Zum zweiten Mal in dieser Legislatur habe ich am 5. August 2020 das Frauenhaus in Rathenow besucht, denn ich wollte aus erster Hand erfahren, ob die in Medien berichteten starken Zunahmen häuslicher Gewalt auch hier wahrnehmbar sind.
Die Leiterin des Frauenhauses, Catrin Seeger hatte uns einen Tisch mit Stühlen in den Garten gestellt, wo wir uns trotz Hitze gut unterhalten konnten. Tatsächlich hat das Frauenhaus keinen Zuwachs an Fällen während Corona zu verzeichnen. Die Lage scheint auch in anderen Brandenburger Frauenhäusern nicht groß anders zu sein. Vielleicht sind die Auswirkungen in ländlichen Regionen geringer als in der Großstadt, wo man sich in kleineren Wohnungen ohne Garten, Wald und Feld vor der Nase schlicht dichter auf der Pelle sitzt und auch Arbeitsplatzfolgen größere Ausmaße erreichen, als im Brandenburgischen, das eher von einer kleinteiligen Wirtschaft geprägt ist, die krisenresistenter zu sein scheint.
Seit Monaten erstellen alle Frauenhäuser in Brandenburg einen wöchentlichen Situationsbericht, in dem sie nicht nur über ihre Auslastung berichten, sondern auch darüber, ob es in der Einrichtung Infektions- oder Verdachtsfälle gibt und ob es für solche Fälle Ausweichquartiere gibt, die eine Trennung von Infizierten zu Nicht-Infizierten während der Quarantäne und Erkrankung ermöglicht. Das Rathenower Frauenhaus hat mehrere solcher Ausweichquartiere, hofft aber dennoch, dass sie nicht genutzt werden müssen.
Um den Anforderungen der Istanbul Konvention – aber natürlich auch dem tatsächlichen Bedarf – gerecht zu werden, muss noch ein neues barrierefreies Haus gebaut werden. Dafür sind Mittel aus einem Bundesprogramm für Baumaßnahmen in Frauenhäusern beantragt worden. Ein Grundstück ist auch schon gefunden, aber die Mittel bis Ende 2023 vollständig auszugeben, ist nun eine echte Herausforderung, denn zuerst muss ein kaputtes Gebäude abgerissen und dann Planung und Bau des neuen Gebäudes in Zeiten völlig ausgelasteter Baufirmen umgesetzt werden.
Besonders gefreut hat mich, dass das Rathenower Frauenhaus als eines von einer handvoll Frauenhäuser jetzt Teil eines Modellprojektes zum Schutz vor digitaler Gewalt ist, also zu einem Thema, mit dem ich mich in der Linksfraktion schon sehr intensiv beschäftigt habe und das bisher in seiner Bedeutung völlig unterschätzt ist. Die Rathenower sind als einziges ostdeutsches Frauenhaus daran beteiligt und sehen mit Neugier und Interesse den angekündigten Seminaren und Weiterbildungen zum Schutz vor digitaler Gewalt entgegen. Von der Berliner Rechtsanwältin Christina Klemm weiß ich, dass sehr viele Fälle von Stalking und häuslicher Gewalt auch mit digitaler Gewalt stattfinden. Es ist daher sehr wichtig, endlich in diesem Feld mehr zu tun.