Am 24.09.2020, einem Donnerstag, hatte ich “ROT” gesehen. Meine Corona-Warn-App hatte mir per Push-Nachricht ein erhöhtes Risiko angezeigt, weil ich zwei Risiko-Begegnungen hatte. In den letzten Monaten hatte ich mich sehr intensiv mit der Corona-Warn-App beschäftigt, deshalb war ich zwar einerseits erschrocken, andererseits aber auch neugierig, wie der Prozess rund um die App eigentlich funktioniert und beschloss meine Erfahrungen mit anderen auf Twitter zu dokumentieren.
Ich habe zwei Handys, eins davon ist fast immer in meiner Handtasche, wenn ich unterwegs bin. Auch auf diesem Handy ist die Corona-Warn-App installiert – aber dort gab es nur eine “grüne Warnung”. Grün steht für niedriges Risiko, und dass man sich keine großen Gedanken machen muss. Das ist dann schon irritierend, wenn das Handy in der Tasche “kein Problem” sagt, das Handy, das ich an einer Art Schnur am Körper trage, aber “Hohes Risiko” anzeigt. Es bedeutet, dass die Bluetooth-Signale des Handys in der Tasche so abgeschwächt wurden, dass sie als “Handy aus sicherer Entfernung” interpretiert wurden – einer Entfernung, bei der keine Infektionsgefahr besteht. Das bedeutet natürlich, dass die Corona-Warn-App das schlechtere Signal in einer Tasche offenbar nicht so gut ausgleichen kann, wie sie es sollte. Mein Tipp daher an alle: wer mit fremden Menschen länger als 10 Minuten am gleichen Ort ist (z.B. in der S-Bahn oder im Bus), sollte das Handy mit installierter Corona-Warn-App lieber nicht in der Tasche tragen, sondern in der Hand oder auch umgehängt.
Aufgrund meiner Termine im Wahlkreis war es mir wichtig herauszufinden, wie die Anzeige: “3 Tage seit der letzten Risikobegegnung” zu verstehen ist. Zählt der heutige Tag mit oder nicht? Je nachdem müsste ich bei meinen Gesprächspartner:innen vom Montag (21.09.) oder vom Dienstag (22.09.) nachhören, ob es dort einen dokumentierten Covid-19 Fall gibt oder ob andere eine ähnliche Warnung erhalten haben. Dafür gibt es ja die Hotlines der Deutschen Telekom, für die Minister Spahn viele Millionen Euro locker gemacht hat in einem dubiosen Vergabeprozess. Es gibt zwei Hotlines, eine für technische Probleme und eine zum Verifizieren eines positiven Tests, wenn das Testlabor nicht elektronisch an das Warn-App System angeschlossen ist. Weil ich kein technisches Problem hatte, rief ich die Verifikationshotline an – deren Nummer übrigens schwer zu finden war, wo man mich dann doch zur technischen Hotline verband, weil man keine Antwort auf meine Frage hatte. Bei der technischen Hotline bekam ich leider auch nur eine falsche Auskunft. Etwas später dann aber auf Twitter die richtige Antwort, die von einem Mitglied des SAP Entwickler-Teams bestätigt wurde: Der heutige Tag zählt immer als Tag “0”, gestern entspricht dann “1 Tag seit letzter Risikobegegnung”, vorgestern entspricht “2 Tage seit letzter Risikobegegnung” usw. Meine Risikobegegnungen müssen also am Montag, dem 21.9.2020 gewesen sein. Da hatte ich zwei Termine in Brandenburg an der Havel, einer fand im freien statt, bei beiden trug ich stets einen Mundnasenschutz und ich war in Begleitung von zwei Mitarbeiter:innen, die ebenfalls die App installiert haben, aber keinerlei Warnungen erhalten hatten. Die einzige Zeit an dem Tag, die ich nicht mit ihnen zusammen war, waren in der Regionalbahn und im einstündigen Schienenersatzverkehr mit der S-Bahn. Genau für solche Fälle ist die Corona-Warn-App gedacht, denn da hilft einem keine Kontaktverfolgung, wer weiß denn schon, wer in der S-Bahn gegenüber saß? Übrigens wurden nach zwei Tagen weitere zwei Risikobegegnungen auch für den 21.9. angezeigt, also insgesamt vier, die alle in der Bahn stattgefunden haben müssen. Im öffentlichen Nahverkehr ist also auch das Maske-Tragen sehr wichtig! Etwa 50 Prozent der Ansteckungen sollen vor dem Ausbruch von Symptomen stattfinden, d.h. es können sich gesund fühlende und gesund aussehende Menschen einem gegenüber sitzen und trotzdem infiziert und ansteckend sein – oder man ist es selbst und gefährdet Dritte. Für Menschen, die unter solchen Bedingungen keine Maske tragen, habe ich wenig Verständnis, denn das ist unsolidarisch anderen gegenüber.
Ich war froh, dass mich die App gewarnt hat und hielt mich an die Empfehlungen, die mir die App für den Fall der roten Risikowarnung anzeigte, ich rief meine Hausärztin an. Sie bat um Rücksprache mit dem Gesundheitsamt, das mich aber an die Ärztin verwies. Eine halbe Stunde später war ich bei ihr zum Test, den sie in voller Schutzkleidung in einem separaten Raum durchführte. Auf einem Formular wurde von der Praxis ausgefüllt, ob ich eine Übermittlung meines Testergebnisses an die App wünsche. Natürlich wollte ich das! Ich war froh, dass mich die Ärztin danach fragte, denn nach Aussagen auf der Bundespressekonferenz zu 100 Tagen Corona-Warn-App fehlt in vielen Fällen dieses Kreuz auf dem Formular. Das Kreuz ist allerdings wichtig, um eine schnelle und reibungslose Übertragung eines Testergebnisses zu garantieren – ohne Kreuz darf das Labor die Testergebnisse nicht an meine App schicken. Ich kann daher jedem raten, in der testenden Praxis nachzufragen und die Übertragung an die Corona-Warn-App ankreuzen zu lassen.
Die Abrechnung des Tests über die Kasse ist übrigens kein Problem, da wird auf dem Laborschein einfach angekreuzt: „Testung nach Meldung „erhöhtes Risiko“ durch Corona-Warn-App. Das Formular soll einheitlich sein für alle.
Nach weniger als 24 Stunden (am Wochenende!) war es dann so weit: Das erste Testergebnis war auf meiner App zu sehen und es war negativ! Das zuständige Labor meiner Ärztin war also an das System der Corona-Warn-App angeschlossen und die Übertragung funktionierte auch ohne Probleme. Allerdings stand mir noch ein zweiter Test bevor, weil aufgrund der kurzen Dauer seit der Risikobegegnung der erste Test eine Infektion durch einen so frühen Test noch nicht 100% ausschließt.
Ich blieb auf Anraten der Ärztin in häuslicher Quarantäne. Am 30.09.2020 habe ich bei ihr den zweiten Test gemacht und diesmal sogar schon nach 11 Stunden, abends nach 21 Uhr die gute Nachricht: “Testergebnis Negativ” in der Corona-Warn-App erhalten. So konnte ich am Tag danach wieder in den Bundestag fahren. Bis dahin hatte ich in der Quarantäne nur an “hybriden” Terminen teilnehmen können, die also auch digital stattfanden. Ohne die App hätte ich nicht schon am Donnerstag, sondern wohl erst am folgenden Montag die Entwarnung erhalten.
Wie es der Zufall will, interviewte mich die Berliner Zeitung zur Corona-Warn-App kurz vor meiner eigenen Erfahrung mit der App. Die Corona-Warn-App hat nämlich ihre ersten hundert Tage hinter sich, es war also Zeit für ein Zwischenfazit. Das Interview kann man hier nachlesen.