf dem 10 Mark-Schein der DDR, der auch im KKW Rheinsberg hinter Glas anzusehen war.
Irgendwann – leider wird das wohl noch viele Jahre dauern – wird statt dieser Rückbaustelle mitten im Naturschutzgebiet, in Nachbarschaft zum wunderschönen Stechlin-See, wieder reine Natur zu finden sein, mit grünen Wiesen und Bäumen. Erleben werde ich das hoffentlich noch!