Wenn am Montagmorgen um kurz vor sechs Uhr mein Telefon klingelt, kann es nur um etwas ganz Wichtiges gehen. So war es dann auch, denn Ver.di hatte vor dem Rewe Logistikzentrum in Oranienburg zum Streik aufgerufen. Der Grund: Konzerne wie REWE haben in der Pandemie ihre Umsätze kräftig gesteigert und ordentlich in der Krise verdient, wollen aber die Arbeitnehmer:innen mit einer lächerlichen Gehaltssteigerung abspeisen, die außerdem erst ab 2022 gezahlt werden soll. Ich habe deshalb kurzfristig meinen Kalender umgeplant und bin sofort zu den Streikenden nach Oranienburg gefahren, um stellvertretend für die Linksfraktion im Bundestag meine Solidarität der für ihren Arbeitskampf auszudrücken.
DIE LINKE stellt ja ohnehin immer wieder die Frage, wer eigentlich von der Krise profitiert und wer die Lasten der Krise tragen soll. Gerade Lebensmittelkonzerne wie REWE gehören zu den Gewinnern der Pandemie, sie haben ein großes Plus eingefahren, wollen aber ausgerechnet diejenigen mit Almosen abspeisen, die eine besondere Last zu tragen hatten.
Das mickrige Angebot der Arbeitgeberseite ist gerade vor diesem Hintergrund ein Witz und bedeutet für die Reallöhne der Arbeitnehmer:innen ein Minus. Es ist eine schallende Ohrfeige ins Gesicht gerade der Mitarbeiter:innen, die wir seit Beginn der Pandemie nicht ohne Grund als ’systemrelevant‘ bezeichnen. Gerade der Vorschlag, die ohnehin mickrigen Lohnerhöhungen auch noch auf das nächste Jahr zu verschieben, ist eine Zumutung.
Die Kosten steigen ja z.B. durch Mieterhöhungen ständig, auch deshalb ist es notwendig, einen angemessenen Ausgleich auf Seiten der Arbeitnehmer:innen zu erstreiten. Die Pandemie hat leider gezeigt, dass die Ungleichverteilung des Vermögens weiter zugenommen hat, im letzten Jahr sind allein die Milliardäre in Deutschland, zu denen z.B. die Aldi-Brüder gehören, um 55 Milliarden reicher geworden. Gerade im Lebensmittelhandel wurde also kräftig verdient und davon müssen auch die etwas haben, die diese Leistung mit ihrer Hände Arbeit erbringen.
Ver.di fordert für den Groß- und Außenhandel eine Erhöhung von Löhnen, Gehältern und Ausbildungsvergütungen um 6 Prozent, mindestens aber um 150, beziehungsweise 70 Euro, sowie ein rentenfestes Mindestentgelt von 12,50 Euro pro Stunde. Nach Auffassung von ver.di sollen die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden, damit es in der Branche faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen gibt. DIE LINKE war aus allen parlamentarischen Ebenen vertreten, Ralf Wunderlich für den Oberhaveler Kreistag (und mein Wahlkreismitarbeiter in Oranienburg), Andreas Büttner für den Brandenburger Landtag und ich für den Bundestag und Enrico Geißler als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung.
Beim Streik habe ich auch eine kurze Rede gehalten, Ausschnitte davon sind hier verlinkt:
Kurz nach meiner Rede wurde ich Augen- und vor allem auch Ohrenzeugin einer besonders absurden Situation: Obwohl der Streik als angemeldete und genehmigte Versammlung stattfand, erschien plötzlich ein Bauarbeiter auf der gegenüberliegenden Straßenseite (wo ebenfalls Streikende mit Ver.di Fahnen standen) und machte einen Höllenlärm mit einer Steinkreissäge, mit der er ohne erkennbaren Grund parallele Schlitze in eine völlig intakte Parkbucht sägte – ohne Absperrung mit Flatterband oder anderer Sicherung der „Baustelle“. Die Streikenden konnten kaum noch miteinander reden, Ansprachen konnten auch nicht mehr gehalten werden. Die in der Nähe stehenden Streikenden wichen keinen Zentimeter zur Seite und wurden bald in aufgewirbelten Steinstaub gehüllt. Zwei von ihnen bekamen von dem extremen Lärm einen Tinnitus. Als ich den Bauarbeiter fragte, warum er diese Schlitze sägte, meinte er nur, er wüsste auch nicht, wozu das gut sein solle, er hätte von seinem Auftraggeber nur den Auftrag erhalten, hier einfach Schlitze nebeneinander zu sägen. Die Vermutung liegt nahe, dass hier REWE versucht hat, auf besonders perfide Weise eine Streikversammlung zu stören. Es erfolgte eine Anzeige bei der Polizei durch die Streikenden, bei der ich als Zeugin vor Ort aussagte und ich bin gespannt, was die Ermittlungen zum Hintergrund dieser merkwürdigen „Bauarbeiten“ ergeben werden, denn hier haben schließlich Arbeitnehmer:innen ihre gesetzlich verbrieften Rechte ausgeübt und Arbeitgeber haben das zu respektieren und sollten sich nicht verhalten, wie in einem Kindergarten.
Besonders freute mich jedoch, dass es allein am Streiktag sieben Neueintritte in die Gewerkschaft gab – gleich an Ort und Stelle. Für einen erfolgreichen Arbeitskampf braucht es starke Gewerkschaften! Den Kolleginnen und Kollegen bei REWE wünsche ich Durchhaltevermögen und ich hoffe, dass noch viel mehr Beschäftigte sich in einer Gewerkschaft organisieren und ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen und bessere Löhne zu kämpfen!