Die großen Digitalunternehmen sind kaum noch zu kontrollieren. Sie zahlen fast keine Steuern und verhindern, dass Konkurrenz entstehen kann. Eine Digitalsteuer ist auch gescheitert. Die Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene für stärkere Regulierung einsetzen und dafür sorgen, dass Start-ups bessere Startbedingungen haben. Die Linksfraktion setzt sich für die Förderung von sozialen Innovationen ein, z.B. durch einen Fonds.
Text der Rede
Die FDP beschreibt in ihrem Antrag sehr richtig die unvorstellbare Marktdominanz digitaler Weltkonzerne und die negativen Folgen der Laissez-Faire Politik.
Man ließ sie immer weiter expandieren und Unternehmen in Größenordnungen bilden, die es noch nie zuvor gegeben hat. Facebook, ein Gigant mit über 2 Mrd Nutzer*innen, durfte Whatsapp und Instagram kaufen, und so seine weltmarktbeherrschende Stellung weiter ausbauen, noch mehr Daten sammeln, noch mehr Werbedollars einkassieren.
Diese Firmen kaufen Unternehmen nicht nur auf, um größer zu werden, sondern auch, um ihre Konkurrenz zu eliminieren. Sie verzerren auch den Wettbewerb, in dem sie astronomische Gehälter an Toptalente zahlen, die sie auf der ganzen Welt wie mit einem Riesenstaubsauger einsammeln, denn wer für Amazon oder Google arbeitet, entwickelt kein Produkt mehr für die Konkurrenz.
Das alles können sie sich leisten, denn am nötigen Kleingeld mangelt es nie. Schließlich sind nicht nur die Konzerne groß, sondern auch die Steuerschlupflöcher. Der Durchschnittssteuersatz der Tech-Giganten liegt in Europa unter 10%. Sascha Lobo findet für ihre Praxis der systematischen Steuervermeidung in seinem gestrigen Spiegel-Online Artikel klare Worte, er nennt sie „massive Arschlochkultur der Digitalkonzerne“.
Man mag diese Worte unangemessen finden, aber wenn man im gleichen Artikel liest, dass Google 2017 Finanzmittel in Höhe von 20 Milliarden Euro von Europa auf die Bermuda Inseln transferieren konnte, ohne auch nur 1 Eurocent Steuern zu zahlen, dann liegen einem noch ganz andere Begrifflichkeiten auf der Zunge.
Mit ihrer erpresserischen Macht und einem Heer an Lobbyisten wickeln diese Unternehmen ganze Staaten um ihre Finger und nehmen Einfluss auf die Politik. Deshalb zahlt Amazon auch zuhause keine Steuern: 2018 bekam das Unternehmen bei 11 Milliarden Dollar Gewinn noch einen dreistelligen Millionenbetrag von der US Regierung erstattet.
Eine europäische Digitalsteuer sollte der Steuerflucht ein Ende bereiten. Ihre erste Version zielte auf Online Umsätze am Ort des Einkaufs ab. Wer also an seinem Küchentisch in Brandenburg bei Amazon ein Produkt gekauft hätte, für dessen Umsätze hätte Amazon an Deutschland zahlen müssen.
Leider gab es dafür keine Mehrheit in der EU. Eine neue Variante sollte nicht mehr Online Umsätze, sondern nur noch Online-Werbeeinnahmen versteuern. Doch selbst diese Mini-Digitalsteuer ist seit vorgestern vom Tisch und damit leider auch mehr Fairness in der digitalen Wirtschaft.
Neue Steuern fordert die FDP natürlich nicht, das wäre bei ihrem Profil wohl auch etwas zu viel verlangt, aber immerhin fordert sie die Bundesregierung auf,
- digitalen Plattformen die Monopolbildung zu erschweren,
- Kartellbehörden besser auszustatten,
- den Bundestag stärker an der Ausarbeitung eines modernen Wettbewerbsrechts zu beteiligen,
- aber auch kleinen Unternehmen und Start Ups die Existenz zu erleichtern, etwa durch Zugang zu Kapital und weniger Bürokratie.
Aber so sinnvoll diese Vorschläge sind, bleiben sie doch oberflächlich. Längst braucht es radikalere Ansätze.
Elizabeth Warren, US Senatorin und demokratische Herausforderin von Präsident Trump, macht dazu bessere Vorschläge, die deutlich weniger schüchtern sind, als die der FDP:
- Da fast die Hälfte des eCommerce über Amazon erfolgt und über 70% des gesamten Internetverkehrs entweder über Google oder Facebook, fordert sie die Zerschlagung von Amazon, Google und Facebook und die Rückabwicklung der umstrittenen Fusionen, wie die zwischen Facebook und Whatsapp oder zwischen Google und Nest.
- Warren fordert ein gesetzliches Verbot, nach dem große Plattform Unternehmen und ihre Beteiligungen nicht mehr auf der eigenen Plattform zum Anbieter werden dürfen. Es dürfte also weder Amazon noch ein Unternehmen, an dem Amazon Anteile hält, auf der Amazon Online Handelsplattform irgendwelche eigenen Geschäfte tätigen.
- Zu diesen Plattformen zählt Warren z.B. die Google Suche und den Amazon Marketplace.
- Sie sollen den Status einer digitalen Basis-Infrastruktur erhalten, die neutral, fair und zu angemessenen Preisen allen Nutzer*innen zur Verfügung stehen muss. Das Teilen von Nutzerdaten mit Dritten soll solchen Plattform-Unternehmen untersagt werden.
- Verstöße gegen diese Vorgaben sollen mit hohen Sanktionen belegt werden.
Alles das finden wir richtig und da offen ist, ob Elisabeth Warren ihre Ideen umsetzen kann, fordert meine Fraktion die Bundesregierung dazu auf, ihr Gewicht bei der EU dafür einzusetzen, derartige Regulierungen auch in Europa anzustoßen.
Wenn wir faire Zukunfts-Chancen für unsere Startups und kleinen Unternehmen in der Digitalen Wirtschaft wollen, müssen wir aber auch endlich für digitale Infrastrukturen und Kompetenzen sorgen.
Mit anderen Worten: her mit dem schnellen Glasfaser- und Mobilfunknetz – aber zu Preisen, die sich auch Startups leisten können. Es kann nicht sein, dass ein 10 Gigabit-Breitbandanschluss wie ihn Digital-Start-ups brauchen können, in Schweden für 50 Euro zu haben ist und bei uns 10.000 Euro kostet. Außerdem braucht es ein Bildungssystem, das der digitalen Gesellschaft angemessen ist, hinsichtlich Ausstattung, Methodik und Inhalten.
Last but not least fehlen faire Chancen auch für digitale Sozialunternehmen, die es leider nicht nur bei Venture Capitalisten schwerer haben, an Finanzierung zu kommen, sondern auch kaum von staatlichen Fördergeldern profitieren. Da bei Sozialunternehmen aber der gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund steht, sollten sie gerade im digitalen Bereich stärker berücksichtigt werden.
Ich wiederhole daher die Forderung der Linksfraktion nach einem Social Innovation Fonds der Bundesregierung.
Im übrigen bin ich der Meinung, dass Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nichts im Strafrecht verloren haben, Par. 219a gehört abgeschafft.