Zum Start der Contact-Tracing-App (Corona-App) erklärt Anke Domscheit-Berg, netzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag:
“Die Corona-Warn-App kommt aufgrund anfänglicher Fehler der Bundesregierung spät, aber nicht zu spät, denn sie kann immer noch einen wirksamen Beitrag zur Unterbrechung von Infektionsketten leisten, vor allem wenn es darum geht, eine zweite Welle der Pandemie zu verhindern oder abzuschwächen.
Durch den Open-Source-Ansatz der App konnten viele Fehler frühzeitig ausgeräumt werden – diese Art der Softwareentwicklung sollte die Bundesregierung auch künftig verfolgen, denn so entsteht nicht nur Software mit höherer Qualität, sondern auch mehr Vertrauen in Software aus öffentlicher Hand, da sich unabhängige Expert:innen wie bei der Corona-Warn-App davon überzeugen können, dass die Software keine Hintertüren hat.
Dennoch kommt die App mit einem wesentlichen Geburtsfehler, denn die Bundesregierung will nach wie vor keine spezifische gesetzliche Grundlage für den App-Einsatz, die es aber braucht, um die Zweckbindung, eine strenge Befristung auf die Dauer der Pandemie und eine bedingungslose Freiwilligkeit zu garantieren.
Bereits jetzt häufen sich Anfragen bei Anwält:innen, weil Arbeitgeber ihre Angestellten zur Verwendung der App zwingen möchten und wird immer wieder öffentlich spekuliert, die Nutzung der App zur Bedingung für den Einlass zu Veranstaltungen oder andere Vergüngstigungen zu machen.
Aber Freiwilligkeit besteht nicht nur aus der Abwesenheit von staatlichem Zwang, sondern ist erst dann gegeben, wenn keinerlei Vor- oder Nachteile mit der Nutzung oder Nichtnutzung der App verbunden sind, weder durch den Staat noch durch Dritte. Eine gesetzliche Regelung würde der Debatte rund um den direkten oder indirekten Zwang zur App ein Ende bereiten und das Vertrauen in die Corona-Warn-App erhöhen.
Freiwilligkeit ist auch deshalb der einzige Weg zum Erfolg der App, weil ein Zwang jederzeit unterlaufen werden kann, z.B. durch Abschalten der Bluetooth-Funktion, aber auch, weil auch indirekter Zwang eine unzulässige Diskriminierung ganzer Bevölkerungsgruppen bedeuten würde, denn z.B. besitzen nur ca. 80% der Nutzer:innen ein Handy, das technisch in der Lage dazu ist, die App zu installieren, andere Menschen besitzen überhaupt kein Smartphone und niemand sollte sie deshalb benachteiligen und z.B. vom Zugang zu Bildung, Arbeit oder Kultur ausschließen können. Diese Diskriminierung würde zudem überdurchschnittlich häufig ärmere Menschen treffen, die sich teure Smartphones gar nicht leisten können.
Deshalb fordere ich die Bundesregierung erneut auf, ein Corona-Warn-App-Gesetz vorzulegen.”