Alle 10 Jahre wird die Bevölkerung in Europa gezählt, zumindest in Teilen. Im letzten Jahr wäre es wieder so weit gewesen, aber wegen der Pandemie wurde die  Volkszählung auf 2022 verschoben. Wenige Wochen vor dem Start des Zensus am 15. Mai 2022 war ich deshalb in Begleitung des Landrats Ralf Reinhardt zu Besuch beim Zensus 2022 Büro des Landkreises Ostprignitz, um mich bei der Leiterin Kerstin Brendler über den Stand der Haushaltebefragung, insbesondere über deren digitale Aspekte, zu informieren. Die Volkszählung besteht aus verschiedenen Teilen, etwa 10% aller Haushalte – per Losverfahren bestimmt, aber auch 100%  aller  Wohneigentümer:innen sowie Wohnheime und Gemeinschaftsunterkünfte werden dabei befragt. Die Daten werden anonymisiert den Ämtern für Statistik zur Verfügung gestellt.

Zensus Flyer (Quelle: http://www.zensus2022.de/)

Im zweistündigen Gespräch wurde uns u.a. erklärt, dass viele Ehrenamtliche an der Befragung der Bevölkerung beteiligt sind. Ihr Engagement wird mit einer Aufwandsentschädigung vergütet. Teile der Datenerhebung erfolgen jedoch nicht durch Befragung an der Haustür, sondern sind online von den Bürger:innen selbst auszufüllen. Die schleppende Digitalisierung in Deutschland beschert daher auch dem Zensus Probleme, denn wie Kerstin Brendler ausführt, melden sich vermehrt gerade ältere Menschen aus dem ländlichen Raum, weil sie nicht in der Lage sind, die Formulare online auszufüllen. Für mich ein bekanntes Problem. Wir haben in Deutschland seit Jahren das Thema Ausbau der Digitalkompetenzen und der digitalen Infrastruktur verschlafen. Es fehlt immer noch viel zu oft an einem Internetzugang, an elektronischen Geräten oder schlicht an der Kompetenz, sie zu bedienen.

Im Nachgang zu diesem Wahlkreistermin sprach ich Innenministerin Nancy Faeser im Digitalausschuss am  11.05.2022 auf dieses Problem an. Eine Rückmeldung erhielt ich wenig später vom CIO des Bundesinnenministeriums, Markus Richter, der auf eine Hotline verwies, bei der man die Zusendung von Papierunterlagen anfordern könnte. Die Hotline gibt es tatsächlich, allerdings ist sie hoffnungslos überlastet, weshalb weiterhin frustrierte Bürger:innen in den regionalen Zensus-Büros anrufen. 

In einem intensiven Gespräch tauschte ich mich mit Landrat Reinhardt über Handlungsbedarfe aus, um endlich die schlechte Internetversorgung in der Region zu verbessern. Während Landrat Reinhardt vor allem Probleme bei der Bürokratie und in Engpässen bei Handwerkern und am Ausbau beteiligten Unternehmen sah (mit all den Punkten hat er Recht), forderte ich auch Änderungen der Förderstrategie und in der Koordinierung. Ich teile den Wunsch nach einer drastischen Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, aber dazu braucht es erstens einen transparenteren, voll digitalisierten Prozess, an dem sich alle genehmigenden Behörden beteiligen, aber auch eine Art regelmäßigen Runden Tisch, an dem die für eine bestimmte Ausbaustrecke beteiligten Behörden, von Forst- bis Wasserwirtschaft, Kommunen oder Straßenbauamt, mit kompetenten Personen sitzen, um gemeinsam und schnell Ausbauanträge zu bearbeiten. Mit einem solchen Runden Tisch wäre es viel schwerer für einzelne Behörden, Anträge zu verschleppen, wie es heute regelmäßig der Fall ist.

Mit den Mitarbeiterinnen des Zensus-Büros Wittstock und Landrat von Ostprignitz-Ruppin Ralf Reinhardt

Ich erzählte auch von einer Delegationsreise des Digitalausschusses in den Oman, wo man uns berichtete, dass man dort die Funklöcher im ländlichen Raum erst durch eine Verstaatlichung der Mobilfunkmasten schließen konnte und ich berichtete von Schweden, das sein flächendeckend schnelles Internet vor allem dem kommunalen Glasfaserausbau  verdankt. Digitale Infrastruktur muss Teil der Daseinsvorsorge sein, das kann man nicht allein dem Markt überlassen! Deshalb müssen auch Förderstrategien auf Bundesebene verändert werden, denn dass in Deutschland Kommunen ihre mit Fördergeld ausgebauten Glasfasernetze nach zehn Jahren verkaufen müssen, behindert den kommunalen Ausbau, der aus Sicht der Nutzer:innen das erfolgreichste Modell ist, denn ihm liegt eine Gemeinwohlorientierung zugrunde. 

Vor dem Aufbruch richtete Zensus 2022 Bürochefin Brendler noch eine Bitte an mich: „Wir brauchen unbedingt mehr Öffentlichkeitsarbeit auf Bundesebene, zu viele Menschen haben noch nicht einmal mitbekommen, dass der Zensus 2022 vor der Tür steht! Dabei hilft eine breite öffentliche Information nicht nur, Verwirrung bei den Haustürbefragungen zu vermeiden, sondern auch dabei, die weitere Ehrenamtliche zu gewinnen.“ Diesen verständlichen Wunsch werde ich natürlich gern weitergeben. Immerhin gibt es inzwischen auch kleine Erklärbärfilmchen bei der ARD und Antworten auf häufige Fragen: HIER

Blumenwiese vor der Wittstocker Bischofsburg