Digitale Gewalt gefährdet Betroffene und unsere Demokratie. Aber die Ampel einigte sich zu spät, weshalb der zuständigen Behörde Personal für die Umsetzung fehlt. Weitere Probleme: Zu wenig Forschungsgeld, zu viele Netzsperren und unklarer Grundrechtsschutz bei Meldungen an das BKA.

Meine Rede im Wortlaut (Redevideo am Ende des Beitrags):

Anke Domscheit-Berg

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die und ihre Mitverbrecher gehören sofort an die Wand gestellt!“, „Sperrt die Frau endlich in ein Arbeitslager, lebenslänglich!“, „Soll sich verpissen, die blöde, hässliche Fotze!“ – das sind Kommentare zu Politikerinnen, zu finden in AfD-Facebook-Gruppen, und auch auf dem Facebook-Profil der AfD-Partei finden sich ungelöscht seit Jahren Mordfantasien. 

Auch mir haben Kommentatoren im Internet schon gewünscht, ich solle zu Tode vergewaltigt oder als linker Dreck vernichtet werden. So etwas ist digitaler Alltag für viele.

(Beatrix von Storch (AfD): Was glauben Sie, was uns passiert? Schrecklich, klar! Aber das trifft uns genauso, mehr wahrscheinlich!)

Rechtsextreme mit und ohne AfD-Parteibuch wollen mit digitaler Gewalt diejenigen einschüchtern, die sich gegen ihre Politik stellen; sie wollen die Demokratie zerstören und die Gesellschaft spalten.

(Beatrix von Storch (AfD): Wir sind am meisten davon bedroht! Das wissen Sie auch!)

– Auch Sie, Frau Storch.

(Beifall bei der Linken, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für manche ist die Gefahr allerdings nicht nur abstrakt, sondern zutiefst persönlich. Sie werden gejagt, geschlagen, ermordet oder in den Suizid getrieben, wie Lisa-Maria Kellermayr, die österreichische Ärztin, die Hass- und Morddrohungen nicht mehr ertragen konnte. 

Es ist höchste Zeit, gegen digitale Gewalt mehr zu tun, und der European Digital Services Act ist ein wichtiges Werkzeug dafür.

(Beifall bei der Linken, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verstehe daher nicht, warum die Ampel die Umsetzung so verzögerte, dass die BNetzA als zuständige Behörde für über 5 000 digitale Diensteanbieter immer noch keine Rechtsgrundlage hat, obwohl das Europarecht seit Wochen gilt. Deshalb hat die BNetzA auch im Haushalt 2024 nur ein Fünftel der nötigen Stellen erhalten und kann ihre Aufgaben nur zu spät und zu wenig erfüllen. 

Aber immerhin: Die Ampelkoalition hat den zuerst ziemlich schlechten Entwurf noch ordentlich nachgebessert. Das Beschwerdeportal soll per Gesetz nutzerfreundlich sein, die Behördenleitung muss – Überraschung! – fachliche Qualifikationen erfüllen, und der Beirat wird noch unabhängiger und transparenter, und das alles ist sehr gut.

Aber lächerliche 300 000 Euro Forschungsetat wurden nicht aufgestockt,

(Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es folgen noch Haushaltsberatungen! – Zuruf des Abg. Maximilian Mordhorst (FDP))

und einige Verbesserungen kommen nur vielleicht und in anderen Gesetzen, zum Beispiel die überfällige Reform zur Impressumspflicht, der Pflicht zur Veröffentlichung privater Adressen im Internet, die für viele gefährlich ist.

Unseren Antrag, den der Linken, hat die Ampel zuletzt im November abgelehnt. 

(Zuruf des Abg. Maximilian Mordhorst (FDP))

Ich würde mich freuen, wenn er trotzdem umgesetzt würde.

(Beifall bei der Linken)

Inakzeptabel aus linker Sicht ist allerdings, dass im Digitale-Dienste-Gesetz eine Konkretisierung der Straftaten fehlt, zu denen automatisiert Daten an das BKA zu melden sind. Sachverständige haben da durchaus Spielräume gesehen. So wird unseres Erachtens die Datenausleitung eben nicht auf das notwendige Maß beschränkt und die Balance zwischen Strafverfolgung und Grundrechtsschutz verletzt. 

Auch Netzsperren wegen Urheberrechtsverletzungen sind keineswegs, wie von Ampelpolitikerinnen und -politikern gegenüber den Medien behauptet, nur noch nach richterlichen oder behördlichen Anordnungen möglich. Und das kritisieren wir Linke auch weiter. 

(Beifall bei der Linken)

Von uns gibt es daher nur eine Enthaltung. Für eine Zustimmung ist der Entwurf leider noch nicht gut genug. 

(Maximilian Mordhorst (FDP): … nicht links genug! Wäre auch blöd gewesen, wenn Die Linke zustimmt!)

Vielen Dank. 

(Beifall bei der Linken)