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Im Internet mal schnell ein Kuchenrezept nachschlagen, Freunden per WhatsApp ein Bild schicken oder Weihnachtsgeschenke online bestellen – das sind alles selbstverständliche Aktivitäten im Jahr 2019. So selbstverständlich das für die meisten von uns ist, so schwierig gestaltet sich die Lage für viele Menschen im ländlichen Raum. Instabile Internetverbindungen mit wenig Bandbreite sind hier immer noch Alltag. Leider stellt das nach den jüngsten Entwicklungen nicht einmal das untere Ende der Fahnenstange dar: In ihrem Bestreben, das alte ISDN-Netz durch die modernere IP-Technik zu ersetzen, schaltet die Telekom alle ISDN Anschlüsse 4 Monate nach einer Kündigungsbenachrichtigung ab. Bis zum Jahresende sollen alle Anschlüsse auf neue Technologien umgestellt sein.  

Das Abschalten der ISDN-Verbindung bedeutet für die meisten ein Vertragswechsel und schnelleres Internet, aber leider nicht für alle. Immer mehr häufen sich die Fälle von Betroffenen,  die nach der Abschaltung entweder keinen Telefon- und Internetanschluss mehr haben oder nur auf dem Papier. Denn die Telekom hat Verträge angeboten, die sie gar nicht umsetzen konnte. Einigen Kunden bot sie alternative Internetzugänge über LTE Mobilfunk an – in einer Gegend, die gar keine LTE Abdeckung hat. Anderen Kunden bot sie Breitbandinternet über Vectoring an, aber da bei dieser veralteten Technologie jeder zusätzlich angeschlossene Kunde das Internet für alle anderen langsamer macht, ist die Zahl derer, die lokal damit versorgt werden können, begrenzt. Und so erhielten einige Kunden, die das Wechselangebot zu Vectoring annehmen wollten die Antwort, dass die maximale Kundenzahl schon erreicht sei.

 In vielen weiteren Fällen gibt es zwar einen DSL-Anschluss, aber mit lächerlicher Bandbreite und oft sogar für mehrere Haushalte geteilt. In Seewalde in Mecklenburg Vorpommern haben selbst die beiden Ärzte keinen Internetanschluss. In Reihenhäusern dort teilen sich 24 Parteien 3 Internetanschlüsse. Oft ist das DSL Netz so schwach, dass es in der Praxis nur zum Telefonieren reicht.

Nachdem mich mehrere Beschwerden durch Betroffene aus Brandenburg und Umgebung erreichten, beantragte ich, dass sich der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur mit dem Thema beschäftigt. In diesem Ausschuss bin ich stellvertretendes Mitglied. In der ersten Sitzung zu dem Thema wurde fraktionsübergreifend schnell klar, dass Handlungsbedarf seitens der Bundesregierung und insbesondere der Bundesnetzagentur besteht. Ein Abgeordneter der CDU berichtete, dass er sogar selbst betroffen ist. Die Bundesregierung schien jedoch einerseits ungenügend informiert und andererseits nicht gewillt,  sich stärker zu engagieren.

Ihre Vertreter verwiesen auf die Produktfreiheit von Unternehmen und auf stattfindende Gespräche. Den Universaldienst, als den die Deutsche Telekom in Deutschland Telefon- und Internetanschlüsse bereitstellt, sah sie nicht verletzt. Zuständig ist die Bundesnetzagentur, also luden wir die Bundesnetzagentur zur nächsten Ausschusssitzung. Die Haltung der Bundesnetzagentur hat mich schon schwer erschüttert, vor allem weil die Bundesnetzagentur auch eine Verbraucherschutzbehörde darstellt und in meinen Augen hier völlig versagt. Zum einen hat die BNetzA keine vernünftigen Informationen zum Ausmaß des Problems, kein Wunder, denn viele Bürger*innen wissen überhaupt nicht, dass sie sich bei der BNetzA in solchen Fällen beschweren können, sie beschweren sich einfach bei der Telekom. Eine Aufklärungskampagne ist nicht geplant.

Immer wieder wurde von der BNetzA betont, dass die Telekom den Universaldienst erbringen würde. Ihr Argument: wenn die Telekom den Universaldienst nicht erbringt, muss sie das 1 Jahr vorher anzeigen und das hätte sie nicht gemacht, also erbringt sie ihn offensichtlich. Unser Argument: Wenn der Universaldienst einen funktionalen Internetanschluss umfasst und manche Kunden nach der Abschaltung KEINEN Zugang zum Internet mehr erhalten können, dann haben sie nun mal keinen funktionalen Internetanschluss, also muss der Universaldienst in diesem Fall verletzt sein und die BNetzA muss handeln und sanktionieren. Daraufhin wurden wir belehrt, dass die Telekom aktuell den Universaldienst freiwillig und nicht verpflichtet durch die Bundesregierung erbringt und dass man sie deshalb auch gar nicht sanktionieren kann, wenn sie sich nicht dran hält. Das ist die schlechtest mögliche Vertretung der Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Wie viele kritische Stellen wie Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr oder Behörden ebenfalls betroffen sind, wusste die Bundesnetzagentur nicht, versicherte aber, sich in solchen Fällen innerhalb von Stunden um eine Problemlösung zu bemühen. Eine Problemlösung besteht für die BNetzA im Übrigen in irgendeinem Internetanschluss, denn der Universaldienst kann in jedweder Technologie erbracht werden. Auch einen Kostenrahmen gibt es nicht. Also kann die Telekom sich auch um eine Grundversorgung im ländlichen Raum drücken, in dem sie sehr teure Satelliten-Verbindungen anbietet, wer das dann nicht bezahlen kann oder will, ist selbst schuld.

Die jetzige Situation ist auch ein Ergebnis der verfehlten Breitband-Politik der letzten Jahrzehnte: Statt frühzeitig und mit Gemeinwohlorientierung für eine flächendeckende Versorgung mit Breitbandinternet zu sorgen, hat man den Ausbau dem Markt überlassen und der Markt hat leider versagt. Das Resultat ist ein Glasfasernetz, das nur bei 8,5% aller Haushalte ankommt – das ist ein Zehntel des OECD-Durchschnitts. Wir sind Breitband-Entwicklungsland und mit der ISDN-Abschaltung geht die Entwicklung für viele Menschen sogar rückwärts.

Eine krasse Information erhielten wir auch von der BNetzA, als wir wissen wollten, ab wann denn ein Internetanschluss als „funktionaler Internetanschluss“ gilt, also der Anforderung im Universaldienst. Das Telekommunikationsgesetz ist dabei unklar, es fehlt eine klare gesetzliche Vorgabe, also interpretiert die BNetzA selbst. Nach Angaben der Bundesnetzagentur ist bereits bei 56 Kb/s ein Internet „funktional“. Diese Geschwindigkeit als untere Grenze festzulegen, ist geradezu eine Frechheit: 56 Kb/s waren mit der Einführung der 56K-Modems vor über 20 Jahren der aktuelle Stand der Technik. Da redet die Bundesregierung fast täglich vom Aufbau der Gigabitgesellschaft und wo und wie Deutschland da irgendwo Weltspitze werden will, und dann soll ein Internetanschluss als funktional gelten, mit dem man über 9 Minuten braucht, um das Beschwerdeformular der BNetzA im Internet aufzurufen, oder 14 Minuten nur für die Startseite der Tagesschau und sogar 19 Minuten, um www.bundestag.de aufzurufen. Das kann so natürlich nicht bleiben, deshalb wird dieses Thema auch in der nächsten Beiratssitzung der Bundesnetzagentur zur Sprache kommen. Das heißt auch: Wir bleiben dran.