Der EU-Ministerrat plant, noch in diesem Jahr einen Beschluss zu verabschieden, der Messaging-Dienste zwingt, eine Hintertür einzubauen. Damit soll die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verboten werden. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg: „Wer sichere Kommunikation durch Verschlüsselung verspricht, aber gleichzeitig sichere Ende-zu-Ende Verschlüsselung unmöglich machen will, zeigt vor allem eins: dass es an Kenntnis zu grundlegenden Mechanismen der digitalen Gesellschaft mangelt.“

Und weiter: „Es gibt keine Hintertüren, die nur für legitime Ziele in Strafverfolgungsbehörden genutzt werden können. Durch eine offene Hintertür in mein Haus könnte jeder gehen, der sie findet, das ist bei Hintertüren in Software nicht anders. Wer also absichtlich für Schwachstellen in Kommunikationssoftware sorgt, der gefährdet unser aller IT-Sicherheit, schafft Einfallstore für Kriminelle, die damit noch leichter massenhaft Schadsoftware verbreiten und unvorstellbaren gesamtgesellschaftlichen Schaden anrichten können.

In einer digitalen Gesellschaft ist jedoch ein hoher Grad an IT-Sicherheit unabdingbar für das Funktionieren von Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft. Die vorgeschlagene Regulierung der EU ist ein Angriff auf die Integrität der digitalen Infrastruktur und daher hochgefährlich. Sie würde nicht mehr Sicherheit schaffen, sondern ein hohes Maß an unkalkulierbaren Risiken verursachen, nicht nur der potenzielle wirtschaftliche Schaden wäre dadurch erheblich.”

In ihrer Kritik verweist die Bundestagsabgeordnete auch auf verletzte Forderungen des BVerfG und des EUGH: 

“Wie so oft in der Vergangenheit wird jede Verunsicherung der Bevölkerung durch aktuelle Terroranschläge ausgenutzt, um Überwachungsmaßnahmen zu legitimieren. Dabei wird weder die vom Bundesverfassungsgericht immer wieder betonte Überwachungsgesamtrechnung, noch der vom EUGH eingeforderte Nutzennachweis berücksichtigt. In der EU müssen europäische Werte die Grundlage der Regulierung sein, erst recht im Digitalen, denn kommerzielle Massenüberwachung wie in den USA wollen wir genauso wenig, wie staatliche Überwachung in China. Datenschutz, IT-Sicherheit und Innere Sicherheit sind jedoch keine quasi naturgesetzlichen Widersprüche, egal wie oft das von Politiker:innen behauptet wird.”

Anke Domscheit-Berg warnt vor Schäden für Demokratie und Wirtschaft: 

“Auf wiederholtes Versagen durch schlichte Fehler in der Terrorabwehr und mangelnde Terrorprävention mit mehr technischen Überwachungsmöglichkeiten zu reagieren, ist klassische Symbolpolitik. Weder bei Vorratsdatenspeicherung noch bei Kameraüberwachung im öffentlichen Raum konnte ein Einfluss auf  Verbrechensvermeidung nachgewiesen werden, das ist auch bei Sicherheitslücken in Kommunikationssoftware nicht anders. Belegt ist allerdings, dass aus Überwachungsinteresse geheim gehaltene oder durch staatliche Stellen extra beauftragte Sicherheitslücken von Dritten für die weltweite Verbreitung von Schadsoftware wie Wannacry ausgenutzt worden sind und erheblichen Schaden anrichteten. Belegt ist auch die Wirkung eines “Chilling Effects”, wonach es zu Einschränkungen der Meinungsfreiheit kommt, wenn es zu viel staatliche Überwachungsmöglichkeiten gibt.

Wieder einmal hat die EU sich nicht ausreichend von wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Fachleuten für IT-Sicherheit beraten lassen und ihre Warnungen ignoriert. Das wird sich rächen, sollte diese fatale Regulierung tatsächlich verabschiedet werden. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass sie Bestand vor dem EUGH haben wird.”