Anläßlich des diesjährigen Frauentages #IWD2021 habe ich einen kleinen Videozusammenschnitt aus meinen letzten Sätzen bei jeder meiner bisher über 30 Reden im Bundestag erstellt. Denn egal, ob ich über das Recht auf schnelles Internet, gemeinwohlorientierte Digitalisierung oder über Probleme mit digitalen Monopolen rede, mein letzter Satz ist immer gleich: ein Plädoyer für die Abschaffung des §219a des Strafgesetzbuches. Dieser von den Nazis eingeführte Paragraph verbietet “Werbung für Schwangerschaftsabbrüche” und bedeutet in der Praxis, dass Ärzt:innen unter Strafandrohung keine fachlichen Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen veröffentlichen dürfen. Der Zusammenschnitt führt durch 3 Jahre Bundestagsreden, diverse Outfits oder Frisuren, zeigt die Reaktionen anderer Abgeordeter und welchen Unterschied es macht, ob im Präsidium des Bundestages ein Mann oder eine Frau sitzt.
“Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen haben nichts im Strafgesetzbuch verloren!”
Als Frau aus dem Osten, die in der DDR von Anfang der 70er Jahre bis zur Wiedervereinigung schon einmal das Recht auf körperliche Selbstbestimmung hatte, finde ich es unerträglich, dass Abtreibungen in Deutschland auch 2021 noch illegal und nur unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem “straffrei” sind.
Dass aber darüberhinaus auch die Bereitstellung von fachlichen Informationen durch Ärzt:innen eine Straftat ist, ist an Rückständigkeit kaum noch zu überbieten. Denn so ist bereits der Zugang zu fachlichen Informationen rund um den Schwangerschaftsabbruch mit großen Hürden verbunden. Mit der Machtergreifung der nationalsozialistischen NSDAP bekam der §219 im StGB im Jahre 1933 sein schmutziges Anhängsel, das Frauen behandelt, als wären sie nicht in der Lage, auf Basis fachlicher Informationen über ihren Körper eigenverantwortlich zu entscheiden. Selbst im erzkatholischen Irland ist Abtreibung in den ersten Wochen der Schwangerschaft legal. Aber bei uns entscheiden nach wie vor mehrheitlich Männer (70% sind es derzeit im Bundestag) über den Körper von Frauen, mit weitreichenden Folgen.
Und so beginnt das Jahr 2021 leider auch mit einem Rückschlag für Dr. Kristina Hänel beim juristischen Kampf um Informationsfreiheit für schwangere Frauen, die sich über eine Abtreibung informieren wollen. Nach einem ersten skandalösen Urteil des Amtsgerichts in Gießen 2017, hat nun das Oberlandesgericht Frankfurt am Main Dr. Hänels Einspruch verworfen. Als nächstes wird die Kämpferin für ein Frauengrundrecht vor das Verfassungsgericht ziehen.
Danke für nichts, GroKo!
Das alles hätte nicht sein müssen, denn in dieser Koalition gab es ein Möglichkeitsfenster und eine Mehrheit im Bundestag für die Streichung des §219a. Aber die SPD ließ sich von der CDU/CSU zu einem Kompromiss breitschlagen, der am Ende zu einer Verschlimmbesserung führte, denn nun wird explizit jede sachliche Information zu Schwangerschaftsabbrüchen unter Strafe gestellt. Es kommt also überhaupt nicht mehr darauf an, ob die Informationen anbietenden (“werbenden”) Charakter haben oder nicht. Die GroKo spricht zwar von einem ‚konstruktiven Kompromiss‘, letztendlich hat die Ergänzung aber das praktische Ergebnis, dass auch die sachliche Information über das „Ob“ und „Wie“ einer Schwangerschaftsunterbrechung unter Strafe gestellt wird. Es ist schlimmer als vorher. Danke für nichts, GroKo!
Vorerst ist Dr. Hänel gezwungen, nach 20 Jahren die Hinweise von ihrer Webseite zu nehmen. Weiterhin dürfen aber alle Anderen, die nicht Ärzt:innen sind, die einen professionellen Abbruch unter hygienischen Bedingungen gegen Entgelt anbieten, darüber informieren. Und das möchte ich hiermit tun und Dr. Hänels Informationen allen, denen sie hilfreich sein können, zur Verfügung stellen:
Gesetzliche Voraussetzungen für einen legalen Schwangerschaftsabbruch
Für einen legalen Schwangerschaftsabbruch in Deutschland benötigen Sie entweder
- eine schriftliche Bescheinigung über eine Beratung bei einer nach § 219 StGB bzw. § 7 SchKG anerkannten Beratungsstelle oder
- eine schriftliche ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer medizinischen oder kriminologischen Indikation nach § 218 StGB
Durchführung eines Schwangerschaftabbruchs
Es gibt drei Methoden des Schwangerschaftabbruchs: medikamentös, chirurgisch mit örtlicher Betäubung sowie chirurgisch mit Vollnarkose. In der Regel übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Kosten der Behandlung nur, wenn sie aus medizinischer Sicht angezeigt ist.
Der Verlauf ist in der Regel folgendermaßen: Sie treffen in einer behandelnden Arztpraxis ein, Ihre Unterlagen werden auf Vollständigkeit überprüft. Danach findet ein Aufnahmegespräch mit der Arzthelferin oder Krankenschwester statt. Diese Kollegin bleibt dann in der Regel die Bezugsperson während des gesamten weiteren Aufenthaltes. Im Anschluss findet das Gespräch mit der Ärztin statt. Vor dem Schwangerschaftsabbruch führt die Ärztin eine Tastuntersuchung zur Bestimmung der Lage und Größe der Gebärmutter durch. Ebenso wird eine Ultraschalluntersuchung gemacht, um das Schwangerschaftsalter zu bestimmen.
Der weitere Verlauf unterscheidet sich beim medikamentösen und chirurgischen Abbruch.
Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch
Ein medikamentöser Abbruch ist in Deutschland nur bis zum 63. Tag nach der letzten Regel möglich (entspricht dem 49. Tag nach der Empfängnis). Das benutzte Medikament ist ein künstliches Hormon (Mifepriston), das die Wirkung des Hormons Progesteron blockiert. Progesteron ist entscheidend an der Entwicklung und Erhaltung der Schwangerschaft beteiligt. Für die medikamentöse Methode sind in der Regel zwei Termine in einer Praxis erforderlich.
Beim ersten Besuch erfolgt die Untersuchung mit Ultraschall. Sollte die Fruchtblase noch nicht im Ultraschall zu sehen sein, ist eine Bestimmung des Schwangerschaftshormons -HCG im Blut erforderlich.
Anschließend werden drei Tabletten des Medikamentes unter ärztlicher Aufsicht eingenommen. Oft kommt es bereits am folgenden Tag zur Blutung. In drei Prozent der Fälle wird das Schwangerschaftsgewebe ohne weitere Behandlung in den nächsten beiden Tagen ausgestoßen. Auch in diesem Fall ist ein zweiter Besuch zur Kontrolle erforderlich. Viele Patient:innen spüren jedoch keine körperliche Veränderung. Beim zweiten Besuch in der Praxis muss mit drei bis vier Stunden Aufenthalt gerechnet werden. Patient:innen bekommen mehrere Tabletten des Medikaments Prostaglandin, das die Ausstoßung des Schwangerschaftsgewebes fördert. Bei vielen Patient:innen kommt es zu Kontraktionen der Gebärmutter und Blutungen setzen ein. Sollte es nach zwei bis drei Stunden nicht zu einer Blutung gekommen sein, wird die Gabe des Medikaments wiederholt und eine Stunde später kann die Praxis in aller Regel verlassen werden.
Bei vielen Patient:innen kommt es während des Aufenthaltes in der Praxis zum Ausstoßen der Fruchtblase, aber bei jeder vierten Frau setzen die Blutungen sogar erst nach 24 Stunden ein. Sollte also nicht innerhalb der drei bis vier Stunden die Fruchtblase ausgestoßen sein, so ist das kein Grund zur Beunruhigung.
Nebenwirkungen und Komplikationen
Mögliche Nebenwirkungen sind Unterleibsschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Die Blutungen können stärker sein als beim chirurgischen Abbruch oder bei Ihrer Periode und länger anhalten. In ca. 1-4% versagt die Methode. Bei einer weiter bestehenden Schwangerschaft ist eine chirurgische Beendigung des Abbruchs notwendig.
Gründe gegen die medikamentöse Methode
- Konkreter Verdacht auf eine Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter (z.B. im Eileiter)
- Unverträglichkeit von Prostaglandinen
- Allergie gegenüber Mifepriston
- Chronische Nebenniereninsuffizienz
- Schweres Asthma (Einnahme von Cortisontabletten.)
- Leber- und Nierenversagen
Eine evtl. liegende Spirale muss entfernt werden.
Chirurgischer Schwangerschaftsabbruch
In der Regel erhalten Patient:innen ca. eine Stunde vor Beginn des Eingriffs Medikamente, die die Gebärmutter vorbereiten (Priming). Dadurch wird das Risiko, die Gebärmutter beim Eingriff zu verletzen, verringert. Der chirurgische Schwangerschaftsabbruch kann entweder unter lokaler Betäubung oder mit Vollnarkose durchgeführt werden. Bei einer örtlichen Betäubung wird das Betäubungsmittel in den Muttermund gegeben. Dies wird von vielen Patient:innen gar nicht bemerkt, obwohl die Angst davor oft groß ist. Die Nerven am Muttermund reagieren zwar auf Druck sehr empfindlich, aber nicht auf Berührung.
Die Vollnarkose wird durch eine Narkoseärztin durchgeführt. Die Narkosemittel werden über eine in die Armvene gelegte Nadel gegeben. Kurz darauf wird die Patient:in müde und schläft ein, sodass sie sich später nicht mehr an den Eingriff erinnern kann. Oft erinnern die Patient:innen nicht einmal, dass Sie nach ca. 15 Minuten, wenn der Eingriff beendet ist, selbständig in den Ruheraum gelaufen sind.
Zur Vorbereitung des Absaugens wird der Muttermund mit Dehnungsstäben geöffnet. Mit einem Plastikröhrchen wird anschließend das Schwangerschaftsgewebe abgesaugt. Dabei wird auch die obere Schleimhautschicht mit entfernt, die normalerweise bei der Periode abblutet. Das Absaugen dauert nur wenige Minuten. Am Ende zieht sich die Gebärmutter zusammen, um die Blutung zu stoppen, was in etwa dem Gefühl bei der Menstruation oder den Nachwehen nach einer Geburt entspricht. Es folgt eine Kontrolle, ob die Gebärmutter vollständig entleert ist. Auch das abgesaugte Gewebe wird kontrolliert.
Komplikationen
- Entzündungen der Unterleibsorgane
- Gewebereste, die zu verstärkten Blutungen oder auch zu Entzündungen führen können. In seltenen Fällen muss ein weiterer Eingriff erfolgen
- Allergische Reaktionen auf Medikamente
- Verletzungen der Gebärmutter oder des Gebärmutterhalses sowie angrenzender Gewebe
Bei ernsten Komplikationen kann eine Verlegung ins Krankenhaus erforderlich sein.
Begleitpersonen
Oft ist es hilfreich, eine Begleitperson zum Abbruch mitzubringen, z.B. Partner:innen oder andere Begleitpersonen wie Freund:innen und Verwandte. Sollte ein Schwangerschaftsabbruch in örtlicher Betäubung gemacht werden, ist es auch möglich, sich beim Abbruch in den Behandlungsraum begleiten zu lassen. Ansonsten kann die Begleitperson in der Regel im Ruheraum bei Ihnen sein.
Nach dem Abbruch
Bis zu 24 Stunden nach dem Eingriff sollten Patient:innen nicht selbst Auto fahren. Eine Nachuntersuchung bei Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt ist ca. 14 Tage nach dem Abbruch erforderlich. (Beim Medikamentösen Abbruch zwischen dem 10. und 14. Tag nach Mifegyne-Einnahme). Nur dann kann gewährleistet werden, dass der Abbruch vollständig war und keine gesundheitlichen Nachteile entstehen.
Verhütung
Der erste Eisprung nach dem Abbruch findet nach ca. zwei bis vier Wochen statt. Dementsprechend setzt die nächste Regelblutung nach vier bis sechs Wochen ein. Da Patient:innen direkt nach dem Abbruch wieder empfängnisbereit sind, sollte die Frage der anschließenden Verhütung geklärt sein. Bitte besprechen Sie dieses Thema mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt.
Zur Unterstützung der Gebärmutterrückbildung ist es möglich, direkt mit der Pille zu beginnen. Dies wird aus medizinischen Gründen für den medikamentösen Abbruch empfohlen.
Essen und Trinken, Medikamente
2 Tage vor dem Eingriff dürfen kein Aspirin oder sonstige Mittel mit Acetylsalicylsäure eingenommen werden. Sollten Sie andere Blutverdünnende Medikamente nehmen oder eine Blutgerinnungsstörung haben, sollten Sie mit Ihrer Ärztin vorab das weitere Vorgehen besprechen.
Beim chirurgischen Abbruch mit örtlicher Betäubung ist es sinnvoll, eine leichte Mahlzeit zu sich zu nehmen, aber nicht später als zwei Stunden vorher. Beim chirurgischen Abbruch mit Vollnarkose dürfen Sie 6 Stunden vorher auf keinen Fall essen, trinken oder rauchen. (Nikotin regt die Magensäure an und im Notfall könnte säurehaltige Flüssigkeit in die Lunge gelangen!) Bis 1 Stunde vor dem Termin können Sie klare Flüssigkeit (ohne Milch und Zucker) zu sich nehmen.
Was muss zum Termin mitgebracht werden?
- Beratungsbescheinigung über die nach § 219 StGB durchgeführte Beratung oder Indikation nach § 218 StGB
- Blutgruppennachweis
- Versichertenkarte
- Kostenübernahmebescheinigung oder Bargeld
- Überweisungsschein der Frauenärztin/des Frauenarztes
Es sollte bequeme Kleidung getragen werden sowie Damenbinden, Socken und ein Badehandtuch.
Quelle: fragdenstaat.de
Weitere Informationen:
- Eine unvollständige Liste von Ärzt:innenpraxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, gibt es hier (leider führt der zunehmende Druck konservativer ‚Lebensschützer‘ dazu, dass sich viele Praxen nicht öffentlich auflisten lassen).
- Mehr Informationen sowie weitere Kontakte zu Ärztinnen und Betreuung gibt es in spezialisierten (und oft unterfinanzierten) Beratungsstellen vor Ort.
- Anschauliche Statistiken und interessante Studien gibt es vom Katapult Magazin.