Die Covid-19-Pandemie zehrt an den Kräften von uns allen: Menschen haben Angst aufgrund der Krankheit, sind durch die Ausnahmesituation und vielfältigen Einschränkungen stark belastet und obendrein verunsichert, weil sich nicht nur Erkenntnisse zur Krankheit und ihrer Ausbreitung ständig weiterentwickeln, sondern auch Regeln sich häufig und außerdem regional unterschiedlich verändern. Das ist der ideale Nährboden für Fakenews aller Art. Als nun Bundesgesundheitsminister Jens Spahn relativ kurzfristig versuchte, das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite um einen Passus zur Einführung eins Covid-19-Immunitätsnachweises zu erweitern, kochte die Suppe aus Falschmeldungen, veralteten Meldungen und absurden Verschwörungstheorien über, die weit über das Thema Immunitätsnachweis hinausgingen.
Oft wurde behauptet, im neuen Gesetz sei auch eine Impfpflicht verankert. Allerdings ist eine Impfpflicht mit der aktuell zu beschließenden Regelung trotz weitverbreiteter Behauptungen im Internet keineswegs im Gesetz vorgesehen. Ob es besondere Regeln geben soll, wenn ein Impfstoff in Deutschland verfügbar wird (was auch noch bis ins Jahr 2021 dauern kann), ist komplett unbekannt. Aber egal wann ein Impfstoff zur Verfügung stehen sollte, werde ich mich dafür einsetzen, dass Impfungen freiwillig bleiben. Ich bin auch zuversichtlich, dass es dafür eine klare Mehrheit im Bundestag geben wird, sollte es zu gegebener Zeit eine Debatte zur Covid-19-Impfpflicht geben.
Und was ist mit dem Immunitätsnachweis, dem sogenannten “Corona-Pass”? Aufgrund anhaltender Kritik nicht zuletzt von den LINKEN erklärte sich Jens Spahn zuerst dazu bereit, seine Idee eines Corona-Covid-19-Passes an den Deutschen Ethikrat zu übergeben, schließlich gehen weitreichende ethische Fragen damit einher. Aber dann musste er sein Vorhaben gänzlich auf Eis legen, es wird also nicht nur keine Impfpflicht im Gesetz drin sein, sondern auch kein Immunitätsnachweis.
In der Linksfraktion werden wir dieses Thema aber auch künftig im Auge behalten, denn als Opposition nehmen wir unsere Verantwortung hier sehr ernst. Jede Art von Immunitätsnachweis lehnen wir strikt ab. Obwohl das Vorhaben komplett aus dem Gesetzentwurf geflogen ist (was manche Quellen im Internet leider ebenfalls verschweigen oder absichtlich ignorieren), möchte ich mich gerne dazu äußern.
Der Immunitätspass sollte offensichtlich mit dem Ziel eingeführt werden, das wirtschaftliche Leben wieder anzukurbeln und einige Freiheitsrechte daran zu knüpfen. Doch damit würde er untergraben, was letztlich der Schlüssel für den erfolgreichen Kampf gegen das Virus ist: die Solidarität der Menschen untereinander und die breite gesellschaftliche Akzeptanz der Einschränkungen. Er würde auch völlig falsche Anreize setzen, denn wenn ein neuer Job, mehr Reisefreiheit oder der Besuch einer Veranstaltung an das Vorhandensein eines solchen Immunitätspasses geknüpft werden würde, wäre es nicht unwahrscheinlich, dass Menschen sich absichtlich infizieren, um weniger Nachteile zu haben. Gerade Geringverdienende in Kurzarbeit könnten hier unter Druck stehen, vielleicht sogar ausgeübt von ihren Arbeitgebern. Sie würden damit nicht nur ihre eigene Gesundheit und die ihrer Angehörigen und Kontakte gefährden, sondern auch der unkontrollierten Ausbreitung der Pandemie Vorschub leisten, was am Ende zu noch stärkeren Einschränkungen für alle und zum Kollaps des Gesundheitssystems führen könnte.
Deshalb bin ich, sind wir alle in der Linksfraktion strikt gegen einen solchen Pass, der diskriminieren und die Gesellschaft spalten würde, die Gesundheit vieler Menschen gefährdet und letztlich kontraproduktiv für die Bekämpfung des Covid-19-Ausbruchs ist. Wir lehnen den Immunitätspass daher entschieden ab.
Weil viele Menschen Maßnahmen wie Impfzwang und Immunitätspass befürchten, die von fragwürdigen Quellen im Internet als “Fakt” verbreitet wurden , aber gar nicht vom Bundestag verabschiedet werden, möchte ich noch eine Bitte äußern: bitte informieren Sie sich gerade bei diesem wichtigen Thema stets aus verschiedenen Quellen und möglichst immer wieder neu . Denn zur Zeit finden unglaubliche Falschnachrichten per Video, Whatsapp Nachrichten, Kettenbriefen und auf dubiosen Internetseiten Verbreitung, die vielen Menschen Angst machen – zum Beispiel vor vermeintlicher Impfung per Zwang, vermeintlichen elektronischen Zwangs-Identifkations-Chips oder vor Fremdsteuerung der Regierung, der Medien und der Charité durch einzelne Milliardäre aus dem Ausland – das alles ist Unsinn und hat nichts mit der Realität zu tun. Solche Nachrichten haben auch nur das Ziel, zu spalten und uns gegeneinander aufzuwiegeln, und am Ende unsere Demokratie zu gefährden und unser Land in Aufruhr zu versetzen. Als gute Anlaufstellen um fragwürdige Behauptungen auf ihre Echtheit zu prüfen, kann ich den Faktenfinder der Tagesschau oder mimikama empfehlen.
Last but not least: ich bin bestimmt kein Fan der aktuellen Bundesregierung, aber ich bin ein Fan unseres Grundgesetzes, weil es uns in der Praxis vor genau den Dingen schützt, die bestimmte Falschnachrichten als Fakt verbreiten – zum Beispiel die Verletzung des privaten Wohnraumes für eine Zwangsimpfung, die völlig unvereinbar wäre mit dem deutschen Rechtssystem. Wer behauptet, so etwas gäbe es oder wird es in demnächst geben, der lügt und jede*r sollte sich fragen, warum ein Mensch das macht und mit welchem Motiv. Wir alle haben eine große Verantwortung, denn wenn wir Nachrichten mit solchen falschen, aber angstmachenden Botschaften verbreiten, können irgendwann aufrührerischen Worten auch Taten und Gewalt folgen, das haben wir schon bei den Rechtsextremen so erlebt. Unsere Demokratie sollten wir deshalb gemeinsam schützen und gegen Angriffe verteidigen, denn wer etwas gegen die Demokratie als solche hat, der wird jede Gelegenheit nutzen, sie zu beschädigen. Eine lebendige Debatte mit unterschiedlichen Meinungen schließt das kein bisschen aus, auch das wird nur behauptet – im Bundestag erlebe ich eine sehr große Bandbreite politischer Meinungen – das ist gelebte Demokratie und ich bin froh, dass wir so haben.