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In allen Schulen im Land Brandenburg ist es verpflichtend, in einen Betrieb/einer Arbeitsstelle freier Wahl ein Schülerbetriebspraktikum von insgesamt zwei Wochen zu absolvieren. Dabei sollen die eigenen Wünsche, Interessen und die damit verbundenen Fähigkeiten ergründet und ggf. weiterentwickelt werden. Ich bin Ben Berger, Schüler an der Immanuel-Kant-Gesamtschule in Falkensee. Zur Zeit besuche ich dort die neunte Klasse.

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Was stellt man sich eigentlich vor, wenn man im Bundestag unter einer Abgeordneten ein Praktikum macht? Viel Büro- und Schreibarbeit? Viele Sitzungen und stundenlange Debatten? Oder doch mehr hitzige Diskussionen und viel Aktivität? Vor meinem Praktikum war ich mir ehrlich gesagt auch nicht so sicher, was ich denn jetzt eigentlich für zwei Wochen machen würde. Natürlich hatte ich grobe Ideen, durch Berichte aus Medien und eigener Erfahrung, in meinem Kopf, dennoch fiel es mir schwer, ein klares Bild im Kopf zu haben. Die Umrisse waren schon da, aber die Details fehlten noch. Diese Details fügten sich dann langsam im Verlauf von zwei Wochen zusammen, wobei ich zugeben muss, dass mir immer noch viele Details fehlen und ich noch viel zu lernen habe.

Bild: Anke verteilt Calliope minis, Charlotte Welch, CC BY-ND 4.0

Also was genau habe ich denn gemacht, um dieses Bild zu detaillieren? Zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg und ihren Mitarbeiter*innen habe ich unterschiedliche Facetten der Arbeit eines Mitglieds des Bundestages kennengelernt. In der ersten Woche hielten wir uns in Domscheit-Bergs Wahlkreis (Brandenburg an der Havel – Potsdam-Mittelmark I – Havelland III – Teltow-Fläming I) auf. Am ersten Tag ging es nach Rathenow, wo wir in die Geschwister-Scholl-Grundschule gegangen sind, um einen Klassensatz Calliope minis abzugeben. Calliope mini ist ein Computer der für Grundschüler*innen entwickelt wurde, um digitale Bildung voranzutreiben. Die Computer dienen dazu Kinder vertrauter mit Technologien zu machen, besonders wie Technologie funktioniert und wie man sie zu seinem eigenen Vorteil entwickeln kann. Durch die Digitalisierung und schnellen technologischen Fortschritt ist es wichtig, dass Kinder lernen mit Technologien umzugehen und sie zu verstehen. Leider sind viele Schulen nicht ausgebildet für diesen Unterricht, obwohl es gerade jetzt wichtig ist, Schüler*innen in diesen Fächer zu unterrichten. Die Schüler*innen haben sich sehr über die Calliopes gefreut und haben sich gleich mit den bereits eingebauten Programmen vertraut gemacht. Was mich besonders überrascht hat, ist, wie viele Schüler*innen sich schon vorher mit Programmierungen und IT in ihrer Freizeit beschäftigt hatten.

Am selben Tag sind wir noch nach Premnitz gefahren und haben uns dort das Unternehmen Märkisch Faser GmbH angeguckt. Das Unternehmen ist ein Textilunternehmen und stellt Polyester-Fasern her. Märkisch Faser hat uns einen Vortrag über ihr Unternehmen gegeben: was sie tun sowie sie einige ihrer Probleme, wie die schlechte Telekommunikationsinfrastruktur, erklärt haben. Danach bekamen wir einen Rundgang durch das Fabrikgelände, wobei jeder Schritt für die Produktion von Polyesterfasern erklärt worden ist.

Am Dienstag verlief der Tag nicht ganz wie geplant, wurde aber schnell angepasst. Auch an diesem Tag gab es wieder eine Calliope Übergabe und zwar an der Geschwister Scholl Grundschule in Bad Belzig. Danach fuhren wir zum Info Café “Der Winkel” welches ein Schutzort für Migrant*innen und Flüchtlinge ist.

Bild: Denkmal und Infotafel vom Außenlager Belzig des KZ-Ravensbrück, Charlotte Welch, CC BY-SA 4.0

Ein netter Mitarbeiter erklärte uns dann was genau “Der Winkel” macht und was für Erfahrungen Mitarbeiter und Geflüchtete gemacht haben. Unter anderem wurde uns von zwei Morde von Neonazis an Ausländer berichtet. Auch wenn mir bewusst war, dass es durchaus noch Rechtsextreme in Deutschland gab, habe ich erst an diesem Tag begriffen, wie ernst es eigentlich wirklich ist. Abschließend hat ein Mitarbeiter vom Café eine kleine Führung durch das ehemalige Frauenaußenlager des KZ-Ravensbrück in Belzig mit uns durchgeführt.

Am Mittwoch war in Deutschland Europa Tag und Domscheit-Berg war zu einer Podiumsdiskussion am Von-Saldern Gymnasium eingeladen. In den Tagen davor gab es viele Berichte über diese Podiumsdiskussion, weil unter anderem Jörg Meuthen, AfD-Bundessprecher dabei war. Die Debatte verlief am Ende aber recht friedlich, außer ein Kommentar von Meuthen, dass “Europa [durch Migration] zu Afrika wird”. In der Debatte wurde über Europas Zukunft debattiert und wie die Parteien diese Zukunft sehen und was ihre Wünsche und/oder Ziele sind. Unter anderem wurde über eine Europäische Armee gesprochen, die Bekämpfung von Fluchtursachen und „sichere“ Grenzen. Dabei war interessant zu sehen, wie unterschiedliche Politiker das Wort “sicher” interpretierten. Während CDU, FDP und AfD “sicher” so sahen, dass man Grenzen schließen muss und noch mehr Waffen und Personal einsetzten sollte, sah Domscheit-Berg dies anders und plädierte mehr für eine sichere Grenze, an der Flüchtlinge nicht mehr sterben, sondern heil und sicher in Europa ankommen.

Nach der Debatte fuhren wir zur Fachhochschule Brandenburg, wo ein Projekt namens NotrufPlus vorgestellt wurde. Ein großes Problem in Deutschland ist, dass Menschen mit Behinderungen oft keinen Notruf tätigen können, da wir in Deutschland keine Barrierefreie Notrufnummer haben. Es gibt bereits ein paar Lösungen, aber die sind zu kompliziert und müssen vereinfacht werden. NotrufPlus hat eine App entwickelt, die Barrierefrei ist, die universal nutzbar sein kann, digitale Übermittlung von Daten weitergibt, damit Helfer gleich einen vollen Überblick haben. Die Entwickler haben sich an Domscheit-Berg gewandt in der Hoffnung, dass sie das Problem der barrierefreien Notrufnummern ansprechen, sowie die Entwickler unterstützen kann.

Die Woche im Wahlkreis war unglaublich interessant und man hat vieles im politischen, aber auch im sozialen und wirtschaftlichen Bereich gelernt. Persönlich habe ich mich vorher immer nur für internationale und nationale Politik interessiert und nicht mit kommunaler Politik. Dies hat sich aber nach diesem Praktikum geändert. Kommunalpolitik ist sehr facettenreich und unglaublich spannend. Ich habe eine Menge gelernt, besonders was den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bereich angeht. Auch habe ich bemerkt wie nationale Politik auf kommunale Politik aufbaut und dadurch gestärkt wird.

Der zweite Teil des Praktikums fand in Berlin statt und war viel aufregender als ich es mir vorgestellt hatte. Es ist eine Mischung aus Büroarbeit, Interviews, Debatten zu hören, Gespräche führen und Themen vorbereiten.

Bild: Eingang des Jakob-Kaiser-Hauses, Charlotte Welch, CC BY-SA 4.0

Im Büro gibt es viele Aufgaben und eingearbeitete Systeme die ich erstmal vorgestellt bekommen habe. Ich lernte mehr wie es im Büro vor sich geht, was es alles für Jobs gibt, wer was macht und was es für Prozesse gibt. Dabei habe ich bemerkt, wie viel Arbeit es in einem Büro gibt und wie viel man täglich abarbeiten muss, damit man nicht zurück fällt. Hinzu kommt noch der ständige Stress durch Terminänderungen, oder politische Eilmeldung, was dazu führt, dass man schnell Recherchen zu einem Thema durchführen muss. Am Donnerstag hatte Domscheit-Berg ein Radio Interview, wo die Themen nur ein paar Stunden vorher bekannt waren. Schnell mussten dann alle recherchieren und Informationen zusammen tragen. In diesen Momenten ist es sehr stressig, weil man schnell und effizient arbeiten muss.

Auf der anderen Seite hatte man auch die Debatten die gerade im Bundestag liefen. Besonders interessant hierbei fand ich nicht nur inhaltlich auf die Punkte zu achten, aber auch auf die unterschiedlichen Redearten und stilistischen Mittel die Politiker*innen benutzt haben. Spannend war natürlich die Debatte über das Bundeskanzleramt, wo die Vorsitzenden der unterschiedlichen Fraktionen gesprochen haben.

Bild: Aussicht auf die Gebäude des Bundestags während meiner Tour, Charlotte Welch, CC BY-SA 4.0

Des Weiteren war eines meiner Highlights eine Tour durch die Gebäude des Bundestages. Die Architektur fand ich faszinierend und sehr spannend mir anzugucken, aber auch die Größe und Komplexität des ganzen Hauses hat mich beeindruckt.

Im Bundestag hat man viele Aufgaben und man kann die Aufgaben eines Abgeordneten nicht verallgemeinern, wie ich es am Anfang tat. Man macht eine Vielzahl von Dingen die in alle Richtungen gehen. Manchmal hat man Tage, wo man sich viele Reden anhört, an anderen Tagen rennt man von einem Termin zum nächsten, während man ein Tag später vielleicht die ganze Zeit im Büro sitzt und durch Papiere geht. Wegen diesem Praktikum habe ich viele unterschiedliche Facetten kennengelernt und könnte nicht glücklicher sein das Privileg gehabt zu haben dies alles mal kennenzulernen und mitzuerleben wie es im Bundestag vor sich geht. Vielen Dank, an alle die mir geholfen haben und viele Dank an Anke das sie mir diese Gelegenheit gegeben hat.

 

Charlotte ist 18 Jahre alt und möchte nach ihrem zweiwöchigen Praktikum hier ein Studium der Internationalen Beziehungen beginnen.