Der zweite Tag unserer Delegationsreise begann um 7:00 Uhr mit einer zweieinhalbstündigen Busfahrt nach Koforidua, nordwestlich von der Hauptstadt Accra. Wir besuchten dort eine Berufsschule und die Technische Universität.
Die Berufsschule wurde 1960 gegründet, mit Ausbildung für Metall- und Holzverarbeitung, heute kann man 14 Berufe erlernen, unter anderem Mode-Design, Catering, Kfz-Mechanik, Gas- und Wasserinstallation, Elektrik oder Buchhaltung.
Das Management möchte die deutschen dualen Berufsausbildung kopieren. Die praktische Ausbildung findet wie bei und in Ausbildungsbetrieben statt. Sie macht ungefähr 80% aus, die übrigen 20% sind Theorie, die im Institut vermittelt wird. Deutschland unterstützt die Ghana Skills Development Initiative mit Fördermitteln. Für Deutschland ist ein Ziel (unter anderem) die Beschäftigung von Abgeschobenen zu erhöhen. Aber natürlich geht es nicht nur um diese Zielgruppe, sondern generell darum, das formelle Ausbildungsniveau zu erhöhen.
Es gibt sehr viele junge Menschen in Ghana, viele haben eine gute Schulbildung, aber die Berufsausbildung für klassische Berufe ist eher informell, die Qualität sehr unterschiedlich. Das Institut kooperiert mit Industrieverbänden, um auch das Richtige auszubilden, und sorgt für allgemeine Prüfungen, nach deren Bestehen man ein international anerkanntes Zertifikat erhält. Auch in Deutschland sollen diese Zeugnisse anerkannt sein.
Wir besichtigten die Werkstätten für Elektriker, Kfz-Mechaniker, Schneiderei. In andere Räume konnten wir zumindest hinein gucken, und uns in eine andere Zeit hinein versetzen. Die hölzernen Schultische, bei denen Tischplatte und Sitzfläche miteinander verbunden sind, erinnern ein bisschen an Schulen aus der Vorkriegszeit. Nach deutschen Standards wirkt das Institut etwas heruntergekommen, aber dennoch hat man sehr hohe Ansprüche und ist auch stolz auf die Ausbildung, die man leistet. In dem grünen Gelände blühen viele Bäume und auch Eidechsen fühlen sich wohl.
In der Kfz-Werkstatt der Schule waren nur wenige Berufsschüler*innen da, alle anderen waren in ihren Ausbildungsbetrieben. Die restlichen haben offenbar gerade Ferien. Naturgemäß standen sehr viele Motoren herum, aber auch spezielle Ausbildungsdisplays, die das Innere von Bremssystemen oder Einspritzpumpen erklären.
Sowohl bei den Kfz-Mechanikern als auch in der Elektrik-Werkstatt gab es ein dichtes Nebeneinander aus modernen Ausbildungseinrichtungen und aus unserer Sicht veralteter Technologie.
Andererseits fahren hier auf den Straßen ja auch viele ältere Autos herum, vielleicht funktioniert das dann ja doch. Hochmotiviert waren auf jeden Fall sowohl die Auszubildenden, als auch ihre Ausbilder, von denen einer sehr stolz erzählte, dass er seine Ausbildung in den achtziger Jahren in Deutschland erworben hat.
In der Schneider*innenwerkstatt waren einige besondere Hüte, allesamt das Werk von Auszubildenden ausgestellt. Einen habe ich mir mal aufgesetzt, und mich vorübergehend von meinem roten Hut getrennt. Ich musste ziemlich lachen dabei, denn der Hut war sehr schwer und obwohl mein Kopf sehr klein ist, passte er einfach nicht drauf. Hätte ich ihn nicht festgehalten, wäre er herunter gefallen (Artikelbild).
Trotzdem war er sehr schön und wie die anderen Werke der Auszubildenden sehr farbenprächtig. Hergestellt wurde alles mit handbetriebenen Nähmaschinen, die an die alten deutschen Singer-Nähmaschinen erinnern, aber alle aus China stammen. Neben Hüten und Kleidungsstücken wurden auch Perlenschmuck und Plüschpantoffeln hergestellt. Sie ermöglichen den Auszubildenden, später als Selbstständige ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
An der Technischen Universität von Koforidua wurden wir mit Tanz und Musik empfangen, unterhielten uns dann mit Vertreter*innen verschiedener Fachbereiche und besuchten zuletzt ein Entrepreneurship-Zentrum der TU, in dem Student*innen lernen, wie man mit kreativen Small Businesses Geld verdienen kann: Pilzzucht im Minisack, Saftkreationen z.B. Ananas mit Ingwer, Taschen aus farbenfrohen Wachsdruckstoffen, Perlenschmuck und Grillspieße aus selbstgezüchteten Pilzen.
Mit der Ingenieursfakultät werde ich in Kontakt bleiben, ich fragte nämlich, ob es einen Makerspace gibt und vor allem 3D-Drucker. Die Antwort war Nein. Man hätte aber eine Kooperation mit der Uni in Gießen und könnte dort (theoretisch) 3D Modelle als Datei hin mailen u es dort ausdrucken lassen. Ich habe erzählt, wie preiswert es gute Drucker bereits gibt und zeigte anhand von Instafotos, was man alles cooles damit herstellen kann, von Prototypen bis Zahnrädern. Das will man jetzt auch machen.
Aber hinter dem Mond ist die TU keineswegs, ihre Studis haben beispielsweise ein Bamboo-Bike entwickelt, das ein eBike ist – aber viel leichter, als Metall-eBikes. 8000 Student*innen studieren dort, man kooperiert weltweit mit Universitäten, fünf davon in Deutschland.
Karte
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[leaflet-marker lat=6.064542 lng=-0.262761]Technische Universität von Koforidua[/leaflet-marker]