Anke Domscheit-Berg, DIE LINKE: Digitale Familienleistungen - Gute Idee, schlecht umgesetzt

Selbst 2020 gibt es immer noch keine drei Verwaltungsleistungen, die komplett digital erledigt werden können. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Bundesregierung Familienleistungen digitalisieren, schafft aber nur eine Insellösung, die nicht mal ausreichend abgesichert ist. Außerdem will sie ein eindeutiges Personenkennzeichen wie die Steuer-ID einsetzen, was die Linksfraktion entschieden ablehnt.

Meine Rede im Wortlaut:

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was lange währt, wird endlich gut – stimmt leider nicht immer. Die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen wie Kindergeld-online begleitet mich beruflich schon seit Pi mal Daumen zwei Jahrzehnten, länger als BundOnline, mit dem man schon 2005 statt der Bürger/-innen ihre Daten von Amt zu Amt laufen lassen wollte. Zum Feiern, Ministerin Giffey, ist mir das einfach zu spät.

Ende 2022 sollen nun alle 575 Verwaltungsdienstleistungen elektronisch zur Verfügung stehen; aber Ende 2020 sind mir nicht mal drei bekannt, die in ganz Deutschland elektronisch vollständig abgewickelt werden können. Dass wir heute einen Gesetzentwurf mit rund 40 Seiten debattieren, der um über 20 Seiten Änderungsantrag ergänzt werden musste, zeigt mir, dass die Bundesregierung beim E-Government nicht nur wie eine Schnecke arbeitet, sondern leider auch schlampig. Außerdem enthält das Gesetz immer noch Regelungen, die im Widerspruch zu anderen Gesetzen stehen, die den gleichen Sachverhalt betreffen.

Und beim elektronischen Postfach für Bürger/-innen bleibt völlig unklar, ob das nur ein elektronischer Briefkasten zum Abwerfen von PDF-Dokumenten ist oder ob man ihn auch für echte Interaktionen mit dem Staat nutzen kann. Kann ich damit fehlende Dokumente nachreichen, Widersprüche einlegen? Kann ich Fragen stellen und Antworten darauf erhalten? Das ist doch das, was Nutzer/-innen erwarten; aber der Gesetzentwurf vertritt zum Teil eher einseitig Verwaltungsinteressen. So gibt es künftig die sogenannte Bekanntgabefiktion, also die Festlegung, dass ein im Postfach hinterlegtes Behördendokument drei Tage später als zugestellt gilt. Mit anderen Worten: Wer nicht ständig sein elektronisches Behördenpostfach kontrolliert, der hat halt Pech gehabt, wenn die Widerspruchsfrist zu einem fehlerhaften Bescheid abgelaufen ist. Hier muss doch die Lebenswirklichkeit ein bisschen stärker berücksichtigt werden. Frieda Musterfrau wird ein elektronisches Postfach für sporadische Behördenpost seltener kontrollieren als ihren eigenen Hausbriefkasten. Ein Kompromiss wäre daher das Recht, auf Wunsch zeitkritische Behördenpost per Brief zugestellt zu bekommen, wenn sie einige Tage unentdeckt im elektronischen Postfach herumschimmelt.

Zu Recht erwarten Bürger/-innen auch mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit vom digitalen Staat; aber elektronische Signaturen scheint die Bundesregierung auch vergessen zu haben. Dabei wären sie doch eine Hürde für unautorisierte Zugriffe auf die Daten der Bürger/-innen, weil jeder Arbeitsschritt im Verwaltungsprozess mit Zugriff auf Bürgerdaten elektronisch unterschrieben wäre. Das würde dann auch unabhängige Überprüfungen ermöglichen. Aber nach jetzigem Konzept bleibt der digitale Staat eine Blackbox. Erkennbar sind nicht einmal eingebaute Garantien, die verhindern, dass eine Behörde nachträglich Dokumente verändert, die schon im Postfach zugestellt waren. Last, but not least darf ich jetzt schon versprechen, dass wir von der Linksfraktion nicht zulassen werden, dass im Zuge der Verwaltungsdigitalisierung ein eindeutiges Personenkennzeichen wie die Steuer-ID fachübergreifend genutzt wird. Das wäre verfassungswidrig, und wir werden dagegen kämpfen.

Im Übrigen haben Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nichts im Strafrecht verloren. § 219a StGB gehört abgeschafft – immer noch.

Vielen Dank.