Über den derzeitigen Stand bei der Entwicklung von Quantencomputern hat der Ausschuss Digitale Agenda unter Vorsitz von Hansjörg Durz (CDU/CSU) am Mittwoch, 6. Juni 2018, mit sieben geladenen Experten diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass derzeit noch nicht absehbar ist, wann es den ersten leistungsfähigen Quantencomputer geben wird, der statt mit Bits mit sogenannten Qubits arbeitet, die sich nicht nur in einem Zustand – Null oder Eins – befinden können, sondern in beiden gleichzeitig, und daher deutlich komplexere Rechnungen vornehmen können als klassische Computer. Neben großen Möglichkeiten etwa bei der Entwicklung von neuen Stoffen und Chemikalien seien aber auch Gefahren – etwa für die IT-Sicherheit – mit dem Quantencomputer verbunden, hieß es von den Experten.
Dr. Stephan Ritter vom Unternehmen Toptica Photonics sagte, die Herausforderung bestehe unter anderem darin, Atome und Ionen, die lange Zeit noch nicht einmal beobachtet werden konnten, vollständig unter Kontrolle zu bekommen, um sie als Qubitseinsetzen zu können. „Einfach ausgedrückt besteht der Vorteil des Quantencomputers gegenüber dem klassischen Computer darin, dass er nicht kapituliert, wenn das zu berechnende System groß wird“, sagte Ritter. Die möglichen Anwendungsgebiete reichten von der Entwicklung neuer Medikamente und neuer Materialien bis hin zur Steuerung des Verkehrsflusses und in den Bereich des autonomen Fahrens.
„Gefahr für die IT-Sicherheit“
Man sei derzeit in einem Stadium, „der der klassischen Computerei der 1950er-Jahre ähnelt“, sagte Prof. Dr. Frank Wilhelm-Mauch von der Universität des Saarlandes. Auf der experimentellen Seite gebe es eine Reihe von Hardwareplattformen. Im Augenblick seien Quantenprozessoren mit bis zu 20 Qubits – die einem Megabyte eines klassischenComputers entsprächen – über die Cloud zugänglich. Ab etwa 50 Qubits könne der Quantenvorteil erreicht werden, also der Punkt, an dem dieser Quantencomputer nicht mehr durch die größten klassischen Supercomputer simuliert werden kann, sagte Wilhelm-Mauch.
Auf die Gefährdung der IT-Sicherheit durch Quantencomputer wies Prof. Dr. Marian Margraf von der Freien Universität Berlin hin. Nahezu alle der heutzutage zur Verschlüsselung eingesetzten kryptografischen Verfahren können seiner Aussage nach durch Quantencomputer ausgehebelt werden. Auch wenn heute noch niemand sagen könne, wann es Quantencomputer geben wird, müsse schon jetzt damit begonnen werden, „entsprechende andere Algorithmen zu entwickeln“. Margraf forderte, in die Erforschung der sogenannten quantencomputerresistenten Kryptoverfahren viel mehr Finanzmittel zu investieren.
„Größte Revolution in der Informationsverarbeitung“
Quantencomputer stellten die größte Revolution auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung dar, „seitdem wir damit angefangen haben, Steinchen zu zählen“, sagte Prof. Dr. Hendrik Bluhm von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Was die Forschung in dem Bereich angeht, so ist aus seiner Sicht in Deutschland und Europa eine sehr hohe Kompetenz vorhanden. Die Technologieentwicklung stehe aber hinter der in den USA zurück. Dennoch seien inzwischen durch verschiedene Programme auf EU-Ebene aber auch in Deutschland „die Weichen gestellt, dies zu ändern“, sagte er.
Prof. Dr. Dr. h. c. Johannes Buchmann von der Technischen Universität Darmstadtging auch auf das Thema IT-Sicherheit ein und sagte, die Quantenkryptografie könne einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Systeme zu entwickeln, die sehr langfristig sicher seien. Entsprechende Experimente gebe es schon, betonte er.
„Ingenieurwissenschaftliche Meisterleistungen benötigt“
Anders als Quantencomputing sei Quantenkommunikation jetzt schon möglich, sagte Prof. Dr. Stephanie Wehner von der Universität Delft in Holland. Bis 2020 wolle man in Delft ein Netzwerk bauen, das kleine Quantencomputer in verschiedenen Städten miteinander verbindet.
Prof. Dr. Winfried Hensinger von der University of Sussex in Großbritannien verwies auf einen gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern verschiedener Universitäten verfassten Bauplan, wonach es möglich sei, „einen großen leistungsfähigen Quantencomputer mit Millionen oder Milliarden von Qubits zu bauen“. Benötigt würden dafür aber „ingenieurwissenschaftliche Meisterleistungen“ und die Unterstützung durch die Politik, sagte Hensinger. (hau/07.06.2018)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Dr. Stephan Ritter, TOPTICA Photonics AG
- Prof. Dr. Frank Wilhelm-Mauch, Universität des Saarlandes
- Prof. Dr. Marian Margraf, Freie Universität Berlin
- Prof. Dr. Hendrik Bluhm, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
- Prof. Dr. Dr. h. c. Johannes Buchmann, Technische Universität Darmstadt
- Prof. Dr. Stephanie Wehner, QUTech, Delft University of Technology
- Prof. Dr. Winfried Hensinger, University of Sussex
Text von Online-Dienste Deutscher Bundestag