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Ein Bundestagsausschuss tagt nicht nicht nur im Bundestag, sondern manchmal auch woanders. So haben wir vor einigen Wochen die Hannovermesse besucht und uns vor allem zu Industrie 4.0 informiert und in dieser Woche waren wir gemeinsam auf der CEBIT.

Foto: Anke Domscheit-Berg, CC BY 4.0

Nächste Woche reisen wir sogar in das Ausland, um von Dänemark und Schweden zu lernen, wie man es dort schafft, Themen wie eGovernment oder den Breitbandausbau für ein schnelles Internet besser anzupacken als bei uns. Zurück zur CEBIT: das Ausschusssekretariat hatte uns ein volles Programm zusammengestellt, alle 15 Minuten war man zu einem anderen Stand und zu einem anderen Thema unterwegs. Es war natürlich schade, dass man nie länger bleiben konnte, um hier und da mal eine Rückfrage zu stellen und ich hatte auch ein gewisses Problem, die Gruppe nicht zu verlieren, weil ich manchen Stand, der nicht auf unserer Agenda stand (Pizzadrohne und IT in Afrika z. B.) interessanter fand, als unser offizielles Programm.

Foto: Anke Domscheit-Berg, CC BY 4.0

Meine absoluten Highlights fand ich schon am ersten Stand, aufregender wurde es später nicht mehr. Erst letzte Woche hatten wir eine Expertenanhörung zum Thema Quantencomputing im Ausschuss und hatten dort so einiges an Grundlagen gehört, u.a. dass der Durchbruch dieser neuen Rechnertechnologie in 5-10 Jahren zu erwarten ist und so große Sprünge in Rechnerleistung verspricht, dass damit die meisten heute gängigen Verschlüsselungen geknackt werden können. Das ist natürlich beunruhigend, aber mit Quantencomputern könnte man auch neue Verschlüsselungen schaffen, die langfristig sicher sind. Ihre Potenziale für sehr viele auch industrielle Bereiche sind riesig. Nachdem ich das von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gerade alles frisch erzählt bekommen hatte, war es natürlich sehr aufregend, einen leibhaftigen Quantencomputer selbst zu sehen. Ich habe nie darüber nachgedacht, wie er aussehen könnte, aber ganz bestimmt hätte ich mir etwas Anderes vorgestellt, als diese filigrane, glänzende Struktur, aus silbernen Stangen mit diversen Windungen, goldenen Platten, die mehrere „Stockwerke“  bildeten, und vielen, aus unzähligen Kupferfäden eng geflochtenen Zöpfen. Dieses etwa 1,50 m große „Kunstwerk in Medaillenfarben“ war von oben aufgehängt und besaß eine sehr transparente Struktur. Von allen Seiten konnte man durchgucken. Keine Platinen, keine Lötstellen, keine kleinen Prozessoren oder Widerstände, nichts von all dem, was man sonst so mit dem Inneren eines Computers assoziiert. Aber ein Quantencomputer ist ja auch etwas völlig Anderes, seine Q-Bits können z.B. verschiedene Zustände gleichzeitig einnehmen, also 0 und 1 gleichermaßen, weshalb ihre höhere Leistung möglich ist. Das für unsere Gewohnheiten merkwürdige Aussehen eines Quantencomputers hat vor allem auch damit zu tun, in welcher Umgebung er normalerweise arbeitet, nämlich im Vakuum und bei extremer Kälte nahe dem absoluten Nullpunkt.

Foto: Anke Domscheit-Berg, CC BY 4.0

Am gleichen Stand (IBM) gab es das zweite Highlight des Tages, einen kugelförmigen Roboter, der für die Raumstation ISS entwickelt wurde. Dort soll er um Astronaut Alexander Gerst herumschweben und ihm bei der Arbeit assistieren. Die schwebende Kugel heißt nicht R2D2 sondern Cimon, ist vollgestopft mit künstlicher Intelligenz, kennt die ISS auswendig und auch alle Experimente, die Astro Alex zu absolvieren hat. Cimon hat ein rundes Display, in dem ein Gesicht aus Strichlinien freundliche Mimik zeigt und hin und wieder mit den Augen blinzelt. Seine richtigen Augen sind aber kleine Kameras, die zum Beispiel Astronaut Gerst beobachten. Das „Gehirn“ von Cimon kann dann seine Mimik interpretieren und darauf reagieren, ihn aufmuntern, wenn er missgelaunt ist, aber auch die Bodenstation darüber informieren, ob es dem Astronauten gut oder schlecht geht.

Foto: Anke Domscheit-Berg, CC BY 4.0

Als man uns am IBM-Stand gerade erzählen wollte, wie man Blockchain-Technologie einsetzt, um Fahrraddiebstahl zu verhindern, mussten wir leider weiter, schade. Ich hätte das gern noch erfahren, denn gerade so einfache, praxisnahe Beispiele können oft einer neuen Technologie zum Durchbruch verhelfen und für mehr Verständnis und Akzeptanz sorgen. Am Stand von Fraunhofer haben wir dann aber von einem anderen Anwendungsbeispiel dieser Technologie erfahren. Dort ging es um die Erstellung fälschungssicherer Zertifikate und Zeugnisse z. B. nach nach Qualifikationsmaßnahmen oder Ausbildungen. Der dafür entwickelte Prozess lässt sich eigentlich beliebig auf alles Mögliche übertragen, auf Prüfsiegel, Teilnahmenachweise oder staatliche Urkunden. Ich bin gespannt, wann man in der öffentlichen Verwaltung die ersten Pilotprojekte auf der Basis dieser sogenannten „smart contracts“ macht, denn vieles gerade im eGovernment, also der elektronischen Erledigung öffentlicher Dienste, scheitert noch daran, dass es zum Beispiel keine etablierten, sicheren amtlichen Dokumente gibt, eine elektronische Heirats- oder Geburtsurkunde zum Beispiel, deren Echtheit man in jeder Behörde einfach überprüfen könnte. Mit Blockchain-Technologie könnte das gehen. Wir haben noch viele andere Stände besucht, vom Startup bis zum Großunternehmen. Als der offizielle Rundgang vorbei war, besuchte ich noch den Stand von Berlin Brandenburg und  dort vor allem die Ausstellung der TH Brandenburg an der Havel, an der ich ja schon mehrfach zu Gast war, als Rednerin beim IT  Sicherheitsforum, im Gespräch mit der Präsidentin, bei Besichtigung der Studienbereiche Medizininformatik und Medieninformatik, im Fachaustausch mit Wissenschaftlern, die an einer barrierefreien Notfall-App arbeiten, oder als Festrednerin bei der Jugendweihe in diesem Frühjahr, die ebenfalls in der Aula der TH stattfand. Das war ein sehr schöner Abschluss des CEBIT Besuchs, ein Stück Wahlkreis und Brandenburger Heimat mitten in Hannover.

Über den derzeitigen Stand bei der Entwicklung von Quantencomputern hat der Ausschuss Digitale Agenda unter Vorsitz von Hansjörg Durz (CDU/CSU) am Mittwoch, 6. Juni 2018, mit sieben geladenen Experten diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass derzeit noch nicht absehbar ist, wann es den ersten leistungsfähigen Quantencomputer geben wird, der statt mit Bits mit sogenannten Qubits arbeitet, die sich nicht nur in einem Zustand – Null oder Eins – befinden können, sondern in beiden gleichzeitig, und daher deutlich komplexere Rechnungen vornehmen können als klassische Computer. Neben großen Möglichkeiten etwa bei der Entwicklung von neuen Stoffen und Chemikalien seien aber auch Gefahren – etwa für die IT-Sicherheit – mit dem Quantencomputer verbunden, hieß es von den Experten.

Dr. Stephan Ritter vom Unternehmen Toptica Photonics sagte, die Herausforderung bestehe unter anderem darin, Atome und Ionen, die lange Zeit noch nicht einmal beobachtet werden konnten, vollständig unter Kontrolle zu bekommen, um sie als Qubitseinsetzen zu können. „Einfach ausgedrückt besteht der Vorteil des Quantencomputers gegenüber dem klassischen Computer darin, dass er nicht kapituliert, wenn das zu berechnende System groß wird“, sagte Ritter. Die möglichen Anwendungsgebiete reichten von der Entwicklung neuer Medikamente und neuer Materialien bis hin zur Steuerung des Verkehrsflusses und in den Bereich des autonomen Fahrens.

„Gefahr für die IT-Sicherheit“

Man sei derzeit in einem Stadium, „der der klassischen Computerei der 1950er-Jahre ähnelt“, sagte Prof. Dr. Frank Wilhelm-Mauch von der Universität des Saarlandes. Auf der experimentellen Seite gebe es eine Reihe von Hardwareplattformen. Im Augenblick seien Quantenprozessoren mit bis zu 20 Qubits – die einem Megabyte eines klassischenComputers entsprächen – über die Cloud zugänglich. Ab etwa 50 Qubits könne der Quantenvorteil erreicht werden, also der Punkt, an dem dieser Quantencomputer nicht mehr durch die größten klassischen Supercomputer simuliert werden kann, sagte Wilhelm-Mauch.

Auf die Gefährdung der IT-Sicherheit durch Quantencomputer wies Prof. Dr. Marian Margraf von der Freien Universität Berlin hin. Nahezu alle der heutzutage zur Verschlüsselung eingesetzten kryptografischen Verfahren können seiner Aussage nach durch Quantencomputer ausgehebelt werden. Auch wenn heute noch niemand sagen könne, wann es Quantencomputer geben wird, müsse schon jetzt damit begonnen werden, „entsprechende andere Algorithmen zu entwickeln“. Margraf forderte, in die Erforschung der sogenannten quantencomputerresistenten Kryptoverfahren viel mehr Finanzmittel zu investieren.

„Größte Revolution in der Informationsverarbeitung“

Quantencomputer stellten die größte Revolution auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung dar, „seitdem wir damit angefangen haben, Steinchen zu zählen“, sagte Prof. Dr. Hendrik Bluhm von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Was die Forschung in dem Bereich angeht, so ist aus seiner Sicht in Deutschland und Europa eine sehr hohe Kompetenz vorhanden. Die Technologieentwicklung stehe aber hinter der in den USA zurück. Dennoch seien inzwischen durch verschiedene Programme auf EU-Ebene aber auch in Deutschland „die Weichen gestellt, dies zu ändern“, sagte er.

Prof. Dr. Dr. h. c. Johannes Buchmann von der Technischen Universität Darmstadtging auch auf das Thema IT-Sicherheit ein und sagte, die Quantenkryptografie könne einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Systeme zu entwickeln, die sehr langfristig sicher seien. Entsprechende Experimente gebe es schon, betonte er.

„Ingenieurwissenschaftliche Meisterleistungen benötigt“

Anders als Quantencomputing sei Quantenkommunikation jetzt schon möglich, sagte Prof. Dr. Stephanie Wehner von der Universität Delft in Holland. Bis 2020 wolle man in Delft ein Netzwerk bauen, das kleine Quantencomputer in verschiedenen Städten miteinander verbindet.

Prof. Dr. Winfried Hensinger von der University of Sussex in Großbritannien verwies auf einen gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern verschiedener Universitäten verfassten Bauplan, wonach es möglich sei, „einen großen leistungsfähigen Quantencomputer mit Millionen oder Milliarden von Qubits zu bauen“. Benötigt würden dafür aber „ingenieurwissenschaftliche Meisterleistungen“ und die Unterstützung durch die Politik, sagte Hensinger. (hau/07.06.2018)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Dr. Stephan Ritter, TOPTICA Photonics AG
  • Prof. Dr. Frank Wilhelm-Mauch, Universität des Saarlandes
  • Prof. Dr. Marian Margraf, Freie Universität Berlin
  • Prof. Dr. Hendrik Bluhm, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
  • Prof. Dr. Dr. h. c. Johannes Buchmann, Technische Universität Darmstadt
  • Prof. Dr. Stephanie Wehner, QUTech, Delft University of Technology
  • Prof. Dr. Winfried HensingerUniversity of Sussex

Text von Online-Dienste Deutscher Bundestag