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Meine am 30.01.25 im Bundestag zu Protokoll gegebene Rede zum Gruppenantrag „Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD“ im Wortlaut:

Sehr geehrte Präsident:in, liebe Kolleg:innen,

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren noch unter dem Eindruck des Hitler-Regimes, als sie unsere Verfassung so schrieben, dass sie unsere Demokratie vor einer Wiederholung des Faschismus schützt, denn überall in Deutschland erinnerten noch Kriegsruinen an die Schrecken des Nazi-Herrschaft. Das ist lange her, aber noch leben Menschen, die davon erzählen können, wie Roman Schwarzman in der Auschwitz-Gedenkstunde an diesem Mittwoch. Nach seiner Rede bekam er standing Ovations im Bundestag, aber was hat er wohl empfunden, als nur ein paar Stunden später die Brandmauer der Demokratie durch Union und FDP mit Beihilfe des BSW gestürzt wurde und erstmalig seit Kriegsende eine Mehrheit unter Beteiligung einer mutmaßlich rechtsextremen Partei herbeigeführt wurde, um migrationsfeindliche und zum Teil rechtswidrige Forderungen zu verabschieden?

Wie fühlen sich Nachkommen von Überlebenden oder von Opfern jetzt? Oder Menschen mit Migrationshintergrund, jüdischem oder muslimischem Glauben, queere Menschen oder Menschen, die sich für Antifaschismus oder Feminismus engagieren? Wie fühlen ihre Angehörigen und Freunde? Die Brandmauer war nicht nur eine theoretische Schutzmauer, sie hatte eine reale Schutzfunktion, sie war ein wichtiges Signal an alle von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt bedrohten Menschen, dass man sie nicht im Stich lassen wird und verhindert, dass sich rechtsextreme Fantasien durchsetzen können. Der Fall der Brandmauer und die Übernahme wesentlicher politischer Forderungen der AfD zeigt, dass sie das Potenzial hat, unsere Demokratie mit den Mitteln der Demokratie zu zerstören. Und für solche Fälle gibt es das Sicherheitsnetz in unserem Grundgesetz, das bei mutmaßlich verfassungswidrigen Parteien ein Verbotsverfahren vorsieht, über das das Bundesverfassungsgericht entscheidet.

Dass die AfD verfassungswidrig ist, belegen Tausenden Beweise, die u.a. zeigen, dass sie Menschen nach Herkunft und Religion unterschiedlich behandeln und z.B. muslimische Menschen, Menschen mit dunkler Hautfarbe und Menschen mit bestimmten Migrationshintergründen diskriminieren und aus Deutschland verdrängen oder gar nicht erst hereinlassen möchte. Die AfD ist der parlamentarische Arm der extremen Rechten, in ihren Reihen finden sich diverse einschlägig verurteilte Straftäter, sie ist eng vernetzt mit gewalttätigen Gruppierungen und hat das Potenzial unsere freiheitlich demokratische Grundordnung abzuschaffen. Deshalb ist es unsere ausdrückliche Pflicht als Abgeordnete des Deutschen Bundestages, das Bundesverfassungsgericht mit der Prüfung der Verfassungswidrigkeit der AfD zu beauftragen, weil erst danach ihr Verbot möglich ist.

Natürlich reicht ein Verbot nicht aus, wir werden auf vielen Wegen um alle AfD Wähler:innen kämpfen müssen, die das Vertrauen in die Demokratie verloren haben. Aber ein Verbot entzieht der AfD wesentliche Einflussmöglichkeiten und Finanzierungsmittel, es macht klar, dass die AfD keine normale Partei ist und es schützt vor der Umsetzung ihrer verfassungswidrigen Ziele.

Ich wohne im Norden von Brandenburg in einer kleinen Stadt mit knapp 6.000 Einwohnenden, mindestens 200 davon sind Geflüchtete. Bei uns leben mehr als 50 Nationen. Mir ist kein einziger Fall bekannt, wo ein Migrant eine Straftat verübte. Auch bei uns haben seit einiger Zeit Menschen Angst, allein unterwegs zu sein, denn allein in den letzten Monaten passierten mehrere Gewalttaten. Menschen wurden bedroht und verletzt. Wir haben ein akutes Sicherheitsproblem, aber die Täter kommen aus dem rechten Spektrum und sie berufen sich auf die Parolen der AfD.

Mir sind 3 syrische Mädchen sehr ans Herz gewachsen, sie wurden Teil unserer Familie, wir feiern Weihnachten zusammen und am liebsten essen sie die Schnitzel, die mein Mann kocht. Je stärker die AfD wird, umso mehr habe ich Angst um ihre Sicherheit, um ihre Chance auf eine gute Zukunft in unserem Land, das seit 9 Jahren ihr Zuhause geworden ist. Ich liege nachts wach, weil ich fürchte, dass der Faschismus wiederkehrt und ich Riim, Rana und Riham nicht vor Hass und Gewalt schützen kann. Ich überlege, wohin man fliehen könnte, wenn es so weit kommt – aber schon diesen Gedanken finde ich falsch, denn man sollte nicht fliehen, solange man kämpfen kann und deshalb bin ich Mitunterzeichnerin dieses Antrags auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD. Das Sicherheitsnetz in unserer Verfassung kann ja nur dann Wirkung entfalten, wenn man es einsetzt und dafür ist es höchste Zeit.

Deshalb hoffe ich auf eine demokratische Mehrheit, damit wir uns erfolgreich wehren können, solange das überhaupt noch geht. Denn mindestens das sollten wir alle aus der Geschichte gelernt haben, dass der Weg, auf den die AfD Deutschland bringen will, unser Land ins Verderben stürzt und dass wir das gemeinsam verhindern müssen.

Vielen Dank