Am 16. November 2018 hat die Bundesnetzagentur den finalen Entwurf für die Vergabebedingungen und Auktionsregeln für die 5G-Frequenzauktion vorgelegt. Der Beirat der Bundesnetzagentur, dem ich als Mitglied des Bundestages angehöre, wird sie letztmalig am 26. November beraten, Veränderungen werden dann jedoch nicht mehr möglich sein. In der 1. Hälfte 2019 sollen Frequenzblöcke im Bereich von 2 GHz und 3,6 GHz für den Aufbau eines 5G-Mobilfunknetzes verwendet werden. Firmen, die Frequenzen ersteigern, werden verpflichtet, bis zu bestimmten Stichtagen Versorgungsauflagen zu erfüllen. Ersteigerte Frequenzen können bis zum 31. Dezember 2040 durch die Firmen genutzt werden. Weiterlesen
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Am 24.09.2018 berät der Beirat der Bundesnetzagentur unter anderem über die Kriterien bei der Versteigerung der 5G Lizenzen. Dafür wurde bereits ein Konsultationsentwurf veröffentlicht, der inakzeptabel ist. Ich nehme am Beirat teil und werde dort meine Kritik deutlich äußern.
Die Bundesnetzagentur hat zwei wichtige Aufgaben. Zum Einen soll sie die Interessen der Verbraucher*innen vertreten, worunter man eine lückenlose Mobilfunkversorgung in guter Qualität und zu Preisen, die digitale Teilhabe allen ermöglicht, annehmen kann. Zum Anderen muss sie für einen funktionierenden Wettbewerb sorgen. Beides funktioniert schon jetzt nicht hinreichend gut und mit den nun diskutierten Kriterien für die 5G Lizenzversteigerung wird es noch schlechter werden. Warum das so ist, lässt sich mit Blick auf die Vergangenheit analog auch für die Zukunft voraussagen.
Schon 2010 unterließ die BNetzA nämlich bei der Vergabe der LTE Lizenzen eine sogenannte Diensteanbieterverpflichtung (DAV), die auch Resellern ohne eigenes Netz eine Marktteilnahme zu vernünftigen Konditionen ermöglicht hätte. Der Markt sollte es irgendwie allein regeln. Allerdings ist die Marktmacht der großen Telco Anbieter offenbar so hoch, dass selbst acht Jahre später keine ohne Zwang zustande gekommene Vereinbarung über LTE Vorleistungsprodukte mit Resellern gibt (die einzige Vereinbarung überhaupt ist ein Vertrag zwischen Telefonica mit United Internet, der faktisch von der EU erzwungen wurde, um die EPlus+Telefonica Fusion zu genehmigen).
Ohne eine Diensteanbieterverpflichtung für LTE vermeiden die Platzhirsche (v.a. Deutsche Telekom und Vodafone) jede Konkurrenz in dieser Bandbreite, und verlangen überdurchschnittlich hohe Preise bei unterdurchschnittlicher Netzqualität. Diese hohen Preise kann natürlich nicht jeder zahlen und so haben wir mit ca. 30% Marktdurchdringung auch eine der geringsten Verbreitungen von LTE im Europavergleich. Die übrigen ca. 70% der Mobilfunkkunden haben nur 3G Verträge, da ist das Netz zwar langsamer, aber weil für 3G eine DAV vorgegeben ist, gibt es preiswerte Angebote von Resellern. Für diese 70% Mobilfunkkunden ist es im übrigen sehr unerfreulich, dass die Netzabdeckung von 3G nur bei ca. 84% liegt, die Funklochwahrscheinlichkeit also um ein Vielfaches höher ist, als bei LTE, wo schon bis zu 97% Netzabdeckung (DTAG) erreicht sind. Das nennt man digitale Spaltung, verursacht durch ein Kombination aus Kapitalismus-bedingtem Marktversagen und Fehlregulierung bei der Frequenzversteigerung. Wer weniger Geld hat, bekommt bei uns nur Zugang zu einem besonders langsamen Netz mit besonders schlechter Netzabdeckung.
Hätte die BNetzA schon bei der LTE Frequenzversteigerung eine Diensteanbieterverpflichtung für LTE Vorleistungsprodukte erteilt, wäre es dazu nicht gekommen, es gäbe dann auch bei uns einen preiswerteren Zugang zu einem besseren LTE Netz und digitale Teilhabe auch für Menschen mit kleineren Geldbeuteln. Genau diesen Fehler will die BNetzA jetzt wiederholen, obwohl sonnenscheinklar ist, dass sich das Gleiche wiederholen wird. So wird es ein 5G Highspeednetz nur für Reiche geben, während für die mit weniger Geld der Zugang perspektivisch noch schlechter wird, denn für 3G läuft die DAV schon 2020 aus, und dann sinken die Chancen auf günstige Angebote. Die BNetzA will nun nicht nur Abdeckungsziele für 5G sondern auch für 4G in die Versteigerungskriterien mitaufnehmen, für die 70%ige Mehrheit der Kunden, die 3G Verträge haben, verändert das leider nichts, bzw. nichts zum Besseren. Schon jetzt ist zu beobachten, dass das sogenannte „refarming“ zunimmt, bei dem Netzbetreiber immer häufiger Basisstationen von 3G auf 4G umstellen, womit sich die Netzabdeckung und -qualität von 3G weiter verschlechtert. Die negativen Folgen fehlgeleiteter Regulierung aus dem Jahr 2010 sollen also noch ein paar Jahrzehnte länger wirken.
Hätten die Reseller hinreichend Marktmacht, wäre es zu diesen negativen Folgen gar nicht erst gekommen. Aber die Marktmacht im Telekommunikationsmarkt ist nun einmal sehr ungleich verteilt. Daher wäre es ein fataler Schritt, diesen Fehler bei der 5G Lizenzversteigerung zu wiederholen. Er würde diametral gegen die Interessen der Verbraucher*innen wirken und nachhaltig den Wettbewerb in einem ohnehin oligopolistischen Markt behindern – bis hin zur Eliminierung von Marktteilnehmern, denn für selbst für große Reseller stellt sich bei diesen Rahmenbedingungen irgendwann die Existenzfrage.
In Deutschland leiden wir schon jetzt unter einem der teuersten und lahmsten Mobilfunknetze mit den meisten Funklöchern – wenn man sich die tatsächliche Versorgung und nicht nur schöne Versprechen auf bunten Flyern anschaut. Die aktuellen Versteigerungskriterien für 5G würden sicherstellen, dass die Masse der Verbraucher*innen auch vom superschnellen 5G Netz ausgeschlossen bleibt, schlicht, weil sie es nicht bezahlen können, denn ohne DAV wird es keine günstigen Vertragsangebote geben und ohne Preiskonkurrenz bleibt das Oligopol bei seinen überhöhten Preisen. Wir würden damit die digitale Spaltung künftig weiter verstärken, statt durch kluge Regulierung für eine digitale Teilhabe aller zu sorgen. Eine 5G Weltmarktspitze werden wir bei der dann zu erwartenden geringen Marktdurchdringung von 5G jedenfalls auch nicht erreichen können.
Es gibt jede Menge Vorschläge, wie man die Vergabekriterien anders gestalten sollte. Hier folgen meine:
- Es braucht eine Diensteanbieterverpflichtung als Minimum und ein National Roaming als Optimum. Die DAV stellt sicher, dass nicht-diskriminierende Vorleistungsprodukte über den Wettbewerb auch als günstige Endprodukte angeboten werden können und so mehr Menschen teilhaben können am schnellen Mobilfunknetz. Denn erst wenn die Marktdurchdringung hoch ist, werden flächendeckend die Preise auch für schnelles Mobilfunknetz sinken (also auch die Preise der Oligopolisten). Die Marktdurchdringung wird aber klein bleiben, wenn es nur teure Angebote von wenigen Oligopolisten gibt – genau das, was wir mit 30% Marktdurchdringung bei LTE bereits erleben, wo wir im EU Vergleich ein qualitativ unterdurchschnittliches und gleichzeitig besonders hochpreisiges LTE Netz haben (in einigen Ländern in Europa gibt es für 30€ echte, also unbegrenzte Flatrates im LTE Netz, in anderen Ländern gibt es 100GB dafür, In Deutschland sind wir davon kilometerweit entfernt). Der Ausbau wird dadurch zusätzlich behindert, denn die geringere Anzahl Vertragskund*innen – bedingt durch die hohen Preise – macht einen Ausbau in der Fläche unattraktiver.
- Ein verpflichtendes National Roaming würde dazu führen, dass nicht jeder Anbieter den Ausbau an den gleichen (profitableren) Stellen beginnt, dort also 3 Basisstationen mit Mast und allem drum und dran quasi nebeneinander und in engen Abständen zur nächsten Basisstation aufgestellt werden, aber der ländliche Raum mal wieder in die Röhre guckt. Mit National Roaming könnte man die Funkzellen verkleinern und mit einer Basisstation je Zelle auskommen, die man sich mit den anderen Anbietern teilt. So kann mit der gleichen Investitionssumme eine viel größere Fläche abgedeckt, der Ausbau beschleunigt und vor allem auch der ländliche Raum leichter und schneller versorgt werden. Der Wettbewerb kann dann primär auf der Diensteebene stattfinden. Ein positiver Nebeneffekt wäre die verhinderte Ressourcenverschwendung und die höhere Akzeptanz der Bevölkerung, weil nicht so viele Basisstationen überall herumstünden. Bleibt die BNetzA dabei, kein National Roaming vorzugeben, sollte es ein öffentliches Förderprogramm für schlecht versorgte Kommunen geben, die selbst einen Funkmast aufstellen und mit Glasfaser anschließen, und diesen dann den Mobilfunkanbietern zur diskriminierungsfreien Nutzung gegen Entgelt anbieten.
- Drittens braucht es Fläche statt Haushalte als Kriterium. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass Haushalte ein unbrauchbares Kriterium sind, um für eine gute Netzabdeckung zu sorgen. Das sieht man an Auto- und Bahnstrecken genauso wie an Naturtourismusgebieten, Schleusenstationen etc. Dort sind sehr viele Menschen unterwegs, aber weil sie nicht dort wohnen und in solchen Gegenden eher wenig Menschen wohnen, blieben diese Gegenden unterversorgt und Zigtausende Menschen stecken im Funkloch. Je dünner besiedelt eine Gegend, umso weniger Netz. You get what you measure – wer nur Haushalte misst und bei 98% Abdeckung immerhin noch 1,6 Millionen Menschen ohne Netz in Kauf nimmt, der bekommt weiße Flecken in inakzeptablen Ausmaßen. So kommt es, dass in manchen brandenburgischen Landkreisen mehr als 15% der Fläche kein oder nur ein extrem löchriges Mobilfunknetz haben. Das oben beschriebene Phänomen der funktionalen Funklöcher (3G vs 4G) kommt als Problem ja noch dazu, auch wenn es selten erwähnt wird. Kommuniziert wird nur die theoretische Verfügbarkeit des schnelleren Netzes – auch in den neuen Versteigerungskriterien, aber nicht, wie viele Menschen sich den Zugang dazu nicht leisten können und deshalb auf ein langsames Netz mit schlechter Netzabdeckung ausweichen müssen. Das aktuell geplante Vorgehen der BNetzA widerspricht im übrigen auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, die Lebensverhältnisse von Stadt und Land anzugleichen, denn das Gegenteil wird passieren.
Die BNetzA will alles das nicht, sie argumentiert beispielsweise, dass eine „erhebliche Marktmacht“ vorliegen muss, um eine Diensteanbieterverpflichtung vorzuschreiben. Dem gesunden Menschenverstand erschließt sich leicht, dass ein Markt, der von 3 Giganten beherrscht wird, ein Markt mit erheblicher Marktmacht ist. Das sieht selbst die Monopolkommission so schreibt in ihrer Stellungnahme mit Bezug auf eine DAV: „für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs im Mobilfunk ist dies von großer Bedeutung“. Die Monopolkommission sollte eine gewisse Kompetenz darin haben, eine Wettbewerbsverzerrung zu erkennen denn das ist ihr Daseinszweck. Die BNetzA ruht sich jedoch darauf aus, dass bisher noch keine formelle Untersuchung mit dem Ergebnis „erhebliche Marktmacht“ stattgefunden hat. Es wäre jedoch ihre Aufgabe gewesen, eine solche formelle Untersuchung anzustoßen. Hätte sie das rechtzeitig gemacht, gäbe es jetzt ein Verhinderungsargument weniger.
Allein der Umstand, dass die großen Konzerne bisher trotz großem Interesse auf Seiten der Verbraucher*innen und Diensteanbieter keine freiwillige Vereinbarung mit Diensteanbietern über LTE Vorleistungsprodukte getroffen haben, spricht Bände und ist ein sehr deutliches Indiz für eine eklatante Marktverzerrung. Mich überzeugt das Argument schon deshalb nicht, weil in anderen EU Ländern die Marktlage ja ähnlich ist und es trotzdem National Roaming Vorgaben im Mobilfunkmarkt gibt, mindestens befristet, gerade in Situationen, wo neue Produkte/Frequenzen eingeführt worden sind. Davon abgesehen, ist es höchste Zeit, die „erhebliche Marktmacht“ endlich einmal zu untersuchen und nachzuweisen. Es ist absolut unverständlich, dass das nicht längst erfolgt ist.
Es gibt außerdem diverse Rechtsgutachten, nach denen es gar nicht notwendig ist, eine erhebliche Marktmacht nachzuweisen, da auch nach §60 Abs 2 TKG eine DAV möglich wäre, der keine Marktmacht voraussetzt. Auch die Zugangsrichtlinie der EU ist zu beachten, nach der zur Erreichung der Regulierungsziele bei Frequenzversteigerungen auch ohne Marktmachtfeststellung Zugangsverpflichtungen auferlegt werden können.
Die BNetzA will sich dennoch aus der Verantwortung stehlen, sucht sich die Rechtsauslegung, die ihr am besten passt und kuscht offensichtlich vor der sehr wohl vorhandenen Marktmacht, die die Großkonzerne inne haben, denn deren Rechtsanwälte scharren schon mit den Hufen, um gegen eventuelle Zugangsverpflichtungen zu klagen. Die BNetzA darf sich davon nicht erpressen lassen und muss jetzt erst Recht zeigen, dass sie kein zahnloser Tiger ist und ihre Aufgabe, Verbraucherinteressen zu vertreten und den Wettbewerb zu erhalten, endlich konsequenter wahrnehmen.
Da die anstehende Regulierung jahrzehntelange Auswirkungen auf den Mobilfunkmarkt haben wird, ist eine Verschiebung der Auktion mit einer signifikanten Überarbeitung der Versteigerungskriterien sinnvoller, als jetzt das Ganze zum Nachteil von Verbraucher*innen und Wettbewerb über das Bein zu brechen. Deutschland ist eines der Schlusslichter beim Zugang zu schnellem Netz und das, was die BNetzA bisher vorgelegt hat, wird daran nichts ändern. Das können wir uns nicht länger leisten.
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