Gestern wurde erst bekannt, dass die Wohnungen von Aktiven im Vorstand des Vereins „Zwiebelfreunde“ in mehreren Städten durchsucht wurden, und am Abend gab es eine Hausdurchsuchung im Kulturzentrum „Langer August“ in Dortmund. Auf den ersten Blick hat das eine mit dem anderen nichts zu tun, aber schon beim zweiten fällt auf, dass es in beiden Fällen um Initiativen geht, die sich für den Schutz von Privatsphäre und Grundrechten einsetzen.
Die „Zwiebelfreunde“ setzen sich für technische Lösungen zur Anonymisierung ein und sammeln auch Spenden.
Besonders absurd ist in diesem Fall, dass gegen die Durchsuchten offenbar gar nicht ermittelt wird: Sie sind lediglich Zeugen in einer Ermittlung gegen Betreiber einer Website, die zu Protesten gegen den AfD-Parteitag vergangene Woche in Augsburg aufgerufen hatte.
Dort war eine Mailadresse angegeben, deren unkommerzieller Provider Riseup.net in den USA ist, und für die die „Zwiebelfreunde“ schon Spenden gesammelt hatte. Mehr an den Haaren herbeigezogen kann ein Vorwurf eigentlich nicht sein! Aber selbst wenn die „Zwiebelfreunde“ sich als Zeugen eignen würden: Eine Hausdurchsuchung und die Beschlagnahmung von Hardware sind offensichtlich unbegründet und auch völlig unverhältnismäßig.
Im zweiten Fall wurde ein Kulturzentrum durchsucht, in dem u.a. der lokale Ableger des Chaos Computer Clubs seine Räume hat, aber auch ein Wissenschaftsladen, der den unkommerziellen Webhosting-Service free.de betreibt, ein Treffunkt für Lesben und Schwule und ein Verein von Kriegsdienstgegner*innen – obwohl der Durchsuchungsbeschluss nur für den Betreiber von free.de ausgestellt war. Überall wurden Türen aufgebrochen, mit gezogenen Waffen wurden Räume durchsucht, die mit dem Ziel der dortigen Ermittlungen ebenfalls nichts zu tun hatten. Bei der Ermittlung geht es um eine bei free.de gehostete Website mit angeblich geheimen Informationen. Mitbetroffen sind eine Reihe anderer Projekte, die ebenfalls von free.de gehostet werden, zum Beispiel das Freie Radio FSK in Hamburg.
Zuständig für diese Durchsuchung war die Abteilung „Cybercrime“ der Staatsanwaltschaft in Köln und das ist ein wirklich bedenkliches Zeichen, denn unter „Cybercrime“ stellen sich die meisten wohl etwas ganz anderes vor: Gefährliche Hacker, die die Sicherheit des Landes bedrohen, Atomkraftwerke lahmlegen oder Geld erpressen.
Ich bin erschüttert, dass in beiden Fällen gegen Aktive vorgegangen wird, die sich für Meinungsfreiheit und Bürgerrechte engagieren. Ich bin sicher, dass die Ermittlungen gegen sie ins Leere laufen werden. Gleichzeitig sind sie aber ihrer Arbeitsgrundlage beraubt, was auch mit hohen Kosten verbunden ist, die ihnen niemand ersetzen wird.
Es ist wichtig, dass es weiterhin sichere und nicht-kommerzielle Provider gibt, denn zur freien Kommunikation gehört die Sicherheit, nicht überwacht zu werden. Das darf nicht kriminalisiert werden, denn der Schutz der Privatsphäre ist ein Grundrecht und kein Verbrechen.