Seit  letzter Nacht ist es offiziell: Der reichste Mensch der Welt, Elon Musk, kauft Twitter für 44 Milliarden US-Dollar. Das soziale Netzwerk zählt weltweit 211 Millionen Nutzer:innen,  unter  ihnen  viele  Multiplikator:innen. Damit wird Musk, der  mit  XX  Millionen  Follower:innen  selbst  einen  der  reichweitenstärksten Twitteraccounts  hat,  zukünftig  die  Spielregeln  der  Plattform  mitbestimmen.  Er  kündigte  an,  Twitter  zu  einer  Plattform  für  die  „globale  Meinungsfreiheit“  zu  machen. 

Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag:

„Der Aufkauf einer globalen Kommunikationsplattform durch einen einzelnen Milliardär zeigt die Schwächen und Gefahren eines ungebremsten Kapitalismus. So ermöglicht purer Reichtum, der nur durch die Kombination von leistungsloser Erbschaft, Ausbeutung und Steuervermeidung überhaupt entstand, einen Einfluss darauf, wie wir kommunizieren, welche Informationen mehr Reichweite bekommen und welche ausgebremst werden. Die Folgen können gravierend und demokratiegefährdend sein, weil erwartbar stärker als bisher Desinformationen, Verschwörungserzählungen und digitale Gewalt verbreitet werden. Ein extremes Beispiel erleben wir gerade in Rußland, wo die Medienkontrolle durch Putin dazu führte, dass Menschen nicht einmal mehr ihren eigenen Angehörigen glauben.  Neben zunehmendem Mißtrauen in demokratische Institutionen und der direkten Beeinflussung demokratischer Kernprozesse wie Wahlen, besteht auch die Gefahr weiterer Polarisierung und Aufstachelung zu Gewalt. So wurde der Völkermord an den Rohingya in Myanmar aber auch das Sturm auf das Capitol bei der letzten Wahl des US-Präsidenten wesentlich durch Algorithmen sozialer Medien gefördert. Wenn digitale Gewalt, insbesondere als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, also z.B.  mit Formen von Homophobie, Antisemitismus, Rassismus oder Sexismus, weiter zunimmt, weil das für Elon Musk Meinungsfreiheit ist, werden öffentliche Debattenräume nicht nur ungemütlicher und werden von digitaler Gewalt betroffene Personen vermutlich Twitter eher verlassen als andere, sondern wird außerdem mit hoher Wahrscheinlichkeit auch physische Gewalt und extremistische Tendenzen wieder zunehmen. Schon jetzt bevorzugen Algorithmen bei Facebook und Twitter Inhalte überproportional, die besonders polarisieren und aufregen, wenn das jetzt mehr, statt weniger passiert, können auch Dämme brechen.

Gerade wurden in der Europäischen Union neue Regeln für digitale Märkte und Plattformen erarbeitet. Ob sie sich auch in der Praxis bewähren, oder ob sie zahnlose Tiger bleiben, das wird sich erst in Zukunft zeigen. Ich habe da meine Zweifel, aber ich hoffe darauf, denn auch ein Twitter, das Elon Musk gehört, unterliegt den geltenden Gesetzen und damit potentiell empfindlichen Sanktionen bei Rechtsverstößen.

Dieser Vorgang zeigt jedoch auch deutlich, warum  nicht  nur  gute  Gesetze,  sondern  auch  ein europäisches, gemeinwohlorientiertes soziales Netz  als  soziale  Infrastruktur  der  digitalen  Gesellschaft braucht, mit offener Software und transparenten Algorithmen, mit Regeln, die die Nutzer:innen selbst festlegen, ohne Werbung und ohne irgendwelche anderen kommerziellen Zwecke. Ein solches soziales Netz sollte nicht staatlich kontrolliert, sondern unabhängig sein, aber es braucht eine nachhaltige  und öffentliche Finanzierung. Es wird höchste Zeit, eine solche Alternative zu schaffen, aber auch vorhandene, gemeinwohlorientierte soziale Netze, das sogenannte Fediverse, mehr  als  bisher  zu fördern.