Sehr geehrte:r Präsident:in, liebe Kolleg:innen,

Vollmundig schrieb sich die GroKo in den Koalitionsvertrag: 

„Im Bereich Open Data wollen wir erreichen, dass die Bundesregierung internationaler Vorreiter wird“.

Donnerwetter, hab ich seinerzeit gedacht, denn ich beschäftige mich beruflich und als Netzaktivistin seit 15 Jahren mit dem Thema „transparente Verwaltung“, wozu natürlich auch der Zugang zu Open Data gehört. Deshalb war mir klar, dass es für eine Vorreiterrolle einen wirklich großen Wurf in Sachen Open Data Gesetz braucht. 

Genaugenommen hätte es ein ehrgeiziges Gesetz schon für einen Mittelfeldplatz gebraucht.

Am Ende der Legislatur lässt sich das Ergebnis am besten mit einer Redewendung beschreiben: „Der Berg kreisste und gebar ein Mäuschen“.

Seit Jahren wurde an dem Gesetzentwurf herumgeschrieben oder besser herumgezankt. Immer wieder stand er auf der Tagesordnung des Bundestages und flog kurzfristig wieder runter. Wie bei vielen anderen Gesetzen mit Bezug zu Digitalem folgte nach jahrelanger Trödelei ein unwürdig beschleunigter Prozess im Parlament, erst am Abend vor der Sitzung des federführenden Ausschusses lag der finale Gesetzentwurf vor. 

Und der ist alles Andere als ein großer Wurf, dieser Gesetzentwurf ist ein großer Witz! Das ist ein Gesetz, das es denen ermöglicht, frei und unentgeltlich ihre Daten zu teilen, die das sowieso freiwillig machen wollen und gerade genug Ressourcen dafür haben und bei denen kein Interesse oder keine Möglichkeit dazu besteht, damit Geld zu verdienen.

Wer möchte, dass im Bund Open Data zum Standard wird, der muss das verpflichten und einen Rechtsanspruch auf die Veröffentlichung offener Daten schaffen, denn bekanntlich ist die freiwillige Bereitschaft dazu in Deutschland seit Jahren sehr gering. Stattdessen schreibt diese ehrgeizlose Koalition explizit ins Gesetz: „Ein Anspruch wird nicht begründet“. Wie deutlich kann man sämtlichen Einrichtungen des Bundes denn noch sagen: „Wer weiter keinen Bock auf Open Data hat – kein Problem, wer nicht mitmachen will, kann das auch künftig einfach bleiben lassen.“?

Der Gesetzentwurf wimmelt von Ausnahmen und Sonderregelungen.
 Statt konsequentem Open Access für wissenschaftliche Forschungsergebnisse räumt das sogenannte „Open Data Gesetz“ ein, dass Forschungsergebnisse erst nach abgeschlossener Forschung und auch erst bis zu 36 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes veröffentlicht werden können. Unwillige Forschungseinrichtungen des Bundes werden da wohl einfach Forschungen als Langzeitforschungen bezeichnen und sich damit jeglicher Veröffentlichungspflicht entziehen. 

Selbstverwaltete Körperschaften, also alle gesetzlichen Versicherungen: Krankenversicherung, gesetzliche Pflege-, Arbeitslosen-, Unfall- oder Rentenversicherung – alle die sind komplett davon ausgenommen, weil sowohl BMG als auch das BMAS hier kein Open Data wollten, dabei wäre es selbstverständlich nicht um identifizierbare personenbezogene Daten gegangen, sondern um aggregierte, anonyme Datensätze, die sicher interessante Erkenntnisse offenbaren könnten, wenn sie maschinenlesbar und offen zur Verfügung stünden. 

Der Open Data Gedanke ist außerdem untrennbar mit dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit verknüpft, denn ein offener Zugang zu Daten ist faktisch keiner, wenn die Daten hinter einer hohen Bezahlschranke liegen und der Zugang sich nach dem Geldbeutel der Interessent:innen richtet. 

Und da enttäuscht das Gesetz doppelt: Ausgerechnet die öffentlichen Stellen sind vom Grundsatz der Unentgeltlichkeit ausgenommen, die mit dem Verkauf von Daten nennenswert Geld verdienen. Das ist doch lächerlich, meine Damen und Herren, und es führt den Open Data Gedanken ad absurdum. Gerade sogenannte hochwertige Datensätze sollen Teil des offenen Datenschatzes sein, schreibt die Europäische Direktive explizit fest. Auch staatliche Museen und Archive sind vom Grundsatz der Unentgeltlichkeit ausgenommen, und damit auch nicht mehr zu Open Data verpflichtet, denn  Daten, die man kaufen muss, sind keine offenen Daten mehr. 

Mein Fazit: vermutlich erfüllt das vorliegende Gesetz nicht einmal die Vorgaben der europäischen Direktive von 2019, aber ohne Zweifel garantiert es uns einen weiterhin schlechten Platz im internationalen Vergleich. Diese Große Koalition hat die Chance verpasst, in dieser Legislatur mit einem Bundestransparenzgesetz eine wirklich neue Richtung einzuschlagen, sich klar zum Grundsatz: ÖGÖG = „öffentliches Geld gleich öffentliches Gut“ zu bekennen und einen einklagbaren Rechtsanspruch auf offene, maschinenlesbare Daten des Bundes zu schaffen.

Weil das Gesetz jedoch auch marginale Verbesserungen enthält, wird sich die Linksfraktion dazu enthalten.

Im übrigen bin ich der Meinung, dass Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nicht ins Strafgesetzbuch gehören, §219a gehört abgeschafft.