Heute, am 06.10.2020, hat der Europäische Gerichtshof erneut zur Vorratsdatenspeicherung geurteilt. Dazu erklärt Anke Domscheit-Berg: „Das Urteil des EuGH erteilt erneut staatlichen Überwachungsbegehrlichkeiten eine Abfuhr, allerdings haben vergleichbare Urteile bisher die Bundesregierung nicht davon abgehalten, immer wieder neue verfassungswidrige Überwachungsmaßnahmen zu beschließen oder zu fordern, weil sie immer wieder die Bedeutung der Grundrechte vergißt. Die Aussage des EuGH ist in seinem neuerlichen Urteil zur Vorratsdatenspeicherung jedoch sehr klar, denn es stellt zweifelsfrei fest, dass eine allgemeine Überwachung durch eine flächendeckende Datenspeicherung ohne besonderen Anlass, von allen Menschen, die bestimmte Kommunikationsformen nutzen, zu allen Zeiten schlicht weg nicht verhältnismäßig ist und daher illegal. Nach meiner Auffassung ist eine derartige, allumfassende Datenspeicherung schon strukturell nicht mit demokratischen Grundwerten vereinbar.
Ich begrüße sehr, dass der EuGH in seinem Urteil auch deutlicher als bisher evidenzbasierte Politik einfordert, dass also endlich die Wirksamkeit von Grundrechtseingriffen nachgewiesen werden muss. Das ist der Bundesregierung bisher weder für Kameraüberwachungen im öffentlichen Raum, noch für die Vorratsdatenspeicherung gelungen. Eine aktuelle Studie des wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments (beauftragt von Dr. Patrick Breyer, MdEP) ergab für kein einziges EU-Land durch flächendeckende Vorratsdatenspeicherung einen messbaren Einfluss – weder auf die Kriminalitätsrate noch auf die Aufklärungsquote. In Deutschland stiegen die Aufklärungsquoten nach der Einstellung der Vorratsdatenspeicherung sogar an.
Leider ist es Tradition im BMI, gerade bei Fragen der inneren Sicherheit Symbolpolitik zu betreiben und politische Vorhaben keiner Wirksamkeitsanalyse zu unterziehen. Bei Grundrechtseingriffen ist dieses Vorgehen jedoch inakzeptabel. Es führt außerdem zu einer falschen Ressourcenverteilung, denn der starke Fokus auf den Ausbau von Überwachung führt zwangsläufig zu einer Unterversorgung wirksamerer Vorgehensweisen.
Die Linksfraktion fordert die Bundesregierung daher auf, endlich den Zombie Vorratsdatenspeicherung zu beerdigen, alle bestehenden Überwachungsgesetze auf den Prüfstein zu stellen und bei neuerlichen Plänen eine Grundrechts- und Wirksamkeitsbewertung nach objektiven Kriterien vorzunehmen, damit nicht wieder ein oberstes Gericht in Deutschland oder der EU ihr Nachhilfe im Einhalten von Grundrechten erteilen muss.“