Pressemitteilung vom 26.09.2022

Digitalisierung und Klimakrise verändern als doppelte Transformation unsere gesamte Gesellschaft. Digitalisierung beschleunigt die Verkehrs- und Energiewende, trägt aber selbst erheblich zur Klimakrise bei, so ist ihr CO2 Fußabdruck vergleichbar mit dem des zivilen Flugverkehrs. Der Bund trägt daher sowohl als Regulierer Verantwortung, als auch als einer der größten Einkäufer von ITK-Produkten und Dienstleistungen in Deutschland. Die Ampel-Koalition hat sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Digitalstrategie Nachhaltigkeitsziele mit Bezug zur Digitalisierung veröffentlicht, u.a. mit der Verpflichtung, dass bei IT-Beschaffungen des Bundes Zertifizierungen wie z. B. der Blaue Engel Standard sein sollen. Sie will sich 2025 daran messen lassen, dass die Abwärme von Rechenzentren mehr genutzt wird, energieeffiziente Softwareentwicklung etabliert ist und ein Effizienzregister für Rechenzentren beschleunigend wirkt. In ihrer Antwort auf eine aktuelle Kleine Anfrage der Linksfraktion (Drucksache: 20/3164) offenbarte die Bundesregierung jedoch noch erhebliche Defizite, sowohl hinsichtlich der vorhandenen Datenlage, als auch hinsichtlich der Klimaschädlichkeit der Bundes-IT.

Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag:

„Wir müssen bundesweit in großem Tempo auf ressourcensparende IT umstellen. Der Bund hat 184 Rechenzentren und ein riesiges Einkaufsvolumen an ITK-Produkten und Dienstleistungen, da reicht es nicht, sich Blaue Engel für Rechenzentren auszudenken, da muss schnell und konsequent in den eigenen Häusern der viel zu hohe Klimafußabdruck gesenkt werden. Die Ankündigungen der Ampel-Koalition gehen dabei in die richtige Richtung, aber bei der Umsetzung und ihrer Verbindlichkeit zeigen sich schon jetzt gravierende Probleme.

So ist die Datenlage zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT erschütternd schlecht, ohne die ein sinnvoller Maßnahmeplan mit Meilensteinen weder entwickelt noch nachgehalten werden kann. Für zwei Drittel der Rechenzentren konnte nicht einmal die Frage nach der Nutzung erneuerbarer Energie beantwortet werden und bei etwa jedem vierten Rechenzentrum blieb die Frage nach den verwendeten Kältemitteln ohne Angabe. Bei 118 von 184 Rechenzentren gab es zu keinem einzigen der acht Kriterien des Blauen Engels für RZ irgendwelche Daten. Die Qualität der gelieferten Daten ist völlig inakzeptabel, Daten waren nicht nur unvollständig, sondern auch widersprüchlich und enthielten offensichtliche Fehler, etwa die Einstufung eines Kältemittels als unbedenklich, das eindeutig klimaschädlich ist. Es fehlt an gutem Willen, an Datenkompetenz und mancherorts auch an Datenquellen, so hat nicht einmal jedes Rechenzentrum einen getrennten Zähler für seinen Stromverbrauch. Offenbar brauchte es meine Anfrage, um die Relevanz guter und vollständiger Daten zu erkennen, denn wohl nicht ganz zufällig beschloss die Ampel-Koalition drei Wochen nach Eingang meiner Anfrage, das Berichtswesen dafür zu verbessern und künftig jährlich die Kriterien des Blauen Engels für Rechenzentren zu erfassen.

Die präsentierten Daten der Bundesregierung zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT decken darüberhinaus extreme Defizite auf: Nicht einmal jedes 10. Rechenzentrum nutzt die Abwärme, nicht einmal jedes Dritte verwendet wenigstens Strom aus erneuerbaren Energien, dafür nutzen immer noch Zweidrittel aller Rechenzentren klimaschädliche Kältemittel. Nur ein einziges Rechenzentrum erfüllt die Kriterien des Blauen Engels für Rechenzentren, den das Umweltbundesamt selbst entwickelt hat. Existierende Vorgaben werden großzügig ignoriert: Seit Mitte 2021 sind zumindest alle neuen Rechenzentren dazu verpflichtet, die acht Kriterien des Blauen Engels einzuhalten, aber nur für die Hälfte der 34 neu entstehenden Rechenzentren soll das auch in der Praxis zutreffen. 

Noch schlechter sieht es aus bei weniger bekannten, aber nicht minder relevanten Aspekten, wie ineffizient programmierter Software, die laut Umweltbundesamt bis zu viermal so viel Energie verbraucht, wie ein nach Nachhaltigkeitsaspekten entwickeltes Computerprogramm. Deshalb gibt es inzwischen auch einen Blauen Engel für nachhaltige Software, aber obwohl der Bund jede Menge Fachanwendungen selbst programmiert oder programmieren lässt, gibt es laut Antwort der Bundesregierung darunter keine einzige Software, die den Blauen Engel trägt. Laut Digitalstrategie will sich die Bundesregierung 2025 daran messen lassen, dass Methoden energieeffizienter Softwareprogrammierung etabliert sind und das Abwärme aus Rechenzentren mehr genutzt wird – für sich selbst kann der Bund das weder aktuell noch für die Zukunft beantworten, weil es dafür weder verbindliche Vorgaben noch irgendein effektives Monitoring gibt.

Ein Dauerproblem bleibt die auf der Stelle tretende IT-Konsolidierung des Bundes, mit der die Anzahl der Rechenzentren verringert und damit ihre Nachhaltigkeit erhöht werden sollen. Trotz undurchsichtiger Datenlage ist eins klar: eine Reduktion der Anzahl Rechenzentren scheint auch Jahre nach Beginn des Mammutprojektes nicht in Sicht, im Gegenteil, es entstehen offenbar immer weiter neue Rechenzentren. Die IT-Konsolidierung wird damit nicht nur zum Milliardengrab für Steuergelder, sondern auch zu einer erheblichen Hürde auf dem Weg zu einer nachhaltigeren IT-des Bundes.

Wenn die Ampel Koalition ihrem Anspruch gerecht werden will, muss sie schnellstmöglich ein verpflichtendes Berichtswesen etablieren, damit es künftig jederzeit auf Knopfdruck aussagefähige Daten zur Nachhaltigkeit der Bundes-IT gibt. Die Vorgaben für eine nachhaltige Beschaffung von ITK Produkten müssen verbindlich sein und überprüft werden, sonst bleibt es bei leeren Absichtserklärungen. Außerdem braucht es schnell den angekündigten konkreten Maßnahmenplan, mit Meilensteinen und Zieldaten und das versprochene Energieeffizienzgesetz. Die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien sollte kurzfristig erfolgen. Die Umstellung auf klimafreundliche Kältemittel muss beschleunigt werden und den Stand der Technik berücksichtigen. So können manche stark klimaschädlichen Kältemittel auch ohne Umbau der Kälteanlage durch erheblich weniger schädliche Kältemittel zeitnah ersetzt werden. Der Bund muss endlich eine Rolle als Vorreiter bei der Gestaltung nachhaltiger IT einnehmen und sein Gewicht als Großauftragnehmer einsetzen, um den Veränderungsprozess zu beschleunigen. Es braucht jeden Beitrag zur Rettung des Klimas und das so schnell wie möglich, ohne nachhaltige Digitalisierung ist das nicht zu schaffen.“

Kontakt:

Anke Domscheit-Berg

mailto: anke.domscheit-berg@bundestag.de

Weiterführende Informationen:

  • Die Antwort der Bundesregierung Drucksache 20/3619:
  • Übersichtsgrafiken zu den Auswertungen der Daten: [Folgt in Kürze]