Meine Rede im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Als Netzaktivistin habe auch ich große Probleme mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz; dennoch kommen wir als Linksfraktion zu ganz anderen Schlussfolgerungen als AfD und FDP, die die vollständige Abschaffung des Gesetzes fordern. Ich möchte unsere Kritikpunkte kurz ansprechen:
Wir sehen immer noch die Gefahr der Privatisierung der Rechtsdurchsetzung; denn auch eine regulierte Selbstregulierung ist kein Bestandteil der deutschen Justiz. Hinsichtlich der behaupteten Neutralität dieses Gremiums würde ich schon gern wissen, wer eigentlich bestimmt, welche Mitglieder darin sitzen, wer sie bezahlt und wer es kontrolliert.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sehen weiterhin, nach wie vor, auch das Risiko der Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die Gefahr des Overblocking. Es ist schlicht auch eine Frage der Größenordnungen. Facebook hat 31 Millionen aktive Nutzer in Deutschland. Als profitorientiertes Unternehmen hat es da genau zwei Möglichkeiten, das Problem von Meldungen zu lösen: Entweder entscheidet Software, eine künstliche Intelligenz, oder es entscheiden schlechtbezahlte Menschen mit minderer juristischer Qualifikation, und zwar im Akkord. Beides muss zwangsläufig zu Overblocking führen, zum Löschen von Inhalten, die überhaupt nicht gemeint waren.
Wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz mit seinen schwammigen Formulierungen hat auch der Gesetzentwurf der AfD sehr starke handwerkliche Fehler; denn er fordert die Zurücksetzung des Telemediengesetzes auf den Stand vom 30. September und würde damit durch die Hintertür die Abschaffung der Störerhaftung rückgängig machen. Offene WLANs wären dann wieder von Abmahnungen bedroht, und das will echt keiner.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir halten das Gesetz aber auch für ineffektiv; denn zum Beispiel auf der russischen Plattform VKontakte gibt es schon seit 2013 für den – Selbstbeschreibung – „Fall der Fälle“ eine offizielle Gruppe der AfD, deren User angeben, dass sie wegen Sperrungen auf Facebook dort sind. Bleibt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in seiner Fassung unverändert, wird dort bald sehr viel mehr los sein; denn das Netzwerkdurchsetzungsgesetz greift dort und auf anderen Plattformen nicht. Der Hass zieht einfach um.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Gesetz ist außerdem ein Ablenkungsmanöver; es soll von staatlichem Versagen ablenken. Ich zitiere aus einer Hassnachricht an mich:
Du Fischvotze! Lass Dich vom Nigger totficken und Deine Familie gleich mit. Unwertes Leben wie Dich braucht niemand.
Ich hatte sie vor über einem Jahr angezeigt – ohne Ergebnis. Als Feministin mit linkem Wertegerüst fühle ich mich als Freiwild, weil Justiz und Ermittlungsbehörden flächendeckend versagen – nicht weil ein Posting nicht schnell genug gelöscht worden ist. Ich vermisse eine Initiative der Bundesregierung zur Aufstockung und Ausbildung von Personal bei Ermittlungsbehörden.
An effektiverer Strafverfolgung hat die AfD jedenfalls kein Interesse; sonst stünde dazu etwas in ihrem Gesetzentwurf, und sonst hätte ihr allseits berüchtigter Spitzenpolitiker Höcke nicht in einer internen Mail von 2015 die Legalisierung folgender Straftatbestände gefordert: Volksverhetzung, Aufruf zur Gewalt, Verbreitung von Propagandamitteln verbotener Parteien und das Leugnen der Verbrechen des Nationalsozialismus. Die AfD hängt sich ein liberales Deckmäntelchen um, damit Hass im Netz weiter wirkt.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deshalb bitte ich Sie um Ablehnung des Gesetzentwurfs der AfD und um Zustimmung für den alternativen Vorschlag der Linksfraktion, der die schädlichen und ineffektiven Bestandteile des NetzDG wie genaue Löschvorgaben und damit verbundene Bußgelder aufhebt, alle sinnvollen Bestandteile wie Benennung zustellfähiger Ansprechpartner sowie Berichts- und Beschwerdeprozesse aber beibehält, was die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben erleichtert, ohne Grundrechte zu verletzen.
Lassen Sie uns zusätzlich demokratische Kräfte und politische Bildung stärken und mit der Zivilgesellschaft nach Lösungen suchen, die dazu beitragen, dem Hass in unserer Gesellschaft den Boden zu entziehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)