Sehr geehrter Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Nach 20 Jahren in der IT-Branche und als Netzaktivistin beschäftige ich mich schon ein bisschen länger mit der Zukunft; aber die Zukunft steht nicht fest. Ob sie ein Gruselfilm wird oder nicht, hängt davon ab, wie wir heute politische Entscheidungen treffen. Da bin ich ganz beim Antrag der Grünen; denn viel zu lange hat die Bundesregierung offensichtlich planlos die Gestaltung der digitalen Gesellschaft verpennt. Es braucht endlich eine ganzheitliche, positive Vision der digitalen Gesellschaft von morgen und eine Digitalisierungsstrategie im Sinne des Gemeinwohls.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sieben Schwerpunkte – aus meiner Sicht – für diese Digitalisierungsstrategie möchte ich kurz vorstellen:
Erstens. Der schnelle Internetzugang muss Grundrecht werden und Teil der Daseinsvorsorge – über Glasfasernetze bis ins letzte brandenburgische Dorf.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Privatsphäre braucht Zukunft. Deshalb muss der Staat Verschlüsselungen fördern und darf nicht selbst zum Hacker werden, der Sicherheitslücken ausnutzt, statt sie zu schließen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Drittens. Staatliche Förderungen darf es nur noch für enkeltaugliche, gemeinwohlorientierte Zukunftstechnologien geben, aber nicht für die Verlängerung veralteter Geschäftsmodelle. „Zukunft statt Dinosaurier“ heißt das Motto, und in der Praxis heißt das: Ladeinfrastrukturen für E-Autos statt Diesel, Speichertechnologien für erneuerbare Energien statt Braunkohle, Glasfaser statt Kupfer.
(Beifall bei der LINKEN)
Viertens brauchen wir ein Bildungssystem, das lebenslangen Zugang zu Bildung ermöglicht. Junge wie ältere Menschen müssen wir so ausbilden, dass sie die Zukunft mitgestalten können und sich in einer digitalisierten Welt zurechtfinden, unabhängig von ihrem Geldbeutel.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Fünftens müssen wir die digitale Revolution auch für eine demokratische Revolution nutzen: Transparenz und Partizipation müssen endlich Grundprinzipien staatlichen Handelns werden.
Sechstens brauchen wir einen Ethik- und Wertekonsens. Wo ziehen wir rote Linien, und wie setzen wir sie um: bei autonomen Waffensystemen, Sexrobotern in Kinderform, diskriminierenden Systemen künstlicher Intelligenz oder bei Designerbabys, die mit genverändernden Technologien entstehen könnten?
Siebtens. Vor allem aber muss die digitale Revolution mit einer sozialen Revolution verknüpft werden. Nicht nur prekär Beschäftigte in der Digitalwirtschaft gilt es abzusichern, auch die 800 000 Berufskraftfahrer in Deutschland, die durch autonome Autos ersetzt werden – in 10, vielleicht auch erst in 20 Jahren, aber wir werden es noch erleben.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In China gibt es schon dunkle Fabriken, in denen der letzte das Licht ausgeknipst hat, weil dort nur noch Roboter arbeiten, die kein Licht mehr brauchen. Adidas plant übrigens eine solche Fabrik in Deutschland. Vollbeschäftigung als langfristiges Ziel ist Selbstbetrug; denn Millionen Arbeitsplätze werden verschwinden. Stellen wir aber die politischen Weichen klug, heißt das: endlich kürzere Wochenarbeitszeiten bis hin zur Befreiung vom Zwang, die eigene Arbeitskraft zu verkaufen, also mehr Freiheit und mehr Freizeit für uns alle.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Weil aber Freizeit ohne Geld auch nicht glücklich macht, müssen wir staatliche Einnahmen und Ausgaben anders verteilen. Roboter erhalten schließlich weder Lohn, noch zahlen sie Steuern oder Sozialbeiträge. Die gute Nachricht ist aber, dass die Wertschöpfung weiter steigt. Wir brauchen also nur neue Formen der Umverteilung, damit alle etwas davon haben,
(Manuel Höferlin [FDP]: Ja, mehr Umverteilung! Das richtige Buzzword!)
zum Beispiel Wertschöpfungsabgaben und Vermögensteuer auf der Einnahmenseite und neue Konzepte wie das bedingungslose Grundeinkommen auf der Ausgabenseite,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
dessen Tauglichkeit wir in einer Enquete-Kommission ernsthaft untersuchen sollten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn wir den Menschen die Angst vor der Zukunft nehmen wollen, brauchen wir ein soziales Sicherheitsnetz, das vor allem eins ist: sicher.
(Beifall bei der LINKEN)
Alles das und noch viel mehr gehört in eine nationale Digitalisierungsstrategie, wenn wir eine positive, sozial gerechte und enkeltaugliche Zukunft anstreben, vor der niemand Angst haben muss. Bei der Entwicklung dieser Strategie müssen wir aber junge Generationen einbeziehen; denn sie werden am längsten mit den Folgen leben müssen und verdienen schon deshalb endlich mehr Mitsprache.
Im Übrigen finde ich, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht ins Strafgesetzbuch gehören.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])