Noch kann Junglandwirt Patrick Kluge (36) nicht von seinem Hof in Gransee leben und muss noch in Berlin als Medizinisch-technischer Laborassistent (MTLA) arbeiten. Aber das soll sich in den nächsten Jahren ändern, denn er ist Landwirt aus Leidenschaft. Mit seiner Lebensgefährtin Kimberley Herzog (23), Studentin der Agrarwissenschaften an der Humboldt Universität Berlin, kümmert er sich aber jetzt schon um eine Handvoll Pferde (in Pension), hat zwei Jungbullen auf der Weide stehen, sowie einige Kühe mit ihrem Nachwuchs, aber auch Kleinvieh: Hühner alter Rassen und Kaninchen. Schafe sollen im nächsten Jahr dazu kommen. Irgendwann auch Obst- und Gemüseanbau. Der kleine Hof arbeitet ökologisch und nachhaltig, bisher aber noch ohne Biozertifizierung. Selbst die Pferde und Bullen konnte ich aus der Nähe betrachten.

Die beiden Bullen (Dexter) Benny und Emil sind erst ein Jahr alt und nicht von der riesigen Sorte, aber aus der Nähe flößen Hörner und schiere Masse schon Respekt ein – zumal ich den Gedanken schwer verdrängen konnte, dass sie möglicherweise von der Farbe rot provoziert werden – wie man das halt so aus spanischen Filmen kennt, aber mein überwiegend rotes Outfit nebst Hut haben Benny und Emil nicht aus der Fassung gebracht. mir wurde nur der am wenigsten rote Rock beschnuppert und ich durfte sogar ungestört ihre Hörner anfassen und ihre Stirn kraulen. Gesundes Fleisch von glücklichen Tieren, das soll es hier ab nächstes Jahr geben. Bereits heute können Interessierte einen „Anteil an einem Bullen“ kaufen und erhalten dann für ihre „Investition“ irgendwann tiergerecht erzeugtes Fleisch dafür – so funktioniert das Prinzip Solidarische Landwirtschaft. Ich kann mir gut vorstellen, auch einmal einen Anteil an einem so frei lebenden Tier zu erwerben, denn Käfigfleisch kommt mir nicht mehr auf den Teller.
Um eines Tages vom Hof auch leben zu können, brauchen die Junglandwirte vor allem mehr Fläche, aus den aktuell 12,5 Hektar müssen etwa 20 Hektar werden. Kaum jemand weiß, wie schwer ein „Start Up“ in der Landwirtschaft ist, denn der Betrieb – egal wie klein – ist kapitalintensiv, nicht nur wegen der notwendigen Gebäude, Ausrüstungen, Fahrzeuge und Maschinen, sondern vor allem auch, weil Ackerland immer teurer wird. Landgrabbing ist auch in Deutschland ein Problem, denn Land wird einerseits als Investitionsanlage betrachtet und andererseits von großindustriellen Landwirtschaftsbetrieben zu überzogenen Preisen aufgekauft, so dass gerade für kleinere Höfe, für junge Landwirte oder für Bio-Bauernhöfe mit kleineren Margen, kaum eine Chance auf Landerwerb bleibt.
Deshalb sollte es endlich ein Vorkaufsrecht für kleine Ökobetriebe und Junglandwirte geben, wenn Ackerland aus öffentlicher Hand verkauft wird – zu Preisen, die den eigentlichen Werten entsprechen und eine kleinbäuerliche Landwirtschaft überhaupt ermöglichen und nicht zu den Mondpreisen, die große Konzerne zu zahlen bereit sind. In Gransee kostet Ackerland zur Zeit mehr, als so manches Grundstück mit Gebäude in der Stadt – das zeigt, wie absurd sich die Preise entwickelt haben. Hier ist dringend staatliches Handeln erforderlich, denn gerade die nachhaltigen und kleineren Betriebe können einerseits etwas für die Umwelt tun, z.B. Insekten einen Lebensraum bieten, Böden nachhaltig bewirtschaften, das Tierwohl respektieren und andererseits für Lebensmittel sorgen, die eben nicht bei Tönnies und Konsorten unter unerträglichen Bedingungen für Menschen und Tiere entstehen, sondern die man mit gutem Gewissen und Respekt vor dem Tier verzehren kann.

Von Junglandwirt Kluge erfuhr ich, weil sich der Landwirt mit einem Entsorgungsproblem an mein Büro gewandt hatte. Er möchte gern, dass die Netze und Folien der Stroh- und Heuballen vernünftig recycelt werden und ärgerte sich, dass eine Entworgung über die Gelbe Tonne nicht möglich war. Dass eine Entsorgung über den „Grünen Punkt“ bzw. das Duale System Deutschland (DSD) nicht möglich, ergab auch meine Anfrage an die AWU Oberhavel. Denn die Gelbe Tonne ist für Umverpackungen mit dem Grünen Punkt, für den die Verbraucher:innen bereits beim Einkaufspreis mitzahlt haben. Das trifft auf die Netze und Folien nicht zu. Ein zusätzliches Problem ist die Anhaftung von Heu und Stroh. In anderen Regionen gibt es dafür die Option einer Wertstofftonne, in die man jegliche wiederverwertbaren Rohstoffe entsorgen kann – auch Plastik wie diese Folien und Netze ohne Grünen Punkt. Aber das System wird hier nicht angeboten. Die AWU schickte daher die Preise für die einzig mögliche Entsorgung: per Container, der natürlich teuer ist und wo die Folien und Netze am Ende auch nur im Verbrennungsofen landen. Eine unbefriedigende Antwort.
Der Besuch auf dem Hof vom Landwirt Kluge war für mich aber auch darüber hinaus sehr informativ, so habe ich zum ersten Mal vom Bündnis Junge Landwirtschaft gehört, in dem sich Junglandwirt:innen, Studierende und Auszubildende vor allem aus der Region Berlin-Brandenburg vernetzen (LINK: http://www.zugangzuland.de/project/buendnis-junge-landwirtschaft/). Sie wollen sich gemeinsam für die Interessen junger Gründer:innen in der Landwirtschaft einsetzen und haben vor allem Mitglieder, die sich für eine ökologische Landwirtschaft einsetzen. Patrik Kluge ist Mitglied, seit 2015 betreibt er Ökolandbau, erst in einem Ortsteil von Oranienburg und seit 2018 auf dem Hof in Gransee im Meseberger Weg. Gemeinsam aßen wir Mittag in der Kantine, die sich im Wohnhaus des Junglandwirtes befindet, und wo es täglich ein preisgünstiges Essen für Einheimische und Handwerker gibt. Dort fühlte sich der Ortsvorsitzende der LINKEN Klaus Pölitz, der mich begleitet hatte, besonders heimisch, denn hier hatte DIE LINKE viele Jahre ihre Regionalgeschäftsstelle.