Wer digitaler Gewalt ausgesetzt ist und dann nicht auf staatlichen Schutz vertrauen kann, leidet nicht nur, sondern droht zu verstummen. Auch das ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Das Maßnahmen-Paket zur Bekämpfung der Hasskriminalität löst weder das massive Problem mangelnder Rechtsdurchdurchsetzung noch trägt es zum Schutz Betroffener nennenswert bei. Stattdessen fordert AKK die Klarnamenpflicht in sozialen Netzen, die von Hass Betroffene gefährdet und verfassungswidrig ist.
Meine Rede im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Meinungsfreiheit ist wie alle Verfassungsgrundrechte ein Schutzrecht gegen den Staat. Das heißt, niemand soll aufgrund seiner Meinungsäußerungen staatlich verfolgt werden. Aber rote Linien im Strafrecht setzen ihr Grenzen. Holocaustleugnungen und Bedrohungen sind zu Recht strafbar.
Sorgt der Staat aber nicht ausreichend dafür, dass solche Rechtsbrüche bestraft werden, ist auch das ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Denn wer digitaler Gewalt ausgesetzt ist und dann nicht auf ausreichenden staatlichen Schutz vertrauen kann, der leidet nicht nur, der droht auch zu verstummen. Nun plant die Bundesregierung in ihrem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Hasskriminalität Strafverschärfungen und eine quasi automatisierte Anzeigepflicht für soziale Netzwerke, die die Anzahl von Anzeigen sehr stark steigern würde. Das löst aber nicht das größte bestehende Problem, nämlich den eklatanten Mangel an qualifizierten Fachkräften bei Polizei und Justiz, und wird die Folge haben, dass noch mehr Anzeigen ohne Urteil im Sande verlaufen und das Vertrauen in unser Rechtssystem noch mehr erschüttert wird.
2018 waren 77 Prozent der strafbaren Hasspostings – mehr als 1 000 Fälle – politisch motivierte Kriminalität von rechts, mit rassistischen, frauenfeindlichen, antisemitischen, homophoben oder transfeindlichen Inhalten. Von dieser Art Hass Betroffene sind aber ohnehin schon in unserer Gesellschaft marginalisiert. Ihr Schutz wird dennoch nicht ausgebaut, Beratungsstellen werden nicht besser ausgestattet, und über die Melderegisterauskunft kann weiterhin viel zu leicht die private Adresse fast aller Personen erfragt und dann im Netz verbreitet werden. Prävention wird angekündigt, aber null konkretisiert. Soziale Netzwerke werden nach wie vor nicht gezwungen, in Deutschland Zustellungsbevollmächtigte für jegliche gerichtliche Post einzurichten. Und statt Schwerpunktstaatsanwaltschaften wird eine Zentralstelle im BKA geplant. All die Dinge, die ich gerade genannt habe, würden Betroffenen helfen. Alles das fordern wir von der Linksfraktion.
Verteidigungsministerin AKK, immerhin ein Mitglied der Bundesregierung, aber auch Bundestagspräsident Schäuble und andere fordern stattdessen die Klarnamenpflicht in sozialen Netzen, die nicht nur verfassungswidrig ist, sondern die Bedrohungslage für Betroffene sogar noch verschärfen würde; denn wie die Melderegisterauskunft erleichtert sie den Übergang von digitaler zu physischer Gewalt. Der Bundesgerichtshof urteilte aber schon vor elf Jahren – ich zitiere –: Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art. 5 … GG nicht vereinbar. Im Namen der Linksfraktion fordere ich die Bundesregierung daher auf, den Schutz Betroffener in den Vordergrund zu stellen und keine neuen Anlässe zu suchen, Verfassungsgrundrechte für alle zu beschneiden.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nichts im Strafgesetzbuch verloren haben. § 219a gehört endlich abgeschafft.
Vielen Dank.